Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 16.09.2002, Az.: 7 A 3089/99
Abschiebung; Abschiebungshindernis; Asylberechtigung; China; chinesische Staatsangehörigkeit; Einreise; Glaubensfreiheit; Gruppenverfolgung; Katholiken; Luftweg; politische Verfolgung; römisch-katholische Kirche; sicherer Drittstaat; Untergrundkirche; Verfolgungsdichte; Vorverfolgung
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 16.09.2002
- Aktenzeichen
- 7 A 3089/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 41905
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 16a Abs 1 GG
- § 51 Abs 1 AuslG
- § 26a AsylVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Mitglieder der katholischen Untergrundkirche unterliegen in China keiner Gruppeverfolgung.Es kann aber - auch ohne Vorverfolgung - die beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung nach den Grundsätzen einer Einzelverfolgung wegen Gruppenugehörigkeit gegeben sein. Wegen der zunehmenden Bedrohungssituation ist hierbei kein strenger Maßstab zu Grunde zu legen.
Tenor:
Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass beim Kläger zu 1) die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Volksrepublik China vorliegen.
Der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 12. August 1999 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht und die Abschiebung des Klägers zu 1) in die Volksrepublik China angedroht worden ist.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger zu 1) und die Beklagte tragen jeweils ? und die Klägerin zu 2) die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der andere Beteiligte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand:
Die Kläger sind chinesische Staatsangehörige. Der Kläger zu 1) ist am ... Juni 19.. geboren. Die am ... Oktober 19.. geborene Klägerin zu 2) ist seine Ehefrau. Sie beantragten am 30. November 1998 ihre Anerkennung als Asylberechtigte.
Am 3. Dezember 1998 sind die Kläger vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu ihren Ausreisegründen befragt worden.
Der Kläger zu 1) gab im Wesentlichen an: Er sei von 1983 bis 1991 zur Schule gegangen. Er habe die Unterstufe der Mittelschule abgeschlossen und dann eine Lehre in der Schuhfabrik absolviert. Dort habe er bis zum 22. Juli 1998 gearbeitet. Dann habe man ihn festgenommen. Er habe danach nicht mehr gearbeitet, weil die Polizei ihn gefoltert habe. Er habe am Bein eine Wunde gehabt. Jetzt sei nur noch eine Narbe zu sehen. Er habe damals eine Erklärung unterschreiben müssen. Man habe ihn verfolgt, weil er an die römisch-katholische Kirche glaube. Am 16. September 1998 habe er mit dem Priester Mo einen Gottesdienst durchgeführt. Dieser habe im Ort Jiangnan bei einem anderen Gläubigen namens Li, der verstorben sei, stattgefunden. Die Veranstaltung sei um 21.00 Uhr zu Ende gewesen. Er, der Kläger zu 1) habe den Gottesdienst vorbereitet und dem Priester die Oblaten gegeben. Priester Mo habe sich gerade mit den Angehörigen im Wohnzimmer unterhalten. Er, der Kläger, sei in einem anderen Zimmer gewesen und habe die Sachen von Herrn .... eingeräumt. Nach einiger Zeit sei ein Kind gekommen und habe gesagt, dass Herr ....... von der Polizei festgenommen worden sei. Er sei deshalb durch die Seitentür des Hauses geflohen, über eine Mauer geklettert und über einen Berg gelaufen. Er sei mehr als eine Stunde nach Hengshan zu C. H. C., einem katholischen Glaubensbruder, unterwegs gewesen. Der Gottesdienst habe in einem ziemlich großen alten Haus stattgefunden. Er habe zwar Geräusche gehört, aber nicht gewusst was passiert sei. Seine Heimat habe er am 17. September 1998 mit dem Reisebus verlassen und sei am 20. September 1998 nach Peking gelangt. Er habe dort bei einem Freund, einem Landsmann, gewohnt. Er sei an einer Haltestelle bei Hengshan in den Reisebus eingestiegen. Nach zehn Tagen sei sein Vater nach Peking gekommen und habe berichtet, dass die Polizei schon mehrfach bei ihnen zu Hause gewesen sei. Er habe ihm, dem Kläger, geraten, nicht zurückzukehren. Sie seien mit falschen Pässen ausgereist, die ihnen vom Schleuser wieder abgenommen worden seien. Der Name in seinem Pass habe C. C. Z. gelautet, der im Dokument seiner Frau L. H. Y.. Sie seien mit einem Flugzeug der China Air geflogen und gegen 16.00 Uhr in Deutschland angekommen. Auf die Frage nach den biblischen Propheten erklärte der Kläger, dass er mal überlegen müsse. Auf Jonas angesprochen stellte er die Gegenfrage nach Judas. Auf die Frage nach Jesaja antwortete er, dass es sich um einen Evangelisten handele. Nach Lukas gefragt, überlegte er. Jesus Christus sei der Sohn und Vater. Maria Magdalena sei die Mutter von Jesus. Auf Vorhalt erklärte er, er habe diesen Namen nie gehört. Maria sei die heilige Mutter.
