Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.08.2012, Az.: 12 LA 180/11

Notwendigkeit der Begründung ernsthafter Zweifel am Zugang eines Verwaltungsaktes für die Entkräftung der Bekannmachungsvermutung gem. § 41 Abs. 2 S.1 VwVfG i.R.e. Aufforderung zur Halterdatenänderung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
03.08.2012
Aktenzeichen
12 LA 180/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 21136
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2012:0803.12LA180.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 01.06.2011 - AZ: 5 A 2371/09

Redaktioneller Leitsatz

1.

Das schlichte Bestreiten des Adressaten, ein Verwaltungsakt sei ihm nicht zugegangen, reicht regelmäßig nicht aus, um die Zugangsvermutung des § 41 Abs. 2 S. 1 VwVfG zu entkräften. Erforderlich ist vielmehr eine substantiierte Darlegung von Umständen, die zumindest ernsthafte Zweifel am Zugang begründen.

2.

Die Behauptung des Adressaten eines Verwaltungsakts, ihn haben schon in der Vergangenheit einige Male Schreiben nicht erreicht, genügt nicht, um die Zugangsvermutung des § 41 Abs. 2 S. 1 VwVfG in Bezug auf den Verwaltungsakt zu entkräften.

Gründe

1

Anfang März 2009 erhielt die Beklagte Mitteilung von einer Kraftfahrzeugversicherung, dass das auf den Kläger zugelassene Kraftfahrzeug nicht mehr versichert sei, und bei dieser Gelegenheit ferner Kenntnis davon, dass der Kläger bei der Versicherung unter einer neuen Anschrift geführt wurde. Daraufhin forderte die Beklagte den Kläger mit Verfügung vom 13. März 2009 unter Fristsetzung auf, zur Vermeidung der zwangsweisen Stilllegung des Fahrzeugs entweder das Bestehen einer Versicherung nachzuweisen oder das Fahrzeug abzumelden bzw. dessen Veräußerung zu belegen. Mit weiterer Verfügung vom selben Tag forderte die Beklagte den Kläger ebenfalls unter Fristsetzung auf, die Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) zur Eintragung der geänderten Wohnanschrift vorzulegen. Nachdem der Kläger auf beide Schreiben nicht reagiert hatte, ordnete die Beklagte unter dem 25. März 2009 die zwangsweise Außerbetriebsetzung des nicht versicherten Fahrzeugs und zugleich die sofortige Vollziehung der Maßnahme an. Am 14. April 2009 ging bei der Beklagten ein Versicherungsnachweis für das Fahrzeug des Klägers für die Zeit ab 7. April 2009 ein. Mit Bescheid vom 8. Mai 2009 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass er die Aufforderung vom 13. März 2009, zwecks Eintragung der aktuellen Anschrift die Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) vorzulegen, nicht beachtet habe und drohte für den Fall, dass die Anschriftenänderung nicht bis zu der nunmehr gesetzten Frist vorgenommen sein sollte, die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 51,10 Euro an. Der Kläger machte daraufhin geltend, die Aufforderung zur Anschriftenänderung vom 13. März 2009 nicht erhalten zu haben, so dass es im Zeitpunkt der Zwangsgeldandrohung an einer vollstreckbaren Grundverfügung gefehlt habe.

2

Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2009 und damit gegen die Zwangsgeldandrohung gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem im Tenor bezeichneten Urteil, auf dessen Inhalt zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, abgewiesen.

3

II.

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) und des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) sind nicht hinreichend dargetan und/oder liegen nicht vor.

4

1. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind gegeben, wenn gewichtige gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen. Es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

5

Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht hätte erkennen müssen, dass die Aufforderung zur Halterdatenänderung ihm erst mit der Ablichtung des Bescheides vom 13. März 2009 unter dem 18. Mai 2009 bekannt gegeben worden sei, es also im Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Zwangsgeldandrohung am 8. Mai 2009 an einem zu vollstreckenden Grundverwaltungsakt gefehlt habe. Von einer früheren wirksamen Bekanntgabe des Bescheides vom 13. März 2009 könne gerade nicht ausgegangen werden, denn er habe substantiiert einen Geschehensablauf vorgetragen, mit dem er die Zugangsvermutung des § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG entkräftet habe. Das habe das Verwaltungsgericht verkannt. Das Vorbringen des Klägers ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung hervorzurufen.

