Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 24.09.2002, Az.: 7 A 688/02

Entschädigung; Ermessen; Gleichbehandlungsgrundsatz; Härtebeihilfe; Härtefall; Pararauschbrand; Tierhaltung; Tierseuche; Tierseuchenkasse; Tötungsanordnung; verständige Würdigung; Veterinärbehörde

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
24.09.2002
Aktenzeichen
7 A 688/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 43575
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Es ist ermessensfehlerfrei, wenn die Tierseuchenkasse eine Härtebeihilfe nach § 13 Abs. 2 Nds. AG TierSG iVm § 4 ihrer Beihilfesatzung für solche Tiere nicht bewilligt , für die nicht anhand einer amtlichen Untersuchung das Verenden an einer Seuche oder seuchenartigen Erkrankung festgestellt worden ist. Ob die fehlende Untersuchung dem Tierhalter zuzurechnen ist, ist rechtlich ohne Bedeutung (im Anschluss an OVG Lüneburg, Urteil vom 20. Dezember 1984 - 3 OVG 7/83 - ).

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

1

I. Der Kläger hat im landwirtschaftlichen Nebenerwerb u.a. Schafe gehalten. Ab Anfang 2001 sind in seiner Herde vermehrt Todesfälle aufgetreten. Sämtliche Tiere (nach seinen Angaben im Klageverfahren insgesamt 456 Schafe und 322 Lämmer) sind bis Juni 2001 entweder verendet oder wurden geschlachtet.

2

Am 29. März 2001 hat der Kläger unter Vorlage von 17 amtlichen Untersuchungsberichten die Gewährung einer sog. Härtebeihilfe beantragt. Mit Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 2001 hat die Beklagte eine solche lediglich für sechs Tiere, bei denen in den amtlichen Untersuchungen der Erreger des sog. Pararauschbrandes (Clostridium septicum) festgestellt worden ist, in Höhe von 730,-- DM bewilligt und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Der hiergegen vom Kläger erhobene Widerspruch ist mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 29. Januar 2002 zurückgewiesen worden.

3

Mit der Klage begeht der Kläger, die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Härtebeihilfe in Höhe von weiteren 12 728, 58 Euro zu gewähren. Er trägt im wesentlichen vor: Der Landkreis Oldenburg habe die Schlachtung der Lämmer mündlich angeordnet. Die amtlichen Untersuchungsergebnisse zeigten, dass mindestens 43 % seiner Tiere an Pararauschbrand erkrankt seien. Das Vorliegen anderer Krankheiten sei bei richtiger Auswertung der Befunde auszuschließen. Es könne ihm nicht angelastet werden, dass lediglich 17 Tiere untersucht worden seien. Die Befunde wiesen zudem fachliche Mängel auf. Insbesondere sei teilweise nicht geprüft worden, ob Pararauschbrand vorliege.

4

II. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet, weil seine Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 166 VwGO, 114 ZPO). Ob der Kläger unter Berücksichtigung der §§ 166 VwGO, 115 ZPO bedürftig ist, bedarf deshalb keiner Beurteilung.

1.

5

Zunächst ist n i c h t davon auszugehen, dass der Landkreis Oldenburg als zuständige Veterinärbehörde, die Tötung der Schafe ganz oder teilweise angeordnet hat, so dass dem Kläger sogar eine Entschädigung nach § 66 Nr. 1 TierSG zu leisten wäre.

6

Die Veterinärbehörde des Landkreises Oldenburg hat mit Schreiben vom 21. März 2001 an den Kläger ausgeführt:

7

„... hiermit bescheinige ich Ihnen, dass eine kurzfristige Verwertung Ihrer Schafherde sowohl aus Tierseuchengründen als auch aus Tierschutzgründen angeraten ist ....

