Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 10.05.2012, Az.: 2 A 340/11
Ausübungsfrist; Grundstücksverkehrsgenehmigung; Kenntnis; Naturschutzgebiet; Notar; Subsidiarität; Vorkaufsrecht
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 10.05.2012
- Aktenzeichen
- 2 A 340/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 44299
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 469 BGB
- § 66 BNatSchG
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Ausübung eines Vorkaufsrechts.
Die Klägerin schloss vor dem Notar Dr. B. mit Herrn C. einen Kaufvertrag, um von ihm das im Naturschutzgebiet „D.“ gelegene Flurstück E. der Flur F. in der Gemarkung G. mit einer Größe von 20.574 qm für 500 EUR zu erwerben.
Am 25. Juli 2011 erhielt die Grundstücksverkehrsbehörde des Beklagten vom Notar den Grundstückskaufvertrag mit dem Antrag, ein Negativattest, hilfsweise die Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz zu erteilen.
Mit Schreiben vom 28. Juli 2011 teilte der Beklagte dem Notar mit, dass dem Land Niedersachsen ein Vorkaufsrecht nach § 66 BNatSchG zustehe, da die Fläche in einem Naturschutzgebiet liege. Er werde daher gebeten, der Naturschutzbehörde den wirksamen vollständigen notariellen Grundstückskaufvertrag mitzuteilen.
Am 2. August 2011 übersandte der Notar der Naturschutzbehörde den von ihm beurkundete Kaufvertrag und bat um Prüfung, ob das Vorkaufsrecht ausgeübt werde.
Am 11. August 2011 erteilte der Beklagte dem Notar die Genehmigung nach §§ 2 und 3 des Grundstücksverkehrsgesetzes.
Auf die Anfrage des Beklagten hin stimmte das Niedersächsische Ministerium für Umwelt und Klimaschutz am 27. September 2011 der Ausübung des Vorkaufsrechts zu.
Mit Bescheid vom 29. September 2011, zugestellt am 4. bzw. 5. Oktober 2011, erklärte der Beklagte gegenüber dem Notar und den beiden Vertragsparteien, er übe das Vorkaufsrecht zugunsten des Landes Niedersachsen aus. Zur Begründung führte er u.a aus, das Vorkaufsrecht werde ausgeübt, da dies aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege erforderlich sei, weil u.a. die Fläche Bestandteil eines Naturschutzgebietes und eines FFH-Gebietes sei und der Naturschutz eine besondere Verantwortung zum Erhalt und zur Entwicklung dieser Gebiete habe, die Fläche von Bedeutung als Puffer für die angrenzenden, gegenüber Stoffeinträgen empfindlichen Moorlebensräumen sei und die Fläche von Bedeutung zur Umsetzung der niedersächsischen Strategie zum Arten- und Biotopschutz sei.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 11. Oktober 2011 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, die Ausübung des Vorkaufsrechts sei verfristet, da sie nicht innerhalb der Zweimonatsfrist erfolgt sei. Der Beklagte habe bereits am 22. Juli 2011 Kenntnis vom Vertrag gehabt. Es gebe auch keinen Nutzungszweck, der nur auf einer im öffentlichen Eigentum stehenden Fläche verwirklicht werden könne. Das überwiegend mit Nadelwald bestockte Grundstück habe keinen eigenen Schutzwert; die Pufferwirkung könne auch ihre Nutzung gewährleisten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2011, zugestellt am 16. November 2011, wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Zur Begründung führte er aus, die Ausschlussfrist des § 469 Abs. 2 S. 1 BGB werde nur dann in Lauf gesetzt, wenn der Kaufvertrag ausdrücklich wegen des Vorkaufsrechts vorgelegt werde, nicht aber, wenn die Behörde ihn nur zur Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung erhalte. Zudem beginne die Frist erst bei Mitteilung eines wirksamen Kaufvertrages, also erst nach Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung, über die die Naturschutzbehörde vom Notar gar nicht in Kenntnis gesetzt worden sei.
