Verwaltungsgericht Oldenburg
v. 26.09.2002, Az.: 4 A 2222/00

Abwägungsfehler; Ausschlusswirkung; Außenbereich; Baugenehmigung; Bauvoranfrage; Bauvorbescheid; Bürgerbeteiligung; Einvernehmen; Einzelanlage; Flächennutzungsplan; Genehmigung; Konzentrationszone; Landschaftspflege; Naturschutz; Potentialstudie; qualifizierter B-Plan; raumbedeutsame Maßnahme; Raumordnungsverfahren; Sonderbaufläche; Verunstaltung; Vorbelastung; Vorbildwirkung; Windenergieanlagen; Windfarm; Windpark; öffentliche Bekanntmachung; öffentlicher Belang

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
26.09.2002
Aktenzeichen
4 A 2222/00
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2002, 43641
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Bescheid des Beklagten vom 6. Dezember 1999 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 11. Mai 2000 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin einen positiven Bauvorbescheid für die Errichtung von 2 Windenergieanlagen des Typs Enercon E 60/1500 kW auf den Flurstücken 61 und 84/1 der Flur 1 der Gemarkung Eggelingen zu erteilen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheides für Windenergieanlagen.

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Unter dem 10. November 1999 beantragte die Klägerin die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides für die Errichtung von 2 Windenergieanlagen des Typs Enercon 66/1500 kW mit Nabenhöhen von 66,8 m und Rotordurchmessern von 66 m (Gesamthöhen 99,8 m) auf den Flurstücken ...und ,...der Flur ....der Gemarkung Eggelingen.

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Die vom Antrag erfassten Standorte liegen außerhalb der in der 1. und 15. Änderung des Flächennutzungsplans der beigeladenen Stadt (Fassung der Bekanntmachung vom 22. Februar 1999) dargestellten Sonderbaufläche für Windenergieanlagen „Abens-Nord“.

4

Der Beklagte lehnte die Erteilung des Bauvorbescheides mit Bescheid vom 6. Dezember 1999 ab. Zur Begründung verwies er auf die Ausschlusswirkung des Flächennutzungsplans. Dem Vorhaben stünden öffentliche Belange entgegen, da es außerhalb der Konzentrationszone für Windenergieanlagen errichtet werden solle. Außerdem habe die beigeladene Stadt das erforderliche Einvernehmen versagt.

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Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch. Sie machte geltend, die Änderung des Flächennutzungsplans sei unwirksam. Im nördlichen Gemeindegebiet seien in erheblichem Maße bereits durch die Windenergienutzung vorbelastete Flächen vorhanden, die sich zur Überplanung anböten. Gerade im Hinblick auf den Naturschutz bestehe insoweit ein erheblicher Abwägungsfehler, der sich direkt im Abwägungsergebnis ausgewirkt habe.

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Die Bezirksregierung Weser-Ems wies den Widerspruch durch Bescheid vom 11. Mai 2000 als unbegründet zurück. Dem geplanten Vorhaben stünden öffentliche Belange, nämlich die Festsetzungen des Flächennutzungsplans der Beigeladenen, entgegen. Die 1. und 15. Änderung des Flächennutzungsplanes seien mit der Bekanntmachung rechtsverbindlich geworden. Eine Überprüfung des Aufstellungsverfahrens sei im Widerspruchsverfahren ausgeschlossen.

