Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 09.09.2002, Az.: 6 B 3073/02

Anforderungsprofil; Auswahlentscheidung; Bessere Gesamtnote; Konkurrentenstreit

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
09.09.2002
Aktenzeichen
6 B 3073/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 43572
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Entspricht in einem Konkurrentenstreitverfahren der Antragsteller mit seinen Kenntnissen, Erfahrungen und Fähigkeiten nicht dem vom Dienstherrn aufgestellten Anforderungsprofil, so darf er auch dann aus dem Bewerberkreis vorweg ausgeschieden werden, selbst wenn er über die bessere Gesamtnote in der letzten Beurteilung gegenüber dem ausgewählten Bewerber verfügt. Allerdings darf dabei das Anforderungsprofil nicht willkürlich festgelegt worden sein.

Gründe

1

Die Beteiligten streiten um die Vergabe eines nach der Besoldungsgruppe A 8 BBesO bewerteten Dienstpostens.

2

Der im ...geborene Antragsteller hat nach dem Schulbesuch in der Zeit vom September 1979 bis zum Juni 1982 erfolgreich beim Marinearsenal ... Ausbildung zum Energiegeräteelektroniker absolviert. Anschließend besuchte er die Fachoberschule ..., die er im Juni 1983 mit der Fachhochschulreife abschloss. Vom September 1983 bis zum Mai 1986 war er Student an der Fachhochschule ... im Fach Elektrotechnik. Vom Mai 1986 bis zum September 1991 war er bei der Firma ... in ... berufstätig.

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Am 1. Oktober 1991 wurde der Antragsteller unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Technischen Regierungsassistentenanwärter ernannt. Er durchlief eine Ausbildung im mittleren technischen Dienst der Bundeswehrverwaltung - Fachrichtung Wehrtechnik - im Fachgebiet Elektrotechnik und Elektroenergiewesen, in dem er am 30. September 1992 die Laufbahnprüfung bestand. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1992 wurde er unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Probe zum Technischen Regierungssekretär zur Anstellung ernannt. Mit Wirkung vom 1. Februar 1993 führte er aufgrund einer Rechtsänderung die Bezeichnung Technischer Regierungsobersekretär zur Anstellung und er wurde in einen Dienstposten eingewiesen, aus dem er Bezüge nach der Bes.Gr. A 7 BBesO erhielt. Mit Wirkung vom 1. Februar 1994 wurde der Antragsteller unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit zum Technischen Regierungsobersekretär befördert. Seit dem Oktober 1992 ist er im Marinearsenal ... im Dezernat 014 eingesetzt, das sich mit Datenverarbeitungsverfahren, Datenverarbeitungsausstattung und Datenverarbeitungsanwenderberatung befasst. Unter dem 29. Juli 1999 wurde dem Antragsteller als Anerkennung für herausragende besondere Leistungen im Zusammenhang mit der Einrichtung des Liegenschaftszugangsknotens und der Anbindung des Liegenschaftsnetzwerkes eine Leistungsprämie zuerkannt. In seiner Beurteilung vom 28. Februar 2001/5. Juli 2001, die den Beurteilungszeitraum vom 1. Juli 1997 bis zum 31. Januar 2001 betrifft und in der im Einzelnen seine Tätigkeiten im Bereich der PC-Netzwerkadministration geschildert werden, wurden seine Leistungen mit dem Gesamturteil "überragend" bewertet.