Der naturschutzfachliche Zweck der Ausübung des Vorkaufsrechts bestehe darin, das Grundstück nicht forstwirtschaftlich zu nutzen, sondern durch Auflichtung der Kiefern- und Birkenbestände und Freistellung der ehemaligen Sandentnahmestelle zur Wiederherstellung offener und besonnter Sandhänge die Wiederbesiedlung durch Reptilienarten zu fördern.
Am 14. Dezember 2011 hat die Klägerin Klage erhoben.
Sie vertieft ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, sie wolle das Grundstück gar nicht forstwirtschaftlich nutzen und sei bereit, selbst die gewünschten Naturschutzmaßnahmen durchzuführen. Zudem bemühe sich die öffentliche hand gar nicht hinreichend um das Naturschutzgebiet, das weitgehend in Privatbesitz sei. Das Grundstück, eine ehemalige Sandentnahmestelle, sei wegen der Höhenlage gar nicht als Moor geeignet. Der Beklagte gebe nur formelhaft seine Zeile an und wechsle dabei die Begründung aus.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 29. September 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 29. September 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2011 ist rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 66 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetzes - BNatSchG) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542). Danach (Abs. 1) steht den Ländern ein Vorkaufsrecht zu an Grundstücken, die in Naturschutzgebieten liegen. Das Vorkaufsrecht darf nur ausgeübt werden, wenn dies aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege einschließlich der Erholungsvorsorge erforderlich ist (Abs. 2). Nach § 66 Abs. 3 BNatSchG i.V.m. § 469 Abs. 1 BGB hat der Verpflichtete dem Vorkaufsberechtigten den Inhalt des mit dem Dritten geschlossenen Vertrags unverzüglich mitzuteilen. Die Mitteilung des Verpflichteten wird durch die Mitteilung des Dritten ersetzt.
Nach § 469 Abs. 2 BGB kann das Vorkaufsrecht kann bei Grundstücken nur bis zum Ablauf von zwei Monaten, bei anderen Gegenständen nur bis zum Ablauf einer Woche nach dem Empfang der Mitteilung ausgeübt werden. Ist für die Ausübung eine Frist bestimmt, so tritt diese an die Stelle der gesetzlichen Frist.
1. Der Beklagte hat das Vorkaufsrecht hier fristgerecht ausgeübt.
Die Anzeigepflicht nach dieser Vorschrift setzt zunächst einen rechtswirksamen Kaufvertrag voraus. Bedarf also der schuldrechtliche Vertrag wie hier nach § 2 GrdstVG einer Genehmigung, so ist bis zu ihrer Erteilung ein Vorkaufsfall nicht eingetreten, weil der für die Ausübung eines Vorkaufsrechts notwendige wirksame Kaufvertrag mit einem Dritten fehlt. Es ist deshalb ohne weiteres einleuchtend, dass in diesen Fällen auch die Ausübungsfrist nicht in Lauf gesetzt werden kann (vgl. BGH, WM 1966, 891; NJW 1994, 315 ff [BGH 29.10.1993 - V ZR 136/92]; Müko-Westermann, BGB, 3. Aufl., § 510 Rz. 3; Staudinger, BGB, 13. Aufl., § 510 Rz. 5 ; OLG Frankfurt, Urt. v. 29.7.2004 -26 U 78/03 - in juris).
Eine Mitteilung im Sinne des § 469 BGB setzt zudem voraus, dass der Notar oder der Verkäufer bei der Übersendung des Vertrages ausdrücklich darauf hinweist, dass der Vertrag auch wegen des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts vorgelegt wird; die bloße Übersendung zur Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung löst den Fristenlauf nicht aus. Die Vorlage des Vertrags an eine zur Ausübung des Vorkaufsrechts nicht befugte Dienststelle zum Zwecke anderweitiger Bearbeitung, wie hier, genügt jedenfalls dann nicht, wenn diese Dienststelle auf das Vorkaufsrecht und den weiteren Zweck der Vorlage des Vertrags nicht hingewiesen wird (ausdrücklich Nds. OVG, Beschluss v. 31.10.2002 - 8 LA 136/02 - ; BGH, Urteil v. 26.1.1973 - V ZR 2/71 - BGHZ 60,275).
