Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 18.09.2002, Az.: 7 A 341/99

abdrängende Sonderzuweisung; Akteneinsicht; allgemeine Leistungsklage; Auskunftsrecht; Ausschreibungsverfahren; beschränkte Ausschreibung; Schweigepflicht; Sondernutzung; Treu und Glauben; Vergabe; Vergabeverfahren; Verschwiegenheit; Verwaltungsrechtsweg; Vorpachtrecht; Werbenutzungsvertrag; Werbung; Zumutbarkeit; Zuschlag; öffentlich-rechtliche Streitigkeit; öffentlich-rechtlicher Vertrag; öffentliche Straße

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
18.09.2002
Aktenzeichen
7 A 341/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43636
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein Werbenutzungsvertrag, dessen wesentlicher Inhalt die Überlassung der Werbung auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen ist, ist öffentlich-rechtlicher Natur.

Ein Auskunftsrecht besteht nur dann, wenn derjenige, der die Auskunft erteilen soll, durch die Pflicht zur Auskunft nicht unbillig belastet wird. Unter Umständen kommt nur eine Auskunftserteilung an einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten in Betracht.

Tatbestand:

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Die Beteiligten streiten um ein Auskunftsrecht der Klägerin.

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Die Klägerin schloss am 28. April 1981 mit der Beklagten einen Vertrag, wonach die Beklagte ihr gegen Entgelt die Werbung auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen überließ sowie im Einzelfall mit Zustimmung der Beklagten auch Werbung an und auf stadteigenen fiskalischen Grundstücken. Zur Fortführung der vertraglichen Beziehungen nach Ablauf der Vertragslaufzeit heißt es in § 12:

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„Vorpachtrecht

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(1) Im Falle einer Neuverpachtung nach Ablauf dieses Vertrages sichert die Stadt der DSR ein Angebot auf Abschluss eines Vertrages zu, wenn das Angebot der DSR günstiger als das der Mitbewerber oder zumindest gleichwertig ist, insbesondere in Bezug auf die Höhe des Entgelts.....“

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Der 12jährige Vertrag wurde einmal um sechs Jahre verlängert und lief schließlich nach einer Kündigung durch die Beklagte am 31. Dezember 1998 aus. Seitens der Beklagten erfolgte Ende 1998 eine beschränkte Ausschreibung gem. Verdingungsordnung für Leistungen - Teil A - (VOL/A), um einen Nachfolger der Klägerin zu ermitteln. Unter den drei Anbietern befand sich neben der Klägerin auch die Beigeladene. Die Beklagte teilte der Beigeladenen nach Prüfung aller Angebote am 17. Dezember 1998 mit, dass ihr Angebot den Zuschlag erhalten habe. Nach Bekanntgabe dieses Umstandes an die Klägerin bat diese die Beklagte erstmals mit Schreiben vom 18. Dezember 1998 im Hinblick auf § 12 des gemeinsamen Vertrages um Offenlegung des Angebotes der Beigeladenen. Nachdem die Klägerin nochmals Auskunft begehrt hatte, teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 13. Januar 1999 mit, dass ihr Angebot mit dem der Beigeladenen nicht gleichwertig sei. Ein Vorpachtrecht stehe ihr deshalb nicht zu. Im übrigen seien die in der VOL/A vorgesehenen Verfahren zur Eröffnung, Prüfung und Wertung der Angebote eingehalten und vom Rechnungsprüfungsamt überwacht worden. Die VOL/A schreibe in § 22 Nr. 6 Abs. 1 ausdrücklich vor, dass die Angebote der Bewerber und ihre Anlagen vertraulich zu behandeln seien. Aus diesem Grund könnten der Klägerin Kopien der Angebote ihrer Mitbewerber nicht zur Verfügung gestellt werden. Auch könnten aus diesem Grund die Verträge, die mit den Mitbewerbern abzuschließen seien oder abgeschlossen worden seien, nicht bekannt gegeben werden. Anschließend erfolgte weiterer Schriftverkehr, im Rahmen dessen die Beteiligten an ihren unterschiedlichen Rechtsstandpunkten festhielten.

