Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 25.09.2002, Az.: 6 A 930/00
Angemessenheit; Aufwendungen; Behandlungsfall; Beihilfe; Beihilfeberechtigung; Beitritt; Berufung; Dienstherr; einzelfallbezogene Schwierigkeit; erhöhter Aufwand; erhöhter Faktor; Fürsorgepflicht; Gebührenrahmen; Gebührensatz; Inlay; plastische Füllung; Schwellenwert; Schwellenwertüberschreitung; Streithelfer; Streitverkündung; zahnärztliche Behandlung; zivilgerichtliches Verfahren
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 25.09.2002
- Aktenzeichen
- 6 A 930/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 41906
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OVG Niedersachsen - 25.03.2003 - AZ: 5 LC 275/02
- BVerwG - 25.11.2004 - AZ: BVerwG 2 C 30.03
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs 1 BhV
- § 5 Abs 2 GOZ
- § 87 Abs 1 BG ND
- § 87c Abs 1 BG ND
- § 66 Abs 1 ZPO
- § 67 ZPO
- § 72 Abs 1 ZPO
- § 74 ZPO
- § 124a VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Trotz rechtskräftiger zivilgerichtlicher Verurteilung des Beihilfeberechtigten zur Zahlung an den Arzt ist der Dienstherr jedenfalls dann nicht unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht zur Anerkennung von nach verwaltungsgerichtlicher Würdigung objektiv unangemessenen Leistungen als gleichwohl angemessen verpflichtet, wenn der Beihilfeberechtigte dem Dienstherrn den Zivilrechtsstreit nicht rechtzeitig verkündet hat.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Beihilfe.
Der Kläger ist Landesbeamter. Seine zu 70 vom Hundert beihilfeberechtigte Ehefrau unterzog sich von Juli bis Oktober 1999 zahnärztlichen Behandlungen, die vom behandelnden Arzt unter dem 28. Oktober 1999 in Rechnung gestellt wurden, wobei dem folgende Leistungen mit folgendem Faktor zugrunde lagen:
(1x) Ziffer 205: Einflächige plastische Füllung, Faktor 3 (= 1x 49,50 DM)
(3x) Ziffer 207: Zweiflächige plastische Füllung, Faktor 3 (= 207,90 DM)
Soweit es den erhöhten Faktor betrifft, ist als Begründung angeführt: Schmelz-Ätz-Technik und - 1x - bei der Ziffer 207 zusätzlich: Mehrschichtfülltechnik.
(4x) Ziffer 209: Dreiflächige plastische Füllung, Faktor 3 (= 396 DM). Soweit es den erhöhten Faktor betrifft, ist als Begründung ausgeführt: Schmelz-Ätz-Technik, Mehrschichtfülltechnik.
Ferner und im weiteren Prozessverlauf allein streitig bleibend:
(2x) Ziffer 217: Mehrflächiges Inlay, Faktor 3,5 (= 924,00 DM). Soweit es den Grund für den erhöhten Faktor betrifft, ist ausgeführt: Extrem erhöhter Zeitaufwand durch Binokularpräparation, Individualisierung der Abdrucklöffel und mehrfache hydrokolloidale Abformung.
(2 x) Ziffer 218: Plastische Aufbaufüllung vor Überkronung für Zahn 15, Faktor 3 (49,50 DM); Plastische Aufbaufüllung vor Überkronung für Zahn 14, Faktor 3,5 (57,75 DM). Soweit es den erhöhten Faktor betrifft, ist als Grund übereinstimmend ausgeführt: Erhöhter Zeitaufwand bei Kunststoffaufbauten mit Core-Paste und Syntac-Adhäsiv-Technik.
(1x) Ziffer 222: Teilkrone mit Ratentionsverankerungen, Pinledges , Faktor 3 (511,50 DM). Soweit es den Grund für den erhöhten Faktor betrifft, ist als Grund ausgeführt: Extrem erhöhter Zeitaufwand durch Binokularpräparation, Individualisierung der Abdrucklöffel und mehrfache hydrokolloidale Abformung.