7

Am 9. Juni 2000 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt ergänzend vor: Der Standort liege in der Nähe zur Mülldeponie und weiterer Gewerbeflächen. Bei den bisherigen Änderungen des Flächennutzungsplans zur Darstellung von Flächen von Windenergie sei lediglich das nördliche Gemeindegebiet untersucht und das südliche Gemeindegebiet erst in einem späteren Verfahren sowie allein mit dem Ziel einer Untersuchung unterzogen worden, dort keine Anlagen zuzulassen. Bei der 1. Änderung des Flächennutzungsplans sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass es sich bei dem Bereich Abenser Damm um den einzigen im Gemeindegebiet noch verbliebenen zusammenhängenden, unzerschnittenen Raum gehandelt habe. Dieses Gebiet liege auch in einer Kontrollzone des Flugplatzes Wittmunder Hafen und erfordere daher Tages- und Nachtkennzeichnung der Anlagen, was gegenüber anderen Standorten eine weitere Beeinträchtigung des Landschaftsbildes bedeute. Den entsprechenden Einwendungen auch von Behördenseite sei im Planungsverfahren lediglich die Potentialstudie des DEWI entgegengehalten worden, die für das gesamte Gemeindegebiet sehr gute Standortbedingungen attestiert habe. Bezüglich des Standortes Groß-Charlottengroden hätten demgegenüber keine naturschutzfachlichen Bedenken bestanden. Eine zutreffende Gewichtung der betroffenen Belange habe nicht stattgefunden.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 6. Dezember 1999 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 11. Mai 2000 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, ihr eine positiven Bauvorbescheid für die Errichtung von 2 Windenergieanlagen des Typs Enercon E 60/1500 kW auf den Flurstücken ... und ..... der Flur ...der Gemarkung Eggelingen zu erteilen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er verweist zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide und führt ergänzend aus: Für das Bauvorhaben sei zunächst ein Raumordnungsverfahren durchzuführen, da die Planung als raumbedeutsame Maßnahme einzustufen sei. Die vorgesehenen 2 Anlagen lägen in einem engen räumlichen Zusammenhang und sollten in einer offenen Marschenlandschaft verwirklicht werden, die eine geringe Erschließung und nur wenige Vertikalelemente aufweise. Durch die beachtliche Höhe seien die Anlagen in der flachen und offenen Landschaft von weither wahrzunehmen. Ferner gehe von ihnen die realistische Gefahr einer Vorbildwirkung aus. Den Betreibern anderer geplanter Anlagen könnte eine Genehmigung nicht versagt werden. Das Bauvorhaben könne außerdem nicht zugelassen werden, weil ihm die öffentlichen Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege entgegenstünden. Durch die Anlagen würden Lebensräume von marschentypischen Wiesen- und Watvögeln erheblich beeinträchtigt werden. Im Landschaftsrahmenplan des Beklagten befinde sich der Standort innerhalb eines „Marschenraumes mit besonderer Vielfalt, Eigenart und Schönheit“. Er liege außerdem innerhalb eines Verbindungskorridors zwischen dem hochwertigen Wiesenvogellebensraum zwischen der Stadt Wittmund und der Ortschaft Toquard sowie den Grünlandgebieten mit Vorrangfunktion als Wiesenvogellebensraum östlich und nordöstlich von Wiefels auf dem Areal des Landkreises Friesland. Durch die Schaffung von neuen Vertikalelementen würden die für die Avifauna der Marschen notwendigen Verbindungsstrukturen zwischen ihren Schwerpunkträumen beeinträchtigt werden. Bei einer Realisierung trotz grundsätzlicher Bedenken sei eine detaillierte Bilanzierung des Eingriffs in Natur und Landschaft vorzulegen, der durch geeignete Maßnahmen kompensiert werden müsse. Erschwerend komme hinzu, dass mit der Genehmigung der Anlagen auch insoweit eine Vorbildwirkung verbunden sei. Müssten auch die weiteren 7 Windkraftanlagen in der Nachbarschaft zugelassen werden, würde dies das großräumige Erscheinungsbild der offenen Wittmunder Marschen unwiederbringlich zerstören.

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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

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Sie trägt vor, sie habe beschlossen, den Flächennutzungsplan zu ändern. Über einen ersten Vorentwurf sei kürzlich in den Gremien beraten worden. Die Stadt wolle weiterhin Konzentrationszonen ausweisen und habe hierfür vorerst 3 geeignete Standorte gefunden.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf die Erteilung eines Bauvorbescheides (§ 74 NBauO) für die Errichtung von 2 Windenergieanlagen auf den beiden im Klageantrag bestimmten Standorten. Die Baumaßnahme ist mit dem zur gerichtlichen Entscheidung gestellten Antrag in bauplanungsrechtlicher Hinsicht mit dem öffentlichen Baurecht vereinbar.

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Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich gem. § 29 BauGB nach § 35 BauGB, da die vorgesehenen Standorte weder im Bereich eines qualifizierten oder eines Vorhaben bezogenen Bebauungsplans (§ 30 Abs. 1 und 2 BauGB) noch innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils (§ 34 BauGB), sondern im Außenbereich liegen. Dort ist das Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB bevorrechtigt zulässig, da es der Nutzung der Windenergie dient. Ihm stehen auch keine öffentlichen Belange iSd. § 35 Abs. 3 BauGB entgegen.