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Am 1. Februar 1999 hat die Klägerin Klage erhoben und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist mit Beschluss der Kammer vom 29. März 1999 (7 B 342/99) abgelehnt worden.

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Die Klägerin vertritt die der Ansicht, dass es sich bei dem Werbenutzungsvertrag um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handele. Auch § 12 des Vertrages sei öffentlich-rechtlicher Natur. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Auskunftsanspruch sei eben dieser § 12, so dass der Verwaltungsrechtsweg zulässig sei. Sie leite ihren Auskunftsanspruch nicht aus Vorschriften des GWB her, so dass es sich bei der vorliegenden Streitigkeit nicht um eine solche handele, für die der 4. Abschnitt des GWB einschlägig sein könne. Im übrigen handele es sich bei dem Gegenstand des öffentlichen Auftrages nicht um eine Dienstleistung i.S. des § 99 Abs. 1 und 4 GWB, so dass § 104 Abs. 2 Satz 1 GWB auch aus diesem Grund nicht Anwendung finde. Schließlich sei  zu beachten, dass der Sonderrechtsweg für Vergabeverfahren erst ab dem 01.01.1999 eröffnet worden sei. Der Beigeladenen sei jedoch bereits vor Inkrafttreten des vierten Teiles des GWB der Zuschlag erteilt worden.

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In der Sache lasse sich aus § 12 des Vertrages mit der Beklagten herleiten, dass sie - die Klägerin - berechtigt sei, die Gleichwertigkeit der verschiedenen Angebote selbst zu überprüfen. Würde man ihr diese Möglichkeit vorenthalten, liefe die Regelung des § 12 ins Leere. Die Offenlegung des Angebots der Beigeladenen hänge auch nicht von deren schriftlicher Zustimmung ab. § 58 Abs. 1 VwVfG sei nicht anwendbar.

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Die Klägerin beantragt,

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1. die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Auskunft über das Angebot der Beigeladenen durch Einsichtnahme in die Angebotsunterlagen der Beigeladenen zu geben,

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hilfsweise,

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2. die Beklagte zu verpflichten, einer auf nationalen Ebene tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Einsichtnahme in die Vergabeunterlagen des hier streitigen Verfahrens zu gewähren und eine Begutachtung zu fertigen und insofern auch erforderliche Auskünfte zu erteilen, um anhand der VOL/A nachprüfen zu können, ob das Angebot der Klägerin mindestens gleichwertig ist - besonders hinsichtlich des zu zahlenden Entgeltes; die Auskünfte betreffen insbesondere, ob die Wertungskriterien der Beklagten mit der VOL/A im Einklang stehen, ferner Auskünfte zur formellen Ordnungsgemäßheit des Angebots der Beigeladenen, zur Prüffähigkeit und Vollständigkeit des Angebots sowie zur Wirtschaftlichkeit der Angebote der Klägerin und der Beigeladenen im Verhältnis zueinander, wobei die Verdingungsunterlagen der Beklagten vom 12. November 1998 nebst Anlagen, die jeweilige Laufzeit der Verträge sowie das Angebot der Klägerin vom 1. Dezember 1998 zu berücksichtigen sind,

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sowie die Beklagte zu verpflichten, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu ermächtigen, das oben genannte Gutachten der Klägerin zur Verfügung zu stellen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Ihrer zuletzt geäußerten Auffassung nach handelt es sich bei dem Werbenutzungsvertrag mit der Klägerin um privatrechtlichen Vertrag. Im übrigen gehe es der Klägerin um die Überprüfung einer Vergabeentscheidung. Derartige Streitigkeiten seien durch Bundesgesetz ausdrücklich einem anderen Gericht als dem Verwaltungsgericht zugewiesen. Das GWG enthalte eine Sonderzuweisung zu den Vergabekammern. Allerdings komme eine Verweisung an Vergabekammern nicht mehr in Betracht, da das Vergabeverfahren durch Erteilung des Auftrags an die Beigeladene bereits abgeschlossen sei.