Die Klägerin zu 2) trug im Wesentlichen vor: Sie seien am 26. November 1998 um 13.00 Uhr in Peking abgeflogen und um 16.15 Uhr in Frankfurt/Main eingetroffen. Sie seien mit gefälschten Pässen nach Deutschland gekommen, die ihnen vom Schleuser wieder abgenommen worden seien. Die darin vermerkten Namen seien L. H. Z. bzw. im Dokument ihres Ehemannes C. C. Z. gewesen. Das Flugticket und die Bordkarte hätten sie in der Wohnung des Schleusers in Deutschland weggeworfen. Von dort hätten sie in China angerufen, damit das Geld für die Schleusung ausgezahlt werde. Sie seien ausgereist, weil sie der römisch-katholischen Kirche angehört hätten. Diese sei verboten, weil sie Verbindungen zum Vatikan unterhalte. Die andere Gruppe sei die patriotische Kirche. Diese habe keine Verbindung zum Papst. Von den Glaubensinhalten bestehe kein Unterschied. Die Gottesdienste hätten immer bei gläubigen Katholiken stattgefunden. Am Monatsende sei der Priester immer zu ihnen gekommen. Der letzte Gottesdienst, an dem sie teilgenommen habe, sei am 31. Oktober 1998 in der Gemeinde Qiaotuo gewesen. Auf die Frage nach den vier Evangelisten erklärte die Klägerin, dass es viele Heilige gebe, etwa Mutter Theresa. Auf die Frage nach der Bedeutung des Lukas erklärte sie, dass Jesus der Retter sei. Die Mutter von Jesus sei Maria. Sie selbst sei allerdings nicht verfolgt gewesen. Sie habe ihren Mann nach Deutschland begleitet.
Die Kläger reichten zur Glaubhaftmachung Urkunden der „ Missio Catholica “ vom 15. Oktober 1998 in lateinischer Sprache ein.
Mit Bescheid vom 12. August 1999 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag ab und stellte fest, dass auch keine Abschiebungshindernisse nach den §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG vorliegen. Die Kläger wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe bzw. Unanfechtbarkeit des Bescheides zu verlassen und anderenfalls ihre Abschiebung nach China angedroht. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Kläger könnten nicht als Asylberechtigte anerkannt werden. Ihre Behauptung auf dem Luftweg eingereist zu sein, sei nicht durch Unterlagen belegt. Insbesondere hätten sie weder ein Flugticket noch eine Bordkarte vorgelegt. Es lägen aber auch keine Abschiebungshindernisse vor. Der Vortrag der Kläger sei nicht glaubhaft. Sie verfügten nur über sehr wenige Kenntnisse des katholischen Glaubens. Wenn der Kläger zu 1) Priestern bei der Durchführung eines Gottesdienstes geholfen hätte, würde er mehr über den christlichen Glauben wissen. Er habe nicht angeben können, was ein Prophet sei. Ihm seien auch die Evangelisten nicht geläufig und er habe Maria Magdalena nicht gekannt. Außerdem sei er ohne Schwierigkeiten aus China ausgeflogen. Die gefälschten Papiere wären mit großer Wahrscheinlichkeit entdeckt worden.