8

Ich weise nochmals darauf hin, dass für ein behördliches Vorgehen des Veterinäramtes keine rechtliche Grundlage vorhanden ist. ...“

9

Aus diesen hinreichend deutlichen Äußerungen musste der Kläger bei verständiger Würdigung (§ 133 BGB entsprechend) schließen, dass der Landkreis Oldenburg die Tötung der Schafe nicht verbindlich anordnen wollte. Soweit der Kläger erstmals im Klageverfahren vorträgt, ein Veterinär des Landkreises Oldenburg habe auf seine Nachfrage geäußert, dass „ein Verkauf der Lämmer zu Mastzwecken [...] nicht in Frage käme. Sie müssten geschlachtet werden“ (vgl. Schriftsatz vom 15. Mai 2002, S. 1) ändert dies nichts. Vor dem geschilderten Hintergrund durfte der Kläger dies nicht als von den schriftlichen Erklärungen des Landkreises Oldenburg abweichenden mündlichen Verwaltungsakt ansehen. Der Kläger hat die Äußerungen zunächst auch offenbar selbst nicht anders verstanden. Denn noch im Schreiben vom 30. November 2001, mit dem er seinen Widerspruch begründet hat, hat er u.a. ausgeführt, dass das Veterinäramt die Abschaffung der Schafherde zur Schlachtung lediglich empfohlen habe (so auch der ursprüngliche Vortrag im Klageverfahren, vgl. Schriftsatz vom 15. März 2002, S. 4, 2. Absatz).

2.

10

Der Kläger hat voraussichtlich auch keinen Anspruch auf die in erster Linie begehrte Härtebeihilfe nach § 13 Abs. 2 Nds. AG TierSG iVm § 4 der Beihilfesatzung der Beklagten. Danach können auf Grund besonderen Beschlusses des Vorstandes in einzelnen Härtefällen, in denen die Tierseuchenkasse zu einer Entschädigung oder Beihilfe sonst nicht verpflichtet ist, aus Gründen der Billigkeit u.a. für Tierverluste durch Seuchen oder seuchenartige Erkrankungen Beihilfen gewährt werden.

11

Wie sich aus dem Wortlaut dieser Regelungen ergibt („können“) steht die Gewährung der Härtebeihilfe im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten. Die Beklagte hat diese Unterstützung hier, soweit sie nicht bewilligt worden ist, nach bisheriger Einschätzung des Gerichts zumindest deswegen zu Recht abgelehnt, weil dies ihrer Ermessenspraxis widerspricht und daher ihre Gewährung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen würde (vgl. allgemein, BVerwG, Urteil vom 23. April 2003 - 3 C 25.02 - <juris und UA, S. 9 f. m.w.N.>). Es wird deshalb voraussichtlich keiner Beurteilung bedürfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen der genannten Vorschriften (insbesondere das Bestehen einer Seuche oder seuchenähnlichen Erkrankung) vorliegen.

12

Es entspricht ständiger Verwaltungspraxis der Beklagten, die Gewährung einer Härtebeihilfe davon abhängig zu machen, dass das Verenden eines Tieres auf Grund einer Seuche oder seuchenartigen Erkrankung gerade durch eine amtliche Untersuchung festgestellt wurde. Diese Übung wird von der Rechtsprechung gebilligt. Denn nur in diesem Fall kann mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass das verendete Tier nicht an einer anderen feststellbaren aber nicht beihilfefähigen Krankheit gestorben ist. Eine durch die Zeitgleichheit von Todesfällen begründete Vermutung, dass nicht untersuchte Tiere ebenfalls wegen einer bei anderen Tieren festgestellten Seuche oder seuchenartigen Erkrankung verendet sind, besteht nicht (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 20. Dezember 1984 - 3 OVG 7/83 - <S. 8 f.>).