6

Nach § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG, der gemäß § 1 NVwVfG hier Anwendung findet, gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 41 Abs. 2 Satz 3 VwVfG). Das bedeutet, dass die gesetzliche Bekanntgabevermutung dann nicht eingreift mit der Folge, dass die Behörde das Risiko der Nichterweislichkeit des Zugangs trägt, wenn berechtigte Zweifel daran bestehen, dass im konkreten Fall die auf der Erfahrung des täglichen Lebens beruhende Vermutung, dass eine gewöhnliche Postsendung den Empfänger binnen weniger Tage erreicht, zutrifft. Das schlichte Bestreiten des Betroffenen, der Verwaltungsakt sei ihm nicht zugegangen, reicht regelmäßig nicht aus, um die Zugangsvermutung des§ 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG zu entkräften. Vielmehr muss der Adressat sein Vorbringen nach Lage des Einzelfalls derart substantiieren, dass zumindest ernsthafte Zweifel am Zugang begründet werden.

7

Damit wird von dem Adressaten des Verwaltungsakts auch nicht etwas tatsächlich Unmögliches verlangt. Zwar kennt derjenige, dem ein Schriftstück nicht zugegangen ist, gewöhnlich die Umstände im Einzelnen nicht, die den Nichtzugang verursacht haben, er vermag jedoch Hinweise zu geben, die dafür sprechen können, dass (gerade) das streitige Schriftstück ihm nicht zugegangen ist. Das erfordert auch der gesetzliche Zweck der Regelung. Würde man nicht einmal verlangen, dass der Adressat seine Behauptung, das Schriftstück sei nicht bei ihm angekommen, hinreichend plausibel macht, sondern den bloßen Einwand des Nichterhalts genügen lassen, liefe die gesetzliche Regelung der Bekanntgabevermutung leer (so z.B. auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 41 Rn. 43).

8

Nach dem Gesamtbild der Aktenlage ist hier nicht hinreichend plausibel, dass der Kläger die Verfügung vom 13. März 2009 entgegen der Vermutung des § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG erstmals in der zweiten Hälfte des Mai 2009 erhalten hat. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zunächst darauf verwiesen, dass nach den Angaben der Beklagten die Aufforderung zur Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) am 13. März 2009 zusammen mit der den fehlenden Versicherungsschutz betreffenden Verfügung ebenfalls vom 13. März 2009 in einem gemeinsamen Umschlag und am selben Tag in die Hauspost gegeben worden und kein Grund zu erkennen sei, an der Richtigkeit dieser Angabe zu zweifeln. Für deren Richtigkeit sprächen auch die im Verwaltungsvorgang befindlichen Annahmeanordnungen vom 17. März 2009 für die mit den Verfügungen vom 13. März 2009 festgesetzten Verwaltungsgebühren. Das Verwaltungsgericht hat sich sodann mit dem Vorbringen des Klägers auseinandergesetzt, es sei bereits häufiger vorgekommen, dass die in den Briefeinwurfschlitz in der Eingangstür des von dem Kläger und zwei weiteren Mietparteien bewohnten Hauses eingeworfene Post von einer besonders eifrigen Mitmieterin in einem vermeintlich nur aus Werbung bestehenden Stapel entsorgt worden sei. Dieses Vorbringen hatte das Verwaltungsgericht schon in seinem in dem angegriffenen Urteil zitierten Beschluss vom 28. September 2009 - 5 A 2371/09 und 5 B 2688/09 - nicht als geeignet angesehen, die Behörde zum Nachweis des Zugangs zu verpflichten. Dass der Kläger die Grundverfügung seinerzeit erhalten habe, sei vielmehr daraus zu schließen, dass ihm das den Versicherungsschutz betreffende Schreiben vom 13. März 2009 zugegangen sei. Zwar habe er auch darauf nicht fristgerecht reagiert und es der zwangsweisen Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs bedurft, um den Kläger zum Nachweis der Versicherung zu bewegen. Jedoch habe er weder auf die Stilllegungsverfügung vom 25. März 2009 mit Gebührenfestsetzung noch auf die Mitteilung der Beklagten vom 18. Mai 2009 hin, dass doch beide Schreiben vom 13. März 2009 in demselben Umschlag versandt worden seien, geltend gemacht, das den Versicherungsschutz betreffende Schreiben nicht erhalten zu haben. Bei dieser Sachlage sei von einem Zugang beider Schreiben im März 2009 auszugehen. Ansonsten hätte es jedenfalls auf das Schreiben vom 18. Mai 2009 hin gegenteiliger Darlegungen des Klägers bedurft. Zutreffend habe die Beklagte im Übrigen darauf hingewiesen, dass ausweislich der Vermerke ihres Vollzugsdienstes die Stilllegungsverfügung vom 25. März 2009 durch Einlegen in den - angeblich nicht vorhandenen - Briefkasten des Klägers zugestellt worden sei und an fünf weiteren Tagen Nachrichten an diesem Briefkasten angebracht worden seien. Schließlich habe auch die Zwangsgeldandrohung problemlos durch "Einlegen in den Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung" zugestellt werden können. Eine andere Einschätzung sei auch nicht etwa deswegen geboten, weil der Kläger später geltend gemacht habe, auch die Aufforderung vom 13. März 2009, Versicherungsschutz nachzuweisen, und den durch Boten zugestellten Außerbetriebsetzungsbescheid vom 25. März 2009 nicht erhalten und die Haftpflichtprämie aufgrund einer Mahnung seiner Versicherung vom 13. Februar 2009 gezahlt zu haben. Bezeichnenderweise sei die Zahlung nämlich nicht innerhalb der mit der Mahnung durch die Versicherung gesetzten Frist von 2 Wochen nach Zugang des Schreibens erfolgt, sondern erst nach der zwangsweisen Außerbetriebsetzung seines Kraftfahrzeugs. Im Übrigen habe der Kläger nach Erhalt einer Mahnung der Beklagten vom 27. Mai 2009 wegen der durch die Stilllegungsverfügung veranlassten Verwaltungsgebühren unter dem 31. Mai 2009 bei der Beklagten Nachfrage gehalten, worum es sich handele. Daraufhin sei ihm unter dem 4. Juni 2009 mitgeteilt worden, dass nach Ausbleiben einer Reaktion auf die Aufforderung vom 13. März 2009, u.a. eine neue Versicherungskarte einzureichen, die Stilllegungsverfügung vom 23. März 2009 (gemeint offensichtlich: 25.3.2009) ergangen und am 26. März 2009 zugestellt worden sei. Hierauf habe sich der Kläger nicht geäußert. Das wäre jedoch zu erwarten gewesen, wenn er - wie behauptet - die Verfügungen vom 13. und 25. März 2009 nicht erhalten hätte.