4

Die im Juni 1967 geborene Beigeladene durchlief nach der Schule beim Marinearsenal ... in der Zeit vom September 1984 bis zum Januar 1988 eine Ausbildung zur Feinmechanikerin. Nachdem sie in der Zeit vom Januar bis zum Mai 1988 im Marinearsenal mit 20 Stunden in der Woche als Arbeiterin beschäftigt gewesen war, wurde sie mit Wirkung vom 1. Mai 1988 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Technischen Regierungsassistentenanwärterin ernannt. Sie durchlief eine Ausbildung im mittleren technischen Dienst der Bundeswehrverwaltung im Fachgebiet Feinwerktechnik und Optik, die sie erfolgreich mit der Prüfung am 26. Oktober 1989 abschloss. Mit Wirkung vom 2. November 1989 wurde die Beigeladene unter Verleihung der Eigenschaft einer Beamtin auf Probe zur Technischen Regierungsassistentin zur Anstellung ernannt. Aufgrund einer Rechtsänderung wurde ihr ab dem 1. Januar 1990 das Führen der Dienstbezeichnung Technische Regierungssekretärin zur Anstellung zuerkannt und sie wurde in einen Dienstposten eingewiesen, aus dem sie Dienstbezüge nach der Bes.Gr. A 6 BBesO erhielt. Mit Wirkung vom 1. September 1991 wurde sie zur Technischen Regierungssekretärin ernannt; aufgrund einer Rechtsänderung führte sie ab dem 1. Februar 1993 die Amtsbezeichnung Technische Regierungsobersekretärin und erhielt Dienstbezüge nach der Bes.Gr. A 7 BBesO. Mit Wirkung vom 19. Juni 1994 wurde ihr die Eigenschaft einer Beamtin auf Lebenszeit verliehen. Am 25. September 2001 wurde der Beigeladenen wegen eines Vorschlages zur Vereinfachung der Eingabe von Fremdvergaben eine Geldprämie zuerkannt. Mit Schreiben vom 5. November 2001 wurde der Beigeladenen als Anerkennung ihrer herausragenden besonderen Leistungen im Zusammenhang mit dem Aufbau des Intranet im Marinearsenal eine Leistungsprämie zuerkannt. In der Zeit vom Oktober 1989 bis zum Juni 1990 war die Beigeladene Bürosachbearbeiterin für die dezentrale Beschaffung im Dezernat 422, ab dem Juni 1990 versah sie Querschnittsaufgaben bezüglich außer Dienst gestellter schwimmender Einheiten im Dezernat 443 und war anschließend bis zum Juni 1992 im Bereich der Arbeitsvorbereitung des Dezernats 421 tätig. Seit dem Februar 1993 war sie Bürosachbearbeiterin für betriebliche Kapazitätssteuerung im Bereich des Dezernats 111. In der Beurteilung vom 23. April 2001/7. Juni 2001, die den Beurteilungszeitraum vom 1. Juli 1997 bis zum 31. Januar 2001 betrifft und sich auf ihre Tätigkeit als Bürosachbearbeiterin für betriebliche Kapazitätssteuerung und -bindung im Bereich des Dezernats 111 bezieht, wurden ihre Leistungen mit dem Gesamturteil "übertrifft die Anforderungen deutlich" bewertet.

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Am 29. Januar 2002 schrieb die Antragsgegnerin u.a. den Dienstposten mit der Bezeichnung TE 111 Z 505 beim Marinearsenal ..., der bewertet ist nach Bes.Gr. A 8 BBesO, mit folgenden Aufgabengebiet aus:

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"Mitarbeit bei der Kapazitätssteuerung und -bindung (d.h. insbesondere DV-Nutzerbetreuung für das Kapazitätsplanungssystem PARS , Wahrnehmung querschnittlicher Aufgaben, insbesondere Erstellen von Kapazitätsauswertungen und Arbeitsunterlagen für die Betriebsleitung)

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Qualifikationserfordernisse:

8

Laufbahnbefähigung für den mittleren technischen Dienst, Fachrichtung EE, FE oder FO

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Umfangreiche Erfahrung bei der Materialerhaltung der Marine

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Erfahrung mit dem System Schiff

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Erfahrung mit Schiffsanlagen/-geräten

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Erfahrung in der Bearbeitung technischer Probleme

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Berufliche Erfahrung in der Auftragsabwicklung

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Gute Kenntnisse der Aufbau- und Ablauforganisation im Marinearsenal

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Kenntnisse und Erfahrung bei der Erfassung und Darstellung funktionaler Prozesse

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Erfahrung in der Nutzergruppenbetreuung und gute Kenntnisse der DV-Verfahren PARS , MatVG und NVG

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Erfahrung in der ISS-Nutzerverwaltung

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Erfahrung und Kenntnisse zu DV-Anwendungen, insbesondere: Office-Programme, HOST-Anwendungen im ArsBtrb , QMF-Abfragen"

