Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 04.09.2002, Az.: 4 B 3390/02

Gebot der Konfliktbewältigung; großflächiger Einzelhandelsbetrieb; Nachbarwiderspruch gegen Verbrauchermarkt

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
04.09.2002
Aktenzeichen
4 B 3390/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 43552
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die der Beigeladenen durch den Antragsgegner unter dem 14. Juni 2002 erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Verbrauchermarktes mit Stellplatzanlage auf den Flurstücken ../.., ../.. und ../.. der Flur .. der Gemarkung ... wird angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsgegner und die Beigeladene, deren außergerichtliche Kosten nicht erstattungsfähig sind, je zur Hälfte.

Gründe

1

Die Antragsteller sind Eigentümer des mit 9 Reihenhäusern bebauten Flurstücks ../.. der Flur .. der Gemarkung ... . Für das nordöstlich anschließende Baugrundstück erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen die im Tenor bezeichnete Baugenehmigung. Für beide Grundstücke setzt der Bebauungsplan Nr. ... der Stadt ... eine Nutzung als Mischgebiet fest. Über den von den Antragstellern gegen die Baugenehmigung erhobenen Widerspruch wurde noch nicht entschieden. Ihren zugleich gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche lehnte der Antragsgegner ab. Darauf hin haben die Antragsteller um Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht.

2

Der nach § 80 a Abs. 3 iVm. § 80 Abs. 5 VwGO zu beurteilende Antrag ist zulässig, nach- dem der Antragsgegner einen entsprechenden Antrag abgelehnt hat (§ 80 a Abs. 3 iVm. § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO). Außerdem ist durch den zwischenzeitlichen Beginn der Baumaßnahmen eine Situation eingetreten, die mit der drohenden Vollstreckung (§ 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO) vergleichbar ist.

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Der Antrag ist auch begründet. Die in Verfahren dieser Art vorzunehmende Interessenabwägung fällt zugunsten der Antragsteller aus. Zwar lässt sich nach der in Verfahren dieser Art nur summarisch möglichen Prüfung der Sach- und Rechtslage noch nicht sicher feststellen, ob die angefochtene Baugenehmigung unter dem Gesichtspunkt des Nachbarschutzes zu einer rechtlichen Beanstandung Anlass gibt. Hierfür sprechen allerdings gewichtige Gründe. In dieser Situation ist den Antragstellern die Hinnahme der Ausnutzung der angefochtenen Baugenehmigung nicht zuzumuten.

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Es bleibt zweifelhaft, ob die Baugenehmigung gegenüber dem Grundstück der Antragsteller das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, das hier aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO folgt, wahrt. Die Erlaubnis enthält möglicherweise keine hinreichenden Sicherungen dafür, dass die für ein Mischgebiet geltenden Lärmrichtwerte von tagsüber 60 dB(A) und nachts 45 dB(A) im Verhältnis zum Grundstück der Antragsteller eingehalten werden. Die Nebenbestimmung Nr. 6 des Genehmigungsbescheides vom 14. Juni 2002 untersagt zwar eine Überschreitung dieser Werte einschließlich der Werte für kurzzeitige Geräuschspitzen. Daneben enthalten die Nebenbestimmungen Nr. 7 und 8 zeitliche Beschränkungen des Fahrzeugverkehrs auf dem Betriebsgrundstück und die Nebenbestimmung Nr. 9 Regelungen zum Schallverhalten von Kälteanlagen; außerdem wird in der Nebenbestimmung Nr. 10 das schalltechnische Gutachten des Prof. Dr. ... vom 13./28. Mai 2002 zum Bestandteil der Genehmigung gemacht und die Einhaltung der dort "aufgeführten Betriebsbedingungen" angeordnet. Diese Bestimmungen genügen aber möglicherweise auch in ihrer Gesamtheit nicht dem Gebot der Konfliktbewältigung im Einzelgenehmigungsverfahren (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25. November 1994 - 1 M 4954/94 -). Bei offenkundigen Konfliktlagen im Nachbarschaftsverhältnis hat die Baugenehmigung in Anwendung des § 15 Abs. 1 BauNVO sicherzustellen, dass von dem Vorhaben keine unzulässigen Belästigungen oder Störungen ausgehen. Dazu bedarf es auch bei Geltung eines Bebauungsplanes regelmäßig einer Konkretisierung dessen, was im Einzelfall zumutbar ist. Die Einhaltung von Lärmrichtwerten darf nicht nur schematisch vorgegeben werden. Liegt der Baugenehmigung - wie hier - ein Lärmschutzgutachten zugrunde, so darf nicht zweifelhaft bleiben, ob die Richtwerte überhaupt eingehalten werden können oder ob die Nebenbestimmungen eine Konfliktbewältigung "auf dem Papier vortäuschen", die in der Realität nicht erbracht werden kann. Bei tatsächlich problematischen immissionsschutzrechtlichen Verhältnissen muss die Baugenehmigung hinreichend sicher und nicht nur scheinbar gewährleisten, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen für das Bauvorhaben erfüllt werden. Betroffene Nachbarn dürfen nicht in unzumutbarer Weise mit dem Risiko einer Nichteinhaltung von Nebenbestimmungen bzw. von angenommenen tatsächlichen Voraussetzungen des Betriebsablaufs belastet werden.