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In der Sache komme die Offenlegung des Angebots der Beigeladenen wegen § 22 Nr. 6 Abs. 3 VOL/A, § 111 Abs. 2 GWB nicht in Betracht. Dem Auskunftsanspruch nach § 12 des Werbenutzungsvertrages zwischen der Klägerin und ihr sei Genüge getan, wenn der Klägerin eröffnet werde, ihr Angebot sei nicht mindestens ebenso günstig wie das eines Mitbewerbers. Ein weitergehender Auskunftsanspruch würde letztendlich dazu führen, dass die Klägerin einen Wissensvorsprung gegenüber den Mitbewerbern erhielte, der es ihr ermöglichte, die konkurrierenden Angebote immer knapp zu unterbieten. Dies sei nicht die Intention des § 12 Werbenutzungsvertrages. Im Hinblick auf § 58 Abs. 1 VwVfG könne § 12 des Vertrages - wenn überhaupt - allenfalls dahingehend ausgelegt werden, dass die Nachprüfung des Angebots durch eine objektive Stelle erfolgen solle, jedoch nicht die Offenlegung an die Klägerin. Unabhängig vom vorstehenden übrigen habe die Klägerin aber bereits auf ihren „vermeintlichen“ Auskunftsanspruch nach § 12 dadurch verzichtet, dass sie sich ohne Kommentar an einem Ausschreibungsverfahren beteiligt habe, für welches die Beklagte bereits von Anfang an auf die Geltung der VOL/A hingewiesen habe.

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Die Beigeladene beantragt ebenfalls, die Klage abzuweisen.

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Sie vertritt die Auffassung, dass die vom Gericht in seinem Beschluss vom 29. März 1999 herangezogene Entscheidung des VGH Baden-Württemberg nicht einschlägig sei. Im hier streitigen Vertrag hätten die Beteiligten klar zwischen dem zivilrechtlichen Abschluss des Vertrags und seiner öffentlich-rechtlichen Durchführung unterschieden. Zudem seien die Beteiligten schon deshalb nicht von einem öffentlich-rechtlichen Vertrag ausgegangen, weil es in demselben ausdrücklich heiße: „Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Wilhelmshaven.“ Im Übrigen gehe es der Klägerin um die Rechtmäßigkeit der Vergabe. Dies sei durch Bundesgesetz ausdrücklich einem anderen Gericht zugewiesen. In der Sache habe die Beklagte dem Auskunftsanspruch der Klägerin insoweit genüge getan, als sie der Klägerin nach Durchführung eines formellen Ausschreibungsverfahrens mitgeteilt habe, ihr Angebot sei nicht mindestens ebenso günstig wie das eines Wettbewerbers. Ein weitergehender Auskunftsanspruch sei von § 12 Werbenutzungsvertrag nicht bezweckt gewesen. Der Umfang des Auskunftsanspruchs müsse im Lichte der VOL/A ermittelt werden. Nach § 22 VOL/A seien die Angebote und ihre Anlagen vertraulich zu behandeln.

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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig.