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Auf diesen Dienstposten bewarben sich 21 Personen, darunter der Antragsteller und die Beigeladene. Im Bereich des Marinearsenals wurde auf Anforderung durch die Antragsgegnerin eine Bewertungstabelle zu dieser Ausschreibung erstellt, bei der Punkte zwischen 0 und 2 in den Rubriken Laufbahn, Materialerhaltung Marine, System Schiff, Anlagenerfahrung, Bearbeitung technischer Probleme, Auftragsabwicklung, Aufbau- und Ablauforganisation, Erfassung und Darstellung funktionaler Prozesse, Nutzergruppenbetreuung/DV-Verfahren und DV-Anwendungen (Office etc.) - insgesamt höchstens 20 Punkte - vergeben wurden. Bei der Anzahl der Gesamtpunkte erreichte die Beigeladene mit 18 Punkten die beste Punktzahl; der Antragsteller gelangte mit 6 Punkten auf den vorletzten Platz. Im Auswahlvermerk vom 18. Juni 2002 erläuterte die Antragsgegnerin die vorgesehene Übertragung des Dienstpostens an die Beigeladene im Hinblick auf andere, ihr in der Gesamtpunktwertung nahe liegende Bewerber, wobei im Hinblick auf den Antragsteller unter Berücksichtigung seiner besseren Leistungsbeurteilung ausgeführt wurde, dass er bislang nur im Dezernat 014 als Nutzerbetreuer eingesetzt gewesen sei und damit alle übrigen fachlichen Voraussetzungen des Dienstpostens in keiner Weise erfülle. Zum Erwerb dieser Voraussetzungen müsse aber von einem Zeitbedarf von 3 Jahren ausgegangen werden, so dass er trotz seiner überragenden Beurteilung wegen der unzureichenden fachlichen Eignung nicht berücksichtigt werden könne. Unter dem 2. Juli 2002 stimmte der Bezirkspersonalrat der Maßnahme zu. Mit Schreiben vom 4. Juli 2002 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller die beabsichtigte Personalmaßnahme mit.

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Am 16. Juli 2002 hat sich der Antragsteller an das Gericht mit der Bitte um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gewandt. Er macht geltend: Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin erfülle er das Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle. Durch seine Tätigkeit als System- und Netzwerkbetreuer habe er nämlich Erfahrung in der Bearbeitung komplexer, technischer Probleme gesammelt. Auch habe er dadurch Erfahrungen in der Aufbau- und Ablauforganisation des Marinearsenals erlangt und seine Kenntnisse in der Erfassung und Darstellung funktionaler Prozesse habe er beim Aufbau des Netzwerkes der Liegenschaften erworben. Insbesondere sei seine äußerst fundierte, jahrelange Erfahrung in der Nutzergruppenbetreuung und bei den sonstigen Datenverarbeitungsanwendungen von Bedeutung. Soweit er nicht über umfangreiche Erfahrungen in den Bereichen Materialerhaltung der Marine, System Schiff, Schiffsanlagen/Geräte und der Auftragsabwicklung verfüge, könne er sich diese noch aneignen. Insbesondere sei aber zu beachten, dass er über eine bessere dienstliche Beurteilung als die Beigeladene verfüge. Er habe zahlreiche Lehrgänge im Bereich der Datenverarbeitung und ihrer Anwendung besucht. Zwar möge es sein, dass er bislang nicht über Erfahrungen mit dem Kapazitätsplanungssystem PARS und ähnliche querschnittliche Aufgaben verfüge, jedoch seien für die betreffende Stelle nicht derart vertiefte Kenntnisse erforderlich, wie es die Antragsgegnerin darzustellen versuche. Vielmehr komme es primär auf die Datenverarbeitungskenntnisse an, für die er die besseren Voraussetzungen aufweise. Soweit ihm Kenntnisse fehlten, könne er diese in angemessener Einarbeitungszeit erwerben; der in diesem Zusammenhang von der Antragsgegnerin angesprochenen Erfahrungszeitraum von 3 Jahren sei übertrieben.