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§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, wonach einem Vorhaben nach Abs. 1 Nr. 6 öffentliche Belange in der Regel entgegenstehen, soweit hierfür durch Darstellung im Flächennutzungsplan eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist, greift nicht ein. Die 1. Änderung des Flächennutzungsplans der Beklagten stellt zwar in dem von der Bezirksregierung Weser-Ems genehmigten und insoweit zusammen mit der 15. Änderung bekannt gemachten Umfang eine Sonderbaufläche für Windenergieanlagen (Abens-Nord) dar. Das Planänderungsverfahren leidet jedoch an Verfahrensfehlern, die zur Unwirksamkeit der Änderung führen.

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Aus den von der Beigeladenen überlassenen Aufstellungsvorgängen ergibt sich insoweit folgender Verfahrensgang: Das gemeindliche Verfahren zur Darstellung von Sonderbauflächen für die Windenergienutzung im Flächennutzungsplan erfolgte nicht einheitlich, sondern in zwei getrennten Abschnitten. Das Verfahren zur 1. Änderung des Flächennutzungsplans bezog sich auf den nördlichen Teil und das Verfahren zur 15. Änderung auf den übrigen, den südlichen Teil des Stadtgebietes. Am 16. Oktober 1997 beschloss der Rat der Beigeladenen die 1. Änderung des Flächennutzungsplans. Der hierdurch geänderte Plan stellt 4 Sonderbauflächen für Windenergieanlagen an den Standorten Groß-Charlottengroden, Berdum, Abens-Nord und Alt...siel dar. Die Beigeladene beantragte daraufhin bei der Bezirksregierung Weser-Ems die Genehmigung dieser 1. Änderung. Anschließend kamen Zweifel auf, welche Auswirkungen ein Windenergiepark Groß-Charlottengroden auf die Beurteilung des Antrags auf Anerkennung der Ortschaft Carolinensiel als Nordseeheilbad haben könne. Aufgrund eines entsprechenden Ratsbeschlusses vom 29. Dezember 1997 zog die Beigeladene den Antrag auf Genehmigung deshalb hinsichtlich des Windenergieparks Groß-Charlottengroden zurück. Durch Bescheid vom 6. Februar 1998 genehmigte die Bezirksregierung Weser-Ems den vom Rat der Beigeladenen am 16. Oktober 1997 als Sonderbaufläche beschlossenen Änderungsbereich „Abens-Nord“ teilweise. Für die ebenfalls beschlossenen Standorte „Berdum“ und „Alt...siel“ versagte sie die beantragte Genehmigung. Zugleich stellte sie fest, dass der Änderungsbereich „Groß-Charlottengroden“ entsprechend dem Rücknahmeantrag nicht Gegenstand des Genehmigungsverfahrens gewesen ist. Die teilweise Genehmigung für den Änderungsbereich „Abens-Nord“ erfolgte mit der Maßgabe, dass der Rat der Beigeladenen dem durch die Genehmigungsversagungen erheblich von dem bisherigen Ratsbeschluss abweichenden Planungsergebnis durch Beschluss beizutreten habe. Die Beigeladene erhob daraufhin Klage vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg (4 A 925/98) mit dem Ziel der Erteilung einer uneingeschränkten Genehmigung. In seiner Sitzung vom 24. März 1998 beschloss der Rat den Verzicht auf die Durchführung der Klage gegen die Entscheidung der Bezirksregierung. Zugleich fasste er folgenden Beschluss: „Der Rat hält auch in Kenntnis des abweichenden Planungsergebnisses an seiner Abwägung für den genehmigten Bereich des Windparks Abens fest.“ Die Klage gegen die Genehmigungsbehörde zog die Beigeladene daraufhin zurück. Am 17. November 1998 lehnte der Rat „den Vorschlag, das Genehmigungsverfahren für den Windpark Groß-Charlottengroden durch die Bezirksregierung nunmehr fortzusetzen, ab“. Am 15. Dezember 1998 beschloss der Rat die 15. Änderung des Flächennutzungsplans für das südliche Stadtgebiet. Diese Änderung stellt ( - soweit erkennbar -, s. u.) keine Sonderbauflächen für Windenergie dar. Zugleich fasste der Rat folgende Beschlüsse:

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„2. Die 1. Änderung des Flächennutzungsplanes Sonderbauflächen Windenergie nördliches Stadtgebiet wird erneut geändert, insoweit als die vorgesehene Fläche für den Windpark Groß-Charlottengroden gestrichen wird.