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Insbesondere hat die Klägerin zulässigerweise den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Die Streitigkeit zwischen den Beteiligten ist eine öffentlich-rechtliche und nicht eine solche des Privatrechts. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder privat-rechtlich ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Das Rechtsverhältnis, aus welchem die Klägerin ihren Anspruch auf Auskunftserteilung gegenüber der Beklagten herleitet, ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag. Diese Auffassung hat die Kammer bereits in ihrem Beschluss vom 29. März 1999 (Az.: 7 B 342/99) vertreten. Die Kammer hält an ihrer darin dargelegten Rechtsauffassung fest. Für die Frage, ob ein Vertrag öffentlich-rechtlicher Natur ist, ist nicht darauf abzustellen, ob die Vertragsparteien ihren Vertrag dem öffentlichen oder dem Zivilrecht zuordnen wollen. Aus diesem Grund ist es unerheblich, ob - was die Beklagte und die Beigeladene behaupten - mit dem hier zu beurteilenden Vertrag der Beteiligten vom 28. April 1981 eine zivilrechtliche Vereinbarung gewollt gewesen sei, worauf beispielsweise die Gerichtsstandsvereinbarung und ein fehlendes Dienstsiegel hinwiesen. Entscheidend kommt es auf die objektive Rechtsnatur des Vertragsgegenstandes an, insbesondere ist danach zu fragen, ob die den Vertragsparteien auferlegten Rechte und Pflichten dem Gebiet des öffentlichen Rechts entstammen. Insoweit verweisen allerdings die Beklagte und die Beigeladene zu Recht darauf, dass die Regelungen eines Vertrages nicht notwendigerweise einheitlich dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht zugeordnet werden müssen und dürfen. Zwingend ist nur die einheitliche Beurteilung von in einem synallagmatischen Verhältnis stehende Leistungen und Gegenleistungen (siehe zu alledem Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 54, Rn. 77).

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Vorliegend stellt die Kammer entscheidend darauf ab, dass die Pflicht der Beklagten nach § 1 Abs. 1 S. 1 Werbenutzungsvertrag, der Klägerin grundsätzlich die Werbung auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen zu überlassen, den wesentlichen Vertragsgegenstand des Vertrages darstellt. Mit diesem Vertragsbestandteil steht und fällt der gesamte Vertrag. § 12 Werbenutzungsvertrag steht hierzu zwar nicht in einem synallagmatischen Verhältnis. Doch handelt es sich auch nicht um einen weiteren/anderen Hauptbestandteil des Vertrages, der gesondert von den in § 1 Abs. 1 S. 1 Werbenutzungsvertrag definierten Rechten und Pflichten der Beteiligten betrachtet werden könnte. Vielmehr handelt es sich bei § 12 Werbenutzungsvertrag um eine Nebenbestimmung, die in engem und untrennbarem Zusammenhang mit den in § 1 Abs. 1 S. 1 Werbenutzungsvertrag definierten Rechten und Pflichten der Beteiligten steht. Die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin im Falle einer Neufassung nach Ablauf des Vertrages ein Angebot auf Abschluss eines Vertrages zuzusichern, ist nur vor dem Hintergrund erfolgt, dass die Beklagte der Klägerin zuvor für zumindest 12 Jahre das Recht eingeräumt hat, auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen Werbung durchzuführen. Beide Bestimmungen müssen deshalb einheitlich beurteilt werden, wobei es auf den Charakter der Hauptbestimmung ankommt. Die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin die Werbung auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen zu überlassen, ist dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Denn die Werbung auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen ist straßenrechtliche Sondernutzung (§ 18 NStrG). Zwar ergibt sich aus der vorgenannten Bestimmung des Vertrages nicht im Einzelnen, wann und für welchen Standort der Klägerin eine Sondernutzungserlaubnis erteilt werden sollte (vgl. Aus § 2 des Vertrages). Vielmehr handelt es sich um eine rahmenrechtliche Bestimmung, die generalisierend das Recht auf Durchführung von Werbung einräumt. Vor diesem Hintergrund hat sich die Kammer bereits in ihrem Beschluss vom 29. März 1999 auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Baden-Württemberg vom 11. März 1993, Az. 5 S 127/92 berufen, in dem ein gleichartiger Werbenutzungsvertrag dem öffentlichen Recht zugeordnet worden ist (dem folgend VGH Mannheim, Urt. v. 12. Dezember 1996 - 8 S 1725/96 - NVwZ 1998, 652 ff [VGH Baden-Württemberg 12.12.1996 - 8 S 1725/96], zitiert nach Juris; so auch Kopp, VwVfG, 7. Aufl., § 54, Rn. 36). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Werbenutzungsvertrag der Klägerin und der Beklagten einige Prüfungsschritte vorwegnimmt, welche im Rahmen eines Antrags auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zu prüfen wären. So steht die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis grundsätzlich im Ermessen der Behörde, welche dieses prinzipiell auch dahingehend ausüben kann, dass überhaupt keine Werbung zu gestatten. Mit diesem Argument hätte die Beklagte Anträge der Klägerin nach Abschluss des Werbenutzungsvertrages indes nicht mehr ablehnen können. Auch war es der Beklagten verwehrt, bestimmte Anträge der Klägerin mit der Erwägung abzulehnen, man habe schon einem anderen Bewerber für denselben Standort eine Sondernutzungserlaubnis erteilt. Vor diesem Hintergrund ist eine Nähe der rahmenrechtlichen Bestimmung im Werbenutzungsvertrag zum öffentlichen Recht festzustellen.