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Der Antragsteller beantragt,

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der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, den Dienstposten TE 111 Z 505 beim Marinearsenal in ... zu besetzen, solange nicht erneut über seine Bewerbung entschieden worden ist.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Sie erwidert: Ihre Auswahlentscheidung sei sachgerecht. Nach dem mit der Stellenausschreibung verbundenen Anforderungsprofil seien die vom Antragsteller hervorgehobenen Kenntnisse der Datenverarbeitung nur ein Aspekt, während zahlreiche weitere Erfahrungen und Kenntnisse in dem Aufgabengebiet "Mitarbeit bei der Kapazitätssteuerung und -bindung" vonnöten wären. Demgegenüber sei der Antragsteller bislang nur im Dezernat 014 als Nutzerbetreuer eingesetzt gewesen, so dass sie ihn zu Recht aus dem Kreis der in Frage kommenden Bewerber habe ausscheiden dürfen. Auch gehe sie nach wie vor davon aus, dass zum vollständigen Erwerb der langjährigen Erfahrung und genauen Kenntnis des Arsenalbetriebs und weiterer fachlicher Voraussetzungen, die der Antragsteller nicht erfülle, von einem Zeitbedarf von 3 Jahren ausgegangen werden müsse. Demgegenüber habe die Beigeladene die Anforderungen des Anforderungsprofils erfüllt.

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Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag und hat sich zur Sache nicht geäußert.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Personalakten des Antragstellers und der Beigeladenen sowie der Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin ergänzend Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

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II. Der zulässige, nach § 123 VwGO zu beurteilende Antrag ist nicht begründet.

29

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. In beamtenrechtlichen Streitigkeiten ist eine derartige Sicherungsanordnung beim Streit um die Übertragung eines höherbewerteten Dienstpostens (Beförderungsdienstposten) statthaft, solange die Umsetzung noch nicht durch Aufnahme der neuen Tätigkeit und anderweitige Besetzung des bisherigen Dienstpostens vollzogen ist (vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 4. Aufl. München 1998, Rdn. 151 m.w.N.). Voraussetzung für den Erlas der begehrten Sicherungsanordnung ist gemäß § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 935, 936, 920 Abs. 2, 294 ZPO stets, dass die Dringlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung (der Anordnungsgrund) und das gefährdete Recht (der Anordnungsanspruch) glaubhaft gemacht werden.

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Nach Ansicht der Kammer hat der Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft dargetan. Zwar handelt es sich bei der streitigen Dienstpostenvergabe (zunächst) nicht um eine Beförderung. Denn die jeweiligen Bewerber - und auch der Antragsteller - sind Technische Regierungsobersekretäre und auf Dienstposten tätig, die mit der Besoldungsgruppe A 7 BBesO bewertet werden. Ebenso ist zunächst eine Verwendung auf dem angestrebten Dienstposten "TE 111 Z 505" ohne eine Beförderung vorgesehen, jedoch ist eine Beförderung auf dem nach A 8 BBesO bewerteten Dienstposten beabsichtigt. Daraus wird deutlich, dass eine Beförderung nicht unmittelbar bevorsteht. Dies lässt am Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. der Notwendigkeit einer eiligen gerichtlichen Entscheidung, zweifeln. Würde nämlich jetzt der Dienstposten unter den Bewerbern vergeben, so könnte diese Personalentscheidung evtl. später nach einem Hauptsacheverfahren korrigiert werden. Dies folgt daraus, dass die Dienstpostenübertragung ein ausschließlich im dienstlichen Interesse vorgenommener und demgemäss allein auf die Personalhoheit und Organisationsgewalt des Dienstherrn zielender Realakt ist, durch den die subjektiven Rechtspositionen der Konkurrenten nicht berührt werden könnten (so: OVG Koblenz, Beschluss vom 4. Mai 1995, NVwZ-RR 1996, 51, 52 [OVG Rheinland-Pfalz 04.05.1995 - 2 B 11102/95]; Finkelnburg/Jank, Der vorläufige Rechtsschutz in Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. München 1998, Rdn. 1158). Demgegenüber ist nach Ansicht der Kammer ein Anordnungsgrund jedoch dann zu bejahen, wenn die Dienstpostenübertragung gerade mit dem Ziel erfolgt, die Bewährung auf dem vorgesehenen Beförderungsdienstposten festzustellen. Denn in derartigen Fällen erhält der konkret vorgesehene Bewerber faktisch und (rechtlich) mittelbar einen Bewährungsvorsprung, der bei der späteren Beförderungsentscheidung von den unterlegenen Mitbewerbern nicht mehr ohne weiteres gegenüber dem umgesetzten Mitbewerber ausgeglichen werden kann. Im Hinblick auf das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) erscheint es der Kammer daher geboten, in derartigen Fällen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes zu bejahen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 21. November 1995 - 5 M 6322/95 - NdsRpfl. 1996, 62; Schnellenbach, DÖD 1990, 153, 157).