Am 19. August 1999 haben die Kläger Klage erhoben.
Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor: Es bestünden Tendenzen für eine Gruppenverfolgung der romtreuen Untergrundkirche. Diese stelle die Autorität der kommunistischen Partei in Frage und akzeptiere als weltliche Autorität nur den Papst. Jedenfalls sei eine Gefährdung gegeben, wenn sich jemand wie der Kläger zu 1) exponiert und aktiv am kirchlichen Leben beteilige. Der Kläger zu 1) sei am 22. Juli 1998 bei einem geheimen Gottesdienst in Xanfu festgenommen worden. Als er nach drei Tagen noch keine Auskunft über weitere Kirchenmitglieder und Priester gegeben habe, habe ein Polizist ein Messer genommen. Er habe dieses über dem Feuer erhitzt und dem Kläger zu 1) in den linken Oberschenkel gestochen. Am 3. August 1998 sei er aus der Haft entlassen worden. Am 16. September 1998 habe er dem betagten Priester Mo bei der Durchführung eines Gottesdienstes geholfen. Das Haus sei von Polizisten umzingelt und gestürmt worden. Dem Kläger zu 1) sei jedoch die Flucht gelungen. Angehörige hätten inzwischen telefonisch mitgeteilt, dass er zur Fahndung ausgeschrieben sei. Priester Mo sei vor noch nicht allzu langer Zeit aus dem Gefängnis entlassen worden, wo er insgesamt 30 Jahre verbracht habe.
Die Kläger legten zur Glaubhaftmachung ein Urteil des Volksgerichts des Ohai-Bezirks der Stadt Whenzou vom 20. April 1999 u.a. betreffend den Priester Mo und den Kläger zu 1) vor.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 12. August 1999 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise nach § 53 AuslG festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf den Bescheid des Bundesamtes.
Die Kläger sind in der mündlichen Verhandlung zu ihren Ausreisegründen angehört worden.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im übrigen unbegründet.
1.
Die Kläger haben im Hinblick auf Art. 16 a Abs. 2 GG/ § 26 a AsylVfG keinen Anspruch darauf, als Asylberechtigte (Art. 16 a Abs. 1 GG) anerkannt zu werden. Sie sind zur Überzeugung des Gerichts über ( irgend- )einen die Bundesrepublik Deutschland umgebenden sicheren Drittstaaten eingereist.
Das Gericht entscheidet über die Frage der Einreise nach seiner freien Überzeugung (§ 108 Abs. 1 VwGO). Nach den Umständen des Einzelfalles kann es in Anwendung der Grundsätze der Beweisvereitelung allerdings zu Lasten des Asylbewerbers bewertet werden, wenn dieser die für eine Feststellung des Reiseweges erforderlichen Unterlagen, zu deren Vorlage er gem. § 15 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 3 AsylVfG verpflichtet ist, weggibt. Sofern nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten eine Entscheidung nicht möglich ist, trifft ihn für die Luftwegeinreise auch die materielle Beweislast (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1999 - 9 C 36.98 - BVerwGE 109, 174 <177 ff.>)
Die Behauptung der Kläger, über den Flughafen Frankfurt/Main in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein, ist zur Überzeugung des Gerichts nicht glaubhaft. Zwar konnten sie beim Bundesamt im Wesentlichen übereinstimmende Angaben zum Zeitpunkt der Ankunft machen, die Klägerin zu 2) auch die Abflugzeit und der Kläger zu 1) die Fluggesellschaft benennen. Ferner sind die Namen, die in den mitgeführten gefälschten Pässen vermerkt gewesen sein sollen, weitgehend gleich bezeichnet worden. Diese Dokumente haben die Kläger nach ihren Angaben aber dem Schleuser zurückgegeben. Auch Flugtickets oder Bordkarten konnten sie nicht vorlegen. Die Behauptung der Klägerin zu 2), sie hätten diese Unterlagen im Haus des Schleusers in Deutschland weggeworfen, weil sie glaubten, sie nicht mehr zu benötigen (vgl. Anhörungsprotokoll, S. 3), ist für das Gericht angesichts des Umstandes, dass sie allein damit ihre Identität und ihren Reiseweg glaubhaft machen konnten, unverständlich.