Zunächst erkannte der Beklagte auf Antrag des Klägers vom 11. November 1999 für diese Leistungen durchgehend nur einen Faktor von 2,3 an und kürzte mit im Übrigen gewährendem Beihilfebescheid vom 17. November 1999 das Arzthonorar deshalb um 619,96 DM (entspricht 316,98 €). Zur Begründung führte er aus: Die Schwellenwertüberschreitung könne nicht durch die Besonderheit der Leistung an sich - diese sei mit dem Punktwert der Gebührenziffer honoriert -, sondern nur durch in der Person des Patienten liegende besondere Erschwernisgründe gerechtfertigt werden. Die Gebührenziffern 205, 207, 209, 217, 218 und 222 würden den vorausgesehenen Schwellen- und Höchstwert überschreiten. Die Begründung sei dafür nicht ausreichend bzw. nicht erfolgt. Eine einzelfallbezogene Schwierigkeit oder Besonderheit, die die Überschreitung des Schwellenwertes rechtfertigen würde, sei nicht erkennbar. Die Anwendung der „Säure-Ätz-Technik“ sowie der „Mehrschichtfülltechnik“ lasse keine einfallbezogene Schwierigkeit oder Besonderheit erkennen, die eine Überschreitung des Schwellenwertes rechtfertigen würde, - wie außergewöhnlicher Zeitaufwand oder andere besondere Umstände - da der erhöhte Aufwand bei jeder Anwendung bestehe.
Den vom Kläger unter Vorlage eines Schreibens des zahnärztlichen Rechnungszentrums erhobenen Widerspruch hat der Beklagte mit Bescheid vom 7. Februar 2000 zurückgewiesen und - soweit er die Gebührenpositionen 217, 218 und 222 der GOZ betrifft, ausgeführt, nach § 5 Abs. 1 der Beihilfeverordnung seien Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen seien. Die Angemessenheit der Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen richte sich nach der GOZ, die vorsehe, dass eine Gebühr in der Regel nur zwischen dem 1-fachen und dem 2,3-fachen des Gebührensatzes bemessen werden dürfe (§ 5 Abs. 2 Satz 4, 1. Halbsatz GOZ). Eine Überschreitung des 2,3-fachen Satzes sei danach nur zulässig, wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien - Schwierigkeit und Zeitaufwand der einzelnen Leistungen sowie die Umstände bei der Ausführung - dies rechtfertigten. Dabei sei ferner davon auszugehen, dass die in der Regel einzuhaltende Spanne zwischen dem 1-fachen und dem 2,3-fachen Gebührensatz nicht nur für einfache oder durchschnittlich schwierige und aufwändige Behandlungsfälle, sondern für die große Mehrzahl aller Behandlungsfälle zur Verfügung gestellt sei und in diesem Rahmen auch die Mehrzahl der schwierigen und aufwendigen Behandlungen abgedeckt sei. Die Ausnahme von § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ setze voraus, dass Besonderheiten gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten, abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle, aufgetreten seien. Von daher müsse eine Begründung für das Überschreiten des Schwellenwertes die Besonderheit der Bemessungskriterien hinlänglich genau erkennen lassen. Zu derartigen Besonderheiten gehöre nicht schon der mit der Einzelleistung generell verbundene zeitliche und finanzielle Aufwand oder die einer bestimmten Leistung stets anhaftende Schwierigkeit. Umstände, die für eine bestimmte zahnärztliche Leistung typisch seien, könnten grundsätzlich keine „besonderen“ Umstände sein; sie bedürften daher auch keiner eigenen Begründung im Einzelfall. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Mai 1996 setze die Annahme von Besonderheiten, die das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen können, voraus, dass die Besonderheiten gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten, abweichend von der Mehrzahl der Behandlungsfälle, aufgetreten sei. Dies sei im Fall des Klägers jedoch nicht ersichtlich. Die behandelnden Zahnärzte hätten zur Begründung der Überschreitung des Schwellenwertes bei den Gebührenpositionen 218: „Kunststoffaufbauten mit Core-Paste und Syntac-Adhäsiv-Technik“ und bei der GOZ-Ziffer 217 und 222: „Binokularpräparation, Individualisierung der Abdrucklöffel und mehrfache Hydrokolloidale Abformung“ angeführt. In der Rechnung sei hingegen keine individuelle, patientenbezogene Begründung für die Überschreitung des Schwellenwertes angegeben, so dass eine Abrechnung des 3-fachen bzw. 3,5-fachen Gebührensatzes auch im Hinblick auf - entgegen stehende Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte - nicht gerechtfertigt sei.