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Für die Streitigkeit der Beteiligten ist auch kein abdrängender Sonderrechtsweg gegeben. Die Klägerin stützt den geltend gemachten Anspruch auf § 12 des zwischen ihr und der Beklagten abgeschlossenen Vertrages. Hinsichtlich der vertraglichen Ansprüche zwischen den Beteiligten existiert keine Sonderrechtszuweisung, insbesondere greift nach Auffassung der Kammer § 104 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) nicht ein. In dieser Vorschrift heißt es, dass die Nachprüfung der Vergabe öffentlicher Aufträge die Vergabekammern ... wahrnehmen und dass Ansprüche der Unternehmen darauf, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält, außer vor den Vergabeprüfstellen nur vor den Vergabekammern und dem Beschwerdegericht geltend gemacht werden können. Zwar ist die Klägerin im Rahmen der Vergabe eines öffentlichen Auftrages übergangen worden und macht ein Auskunftsrecht vor dem Hintergrund geltend, dass sie die Gleichwertigkeit ihres Angebots mit der des Angebots der Beigeladenen überprüfen wolle. Unzweifelhaft sind auch die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Angebote sowie die Sicherung der Zuschlagserteilung auf das wirtschaftlichste Angebot zentrale Aufgabe des Vergabeverfahrens. Doch ändert all dies nichts an dem Umstand, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten daneben auch noch vertraglichen Beziehungen bestehen, auf die sich die Klägerin vorliegend beruft.

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Die allgemeine Leistungsklage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat zum einen keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Auskunftserteilung über das Angebot der Beigeladenen durch persönliche Einsichtnahme in die Angebotsunterlagen der Beigeladenen (Hauptantrag). Zum anderen hat sie auch keinen Anspruch darauf, von der Beklagten Auskunft dergestalt zu erhalten, dass diese die Angebotsunterlagen der Beigeladenen einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorlegt und ihr anschließend vollumfängliche Einsicht in deren Gutachten gewährt (Hilfsantrag). Im Einzelnen gilt folgendes:

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Das von der Klägerin geltend gemachte Auskunftsrecht haben die Klägerin und die Beklagte in ihrem Werbenutzungsvertrag ausdrücklich nicht vereinbart. Aus § 12 Werbenutzungsvertrag lässt sich das Auskunftsrecht unmittelbar nicht herleiten. § 12 Werbenutzungsvertrag regelt lediglich ein sog. Vorpachtrecht für den Fall der Neuverpachtung nach Ablauf des Vertrages und unter der Bedingung, dass ein dann abgegebenes Angebot der Klägerin günstiger oder mindestens gleichwertig im Vergleich zu den Angeboten von Mitbewerbern ist.