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3. Die Ergebnisse der 1. und 15. Änderung des Flächennutzungsplanes weisen die Sonderbauflächen für die Windenergie in der Stadt Wittmund aus. Sie werden redaktionell zusammengefasst und als 26. Änderung beschlossen.“

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Am 22. Februar 1999 machte die Beklagte die „1. und 15. Änderung des Flächennutzungsplanes“ bekannt.

22

Die 1. und 15. Änderung des Flächennutzungsplans ist mit diesem Ablauf nicht in einem den Anforderungen der §§ 3 ff., 5 ff. BauGB genügenden Verfahren zustande gekommen. Vorausgeschickt sei, dass insoweit eine Gesamtbetrachtung angenommen werden muss. Sowohl die 1. als auch die 15. Änderung müssten den formellen (und materiellen) Anforderungen an das öffentliche Baurecht genügen, um die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB hervorrufen zu können. Diese Norm geht von einer Planung nicht nur für Teile des Gemeindegebietes, sondern für die gesamte Gemeinde aus. In formeller Hinsicht mag hier dahingestellt bleiben, welche Bedeutung dem Umstand beizumessen ist, dass bei der Schlussbekanntmachung, die am 15. Dezember 1998 beschlossene „redaktionelle Zusammenfassung“der 1. und 15. Änderung als 26. Änderung nicht berücksichtigt und die beiden Änderungen unter ihren ursprünglichen Bezeichnungen bekannt gemacht wurden. Offen bleiben mag auch, ob die Zusammenfassung ohne die von der Klägerin geforderte erneute Bürgerbeteiligung möglich war, wozu die erkennende Kammer allerdings neigt, da sich hierdurch keine inhaltlichen Änderungen ergaben. Weiter mag dahingestellt bleiben, ob der Inhalt des Beschlusses über die 15. Änderung hinreichend dokumentiert ist, was sich aus den dem Gericht auf entsprechende Anforderung überlassenen Verwaltungsvorgängen über die 15. Änderung (Beiakte K) nicht feststellen lässt. In diesem Ordner befindet sich zwar die Urschrift des Erläuterungsberichts zur 15. Änderung, nicht aber – auch nicht in Kopie – der insoweit geänderte Plan selbst. Sein Inhalt erschließt sich nur mittelbar aus den Unterlagen, insbesondere aus den Aussagen des Erläuterungsberichts, nach denen auf die Darstellung einer Sonderbaufläche im Südteil verzichtet wird und Windenergieanlagen außerhalb der dargestellten Sonderbaufläche Abens Nord nicht zulässig sein sollen.

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Unabhängig hiervon leidet schon bei isolierter Betrachtung die 1. Änderung des Flächennutzungsplans an Verfahrensfehlern. Insoweit neigt das Gericht zwar entgegen der Bewertung der Klägerin zu der Auffassung, dass der Rat der Beklagten den erforderlichen (hierzu Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, Stand: Januar 2002) und von der Bezirksregierung Weser-Ems verfügten Beitrittsbeschluss durch die oben wiedergegebene Erklärung in seiner Sitzung vom 24. März 1998 gefasst hat. Aus dem Wortlaut dieses Beschlusses wird zwar ein Beitrittswille nicht ohne weiteres deutlich. Er ergibt sich aber unter Berücksichtigung der Erläuterungen in der Beschlussvorlage für den Verwaltungsausschuss und den Rat vom 27. Februar 1998, dessen Vorschlag der Rat gefolgt ist. Darin heißt es: „Da durch die Versagungen und Teilversagung sowie den Rücknahmeantrag für Charlottengroden das Planungsergebnis erheblich von dem beschlossenen Konzept abweicht, muss der Rat auch insofern durch Beschluss beitreten, als er auch weiterhin an seiner Abwägung für die genehmigten Teilbereiche festhält“. Danach wollte der Rat offenbar seinen Beitritt durch eine Bestätigung der Planung für den genehmigten Teilbereich erklären.