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Hier ist ohne weiteres voraussehbar, dass die Baugenehmigung für den Verbrauchermarkt im Verhältnis zu dem Nachbargrundstück der Antragsteller eine Konfliktsituation schafft, deren Ausgleich nähere Bestimmungen in der Baugenehmigung selbst erfordert. Das Grundstück der Antragsteller ist nahezu in der gesamten Tiefe mit Wohnhäusern bebaut, die im Mischgebiet allgemein zulässig sind (§ 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BauNVO) und die jeweils nur einen geringen Abstand zum Baugrundstück einhalten. Auf diesem soll ein voraussichtlich hoch frequentierter Verbrauchermarkt mit 110 Stellplätzen errichtet werden, von denen 20 mit einem Abstand von nur 0,5 m und ohne bauliche Abschirmungen wie eine Lärmschutzwand direkt an der gemeinsamen Grundstücksgrenze angelegt werden. Über diese können der Lärm der Kundenfahrzeuge und der Einkaufswagen, menschliche Geräusche der Kunden sowie Abgase ungehindert zur Reihenhausanlage gelangen. Hinzu kommen der Lärm und die Abgase durch den Anlieferungsverkehr und die Umschlagvorgänge an der einzigen Anlieferungsrampe, die unmittelbar gegenüber den hinteren Wohngebäuden in einem Abstand von 3 m zur gemeinsamen Grenze vorgesehen ist. Auch insoweit sind keine Schallschutzmaßnahmen geplant; lediglich für den hinteren Teil der Rampe ist bis zum Anlieferungsbereich eine offene Einhausung von 2,20 m Tiefe (mit Anlieferungsbereich 5,59 m Tiefe) vorgesehen. Die Motorengeräusche der Lastkraftwagen einschließlich eventueller auf ihnen befestigter Kühlaggregate können somit ebenfalls ungehindert zu den angrenzenden Wohngebäuden gelangen, wobei sie möglicherweise durch die Außenwände des Marktes reflektiert und verstärkt werden.