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Ihren Anspruch auf Auskunft vermag die Klägerin mit Erfolg auch nicht auf §§ 62 Satz 1, 29 VwVfG zu stützen. Der Anwendungsbereich des § 29 VwVfG beschränkt sich auf Akten, die in Bezug auf den Akteneinsicht begehrenden Bürger, einen Beteiligten des Verwaltungsverfahrens, angelegt worden sind (s. dazu Bonk in Steltens/Bonk, VwVfG, 5. Aufl., § 29, Rz 32). Im vorliegenden Fall käme eine Anwendung des § 29 VwVfG deshalb nur dann in Betracht, wenn die Klägerin in Akten Einsicht nehmen wollte, die von der Beklagten anlässlich ihres gemeinsamen Vertrages angefertigt wurden. Die Klägerin begehrt aber Einsicht in Akten Dritter, welche im Rahmen eines anderen Verwaltungsverfahrens (Ausschreibungsverfahrens) angefertigt wurden. Außerdem scheitert die Anwendung des § 29 VwVfG daran, dass das Vorgabeverfahren durch die Erteilung des Zuschlages bereits abgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1983 - 2 C 42.82 - BVerwGE 67, 300, 303 f.).

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Vor diesem Hintergrund kommt als Anspruchsgrundlage des geltend gemachten Auskunftsrechts nur § 242 BGB in Betracht, welcher aufgrund der Verweisung in § 62 S. 2 VwVfG auf öffentlich-rechtliche Verträge entsprechende Anwendung findet. Für eine Auskunftspflicht nach Treu und Glauben ist Voraussetzung, dass die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, er sich die zur Vorbereitung und Durchsetzung seines Anspruchs notwendigen Auskünfte nicht auf zumutbare Weise selbst beschaffen kann und der Verpflichtete sie unschwer, d.h. ohne unbillig belastet zu sein, zu geben vermag. Zwischen den Beteiligten muss eine besondere rechtliche Beziehung bestehen. Dabei kann es sich um ein Vertragsverhältnis oder um ein gesetzliches Schuldverhältnis handeln. Für den Anspruch auf Auskunft, der einen Hilfsantrag darstellt, ist es schließlich noch erforderlich, dass ein Leistungsanspruch dem Grunde nach besteht (so in st. Rechtsprechung der Bundesgerichtshof für Zivilsachen, z.B. Urteil vom 17. Mai 1974 - X CR 82/92 -, NJW 1995, 386 (387) [BGH 17.05.1994 - X ZR 82/92]; s. auch Heinrichs in Palandt, BGB, 59. Auflage, § 261, Rdziff. 20 m.w.N.; Krüger in Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 2, 4. Auflage, § 260, Rz 12). Zwischen der Klägerin und der Beklagten besteht eine besondere rechtliche Beziehung, deren Grundlage der zwischen ihnen abgeschlossene Werbenutzungsvertrag ist. Die Klägerin hat auch einen Leistungsanspruch, aufgrund dessen sie Auskunft benötigt, nämlich ihr Vorpachtrecht nach § 12 Werbenutzungsvertrag bzw. ein anstelle des Vorpachtrechts tretender möglicher Schadensersatzanspruch. aus dem Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung. Die Klägerin ist ohne eine Auskunft der Beklagten nicht in der Lage zu überprüfen, ob ihr eigenes Angebot gleichwertig oder wirtschaftlicher als das Angebot der Beigeladenen gewesen ist. Im Hinblick auf die Besonderheiten des öffentlichen Rechts besteht allerdings nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (vgl. BVerwG, a.a.O., S. 304 f.).