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Dennoch ist aus zwei Gründen den formellen Anforderungen für den Abschluss einer den gesamten Nordbereich erfassenden Änderung des Flächennutzungsplans nicht genügt:

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Zum einen fehlt es an der erforderlichen Genehmigung (§ 6 Abs. 1 BauGB) für das Gebiet, für das der Rat am 16. Oktober 1997 die Ausweisung des Windenergieparks Groß-Charlottengroden beschlossen hatte. Dieser Teilbereich war nach dem Rücknahmeantrag nicht Gegenstand des Genehmigungsverfahren, worauf die Bezirksregierung Weser-Ems in ihrem Bescheid vom 6. Februar 1998 ausdrücklich hinwies. Diese Erklärung kann auch nicht so verstanden werden, dass sich die Bezirksregierung Weser-Ems mit einer Nichtausweisung einverstanden erklärt hätte, denn ein gemeindlicher Beschluss hierüber war seinerzeit noch nicht erfolgt. Erst in seiner Sitzung vom 15. Dezember 1998 hat der Rat insoweit eine Festlegung getroffen, als er die zunächst „vorgesehene Fläche für den Windpark Groß-Charlottengroden gestrichen“ hat. Auch dieser Beschluss stellt insoweit keinen Beitritt zu der Maßgabe der Genehmigung der Bezirksregierung Weser-Ems dar, sondern – wie im Beschluss selbst ausdrücklich hervorgehoben – eine erneute Änderung gegenüber der insoweit noch nicht abschließend zur Genehmigung gestellten Beschlusslage vom 16. Oktober 1997. Es hätte deshalb auch insoweit einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedurft. Diese war nicht deshalb entbehrlich, weil es sich „nur“ um die Feststellung einer Nichtausweisung handelte, denn auch eine Negativentscheidung unterliegt der Genehmigungsprüfung. Dies galt hier umso mehr, als wegen des ursprünglich positiven Beschlusses die fehlende Eignung als Sonderbaufläche nicht ohne weiteres auf der Hand lag.

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Unabhängig davon und vor allem waren die durch den Bescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 6. Februar 1998 vorgegebenen und durch den Ratsbeschluss vom 15. Dezember 1998 vorgenommenen Änderungen der 1. Änderung des Flächennutzungsplans derart gravierend, dass eine erneute Bürgerbeteiligung hätte durchgeführt werden müssen, § 3 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Über den Beitrittsbeschluss hinaus ist bei inhaltlichen Änderungen aufgrund von Maßgaben regelmäßig eine erneute Beteiligung nach den Grundsätzen des § 3 Abs. 2 und 3 BauGB erforderlich; auch den von Änderungen und Ergänzungen berührten Trägern öffentlicher Belange muss Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Abgesehen werden hiervon kann nur bei Änderungen, die im Umfang geringfügig oder von geringer Bedeutung sind; dann würde eine Anhörung der Eigentümer der von der Änderung oder Ergänzung betroffenen Grundstücke genügen (zum Erfordernis einer erneuten Beteiligung BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1986 – 4 C 31/85 -, BVerwGE 75, 262: dort als selbstverständlich vorausgesetzt; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, aaO, § 6 RdNr. 38 m.w.N.; Berliner Kommentar zum BauGB, § 6 RdNr. 12; Brügelmann, BauGB, Stand: November 2001, § 6 RdNr. 104 a; Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 8. Aufl., § 6, RdNr. 19). Hier überschreiten die nach der Beschlussfassung vom 16. Oktober 1997 und damit auch nach der vorangegangenen Bürgerbeteiligung vorgenommenen Änderungen die Bagatellgrenze erheblich. Drei von zunächst vorgesehenen 4 Sondergebieten für Windenergie wurden ersatzlos gestrichen; zudem wurde das verbleibende Gebiet Abens-Nord um 2 Teilgebiete verringert. Hierdurch wurden insbesondere die potentiellen Nutzer der gestrichenen Ausweisungsflächen in ihren wirtschaftlichen Interessen erheblich berührt. Eine erneute Bürgerbeteiligung durfte in dieser Situation auch nicht wegen des drohenden Ablaufs der Frist des § 245 b BauGB unterbleiben.