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Bei einem derart offensichtlichen Konfliktpotential bedarf es trotz der in einem Mischgebiet nur eingeschränkt gewährleisteten Wohnruhe einer besonders sorgfältigen Prüfung, ob insbesondere die maßgeblichen Lärmrichtwerte auf dem betroffenen Nachbargrundstück der Antragsteller realistischerweise eingehalten werden können und mit hinreichender Sicherheit tatsächlich eingehalten werden, ferner, ob den Antragstellern als Nachbarn die Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen zum Lärmschutz mit vertretbarem Aufwand möglich ist. Eine entsprechende positive Feststellung lässt sich jedenfalls in dem auf vorläufigen Rechtsschutz gerichteten Verfahren nicht eindeutig treffen. Nach dem ergänzenden Schallgutachten des Prof. Dr. ... vom 28. Mai 2002 wird bei dem der Anlieferungsrampe nächstgelegenen Gebäude Nr. 1 i der maßgebliche Lärmrichtwert von 60 dB(A) tagsüber nicht nur erreicht, sondern mit 60,6 dB(A) sogar etwas überschritten. Nach Auffassung des Sachverständigen ist jedoch "die geringfügige Überschreitung am Immissionsort 2 um weniger als 1 dB.. nach Ziff. Zi. 3.2.1, Abs. 3, TA-Lärm unbedenklich". Diese These bedarf einer Überprüfung im Widerspruchsverfahren und ggf. in einem anschließenden Verfahren zur Hauptsache. Nach der erwähnten Teilziffer der TA-Lärm soll die Genehmigung wegen einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte aufgrund der Vorbelastung auch dann nicht versagt werden, wenn dauerhaft sichergestellt ist, dass diese Überschreitung nicht mehr als 1 dB(A) beträgt. Für eine solche Feststellung fehlt es im Gutachten an einer einleuchtenden Begründung, die sich auch nicht aus den Umständen ergibt. Dabei kann dahingestellt bleiben, inwieweit für das Grundstück der Antragsteller die Geräusche von dem weiter entfernten Parkplatz des ...-Geländes eine Vorbelastung im Sinne der genannten Regelung darstellen. Zumindest fehlt es an der Darlegung einer dauerhaften Sicherstellung der Begrenzung der Überschreitung auf höchstens 61 dB(A). Der insoweit erforderlichen sicheren Prognose steht zunächst entgegen, dass der Sachverständige sein Gutachten vom 13. Mai 2002 und die Ergänzung vom 28. Mai 2002 ohne Ortsbesichtigung und damit ohne Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort erstellt hat (vgl. Bl. 3 des Gutachtens vom 13. Mai 2002). Die Annahmen zu den Lkw- und Pkw-Bewegungen, zu denen sich die Beigeladene im Bauantrag nicht geäußert hatte, beruhen auf nachträglichen Angaben des Betreibers, deren Plausibilität offenbar vom Antragsgegner nicht überprüft wurde und vom Gericht in diesem Rechtsstreit nicht ohne weiteres beurteilt werden kann. Nach den Erfahrungen der Kammer in Verfahren mit vergleichbarer Problematik ist dabei besonders Gewicht zu legen auf realitätsnahe Angaben zum Umfang und zu den Zeiten des Anlieferverkehrs, die hier mit 7:00 Uhr bis 17:00 Uhr angegeben sind. Die Anlieferer haben in der Regel ein Eigeninteresse an einer möglichst zügigen, d.h. auch zeitungebundenen Durchführung der Liefervorgänge, so dass die entsprechenden Zeitangaben der Marktbetreiber teilweise einen "Feigenblattcharakter" haben. Ob dies hier trotz des Hinweises der Antragsteller auf angebliche abweichende Lieferzeiten für einen anderen Aldi-Markt auszuschließen ist (so die Beigeladene im Schriftsatz vom 22. August 2002), lässt sich nicht übersehen. Der Hinweis des Antragsgegners auf die Möglichkeit bauaufsichtlicher Maßnahmen bei Verstößen gegen die festgelegten Zeiten berücksichtigt möglicherweise nicht hinreichend, dass es dem nachbarlichen Interessenausgleich widersprechen würde, wenn die betroffenen Nachbarn bei vorhersehbaren Verstößen in die Rolle derjenigen gedrängt werden würden, denen die Obliegenheit des Nachweises der Zeitüberschreitungen obläge. Auch aus anderen Gründen bleibt offen, ob der Sachverständige von einer realistischen und vollständigen Tatsachengrundlage ausgegangen ist, und ob diese in der Baugenehmigung hinreichend ihren Niederschlag gefunden haben. So lässt sich die Längenangabe von 3 m für "die Kältemaschinen... an der Warenannahme innerhalb der vorgesehenen Einhausung" (Gutachten vom 13. Mai 2002) anhand des genehmigten Grundrisses für den Bereich der dort so gezeichneten Kühlzelle nicht nachvollziehen. Der Sachverständige äußert sich auch nicht dazu, ob die unmittelbar neben dem Bereich der Kühlzelle befindliche Tür zur Anlieferungsrampe aus Lärmschutzgründen geschlossen zu halten ist. Ebenso wenig finden sich in den Begutachtungen Ausführungen zu den Auswirkungen der heute üblichen Kühlaggregate von Lieferfahrzeugen auf die Nachbarschaft. Zu untersuchen wäre daneben, ob neben den Immissionspunkten 1 und 2 eine besondere Betroffenheit derjenigen Gebäude auf dem Grundstück der Antragsteller anzunehmen ist, die bei den Rangiervorgängen (rückwärts) in besonderer Weise den Geräuschen der Motoren und der Kühlaggregate ausgesetzt wären. Bezüglich der Geräusche im Bereich der Rampe wird ferner nicht deutlich, ob der Sachverständige die Reflektionswirkung der Wände des geplanten Marktes berücksichtigt hat. Nachzugehen wäre weiter der Frage, inwieweit der Sachverständige zu Recht von einer Pegelminderung "durch Abschirmung durch die Einhausung der Warenannahme" (Gutachten vom 13. Mai 2002) ausgegangen ist, obwohl die Anlieferungsrampe weitgehend offen ist und auch der überdachte Teil im hinteren Bereich zur Rampe hin offen bleiben soll. Angesichts der Nähe der Immissionsquellen zu den Immissionsorten und angesichts der schon bei pauschaler Berechnung festgestellten Überschreitung der Immissionsrichtwerte dürfte im Übrigen für eine positive Feststellung nach Nr. 3.2.1 3. Abs. der TA-Lärm eine Überprüfung vor Ort angebracht sein, ob im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die nach Art und Gewicht wesentlichen Einfluss auf die Beurteilung haben können (Nr. 3.2.2 der TA-Lärm).

