Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 20.09.2002, Az.: 12 B 3207/02

aufschiebende Wirkung; Ermessen; Gewerbe; Gewerbeausübung; Gewerbeuntersagung; Interessenabwägung; Schließungsandrohung; sofortige Vollziehbarkeit; Steuerrückstände; Untersagungsverfügung; Unzuverlässigkeit; Widerspruch

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
20.09.2002
Aktenzeichen
12 B 3207/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 43660
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Gründe

1

Der auf Wiederherstellung und Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gerichtete Antrag ist nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, aber nicht begründet. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 27. Juni 2002 gegen die im Bescheid des Antragsgegners vom 17. Juni 2002 verfügte Untersagungsverfügung entfällt, da der Antragsgegner die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat; diese Anordnung hat er in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügenden Weise schriftlich begründet. Soweit der Antragsgegner die Schließung androht, entfaltet der Widerspruch gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. §§ 70 Niedersächsisches Verwaltungsvollsteckungsgesetz, 64 Abs. 4 Satz 1 Niedersächsisches Gefahrenabwehrgesetz keine aufschiebende Wirkung.

2

Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs ist nicht begründet, da sein Interesse an der vorläufigen Aussetzung der Vollziehung des belastenden Bescheides das Interesse der Allgemeinheit an seiner sofortigen Durchsetzung nicht überwiegt. Bei der Interessenabwägung sind bei der im vorläufigen Verfahren gebotenen summarischen Prüfung die Aussichten des Begehrens im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Diese Interessenabwägung geht zu Ungunsten des Antragstellers aus, da die für sofort vollziehbar erklärte Gewerbeuntersagung offensichtlich rechtmäßig ist.

3

Die rechtliche Grundlage für die Untersagung des vom Antragsteller ausgeübten Gewerbes ergibt sich aus § 35 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung - GewO -. Danach muss die Ausübung eines Gewerbes untersagt werden, wenn Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der in dem Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Der Behörde bleibt insoweit kein Ermessensspielraum; sie muss die Untersagung verfügen.

4

Der Antragsteller verfügt aus den in dem angefochtenen Bescheid genannten Gründen, auf die in entsprechender Anwendung des § 117 Abs. 5 VwGO zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, nicht über die erforderliche gewerberechtliche Zuverlässigkeit. Dort wird zutreffend ausgeführt, dass für den Antragsteller Steuerrückstände in erheblicher Höhe bestehen und nicht ersichtlich ist, dass diese nach einem sinnvollen Sanierungskonzept zurück geführt werden könnten.

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Das Vorbringen des Antragstellers im gerichtlichen Verfahren führt zu keiner anderen Beurteilung. Sein Hinweis, die Steuerrückstände stammten aus der Zeit einer anderen selbstständigen gewerblichen Tätigkeit, ändert nichts an dem Bestehen der Steuerschulden und der Verpflichtung des Antragstellers, diese zurückzuführen. Ob Steuerschulden die Annahme der Unzuverlässigkeit begründen können, wenn sie aus nicht mit dem Gewerbebetrieb zusammenhängenden Steuern erwachsen sind, hängt davon ab, ob ihr Vorliegen zu einer ungünstigen Prognose hinsichtlich des gewerblichen Wirkens (mit) Anlass gibt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. Februar 1994 - 1 B 9/94 -, Gewerbearchiv 1995, 116). Deshalb begründet entgegen der Auffassung des Antragstellers allein der Umstand, dass die Steuerrückstände im Wesentlichen in der Zeit vor dem Jahr 2001 entstanden sind, nicht die Annahme, dass er für die Zukunft die Gewähr biete, sein Gewerbe ordnungsgemäß auszuüben. Vielmehr zeigt dies - zum einen -, dass der Antragsteller seit vielen Jahren nicht in der Lage ist, die bestehenden Steuerrückstände nach einem sinnvollen Sanierungskonzept zurückzuführen und hierdurch sein gewerberechtlich zuverlässiges Verhalten zu dokumentieren. Der Antragsteller ist bis heute nicht willens oder jedenfalls nicht in der Lage, die bestehenden Steuerrückstände zurückzuführen, wie auch sein Verhalten im gerichtlichen Verfahren zeigt. Der Berichterstatter hat mit Verfügung vom 12. August 2002 einen Vorschlag für eine außergerichtliche Einigung unterbreitet, der unter anderem eine Verpflichtung des Antragstellers zur Zahlung von 1.000,00 € pro Monat vorsah. Dieser Vorschlag basierte auf dem eigenen Vorbringen des Antragstellers im Verwaltungsverfahren. Nachdem sich der Antragsgegner mit diesem Einigungsvorschlag einverstanden erklärt hatte, teilte der Antragsteller mit, er sei lediglich in der Lage, 500,00 € pro Monat zu zahlen. Die Ratenzahlung sollte im September 2002 aufgenommen werden. Nachdem sich der Antragsgegner auch mit dieser Regelung einverstanden erklärt hatte, erklärte der Antragsteller, er sei zwar mit einer monatlichen Ratenzahlung von 500,00 € einverstanden, könne diese aber erst ab Anfang des kommenden Jahres zahlen, weil der „derzeitige Stillstand“ ihm hohe Nachteile bereitet habe. Dieses Verhalten des Antragstellers dokumentiert, dass er nicht willens oder  jedenfalls nicht in der Lage ist, die bestehenden Steuerrückstände zeitnah zurückzuführen.

6

Zum anderen zeigen die Aufstellungen der in Vollstreckung befindlichen Rückstände im Schreiben des Finanzamtes Westerstede vom 30. Juli 2002, dass auch im Jahr 2001 fällig gewordene Abgaben nicht gezahlt worden sind. Zudem hat der Antragsteller die Umsatz- und Körperschaftssteuererklärungen für die Jahre 2000 und 2001 trotz Mahnungen und Androhungen eines Zwangsgeldes bisher nicht abgegeben (vgl. Schreiben des Antragsgegners vom 7. August 2002). Damit zeigt der Antragsteller, dass er sein zu beanstandendes gewerbliches Wirken in der Vergangenheit bis heute fortsetzt, so dass er als gewerberechtlich unzuverlässig anzusehen ist.

7

Soweit sich die Untersagungsverfügung auf alle anderen Gewerbe sowie die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter des Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person erstreckt, ist diese Verfügung ermessensfehlerfrei nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO ergangen. Zur weiteren Begründung wird auch insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid des Antragsgegners vom 17. Juni 2002 Bezug genommen.

8

Des Weiteren ist die Androhung der Schließung der Betriebs- und Geschäftsräume durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs aller Voraussicht nach rechtmäßig. Die Regelung ist so zu verstehen, dass die Schließung für den Fall der selbständigen Fortführung des Gewerbes angedroht wird. Rechtsgrundlage hierfür sind § 70 Nds. Verwaltungsvollstreckungsgesetz i.V.m. §§ 70, 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 Nr. 3, 69 Nds. Gefahrenabwehrgesetz. Dabei ist insbesondere die Auswahl des angedrohten Zwangsmittels nicht ermessensfehlerhaft. Die Androhung der Schließung durch Anwendung des unmittelbaren Zwanges ist im Hinblick hierauf verhältnismäßig. Es ist geeignet und erforderlich, da das Zwangsmittel des Zwangsgeldes in Anbetracht der fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Antragstellers ungeeignet sein dürfte. Da es insbesondere nicht offenkundig fernliegend ist, dass der Antragsteller den Gewerbebetrieb fortführen wird, war die Androhung des Zwangsmittels auch erforderlich.