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Da die 1. und 15 (bzw. 26. Änderung) des Flächennutzungsplans schon wegen der dargestellten formellen Mängel unwirksam ist, kann dahingestellt bleiben, inwieweit sie an Abwägungsfehlern leidet.

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Dem Vorhaben der Klägerin stehen auch nicht sonstige öffentliche Belange entgegen, wie sie in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft aufgeführt sind. In der zwar nicht der Beigeladenen zuzurechnenden, aber als sachverständige Äußerung zu wertenden „Potentialstudie zur Bestimmung für die Windkraftnutzung geeigneter Sonderbauflächen“ – Vorabzug – vom 21. August 2002 des von der beigeladenen Stadt zur Vorbereitung der 40. Flächennutzungsplanänderung beauftragten Planungsbüros sind die beiden Standorte als Teil einer Potentialstudie für Windenergieanlagen (Nr. 26) dargestellt. Zwar wird danach das Flurstück 84/1 wegen des für eine Planung gebotenen 300 m-Abstandes um den Ort Schluies nur teilweise von dieser Darstellung erfasst. Der von der Klägerin mit dem Antrag angegebene, allerdings nicht mit Maßen bestimmte Standort liegt aber wohl noch innerhalb diese Bereichs; außerdem ist für Einzelanlagen der 300 m-Abstand nicht zwingend. Auch in der Plandarstellung „Abwägungserfordernisse“ zu der „Potentialstudie“ sind für die Standorte keine Hindernisse dargestellt. Die zum Bestandteil des Erläuterungsberichts zur 1. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen gemachten Darstellungen lassen gleichfalls nicht den Schluss zu, dass öffentliche Belange iSd. § 35 Abs. 3 BauGB dem Vorhaben entgegenstehen. Zwar liegt der Standort innerhalb eines Bereichs, der dort in der Karte „Gebiete mit besonderer Bedeutung für Natur und Landschaft“ als „großflächiges Grünland der Marschen als Brut-, Rast- und Lebensraum für Wiesenvögel“ dargestellt ist. Diese sehr großflächige, offenbar der Karte „Arten- und Lebensgemeinschaften“ des Landschaftsrahmenplanes des Beklagten entnommene Darstellung ist aber zu pauschal, um eine konkrete Aussage für den hier in Rede stehenden Standort zu treffen. Entsprechendes gilt für die Darstellung in der Karte „Raumordnung“ zum Erläuterungsbericht als „Gebiet mit besonderer Bedeutung für Natur und Landschaft“, die aus dem Entwurf des regionalen Raumordnungsprogramms für den Beklagten übernommen wurde. Die im gerichtlichen Verfahren vorgebrachten zusätzlichen Argumente stehen dem Genehmigungsanspruch ebenfalls nicht entgegen. Soweit der Beklagte – erstmals in der Anlage zum Schriftsatz vom 11. September 2002 – auf das Bestehen eines Verbindungskorridors für Vogelbewegungen hinweist, der berührt werden würde, fehlt es an hinreichend konkreten Angaben, die einen Ansatz für eine weitere Erforschung des Sachverhalts im Hinblick auf die avifaunistische Bedeutung des Standorts bieten könnten. Die vorgelegte Karte (Auszug aus dem Vorentwurf für den Landschaftsrahmenplan) stellt zwar mit Pfeilen Bereiche dar, die als derartige Verbindungskorridore angesehen werden. Für die hier gebotene parzellenscharfe Betrachtung lässt sich aus dieser Karte aber nichts herleiten. Es fehlen nähere Angaben zu den Erkenntnissen, aus denen der Beklagte seine Befürchtung speziell in Bezug auf die hier in Rede stehenden Standorte herleitet. Zu berücksichtigen wäre auch, dass in der Umgebung bereits Störelemente vorhanden sind, nämlich der nahegelegene hohe Müllplatz sowie die südwestlich in geringerer Entfernung vorhandenen 2 Windenergieanlagen, die – anders als die beiden von der Klägerin geplanten Anlagen – quer zur angenommenen Flugrichtung liegen und insoweit einen weitaus störenderen „Riegel“ bilden.