9

Gegen diese auf zahlreiche Indizien gestützte differenzierte Begründung bringt der Kläger ausreichende Einwände nicht vor. Er wiederholt vielmehr seine Behauptung, dass ihn auch schon in der Vergangenheit einige Male Schreiben nicht erreicht hätten, wobei er nur die Vermutung äußert, dass der Verlust auf eine der anderen Mietparteien des Hauses zurückzuführen sein könnte. Jedenfalls habe sich das Schreiben der Beklagten vom 13. März 2009 nicht in seinem im Innenbereich angebrachten individuellen und zu seiner Wohnung gehörenden Briefkasten befunden. Das Vorbringen des Klägers erschöpft sich damit in der bloßen Vermutung, dass ein anderer Mieter das Schreiben der Beklagten zusammen mit Werbesendungen oder dergleichen "entsorgt" haben könnte. Diese Vermutung ist schon deswegen nicht überzeugend, weil jede der drei Mietparteien des Hauses schon aus eigenem Interesse darauf bedacht sein wird, unerwünschte Werbung von sonstigen an einzelne Empfänger gerichteten Postsendungen zu trennen. Dies gilt erst recht, wenn es in der Vergangenheit zu (entdeckten) "Fehlgriffen" gekommen sein sollte. Für den behaupteten Geschehensablauf müssten zumal angesichts des begrenzten und überschaubaren Kreises der Mieter jedenfalls konkrete Umstände vorgetragen und glaubhaft gemacht werden. Es ist jedoch nicht einmal vorgebracht worden, wann und gegebenenfalls welche Schreiben den Kläger aus den von ihm vermuteten Gründen in der Vergangenheit nicht erreicht haben. Ein derartiger Geschehensablauf ist auch nicht etwa durch eine entsprechende Erklärung eines anderen Mieters belegt und glaubhaft gemacht worden.

10

Mit Recht hat im Übrigen die Beklagte darauf aufmerksam gemacht, dass die Wirksamkeit einer Zustellung nicht etwa daran scheitert, dass ein amtliches Dokument in den in der Außentür eines Hauses befindlichen Briefschlitz eingeworfen wird, obgleich es sich um eine von drei Parteien gemeinschaftlich genutzte Vorrichtung handelt und sich auf der Innenseite der Tür keine geschlossene Auffangvorrichtung für die eingeworfene Post befindet. Das ist jedenfalls in den Fällen anzunehmen, in denen - wie auch hier - der Adressat seine Post typischerweise auf diesem Weg erhält und eine eindeutige Zuordnung des Einwurfschlitzes zum Empfänger möglich ist (vgl. BGH, Urt. v. 16.6.2011 - III ZR 342/09 -, BGHZ 190, 99).