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Indessen hat der Antrag keinen Erfolg, weil der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat.

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Der Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem von dem Antragsteller begehrten Inhalt ist nur dann gerechtfertigt, wenn überwiegend wahrscheinlich ist, dass eine rechtlich fehlerfreie Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten ausfallen müsste, o d e r   wenn (mindestens) zu besorgen wäre, dass die Auswahl zwischen dem Antragsteller und der Beigeladenen in verfahrens- oder materiell rechtlicher Hinsicht nicht fehlerfrei getroffen worden ist (vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 4. Aufl. 1998, Rdn. 41 m.w.N.). Die der beabsichtigten Dienstpostenübertragung zugunsten der Beigeladenen vorangegangene Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin ist ein Akt wertender Erkenntnis, der nur in eingeschränktem Maße einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. BVerwGE 97, 128). Die Nachprüfung bezieht sich insbesondere darauf, ob der Dienstherr den Leistungsgrundsatz (§ 8 Abs. 1 Satz 2 BBG) beachtet hat. Weiter ist von Bedeutung, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Die Ermessensausübung des Dienstherrn bei der Entscheidung über eine Dienstpostenbesetzung, die mit einer beabsichtigten Beförderung im Zusammenhang steht, hat sich am Leistungsgrundsatz zu orientieren; deshalb ist den dienstlichen Beurteilungen der Bewerber regelmäßig wesentliches Gewicht beizumessen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 18. Mai 1995 - 5 M 1532/95 - NdsRpfl. 1995, 168 = NdsVBl. 1995, 212; und Beschluss vom 17. Oktober 1997 - 5 M 4037/97 - DriZ 1998, 191). Das heißt allerdings nicht, dass die dienstlichen Beurteilungen das alleinige und ausschließliche Kriterium sind, an dem sich Entscheidungen zur Übertragung von höherwertigen Dienstposten auszurichten  haben. Vielmehr ist es dem Dienstherrn gestattet, im Rahmen der Laufbahnbestimmungen für den jeweiligen Dienstposten ein Anforderungsprofil zu erstellen, mit dem in gleichsam abstrakt-genereller Weise maßgebliche Gesichtspunkte der Auswahlentscheidung vorweg bestimmt werden.

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In der Rechtsprechung ist es geklärt, dass dem Dienstherrn aufgrund seiner Organisationsgewalt die Befugnis zusteht, die Funktion eines Dienstpostens nach Art und Umfang sowie an den Amtsinhaber zu stellenden Anforderungen zu bestimmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. November 1991, DÖV 1992, 495, Urteil vom 16. August 2001, BVerwGE 115, 58 = ZBR 2002, 207 = DÖD 2001, 279). Durch die Bestimmung eines Anforderungsprofils des Dienstpostens legt der Dienstherr die Kriterien für die Auswahl der Bewerber in gleichsam abstrakt genereller Weise vorweg fest. Dabei ist es nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte von sich aus festzustellen, ob und welche Anforderungsmerkmale im Einzelnen für den betreffenden Dienstposten zu Recht vom Dienstherrn bestimmt wurden. Vielmehr steht dem Dienstherrn insoweit eine Entscheidungsprärogative zu. Ihm ist ein weites Ermessen eingeräumt bei der Bestimmung der Merkmale, die er nach seinem fachkundigen Einschätzen als erforderlich zur Ausfüllung des betreffenden Dienstpostens ansieht. Durch dieses weite Ermessen sind der gerichtlichen Überprüfung insoweit enge Grenzen gesetzt. Insbesondere bleibt aber dem Gericht zu prüfen, ob die Merkmale des Anforderungsprofils willkürlich gewählt wurden, um z.B. aus unsachlichen Gründen einen Günstling zu bevorzugen (vgl. OVG Koblenz, Beschluss vom 14. März 1994, DÖD 1994, 294; OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Juli 1999 - 5 M 2644/99 - V.n.b.). Dabei ist es in der Rechtsprechung weiter anerkannt, dass im Rahmen des Auswahlermessens dann nicht auf den Bewerber mit der besseren Gesamtnote abzustellen ist, wenn er den Anforderungskriterien, so wie sie im Anforderungsprofil genannt worden sind, nicht entspricht. Wenn mehrere Bewerber allen (oder den wesentlichen) Anforderungskriterien gerecht werden, hat die - in der Regel durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesene - jeweilige Qualifikation der einzelnen Bewerber Bedeutung (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 24. Februar 1999 - 5 M 5667/98 - V.n.b.; OVG Münster, Beschluss vom 14. Dezember 1999, RiA 2000, 298; VGH München, Beschluss vom 19. Januar 2000,  DVBl. 2000, 1140, 1142 = BayVBl. 2001, 214).