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Belange der Raumordnung stehen dem Vorhaben gleichfalls nicht entgegen. Die Zulässigkeit der Anlagen unter raumordnerischen Gesichtspunkten beurteilt sich nach § 35 Abs. 3 Satz 2 und 3 BauGB. Nach Satz 2 dieser Norm kann das Raumordnungsrecht die Aufstellung von Windenergieanlagen begünstigen, indem für den gewählten Standort „positiv“ ein Vorranggebiet bestimmt wird. Umgekehrt kann § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB einer Windenergieanlage nachteilig sein, wenn der gewählte Aufstellungsort raumordnungsrechtlich vorrangig für andere Zwecke reserviert worden ist. Nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB beurteilt sich dagegen, ob und wann eine positive Ausweisung von Flächen für die Windenergie die Aufstellung von Anlagen an anderer Stelle ausschließt, ohne dass für diese andere in Betracht kommenden Standorte Darstellungen getroffen worden sein müssen, welche einer Anlage raumordnungsrechtlich den Boden entziehen. Beide Vorschriften stehen hier dem Vorhaben nicht entgegen, ohne dass es in diesem rechtlichen Zusammenhang darauf ankommt, ob das Vorhaben der Klägerin als raumbedeutsam anzusehen ist. Die Wirkung des § 35 Abs. 3 Satz 2 und 3 BauGB entfalten nur Ziele der Raumordnung. Solche sind von bloßen Grundsätzen zu unterscheiden. Während diese durch Abwägung überwunden werden können, stellen Ziele raumordnerische Letztentscheidungen dar, welche jegliche Abwägungsspielräume der Gemeinde ausschließen (Nds. OVG, Urteil vom 29. August 1995 – 1 L 854/94 -, NVwZ 1996, 271 = BauR 1996, 348). Hier sind aber weder durch das Landesraumordnungsprogramm bezüglich der von der Klägerin geplanten Aufstellungsorte konkrete Aussagen getroffen noch liegt ein verbindliches regionales Raumordnungsprogramm vor, das hinreichend konkrete und abgewogene Ziele der Raumordnung und der Landesplanung bestimmt. Das regionale Raumordnungsprogramm befindet sich vielmehr erst in Aufstellung.

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Der Einwand, das Bauvorhaben erfordere zunächst ein Raumordnungsverfahren im Sinne der § 15 ROG bzw. 13 NROG, greift bei dieser Sachlage ebenfalls nicht durch. Einzelne Windenergieanlagen gehören nicht entsprechend § 13 Abs. 1 NROG zu den durch die Raumordnungsverordnung des Bundes bestimmten Vorhaben, für die ein Raumordnungsverfahren durchgeführt werden soll, wenn das Vorhaben im Einzelfall raumbedeutsam ist und überörtliche Bedeutung hat. § 13 Abs. 2 NROG sieht die Möglichkeit („kann“) der Durchführung eines Raumordnungsverfahrens für andere raumbedeutsame Vorhaben von überörtlicher Bedeutung vor. Für einzelne Windenergieanlagen wird ein sich hieraus ergebendes Erfordernis der Durchführung eines Raumordnungsverfahrens – soweit ersichtlich – bisher nicht gerichtlich gefordert. Auch die vom Beklagten für seine Auffassung angeführten Entscheidungen des OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 28. Februar 2002 – 1 A 11625/01 -, BauR 2002, 1053, und VG Dessau, Urteil vom 11. November 2000 – 1 A 121/99 DE -, NVwZ – RR 2001, 423), werfen die Frage der Erheblichkeit raumordnerischer Belange ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Anwendung des § 35 Abs. 3 BauGB auf. Eine sowohl raumbedeutsame als auch überörtliche Bedeutung des Vorhabens lässt sich nicht feststellen. Raumbedeutsam wegen ihrer Wirkung wird eine einzelne Windkraftanlage erst, wenn sie wegen ihres besonderen Standorts Spannungen hervorzurufen vermag, denn anderenfalls müsste die vom Gesetzgeber gewollte Privilegierung leer laufen (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. August 2001 – 2 M 130/01 -). Dies lässt sich hier aber nicht feststellen. Aus der vom Beklagten angeführten Vorbildwirkung lässt sich das Erfordernis der Durchführung eines Raumordnungsverfahrens ebenfalls nicht herleiten. Von Windkraftanlagen geht wegen der mit ihnen verbundenen Erwerbsmöglichkeiten typischerweise eine gewisse Vorbildwirkung aus. Sie löst jedenfalls so lange keine Verpflichtung zur Durchführung eines Raumordnungsverfahrens nach § 13 Abs. 2 NROG aus, wie nicht – etwa wegen einer besonders exponierten Lage – in einem den Regelfall erheblich übersteigenden Maße mit Nachfolgewünschen zu rechnen ist. Eine solche Ausnahmesituation liegt hier aber nicht vor.