13

Speziell für das Auftreten von Pararauschbrand hat der Vorstand der Beklagten diese Praxis nach Auswertung der Fachliteratur und sonstiger veterinärmedizinischer Äußerungen weiter differenziert (vgl. Schreiben der Beklagten an den Landkreis Wesermarsch vom 15. April 1998). Danach gewährt sie eine Härtebeihilfe in diesen Fällen bei Schafen nur dann, wenn (1.) mindestens zwei Tiere im Abstand von maximal sechs Monaten in Folge Pararauschbrand verendet sind, (2.) der Erreger in jedem Falle nachgewiesen wurde, (3.) in mindestens einem Falle auch typische Sektionsbefunde amtlich erhoben wurden und (4.) epidemiologische Daten für das Auftreten von Pararauschbrand sprechen. Aus der Begründung ergibt sich, dass der alleinige Nachweis des Erregers Clostridium septicum noch nicht für den Ausbruch von Pararauschbrand spricht. Da bei einer Sektion die Befunde nur innerhalb von 24 Stunden nach dem Verenden exakt erhoben werden können, wird ein einmaliger auf Pararauschbrand hindeutender Sektionsbefund als ausreichend erachtet. Zur möglichst genauen Absicherung der Diagnose werden deswegen aber die übrigen Voraussetzungen für erforderlich gehalten.

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Insbesondere aus der zweiten o.g. Voraussetzung ergibt sich, dass die Beklagte auch bei Pararauschbrand ohne das Vorliegen einer amtlichen Untersuchung keine Beihilfen gewährt. In dem erwähnten Schreiben der Beklagten an den Landkreis Wesermarsch ist die besondere Bedeutung des Ergebnisses der amtlichen Zerlegung hervorgehoben. Anhaltspunkte für eine fehlende fachliche Fundierung dieser Praxis hat die Kammer nicht.

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Der vom Kläger erstrebte Nachweis eines Pararauschbrandgeschehens auch bei den nicht untersuchten Tieren mittels einer sachverständigen Auswertung der vorliegenden Untersuchungsbefunde wäre daher nicht geeignet, eine andere Entscheidung zu rechtfertigen. Denn die Beklagte hat sich - wie ausgeführt ermessensfehlerfrei - dazu entschieden, lediglich amtliche Untersuchungsberichte für jedes einzelne Tier anzuerkennen.

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Der Kläger kann hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, er habe es nicht zu vertreten, dass das Veterinäramt des Landkreises Oldenburg lediglich 17 Tiere habe untersuchen lassen. Maßgeblich ist nämlich, dass ein möglicherweise fehlerhaftes Verhalten der dortigen Amtstierärzte jedenfalls auch nicht der Beklagten zugerechnet werden kann (vgl. OVG Lüneburg a.a.O. <S. 9 f.>).

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Darüber hinaus ist - nach dem Vorstehenden nicht entscheidungserheblich - noch auf Folgendes hinzuweisen: Es spricht trotz seines umfangreichen diesbezüglichen Vortrags wenig für die Annahme des Klägers, auch die nicht untersuchten Tiere müssten auf Grund der vorliegenden Befunde zwingend ebenfalls an Pararauschbrand erkrankt sein und andere Todesursachen seien auszuschließen. Nach den Stellungnahmen des Amtstierarztes des Landkreises Oldenburg vom 29. Juni und 10. Dezember 2001 kann das Geschehen nämlich nicht bestimmten Einzelerregern klar zugeordnet werden, ein Pararauchbrandgeschehen habe nicht vorgelegen. Die Ursachen seien multifaktoriell, wenn auch der Pararauschbrand einen gewichtigen Anteil habe. Von besondere Bedeutung sei daneben auch das Border-Virus. Eine diese Einschätzungen in Zweifel ziehende sachverständige Äußerung eines Veterinärmediziners hat der Kläger bisher nicht vorgelegt.

18

Auch für die weiteren 11 untersuchten Tiere, scheidet die Gewährung einer Härtebeihilfe (in geringem Umfang) voraussichtlich aus. Aus den Befunden ergibt sich - wie unstreitig ist - nicht, dass in mehr als sechs von 17 untersuchten Fällen der Erreger des Pararauschbrandes ermittelt worden ist. Ob die Untersuchungen fachgerecht und umfassend waren, bedarf keiner Beurteilung. Eine erneute Befunderhebung ist wegen der seither verstrichenen Zeit nicht mehr möglich. Es gilt auch insoweit, dass entsprechende Mängel der Gutachten jedenfalls nicht der Beklagten zugerechnet werden könnten.