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Die Beklagte wäre „unbillig belastet“, wenn sie der Klägerin die von ihr einerseits mit dem Haupt- und andererseits mit dem Hilfsantrag begehrte Auskunft erteilen müsste. Die Weigerung der Beklagten, der Klägerin die von ihr einerseits mit dem Haupt- und andererseits mit dem Hilfsantrag begehrte Auskunft zu erteilen, ist deshalb nicht ermessensfehlerhaft. Die Beklagte beruft sich zu Recht darauf, dass der Antrag der Beigeladenen, über dessen Inhalt die Klägerin Kenntnis verlangt, im Rahmen einer Ausschreibung nach VOL/A gemacht wurde und die Beigeladene einer Offenlegung ihres Antrags an die Klägerin nicht zugestimmt hat. Deshalb unterliegt die Beklagte grundsätzlich einer Schweigepflicht. Den §§ 22 ff. VOL/A ist zu entnehmen, dass die Angebotsunterlagen sämtlicher Anbieter vertraulich zu behandeln sind. Dies ergibt sich insbesondere aus § 22 Nr. 5 und 6 Abs. 1 und 3 VOL/A. Darin heißt es, dass die Niederschrift über die Verhandlung zur Öffnung der Angebote weder dem Bieter noch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden darf und dass die Angebote und ihre Anlagen sorgfältig zu verwahren und vertraulich zu behandeln sind. Zudem darf der Auftraggeber die Angebotsunterlagen und die in den Angeboten enthaltenen eigenen Vorschläge eines Bieters nur für die Prüfung und Wertung der Angebote verwenden. Eine darüber hinausgehende Verwendung bedarf der vorherigen schriftlichen Vereinbarung. Gleichermaßen heißt es in § 27 Nr. 8 VOL/A, dass nicht berücksichtigte Angebote und Ausarbeitungen der Bieter nur mit deren Zustimmung für andere Zwecke benutzt werden dürfen. Zudem sind den nicht berücksichtigten Bietern nach § 27 Nr. 2 VOL/A im Rahmen ihrer Mitteilung über die Ablehnung ihres Angebots zwar die Gründe dafür mitzuteilen, jedoch darf die Mitteilung keinerlei Angaben aus den Angeboten anderer Bieter enthalten. Diese Vorschriften dienen zum einen dem öffentlichen Interesse daran, dass es unter den Bietern keine Preisabsprachen gibt. Zum anderen sollen die wirtschaftlichen Interessen der Bieter, insbesondere ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, geschützt werden. Letzterer Gesichtspunkt ist auch Hintergrund des § 111 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), wonach im Verlaufe eines Nachprüfungsverfahrens vor den Vergabekammern die Akteneinsicht in die Unterlagen der Bieter zu versagen ist, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere des Geheimnisschutzes oder zur Wahrung von Fabrikations-, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen geboten ist. Als Betriebsgeheimnisse in diesem Sinne gelten sogar bereits aktuelle Preise oder Preisstrukturen, weil aufgrund dieser Angaben auf schützenswerte Informationen der Wettbewerber geschlossen werden kann (Bundeskartellamt (1. Vergabekammer des Bundes), Beschluss vom 20. Dezember 1999 - VK 1-29/99 - NZBau 2000, 356).

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Die Beklagte stützt ihre Weigerung, der Klägerin im geforderten Umfange Auskunft zu erteilen, zu Recht auf die vorgenannten Umstände, weil der aus Treu und Glauben hergeleitete Auskunftsanspruch nicht unbegrenzt besteht, sondern der Umfang der Auskunftspflicht wesentlich durch den Grundsatz der Zumutbarkeit mitbestimmt wird (Heinrichs in Palandt, a.a.O., § 261 Rdziff. 24; Krüger in MüKo, a.a.O., § 259, Rz 45). Sowohl Geheimhaltungsinteressen des Schuldners als auch Geheimhaltungsinteressen Dritter können zu Einschränkungen führen. Gerade für den Fall, dass der Gläubiger Informationen zu vertragsfremden Zwecken, insbesondere als Wettbewerbsvorteil, missbrauchen könnte, ist anerkannt, dass der Schuldner die Informationen dem Gläubiger selbst nicht offenbaren muss. Der Schuldner kann vielmehr verlangen, dass er die Angaben einer Vertrauensperson gegenüber machen darf. Bei dieser Vertrauensperson muss es sich um einen neutralen Dritten handeln, der zur Verschwiegenheit verpflichtet ist und der dem Berechtigten nur die Ergebnisse seiner Prüfungen mitteilt (Krüger in MüKo, a.a.O., § 259, Rz 31; BGHZ, Urteil vom 26. Oktober 1999 - BLw 63/98 - zit. n juris; BGHZ, Urteil vom 22. November 1957 - I ZR 144/56 - LM § 260 BGB, Nr. 6).