7

Unabhängig von der Frage der Einhaltung des Gebots der Rücksichtnahme können die Antragsteller die Baugenehmigung möglicherweise auch deshalb mit Erfolg angreifen, weil das Vorhaben der Eigenart des Gebietes widerspricht. Unabhängig vom Grad tatsächlicher Beeinträchtigungen kann ein Nachbar ein Vorhaben abwehren, wenn dieses einer Baugebietfestsetzung widerspricht und der Nachbar in deren Schutzbereich einbezogen ist (BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151). Hier lässt sich bei der allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht abschließend beurteilen, ob das genehmigte Vorhaben mischgebietstypisch ist oder aber einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb iSd. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO darstellt, der nur in Kerngebieten oder in Sondergebieten zulässig wäre. Derzeit sprechen allerdings gewichtige Gründe für eine Bewertung des Vorhabens als großflächiger Einzelhandelsbetrieb. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgerichts sieht in seiner jüngeren Rechtsprechung (Beschluss vom 27. April 2001 - 1 MB 1190/01 -) als großflächig im Sinne der genannten Vorschrift nach dem derzeit gesicherten Stand der Erkenntnisse Supermärkte ab einer Verkaufsfläche von etwa 700 m² an. Es lasse sich nicht mit der für ein Eilverfahren ausreichenden Verlässlichkeit absehen, ob diese Fläche angesichts geänderten Marktgeschehens und Kundenverhaltens weiter erhöht werden müsse oder dürfe. Dieser im genannten Beschluss näher begründeten Auffassung schließt sich die erkennende Kammer für dieses Eilverfahren an. Der von der Beigeladenen für ihre gegenteilige Auffassung vorgelegte Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 4. April 2002 - 4 B 173/02 - berücksichtigt keine neueren Erkenntnisse, die eine abweichende Beurteilung nahe legen würden. Das Nds. OVG (aaO.) hat im konkreten Fall angenommen, mit 742 m² übersteige das Vorhaben "aller Voraussicht nach die Schwelle unschädlicher Größe". Bei Anwendung des genannten Maßstabes wäre dies hier auch der Fall. Die Beigeladene hat die Verkaufsfläche im genehmigten Grundrissplan sowie für die Berechnung der Wohn- und Nutzflächen ("Verkaufsraum") mit 753,77 m² angegeben. Nach vorläufiger Einschätzung ist für die Entscheidung über die Annahme der Großflächigkeit von diesem Maß auszugehen. Verkaufsfläche ist die Fläche, auf der die Verkäufe abgewickelt werden und die von den Kunden zu diesem Zweck betreten werden darf. Sie umschließt die dem Verkauf dienende Fläche einschließlich der Gänge, Treppen, Aufzüge, Standflächen für Einrichtungsgegenstände, Kassenzonen, Schaufenster und Freiflächen, soweit sie den Kunden zugänglich sind (Fickert/Fieseler, BauNVO, 9. Aufl., § 11 RdNr. 19.3). Bei lebensnaher Betrachtung sowie unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Vorschrift ist voraussichtlich entgegen der von Antragsgegner und der Beigeladenen unter Hinweis auf den Beschluss des VG Magdeburg vom 4. April 2002 vertretenen Auffassung von der Verkaufsfläche nicht der Einpackbereich bei den Kassen und dahinterliegende Packbereich herauszurechnen. Dort wird der einheitlich zu bewertende Einkaufsvorgang abgeschlossen. Auch die Bezahlvorgänge finden hinter der auf der Zeichnung Beiakte A, Bl. 8, willkürlich gezogenen Linie in der Mitte des Kassenbereiches statt, die zu einer verringerten "Verkaufsnutzfläche" von hier nur 687,48 m² führen würde.