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Eine Verunstaltung des Orts- oder Landschaftsbildes (§ 35 Abs. 5 BauGB) ist gleichfalls nicht feststellbar. Zwar liegen die Standorte in einem Bereich, der in einem Entwurf zum Landschaftsrahmenplan des Beklagten als „Gebiet zum Erhalt und zur Entwicklung von Marschenarealen mit besonderer Vielfalt, Eigenart und Schönheit“ bezeichnet wird. Diese Vorplanung ist jedoch nicht im Hinblick auf den genannten Belang verbindlich, sondern stellt lediglich eine Hilfe für die von den beteiligten Behörden bzw. vom Gericht vorzunehmende Bewertung des jeweiligen konkreten Standortes dar. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Vorentwurf keine kleinräumliche oder parzellenscharfe Bewertung trifft, sondern die genannte Aussage für einen großen Bereich des Gemeindegebietes trifft. Privilegierten Windkraftanlagen stehen öffentliche Belange wegen Verunstaltung des Landschaftsbildes aber nur dann entgegen, wenn es sich um eine wegen ihrer Schönheit oder ihrer Funktion besonders schutzwürdige Umgebung oder um einen besonders groben Eingriff in das Landschaftsbild handelt; bloße nachteilige Veränderungen oder Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes machen derartige Vorhaben nicht unzulässig (Nds. OVG, Urteil vom 30. Oktober 1997 – 6 L 6400/95 -, NuR 1998, 498; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Juni 1991 – 8 S 2110(90 – BRS 52 Nr. 74). Davon ausgehend führt die Aufstellung von 2 Anlagen hier nicht zu einer Verunstaltung des Landschaftsbildes. Nach den bei der Augenscheinseinnahme gewonnenen Erkenntnissen handelt es sich bei dem fraglichen Bereich um einen landwirtschaftlich geprägten und weitgehend unbebauten Landschaftsteil in einem flachen Marschengelände, das in der unmittelbaren Umgebung hier kaum Strukturen aufweist. Eine besonders herausragende Schutzwürdigkeit der näheren und weiteren Umgebung der vorgesehenen Standorte ist jedoch nicht feststellbar. Gegen sie sprechen insbesondere das Vorhandensein des Müllplatzes und des anschließenden Gewerbegebietes unmittelbar hinter der Grenze zum Landkreis Friesland sowie in anderer Richtung die bereits genannten beiden Windenergieanlagen. Planungen für die Erweiterung oder Neuerrichtung von Windparks an anderer Stelle haben bei der geforderten konkreten Betrachtungsweise gleichfalls jedenfalls keinen positiven Einfluss auf das Schutzbedürfnis. Schließlich ist für die Entscheidung über den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch unerheblich, inwieweit Eingriffe in Natur und Landschaft kompensiert werden müssen bzw. können. Regelungen hierzu können in dem nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren getroffen werden.

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Ob gegenüber den nächstgelegenen Wohngebäuden das Gebot der Rücksichtnahme im Hinblick auf von den geplanten Anlagen ausgehende Lärmbelästigungen gewahrt ist, braucht im Rahmen dieses auf die Erteilung des Bauvorbescheides gerichteten Rechtsstreits nicht abschließend geprüft zu werden. Angesichts eines Abstandes von 300 m zum nächstgelegenen Einzelgebäude und der im Antrag beigefügten Schallausbreitungsberechnung des Herstellers für den konkreten Standort erscheint die Einhaltung des für den Außenbereich maßgeblichen Immissionsrichtwertes von 45 dB(A) jedenfalls möglich. Eine genaue Prüfung und die Festlegung von Sicherungen für die Einhaltung wäre im Baugenehmigungsverfahren vorzunehmen. Entsprechendes gilt für die Frage des Schattenwurfs.