Aufgrund der gegen den Kläger im Dezember 2000 erhobene Klage eines Dritten, an den der behandelnde Zahnarzt seine Forderung abgetreten hat, ist der Kläger durch kontradiktorisches, dem Gericht nach der Einzelrichterübertragung vom 13. November 2001 zugegangenes Urteil des Amtsgerichts Wilhelmshaven vom Oktober 2001, das sich auf ein vom 9. September 2001 datierendes Gutachten des Dr. Sch. stützt, rechtskräftig verurteilt worden, an den Dritten den vom Beklagten als nicht beihilfefähig anerkannten Betrag (619,96 DM) zu zahlen. Im amtsgerichtlichen Verfahren hat der Kläger die Berechtigung der Schwellenwertüberschreitung bestritten. Der Sachverständige im amtsgerichtlichen Verfahren hat die rechtmäßige Zugrundelegung erhöhter Schwellensätze im Wesentlichen damit begründet, dass die der GOZ zugrundeliegenden Schwellensätze nicht mehr in das reale betriebswirtschaftliche Umfeld passten und die Leistungsbewertungen der GOZ aus dem Jahre 1987 im Jahr 2001 vielmehr um 38% höher sein müssten, was für den mittleren Steigerungsfaktor 2,3 bedeute, dass er 3,2 betrage.
Bereits am 1. März 2000 hat der Kläger vor dem erkennenden Verwaltungsgericht Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, die Besonderheiten bei der Behandlung seiner Ehefrau rechtfertigten den in Rechnung gestellten Faktor von 3 bzw. 3,5. Er verweise insoweit auf die Stellungnahme des zahnärztlichen Rechnungszentrums vom 24. Januar 2000, an welches die Forderung der Zahnärzte abgetreten worden sei und in dem es unter anderem heißt, einfache Leistungen würden unter, durchschnittlich schwere Leistungen zum und überdurchschnittlich schwierige Leistungen über dem 2,3-fachen Steigerungssatz abgerechnet. Ferner beziehe er sich auf das Zeugnis des behandelnden Zahnarztes sowie auf das im amtsgerichtlichen Verfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch.. Hinzu trete, dass er vom Amtsgericht Wilhelmshaven unter dem 30. Oktober 2001 verurteilt worden sei, weitere 619,96 DM zu zahlen
Nachdem der Beklagte hinsichtlich der Gebührenpositionen 205, 207 und 209 einen 3-fachen Schwellensatz anerkannt hat, womit sich der als beihilfefähig anerkannte Betrag erhöht hat, haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Im Übrigen beantragt der Kläger sinngemäß,
den Beklagten zu verpflichten, gemäß seinem Antrag vom 11. November 1999 für die mit zahnärztlicher Rechnung vom 28. Oktober 1999 ausgewiesenen Leistungen auch den restlichen Betrag als beihilfefähig anzuerkennen und die Bescheide des Beklagten vom 17. November 1999 sowie 7. Februar 2000 aufzuheben, soweit sie dem entgegen stehen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die in der Sache ergangenen Bescheide und trägt ergänzend vor, die von den behandelnden Zahnärzten für die Überschreitung des Schwellenwertes gegebene Begründung beschreibe einen erhöhten Zeitaufwand, der bereits durch die angewendete Methode und nicht erst durch patientenbezogene Schwierigkeiten verursacht worden sei. Bei verständiger Würdigung würden die Begründungen keinen Anhalt dafür geben, dass hier über den methodenbedingten hohen Zeitaufwand bzw. hohen zeitlichen und instrumentalen Aufwand hinaus bei der Behandlung des Patienten Umstände vorgelegen hätten, die einen besonderen