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Bei Annahme eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs iSd. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO besteht ein Abwehranspruch der Antragsteller wegen fehlender Bewahrung der Gebietsart, wenn von dem eine Geschossfläche von 1200 m² nicht überschreitenden (Satz 3) Vorhaben nicht nur unwesentliche Auswirkungen, etwa schädliche Umwelteinwirkungen oder Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung oder auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich oder auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde, ausgehen würde. Dies lässt sich hier schon angesichts der oben erörterten Lärmbelastung für die Nachbarschaft (Umwelteinwirkungen) nicht ausschließen. Auf mögliche Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung, etwa wegen eines Entzugs von Kaufkraft aus anderen Bereichen wie der Innenstadt, käme es da nicht mehr an.

9

Die bei dieser Sachlage zu treffende allgemeine Interessenabwägung fällt zuungunsten der Beigeladenen und zugunsten der Antragsteller aus. Das Interesse der Beigeladenen daran, die ihr erteilte Baugenehmigung zunächst ausnutzen zu dürfen, tritt hinter dem Interesse der Antragsteller daran, bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens und eines eventuell folgenden Klageverfahrens von der Errichtung und Inbetriebnahme des Verbrauchermarktes und der Parkplätze verschont zu bleiben, zurück. Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, dass bei einer Fortsetzung der bereits begonnen Baumaßnahme Fakten geschaffen werden würden, die bei realistischer Betrachtung nur schwer rückgängig gemacht werden könnten. Nach derzeitiger Einschätzung ist ein Obsiegen der Antragsteller in der Hauptsache aus den ausgeführten Gründen jedenfalls nicht unwahrscheinlich. Außerdem musste die Beigeladene bei der von ihr zu verantwortenden Planung und der ins Auge springenden Konfliktsituation von vornherein mit Abwehransprüchen rechnen.

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Es besteht auch keine Veranlassung, hinsichtlich des Ergebnisses zwischen den einzelnen Antragstellern zu differenzieren, weil die ihnen zugeordneten Gebäude in unterschiedlicher Weise von den Immissionen betroffen werden. Nach den bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen zeichnerischen Darstellungen, die den Angaben der Antragsteller in der Antragsschrift entsprechen, handelt es sich bei dem mit den Reihenhäusern bebauten Flurstück ../.. um ein - ungeteiltes - Grundstück. Ein etwaiges zivilrechtliches Teil - oder Sondereigentum von Antragstellern an Einzelgebäuden hindert eine Gesamtbetrachtung nicht. Die der Baugenehmigung zugrundegelegte Lärmprognose ist aus den dargelegten Gründen auch insgesamt, also hinsichtlich ihrer Auswirkungen für alle Bereiche des Nachbargrundstücks der Antragsteller, überprüfungsbedürftig. Zudem würde ein Abwehranspruch wegen fehlender Bewahrung der Gebietsart unabhängig von einer konkreten Betroffenheit sein.

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht für erstattungsfähig erklärt, da sie die Rechtsposition des unterliegenden Antragsgegners unterstützt.