11

2. Der Berufungszulassungsgrund der Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist schon nicht hinreichend dargelegt. Eine die Berufungszulassung nach dieser Vorschrift eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem das Verwaltungsgericht einem in der Rechtsprechung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung eines dieser Gerichte tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschriften widersprochen hat. Der Kläger behauptet zwar, dass das angegriffene Urteil von der Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. März 2007 - 5 LA 136/06 - (NVwZ-RR 2007, 365) abweiche, er zeigt aber nicht in der erforderlichen, vorstehend beschriebenen Weise auf, dass das Verwaltungsgericht einen Rechtssatz aufgestellt hat, der mit dem in der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zugrunde gelegten Rechtssatz unvereinbar ist. Eine Abweichung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist nicht bereits dann gegeben, wenn das Gericht in seiner angegriffenen Entscheidung einen Rechtssatz nur übersieht oder auf den von ihm zu entscheidenden Fall nicht richtig anwendet. Davon abgesehen liegt eine Divergenz auch der Sache nach nicht vor. Der Kläger entnimmt dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 15. März 2007 die Aussage, dass die Verletzung von Sorgfaltspflichten nicht die für die Wirksamkeit eines Bescheids erforderliche Bekanntgabe nach § 41 Abs. 2 VwVfG ersetze, wenn der Zugang des mittels einfachen Briefs übersandten Bescheids substantiiert bestritten wird und die Behörde die Bekanntgabe des Bescheids nicht nachweisen kann. Dazu setzt sich das Verwaltungsgericht in dem hier angegriffenen Urteil indes nicht in Widerspruch. Die von dem Kläger in diesem Zusammenhang gerügte Passage in dem Urteil des Verwaltungsgerichts, die sich dazu verhält, dass es dem Kläger zuzumuten gewesen sei, den Empfang einfacher Briefsendungen so zu organisieren, dass die Post ihn auch zuverlässig erreiche, betrifft nicht die Frage des wirksamen Zugangs, sondern ist nach dem gedanklichen Zusammenhang, in dem sie steht, Teil der Überlegung, ob dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist gewährt werden kann.

12

Eine erhebliche Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist auch nicht im Hinblick auf das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. März 1997 - 11 L 1272/96 - dargetan. Abgesehen davon, dass auch insoweit die oben genannten formellen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, ist das Verwaltungsgericht auch inhaltlich nicht von dieser Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts abgewichen. Das Oberverwaltungsgericht führt darin aus, dass im Zweifel die Behörde den Zeitpunkt des Zugangs eines schriftlichen Verwaltungsaktes nachzuweisen habe, wobei allerdings an das Vorliegen eines Zweifelfalls strenge Anforderungen zu stellen seien. In der Regel könne die Behörde den Nachweis über den Zeitpunkt des Zugangs des Bescheids nach den Grundsätzen über den Beweis des ersten Anscheins führen. Das gelte jedenfalls dann, wenn in den Verwaltungsvorgängen ein ordnungsgemäßer Abgangsvermerk enthalten sei. In einem solchen Fall müsse die Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs durch den Adressaten ernstlich dargetan werden. Es genüge nicht die einfache Behauptung, er habe das Schriftstück erst verspätet erhalten. Vielmehr sei ein qualifiziertes Bestreiten erforderlich, wobei die gegen einen rechtzeitigen Zugang sprechenden Umstände substantiiert dargelegt, aber nicht bewiesen werden müssten. Von diesen Grundsätzen ist auch das Verwaltungsgericht ausgegangen. Es hat jedoch unter Würdigung der besonderen Umstände dieses Einzelfalls die Auffassung vertreten, dass das Vorbringen des Klägers nicht geeignet sei, die Behörde zum Nachweis des Zugangs und des Zeitpunkts zu verpflichten, ernsthafte Zweifel im Sinne des § 41 Abs. 2 Satz 3 VwVfG hier also nicht begründet seien. Dass der Kläger dies anders sieht, begründet eine erhebliche Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht. Dass die Berufung auf die Bekanntgabefiktion zwingend einen ordnungsgemäßen Abgangsvermerk in den Verwaltungsvorgängen voraussetzt, kann dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 21. März 1997 nicht entnommen werden.

13

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).