Aufwand erforderlich gemacht hätten, der bei der großen Mehrzahl der nach der selben Methode behandelten Patienten nicht anfallen würde. Dass die Begründungselemente „Schmelz-/Ätztechnik, Syntac-Adhäsiv-Technik, Mehrschichtfüll-Technik“ methodenspezifisch und nicht patientenbezogen seien, unterliege keinen Zweifeln. Aber auch der durch den Zusatz begründete „hohe zeitliche Aufwand“ ließe keine patientenbezogene Besonderheiten erkennen. Er verweise im Übrigen auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Mai 1996, wonach jedwede Überschreitung des Zeitaufwandes bei der Anwendung einer bestimmten Technik für sich gesehen die Überschreitung des Schwellenwertes nicht zu rechtfertigen vermöge. Bei der vorliegenden Schwellenwertüberschreitung sei keine ausreichende patientenbezogene Begründung abgegeben, vielmehr sei allein auf technische Gründe abgestellt worden. Lediglich das Einbringen des Füllmaterials mit einer bestimmten Technik begründe nicht die Schwellenwertüberschreitung. Auch sei es nicht Aufgabe der Beihilfevorschrift, Versäumnisse einer gegebenenfalls angebrachten Honorarerhöhung durch den Verordnungsgeber der GOZ durch Anerkennung von Schwellenwertüberschreitungen - wie es der Gutachter Dr. Sch. darstelle - auszugleichen. Im Übrigen könne ein widersprechendes zivilgerichtliches Urteil auf die verwaltungsrechtliche Beurteilung keinen Einfluss haben.
Durch Beschluss vom 13. September 2002 hat der Einzelrichter die Sache nach Anhörung der Beteiligten auf die Kammer zurückübertragen.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der (in Ablichtung vorliegenden) Gerichtsakte des Amtsgerichts Wilhelmshaven und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend verwiesen. Sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
1. Soweit sich die Hauptsache hinsichtlich der Gebührenpositionen 205, 207 und 209 erledigt hat, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess - RmBereinVpG - vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3987), einzustellen. Billigem Ermessen im Sinne des § 161 Abs. 2 VwGO entsprach, dem Beklagten die Kosten des Verfahrens insoweit und in diesem Umfang auch in unanfechtbarer Weise (§ 158 Abs. 2 VwGO) aufzuerlegen, weil er dem Begehren des Klägers in einer die Teilerledigung herbeiführenden Weise entsprochen hat.
2. Soweit noch streitig zu entscheiden war, ist die zulässige Klage unbegründet, wobei das Gericht bei der Antragstellung des Klägers zu dessen Gunsten davon ausgeht, dass er nicht die Auszahlung des im Übrigen für beihilfefähig erachteten Betrags begehrt, sondern lediglich dessen Anerkennung, weil ihm davon lediglich 70 vom Hundert als Beihilfe ausgezahlt würden. Dem Kläger steht gem. § 87 c Abs. 1 des Niedersächsischen Beamtengesetzes - NBG - in Verbindung mit Art. 1 § 1 Abs. 3 der Anlage 1 zu den Beihilfevorschriften des Bundes - BhV - kein Anspruch auf Beihilfe für den noch streitbefangenen Betrag zu, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Schwellenwertüberschreitung ist unberechtigt (a); auch die zivilgerichtliche Verurteilung des Klägers führt nicht dazu, dass der Beklagte die Schwellenwertüberschreitung unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn als berechtigt anzusehen hätte (b).