2. Dem Kläger zu 1) droht bei einer Rückkehr in die Volksrepublik China mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG. Bei der Klägerin zu 2) sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt.
Im Hinblick auf den Kläger zu 1) kann offen bleiben, ob seine Behauptung, wegen seines Engagements in der römisch-katholischen (Untergrund-)Kirche Chinas im Juli/August 1998 für mehr als zehn Tage verhaftet worden und einer weiteren Festnahme im September 1998 knapp entkommen zu sein, glaubhaft ist. Die Klägerin zu 2) hat in der Anhörung beim Bundesamt angegeben, selbst nicht verfolgt worden zu sein. Sie sei nach Deutschland gekommen, um ihren Ehemann zu begleiten (vgl. Anhörungsprotokoll, S. 5).
Der Kläger zu 1) muss unabhängig von einer Vorverfolgung schon allein wegen seiner Tätigkeit in der katholischen Kirche asylerhebliche Maßnahmen befürchten. Im Falle der Klägerin zu 2) besteht diese Gefahr nicht.
Die hierfür sprechenden Gesichtspunkte müssen ein größeres Gewicht besitzen als die dagegen sprechenden Tatsachen. Dabei ist keine rein mathematische Betrachtungsweise vorzunehmen, sondern maßgeblich ist, ob dem Ausländer eine Rückkehr in sein Heimatland zumutbar ist. Es muss eine reale Gefahr bestehen, so dass ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in sein Heimatland nicht auf sich nimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. November 1991 - 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162 <169 f.>).
Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. August 2001 (Seite 10 f.) ist die Glaubensfreiheit in China verfassungsrechtlich grundsätzlich garantiert. Allerdings unterliegen religiöse Aktivitäten der staatlichen Kontrolle und Genehmigung. Es gibt in China fünf offiziell anerkannte Religionen mit 180 Millionen Anhängern. Darüber hinaus sind 30 Millionen Christen in sog. Hauskirchen organisiert, die sich der Staatsaufsicht entziehen. Im Allgemeinen konzentriert sich staatliches Vorgehen auf Fälle, die aus der Sicht des Staates eine Störung der öffentlichen Ordnung darstellen, weil sie den Zielsetzungen der Regierungspolitik zuwiderlaufen. Die bloße Mitgliedschaft in einer religiösen Gemeinschaft und die Glaubensüberzeugung allein sind deshalb für die staatlichen Stellen nicht von entscheidender Bedeutung. Es kommt mehr auf die Stellung des Betroffenen innerhalb der Glaubensgemeinschaft an. Außerdem ist maßgeblich, ob das Engagement nach außen erkennbar gewesen und dieses als regierungskritisch einzustufen ist (vgl. auch Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Oldenburg vom 4. Mai 1999). Versammlungen der Hauskirchen werden aufgelöst und Gläubige eingeschüchtert. Darüber hinausgehende Übergriffe erfolgen nur, wenn die Aktivitäten von den Staatsorganen im Einzelfall als Bedrohung angesehen werden. Hauskirchen werden in der Regel aber nur als geringer Bedrohungsfaktor gewertet, weil sie nicht aggressiv nach außen tätig werden (vgl. Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Oldenburg a.a.O. und an das VG Gießen vom 12. Januar 1998).