Dem Beklagten ist daher mit seinem Widerspruchsbescheid vom 14. November 2011 dahingehend zu folgen, dass die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts frühestens am 2. August 2011 in Lauf gesetzt und mit der Mitteilung an den Notar am 4. Oktober 2011 auf jeden Fall gewahrt wurde; insoweit wird auf die zutreffende und ausführliche Darstellung im Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
2. Der Beklagte hat auch hinreichend dargelegt, warum die Ausübung des Vorkaufsrechts aus Gründen des Naturschutzes erforderlich ist. Die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte auch gemäß § 66 Abs. 2 BNatSchG gerechtfertigt. Nach dieser Vorschrift darf das Vorkaufsrecht nur dann ausgeübt werden, wenn dies aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege einschließlich der Erholungsvorsorge erforderlich ist. Vorliegend rechtfertigen jedenfalls die Belange des Naturschutzes die Ausübung des Vorkaufsrechts. Es genügt demnach nicht allein, dass die in Abs. 1 Satz1 genannten Eigenschaften - hier Lage des Grundstücks im Naturschutzgebiet - vorliegen. Andererseits sind weniger strenge Anforderungen als bei einer Enteignung zu stellen. Ausreichend dürfte sein, wenn der mit der Ausübung verfolgte Zweck positive Effekte auf die genannten Belange erwarten lässt. Die Erforderlichkeit entfällt nicht, wenn der Erstkäufer anbietet, sich zur Durchführung der angestrebten Naturschutzmaßnahmen zu verpflichten. § 66 sieht keine Abwendungsbefugnis vor. Das ist auch folgerichtig, denn eine vertragliche Vereinbarung stellt angesichts der latenten Gefahr ihrer Nichtbefolgung kein gleichwertiges Mittel dar, zumal der Erstkäufer oftmals nicht das nötige Fachwissen besitzen dürfte. Das Vorkaufsrecht ist allgemein kein subsidiäres Instrument im Verhältnis zu anderen rechtlichen Möglichkeiten des Naturschutzes (vgl. Kraft in Lütkes/Ewer, Bundesnaturschutzgesetz, Kommentar, 2011, § 66 Rn 17, 18).
Der Beklagte hat hier jedenfalls in seinem Widerspruchsbescheid hinreichend deutlich dargestellt, warum der Erwerb des Grundstückes erforderlich ist und was er mit dem Grundstück beabsichtigt. Soweit er vorträgt, durch Auflichtung der Kiefern- und Birkenbestände und Freistellung der ehemaligen Sandentnahmestelle zur Wiederherstellung offener und besonnter Sandhänge die Wiederbesiedlung durch Reptilienarten fördern zu wollen, stellt dies eine Maßnahme da, von der positive Auswirkungen auf die Belange des Naturschutzes zu erwarten sind. Es ist auch nicht ersichtlich, dass für die Entscheidung des Beklagten tatsächlich andere, außerhalb des Naturschutzes angesiedelte Interessen maßgeblich gewesen wären. Das wird auch von der Klägerin nicht vorgetragen.
Schließlich ist es für die Ausübung des Vorkaufsrechts auch nicht erforderlich, dass der Beklagte bzw. das Land zunächst die eigentlichen Moorflächen im Naturschutzgebiet erwirbt. Vielmehr steht der Grunderwerb für den Naturschutz naturgemäß unter dem Vorbehalt, dass ausreichende Haushaltsmittel zur Verfügung stehen und sich eine entsprechende Gelegenheit zum Erwerb bietet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.