a) Art. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 der Anlage 1 BhV, der wie die sonstigen vorliegend maßgeblichen Vorschriften seit dem Zeitpunkt der Erbringung der streitbefangenen zahnärztlichen Leistungen keine für die Beurteilung des Falles bedeutsamen Rechtsänderungen erfuhr und auf den § 87 c Abs. 1 Satz 1 NBG verweist, erkennt Aufwendungen nur dann als beihilfefähig an, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Dabei bemisst sich die Angemessenheit der Aufwendungen gemäß § 5 Abs. 1, Satz 2, 1. Halbsatz, BhV nach dem Gebührenrahmen der maßgeblichen Gebührenordnungen, womit die Beihilfefähigkeit im Regelfall voraussetzt, dass der Arzt die Rechnungsbeträge bei zutreffender Auslegung der Gebührenordnung, vorliegend der Gebührenordnung für Zahnärzte - GOZ -, in Rechnung gestellt hat (vgl. BVerwG, Urteil v. 17. Februar 1994 - 2 C 10.92 -, ZBR 1994, S. 225 (226)). Dabei wird grundsätzlich nur eine Gebühr, die den Schwellenwert des Gebührenrahmens nicht überschreitet, als angemessen angesehen, soweit keine besonderen, gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten abweichend von der Mehrzahl der Behandlungsfälle auftretenden Umstände einen erhöhten Satz rechtfertigen, § 5 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz, BhV. Dem Ausnahmecharakter des Überschreitens des Schwellenwertes widerspräche es nämlich, wenn schon eine vom (Zahn-)Arzt allgemein oder häufig, jedenfalls nicht nur bei einzelnen Personen wegen in ihrer Person liegender Schwierigkeiten angewandte Behandlung als eine das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigende Besonderheit angesehen würde (BVerwG, Urteil v. 30. Mai 1996, ZBR 1996, S. 314 (315) - m.w.N.). Dabei ist davon auszugehen, dass die in der Regel einzuhaltende Spanne zwischen dem einfachen und dem 2,3-fachen Gebührensatz vom Verordnungsgeber (GOZ) nicht nur für einfache oder höchstens durchschnittlich schwierige und aufwändigere Behandlungsfälle, sondern für die große Mehrzahl aller Behandlungsfälle zur Verfügung gestellt worden ist und in diesem Rahmen auch die Mehrzahl der schwierigeren und aufwändigeren Behandlungsfälle abdeckt (BVerwG, Urteil v. 17. Februar 1994, a.a.O., S. 227).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die der Rechnungsstellung zugrundeliegende Überschreitung des Schwellenwertes unberechtigt. Das Gegenteil dessen belegt nicht etwa das im amtsgerichtlichen Verfahren eingeholte und vom Kläger im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegte Gutachten des Dr. Sch. Die Erwägungen des dortigen Sachverständigen sind überwiegend von allgemeinen betriebswirtschaftlichen Erwägungen zur wirtschaftlichen Unangemessenheit der auch gegenwärtig noch bestehenden Faktoren getragen und damit nicht geeignet, die durchgreifenden Zweifel an der Schwellenwertüberschreitung zu zerstreuen. Jene durchgreifenden Zweifel bestehen aber deshalb, weil zunächst schon nicht ersichtlich ist, wie sich der - zum Teil extrem - erhöhte zeitliche Aufwand konkret darstellte. Selbst wenn ein - im Vergleich zur Behandlung anderer Patienten - erhöhter, überdurchschnittlicher Zeitaufwand vorläge, berechtigte auch dies jedoch nicht automatisch zur Überschreitung des Schwellenwertes; das von der Rechnungsstelle dargelegte Verständnis, einfache Leistungen würden unter, durchschnittlich schwierige Leistungen zum und überdurchschnittlich schwierige Leistungen über dem 2,3-fachen Steigerungssatz abgerechnet, ist angesichts der bereits dargelegten Grundsätze rechtlich unzutreffend, mag in der zahnärztlichen Praxis auch so überwiegend verfahren werden. Der Verordnungsgeber hat den 2,3-fachen Gebührensatz nämlich für die große Mehrzahl aller Behandlungsfälle zur Verfügung gestellt und in diesem Rahmen auch die Mehrzahl der schwierigeren und aufwändigeren Behandlungsfälle abgedeckt. Selbständig tragend kommt schließlich hinzu, dass der zeitliche Mehraufwand offensichtlich nicht in der Person der Ehefrau des Klägers, sondern in der Arbeitsmethode gründet (vgl. VG Osnabrück, Urteil v. 15. September 1999 - 3 A 11/99 -; VG Göttingen, Urteil v. 28. Oktober 1998 - 3 A 3072/97 -).