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Ausgehend von diesen Grundsätzen überzeugen die Angriffe des Antragstellers gegen die von der Antragsgegnerin getroffene Auswahlentscheidung nicht. Ohne weiteres wird durch die Stellenausschreibung deutlich, dass die auf dem Dienstposten gewünschte Mitarbeit bei der Kapazitätssteuerung und -bindung neben der Laufbahnbefähigung für den mittleren technischen Dienst umfangreiche Erfahrungen mit der Materialerhaltung der Marine, Schiffsanlagen, der Auftragsabwicklung und ähnlichen erfordert, über die der Antragsteller auch nach eigenem Eingeständnis nicht verfügt. Auch im Hinblick darauf, dass durchaus einige Bewerber - ähnlich wie die Beigeladene - über derartige Erfahrungen verfügen, kann die Kammer keinen Anhaltspunkt dafür erkennen, die Formulierung des Anforderungsprofils sei willkürlich erfolgt. Neben der Sache liegt der Einwand des Antragstellers, dass er die erforderlichen Erfahrungen in einer deutlich kürzeren Einarbeitungszeit als 3 Jahren erwerben könne. Auch in Anbetracht der überragenden Beurteilung des Antragstellers bleibt es der Einschätzungsprärogative der Antragsgegnerin überlassen, aufgrund des bei ihr vorhandenen  Erfahrungsschatzes den zeitlichen Umfang von notwendigen Erfahrungen in bestimmten Bereichen festzulegen, damit diese den Erfordernissen des in Frage kommenden Dienstpostens gerecht werden. Im Übrigen erscheint es der Kammer einleuchtend, dass z.B. umfangreiche Erfahrungen bei der Materialerhaltung der Marine, Erfahrungen mit dem System Schiff und berufliche Erfahrungen in der Auftragsabwicklung nicht nach einer kurzen Einarbeitungszeit, sondern auch von einem mit "überragend" beurteilten Beamten nur im Laufe mehrerer Jahre erworben werden können. Vor diesem Hintergrund durfte die Antragsgegnerin den Antragsteller, obwohl er in der Beurteilung über die bessere Gesamtnote als die Beigeladene verfügt, aus den Kreis der in Frage kommenden Bewerber ausscheiden. Denn es entspricht gerade dem Sinn des Erstellens derartiger Anforderungsprofile,  den betreffenden Dienstposten mit dem möglichst bestgeeigneten Bewerber zu besetzen, damit eine optimale Erfüllung der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfolgen kann. Dem würde es zuwiderlaufen, losgelöst von einem sachlich vernünftigen Anforderungsprofil allein auf eine bessere Gesamtnote bei Bewerbern mit gleicher Rangstufe in der gleichen Laufbahn abzustellen. Gerade das Beispiel des Antragstellers zeigt, dass allein seine - zweifelsohne vorhandenen - Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Gebiet der Datenverarbeitung nicht ausreichen, um den Anforderungen bestimmter Dienstposten gerecht zu werden.

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Nach alledem war der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Es entsprach der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht dem Antragsteller aufzuerlegen (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO), da die Beigeladene sich nicht weiter am Verfahren beteiligt und sich auch nicht durch Stellung eines eigenen Antrages einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.