Hinsichtlich der katholischen Kirche in China sind Besonderheiten zu beachten. Es gibt zum einen eine offizielle von Rom unabhängige sog. patriotische Kirche mit vier Millionen Mitgliedern. Sie wurde gegründet, weil der chinesische Staat die Benennung der Bischöfe durch den Papst als Einmischung in innere Angelegenheiten ansieht. Ihre Mitglieder brauchen keine Schwierigkeiten zu befürchten. Darüber hinaus existiert eine romtreue sog. „Untergrundkirche“ mit acht bis zwölf Millionen Gläubigen. Insofern stellt der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. August 2001 (S. 3 u. 11) fest, dass die Repressionsmaßnahmen, mit dem Ziel, die Vertreter der Untergrundkirche zum Eintritt in die patriotische Kirche zu zwingen, zugenommen haben. Es wird vermehrt über Hausarreste, Festnahmen und Behinderungen katholischer Priester und Bischöfe berichtet.
Nach Auskünften des China-Zentrums e.V. an das VG Aachen vom 22. Dezember 1997 und an das VG Düsseldorf vom 21. Oktober 1999 ist das Vorgehen gegen die Untergrundkirche örtlich sehr unterschiedlich. Die Tätigkeit für diese Gruppierung kann mit Geldbußen und bei Kirchenführern oder missionarisch aktiven Personen auch mit Haftstrafen geahndet werden. Von den Sicherheitsbehörden werden immer wieder Messen der „illegalen“ Kirche aufgelöst und Bischöfe, Priester, aber auch engagierte Laien inhaftiert. In der Auskunft des China-Zentrums e.V. an das VG Stade vom 14. August 2002 wird allgemein berichtet, dass die chinesische Regierung in letzter Zeit gegen die Verbreitung als illegal angesehenen religiösen Materials härter durchgreife. Amnesty international (Länderkurzbericht vom 25. Juli 1999) geht sogar davon aus, dass staatlich nicht anerkannte religiöse Gruppen regelmäßig mit Repressalien bis zu Inhaftierung zu rechnen hätten.
Hieraus ergibt sich nach Auffassung des Gerichts Folgendes: Für die Annahme einer Gruppenverfolgung aller Mitglieder der katholischen Untergrundkirche fehlt es an der nach der Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <203 ff.>) erforderlichen Verfolgungsdichte. Zwar ist nicht zu verkennen, dass es auch Übergriffe gegenüber einfachen Gläubigen gibt, so dass sich eine Verfolgung nicht ausschließen lässt (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 19. September 2000 - 11 L 2068/00 - <S.13>). Staatliche Maßnahmen richten sich angesichts ihrer Leitfunktion jedoch häufiger gegen die geistlichen Würdenträger. Die Maßnahmen gegen andere Gläubige erreichen vielfach auch nicht die erforderliche asylerhebliche Intensität (vgl. dazu Allgemein: BVerwG, Beschluss vom 3. April 1995 - 9 B 758.94 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 178, S. 56 <57>). Zudem ist die erhebliche Zahl der Mitglieder der katholischen Untergrundkirche und eine offenbar weiter vorhandene Organisationsstruktur zu berücksichtigen.
Andererseits ist die besondere und offenbar eher zunehmende Bedrohungssituation der katholischen Untergrundkirche nicht zu verkennen. Es kann deshalb - auch ohne Vorverfolgung - gerechtfertigt sein, in Einzelfällen die beachtliche Gefahr politischer Verfolgung nach den Grundsätzen der sog. Einzelverfolgung wegen Gruppenzughörigkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juli 1991 - 9 C 154.90 - BVerwGE 88, 367 <375 ff.>) anzunehmen. Bei Laien sind hierbei etwa die Stellung und die Aufgaben innerhalb der Kirche von Bedeutung. Von Gewicht ist ferner, ob sie nach außen als Kirchenmitglied in Erscheinung getreten sind und die Äußerungen oder Handlungen den Zielsetzungen der Regierungspolitik widersprechen. Zu berücksichtigen ist es auch, wenn bereits Probleme mit staatlichen Stellen aufgetreten sind. Hierbei ist kein strenger Maßstab zu Grunde zu legen.
Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Kläger zu 1) in der katholischen Untergrundkirche seines Heimatlandes über mehrere Jahre als Helfer des Pfarrers aufgetreten ist. Er hat allerdings in der Anhörung beim Bundesamt viele mit dem christlichen Glauben zusammenhängende Fragen nicht beantworten können. Seine Erklärung in der mündlichen Verhandlung, er habe den Dolmetscher vielfach nicht richtig verstanden, hält das Gericht jedoch für überzeugend. Zwar hat der Kläger zu 1) durch Unterschrift bestätigt, dass es bei der Anhörung keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben hat. Hinzu kommt, dass es dem Kläger zu 1) oblegen hätte, mit dieser Erklärung nicht bis zur mündlichen Verhandlung zu warten. Das Bundesamt hat seinen Bescheid nämlich maßgeblich auf seine scheinbar nur geringen Kenntnisse christlicher Inhalte gestützt.
Hier ist jedoch ausnahmsweise Folgendes zu berücksichtigen. Die Kläger haben Bescheinigungen der chinesischen katholischen Kirche vom 15. Oktober 1998 vorgelegt, in denen in lateinischer Sprache ihre Taufe und kirchliche Eheschließung bescheinigt wird. Gegen die Echtheit dieser Dokumente sind von der Beklagten keine Bedenken geäußert worden. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Unterlagen sind am 14. März 1999 vom Katholischen Probsteipfarramt St. Aegidien in Braunschweig übersetzt worden. Dies belegt auch, dass die Kläger nach ihrer Ankunft in Deutschland alsbald wieder mit der katholischen Kirche in Kontakt getreten sind. An ihrem jetzigen Wohnort Wilhelmshaven nehmen sie, wie sie glaubhaft vorgetragen haben, regelmäßig an Gottesdiensten, der Kläger zu 1) auch noch an weiteren Aktivitäten seiner Gemeinde teil.
Angesichts der in der mündlichen Verhandlung nunmehr detailliert vorgetragenen Kenntnisse der Inhalte und Formen des christlichen Glaubens bestehen auch keine durchgreifenden Zweifel daran, dass der Kläger zu 1) über mehrere Jahre als Gehilfe der Priester seiner Gemeinde in Erscheinung getreten ist. Er hat insbesondere im Einzelnen den Ablauf eines Gottesdienstes und die von ihm hierbei zu erfüllenden Aufgaben zu schildern vermocht.
Dadurch ist der Kläger zu 1) über längerer Zeit in besonderer Weise nach außen in Erscheinung getreten und hat seine starke Verbundenheit mit der papsttreuen Kirche dokumentiert. Von den „einfachen“ Kirchenmitgliedern hat er sich erheblich abgesetzt. Da er bei den Gottesdiensten zusammen mit dem Pfarrer aufgetreten ist, wird er als diesem besonders nahe stehend identifiziert werden. Dass er in diesem Zusammenhang nicht durch regimekritische Äußerungen oder Handlungen aufgefallen ist, kann deshalb bei der gebotenen Gesamtbewertung aller Umstände keine andere Entscheidung rechtfertigen.
Die Klägerin zu 2) ist dagegen nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung zwar regelmäßige Besucherin der Gottesdienste gewesen. Sie hat aber sonst keine darüber hinaus gehenden Aktivitäten entfaltet.
3. Der Gesichtspunkt des Familienzusammenhalts (Art. 6 GG/Art. 8 EMRK) führt für die Klägerin zu 2) nicht zum Erfolg der Klage. Eine Familienasylberechtigung nach § 26 Abs. 1 AsylVfG setzt voraus, dass der Ehegatte (unanfechtbar) als Asylberechtigter anerkannt worden ist. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift für den Fall der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 AuslG scheidet aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 1.94 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 173, S. 14 <20>). Im Übrigen ist die Beibehaltung der Familieneinheit als nicht zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis nur von der nicht am Verfahren beteiligten Ausländerbehörde zu beachten (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1997 - 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322 ff.)
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1, 159 Satz 1, 167 VwGO, 100 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO, 83 b Abs. 1 AsylVfG.