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Vor diesem Hintergrund wäre die Beklagte möglicherweise verpflichtet, das Angebot der Beigeladenen einer zur Verschwiegenheit verpflichteten Person zu offenbaren und diese zu ermächtigen, der Klägerin das Ergebnis ihrer Prüfung mitzuteilen, möglicherweise auch die Prüfungskriterien. Denn die wirtschaftlichen Interessen der Beigeladenen erfordern keine absolute Geheimhaltung, sondern lediglich eine Geheimhaltung gegenüber ihren Wettbewerbern, also auch der Klägerin, sowie der Öffentlichkeit. Durch eine Offenlegung ihres Angebots gegenüber einer zur Verschwiegenheit verpflichteten Person, würde den berechtigten Interessen der Beigeladenen Rechnung getragen. Zum anderen berücksichtigte diese Vorgehensweise angemessen das Interesse der Klägerin an der Überprüfung ihres Anspruchs aus § 12 Werbenutzungsvertrag. Für die Klägerin kommt es allein auf das Ergebnis des Vergleiches ihres und des Angebots der Beigeladenen an.

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Die Klägerin begehrt mit ihrem Hauptantrag jedoch eine vollumfängliche Einsicht in die Angebotsunterlagen. Dem berechtigten Geheimhaltungsinteresse der Beigeladenen würde aber auch nicht hinreichend Rechnung getragen, wenn einem Auskunftsverlangen, wie es die Klägerin in ihrem Hilfsantrag formuliert hat, entsprochen würde. Zum einen betrifft dies schon den von der Klägerin beschriebenen Prüfungsumfang der zu beauftragenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Denn die Frage, ob das Angebot der Beigeladenen formell ordnungsgemäß war oder nicht, ist für die Beurteilung, ob das Angebot der Klägerin wirtschaftlich günstiger oder zumindest gleichwertig gegenüber dem der Beigeladenen war, unerheblich. Selbst wenn das Angebot der Beigeladenen formell nicht den Anforderungen der VOL/A entsprochen hätte, hätte die Beklagte durch einen Vertragsschluss mit der Beigeladenen, nicht gegen ihre Verpflichtung aus § 12 Werbenutzungsvertrag verstoßen, wenn das Angebot der Beigeladenen in der Sache wirtschaftlich günstiger als das der Klägerin gewesen wäre. Zum anderen kommt aber auch die Vorlage eines Gutachtens einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, welches die zahlreichen von der Klägerin in ihrem Hilfsantrag aufgeführten Aspekte umfassen soll, an die Klägerin nicht in Betracht. Denn aus einem solchen Gutachten würde das Angebot der Beigeladenen nahezu deutlich hervorgehen wie aus den Unterlagen der Beigeladenen selbst. 

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Nach Auffassung der Kammer konnten aus dem Hilfsantrag der Klägerin nicht einzelne Gesichtspunkte herausgelöst werden. In diesem Begehren waren daher als „Minus“ nicht noch weitere Anträge enthalten.

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Mit der Klägerin, die anwaltlich vertreten ist, ist in der mündlichen Verhandlung die Sach- und Rechtslage erörtert worden. Das Gericht hat dabei nicht verschwiegen, dass möglicherweise ein neutraler Dritter von der Beklagten nur zu ermächtigen wäre, der Klägerin als Ergebnis seiner Prüfung mitzuteilen, ob ihr Angebot günstiger oder gleichwertig im Vergleich zum Angebot der Beigeladenen wäre. Von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist dabei selbst die Erwägung geäußert worden, diesen Antrag als „Hilfs-Hilfsantrag“ zu stellen. Allerdings wurde von Klägerseite auch geäußert, dass ihr eine solche Auskunft nicht ausreichend erscheine. Ein weiterer Hilfsantrag ist auch nach einer längeren Unterbrechung der mündlichen Verhandlung nicht gestellt worden. Die Kammer war auch nicht nach § 86 Abs. 3 VwGO  verpflichtet, der Klägerin einen weiteren Hilfsantrag „in den Mund zu legen“, zumal dies den zuvor geäußerten Interessen der Klägerin nicht entsprach.