b) Nach Auffassung der Kammer ist der Beklagte auch nicht gehalten, die aus verwaltungsgerichtlicher Sicht unberechtigten Schwellenwertüberschreitungen aus Fürsorgeerwägungen (§ 87 Abs. 1 NBG) als gleichwohl beihilferechtlich angemessen anzusehen oder entsprechend zu behandeln. Zwar gibt die zivilgerichtliche Verurteilung des Klägers zu entsprechenden Überlegungen Anlass; die Kammer vermag ihnen jedoch letztlich nicht zu folgen, weil der Kläger dem Dienstherrn nicht die Möglichkeit geben hat, ihn bei der Abwehr der zivilgerichtlichen Verurteilung zu unterstützen.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung besteht die - bereits eingangs dargestellte - Bindung des Dienstherrn an eine von ihm selbständig auf ihre Übereinstimmung mit den Voraussetzungen der ärztlichen Gebührenordnungen zu überprüfende (korrekte) ärztliche Rechnungsstellung zwar grundsätzlich, jedoch nicht ausnahmslos. Bestehen etwa bei objektiver Betrachtung ernsthaft widerstreitende Auffassungen über die Berechtigung eines Gebührenansatzes und hat der Dienstherr dem Beihilfeberechtigten nicht vor Entstehung der Aufwendungen seine (abweichende) Rechtsauffassung in der Weise verdeutlicht, dass es dem Beihilfeberechtigten nicht möglich gewesen ist, sich darauf einzustellen, ist eine ärztliche Aufwendung vom Dienstherrn dann „beihilferechtlich als angemessen anzusehen“ (BVerwG, Urteil v. 17. Februar 1994, a.a.O., S. 226). Die Verweisung der Beihilfevorschriften des Bundes auf die ärztlichen Gebührenordnungen ist mithin nicht strikt, sondern erfährt unter dem Fürsorgegedanken eine - tatbestandsmäßig freilich restriktive - Abschwächung aus der Erwägung, dass objektive Unklarheiten der Gebührenordnung nicht zu Lasten des Beihilfeberechtigten gehen dürfen, indem dieser „vor die Wahl gestellt wird, entweder auf sein Risiko eine rechtliche Auseinandersetzung über die objektiv zweifelhafte Rechtsposition zu führen oder den an sich auf die Beihilfe entfallenden Anteil des zweifelhaften Rechnungsbetrages selbst zu tragen“ (BVerwG, Urteil v. 30. Mai 1996, a.a.O.). § 5 Abs. 1 Satz 2 BhV ist somit im Lichte des Fürsorgegrundsatzes auszulegen (BVerwG, Urteil v. 17. Februar 1994, a.a.O., S. 226).
Angesichts dieser höchstrichterlichen Erwägungen erscheint es auch vorliegend erwägenswert, den grundsätzlich zur Überprüfung der Berechtigung des Gebührensatzes berechtigten und verpflichteten Beklagten (vgl. BVerwG, Urteil v. 30. Mai 1996, a.a.O., S. 315) von einer Prüfung der Angemessenheit der ärztlichen Aufwendungen für entbunden zu halten und von seiner Verpflichtung auszugehen, die Angemessenheit der ärztlichen Leistungen anzunehmen, weil der Kläger dem Arzt gegenüber die Berechtigung der Rechnungsstellung bestritten und sich deshalb in die Rolle des zivilrechtlich Beklagten begeben hat; er scheint damit nämlich mehr getan zu haben als das Bundesverwaltungsgericht dem Beihilfeberechtigten bei objektiv unklaren Gebührentatbeständen für zumutbar hält, von ihm verlangt es nämlich nicht einmal, sich insoweit einem Prozessrisiko auszusetzen. Hinzu tritt, dass der Kläger das Prozessrisiko nicht nur eingegangen ist, sondern es sich durch ein gegen ihn ergangenes rechtskräftiges zivilgerichtliches Urteil auch zu seinen Lasten (kostenträchtig) verwirklicht hat. Vor diesem Hintergrund spricht insoweit zwar einiges dafür, dem Fehlen eines unklaren Gebührentatbestandes vorliegend keine Bedeutung beizumessen und ihn nur als einen Aspekt zu betrachten, der im Kontext mit dem übergeordneten und auslegungsleitenden Rechtsgedanken zu sehen ist, das dem System der Beihilfe immanente Risiko für den Beihilfeberechtigten, sich einer abweichenden rechtlichen Würdigung von privatrechtlichen Ansprüchen des behandelnden Arztes durch den Dienstherrn ausgesetzt zu sehen, aus Gründen der Fürsorge unter bestimmten Voraussetzungen aufzufangen. Gleichwohl liegt keine - weitere - Fallkonstellation vor, in der der Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Fürsorge gehalten wäre, von der Angemessenheit der ärztlichen Leistung auszugehen. Der Kläger hat es nämlich unterlassen, dem Beklagten den vor dem Amtsgericht rechtshängigen Streit nach § 72 Abs. 1 der Zivilprozessordnung - ZPO - , zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2010), zu verkünden, wodurch dem Beklagten dann gem. § 74 Abs. 1, 3 in Verbindung mit § 68, 1. Halbsatz, ZPO der gerade vorliegend erhobene Einwand verschlossen wäre, der (zivilgerichtliche) Rechtsstreit sei unrichtig entschieden worden. Dass der Beklagte von dem gegen den Kläger gerichteten Klageverfahren vor dem Amtsgericht während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mittelbar durch Vorlage des zivilgerichtlichen Sachverständigengutachtens Kenntnis erlangt hat, führt auch nicht dazu, dass ihm wiederum entgegengehalten werden könnte, dem Rechtsstreit seinerseits nicht nach § 66 Abs. 1 ZPO beigetreten zu sein. Die Vorlage erfolgte erst Ende September 2001, das amtsgerichtliche Urteil erging bereits im nachfolgenden Monat, so dass es dem Beklagten, wenn er dem Rechtsstreit beigetreten wäre, gem. § 67 ZPO nicht mehr möglich gewesen wäre, dem zivilgerichtlichen Rechtsstreit noch eine Wendung zu geben, zumal der Kläger im dortigen Verfahren nach Eingang des Sachverständigengutachtens unter dem 24. September 2001 erklärt hat, auf eine erneute mündliche Verhandlung zu verzichten. Hinzu tritt nach Auffassung der Kammer schließlich ein unschlüssiges Verhalten des Klägers, der zwar im amtsgerichtlichen Verfahren die Angemessenheit der Aufwendungen bestritten, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren indes wiederum deren Angemessenheit betont hat.
3. Die Berufung ist gem. § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzlich im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist. Die nicht eindeutig anhand des Gesetzeswortlauts zu beantwortende Frage, wie die finanziellen Risiken zu verteilen sind, die sich aus einem Beihilfesystem ergeben, in dem der Dienstherr die Angemessenheit ärztlicher Leistungen (grundsätzlich) nach ärztlichen Gebührenordnungen anerkennt, deren Auslegung nicht nur durch die Verwaltungs-, sondern auch durch die Zivilgerichte erfolgt, und die Frage, ob der Fürsorgegesichtspunkt zugunsten des Beihilfeberechtigten nicht zum Tragen kommen kann, solange dieser im zivilgerichtlichen Verfahren nicht auf eine förmliche prozessuale Einbindung des Dienstherrn hingewirkt hat, ist bislang weder ober- noch höchstrichterlich entschieden und bedarf in verallgemeinerungsfähiger Form der Beantwortung (vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 12. Aufl. 2000, § 124 Rn. 10), weil die vorliegend vertretene Rechtsauffassung auf das künftige Verhalten der Beteiligten erhebliche Auswirkungen haben kann. Der Beihilfeberechtigte würde mit der Begleichung von Arztrechnungen regelmäßig bis zu einer Ausgangsentscheidung der Beihilfebehörde zuwarten und im Falle einer fehlenden Anerkennung als angemessen nicht nur Widerspruch einlegen, sondern sich zivilgerichtlich auch verklagen lassen und der Beihilfebehörde den Rechtsstreit verkünden müssen; die Beihilfestelle ihrerseits würde auf diesem Wege zukünftig voraussichtlich in eine größere Anzahl zivilgerichtlicher Streitigkeiten involviert werden, was sich auf ihren Personalbedarf und ihre Personalstruktur auswirken könnte.