Landgericht Hannover
Urt. v. 11.10.2022, Az.: 32 O 119/22
Beschluss der Gesellschafterversammlung einer GmbH über die Abberufung als Geschäftsführer aus wichtigem Grund
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 11.10.2022
- Aktenzeichen
- 32 O 119/22
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2022, 55884
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2022:1011.32O119.22.00
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Celle - AZ: 9 U 102/22
Rechtsgrundlage
- § 241 Nr. 4 AktG analog
In dem Rechtsstreit
XXX
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte:
XXX
gegen
XXX
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:
XXX
hat das Landgericht Hannover - 7. Kammer für Handelssachen - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht XXX sowie die Handelsrichter XXX und XXX auf die mündliche Verhandlung vom 11.10.2022
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass der von der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 25.07.2022 gefasste Gesellschafterbeschluss, wonach der Geschäftsführer XXX, XXX, wohnhaft in XXX, mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund im Wege eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses als Geschäftsführer der XXX abberufen worden ist, nichtig ist.
- 2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- 3.
Das Urteil ist bezogen auf die Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 25. Juli 2022 über seine Abberufung als Geschäftsführer nichtig ist.
Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Ihr alleiniger Gesellschafter ist der Verein XXX (nachfolgend kurz: Verein). Der Kläger, gehörte früher (bis zum Jahr 2019) dem Vorstand des Vereins an.
Gemäß § 6 des - nachfolgend auch als Satzung bezeichneten - Gesellschaftsvertrags der Beklagten (Anlage K 14) hat die Gesellschaft einen oder mehrere Geschäftsführer. Derzeit ist im Handelsregister als (alleiniger) Geschäftsführer der Beklagten der Kläger eingetragen. Der Kläger erhält für seine Tätigkeit keine Vergütung.
Die Beklagte ist die persönlich haftende Gesellschafterin der XXX (nachfolgend kurz: KGaA). Die KGaA wiederum unterhält die am XXX teilnehmende XXX. Kommanditaktionärin der KGaA ist die (nachfolgend kurz: X & X KG). Mehrheitskommanditistin der X & X KG ist die XXX. Ausweislich des Handelsregisters (AG XXX HRB XXX) - und damit gerichtsbekannt - ist der Kläger der alleinige in der Gesellschafterliste eingetragene Gesellschafter der XXX.
Zu den Organen der Beklagten gehört ein Aufsichtsrat. In § 7 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten ist festgelegt, dass Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer dem Aufsichtsrat obliegen. Dem Aufsichtsrat gehören nach der Satzung vier Personen an. Zwei von ihnen werden vom Verein entsandt; die beiden weiteren Mitglieder des Aufsichtsrats der Beklagten bestimmt der Aufsichtsrat der KGaA (§ 8 der Satzung).
Am 23. September 2014 schlossen der Verein, die KGaA und die X & X KG einen Vertrag zur Regelung der Grundlagen der weiteren Zusammenarbeit und Kooperation (nachfolgend auch "Grundlagenvertrag"; Anlage B 3).
Im Jahr 2019 - zu einem Zeitpunkt, als der Kläger nicht mehr dem Vorstand des Vereins angehörte - schlossen der Verein, die KGaA und die X & X KG einen als "XXX-Vertrag" bezeichneten Vertrag (Anlage K 12). Durch den XXX-Vertrag verpflichtete sich der Verein, die Satzung der Beklagten nicht ohne vorherige schriftliche Zustimmung der X & X KG zu ändern, zu ergänzen oder zu ersetzen. Es ist ausdrücklich angegeben, dass dies insbesondere für die "Funktion" des Aufsichtsrats, den oder die Geschäftsführer zu bestellen, gelte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Ziffer 3 des XXX-Vertrags Bezug genommen.
Zudem trafen der Verein und die X & X KG am 23. August 2019 eine Fördervereinbarung (Anlage K 13). Sie enthält unter anderem die Zusage der X & X KG, zur Unterstützung des XXX jährlich € 300.000,00 zu spenden.
Am 1. Juni 2021 beschloss der Verein als alleiniger Gesellschafter der Beklagten, dem Kläger in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Beklagten Weisungen zu erteilen. Unter anderem beschloss der Verein, dass der Abschluss, die Änderung oder Beendigung von Anstellungsverträgen mit Arbeitnehmern der Beklagten oder der KGaA der Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung der Beklagten bedürfe, wenn das jährliche Grundgehalt 100.000 Euro übersteigt.
Wenige Tage später, am 7. Juni 2021, wies der Verein den Kläger als Geschäftsführer der Beklagten durch Beschluss der Gesellschafterversammlung an, ihm umgehend einen umfassenden Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse der KGaA zu geben und die Finanzunterlagen zu erläutern.
Zu einem nicht näher angegebenen Zeitpunkt lud der Kläger den Verein als alleinigen Gesellschafter der Beklagten zur Durchführung einer Gesellschafterversammlung. Den Zeitpunkt der Versammlung legte er dabei auf den 27. Juli 2022.
Am 25. Juli 2022 suchten Mitglieder des Vorstands des Vereins einen Notar auf. Der durch die Vorstandsmitglieder vertretene Verein hielt unter Verzicht auf Einhaltung der Form- und Fristvorschriften eine notariell protokollierte (Anlage K 16) außerordentliche Gesellschafterversammlung ab. Als alleiniger Gesellschafter der Beklagten fasste der Verein den Beschluss, den Kläger "mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund im Wege eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses als Geschäftsführer der [Beklagten] ab[zu]berufen".
Zwei Tage später, am 27. Juli 2022, fand dann die zuvor vom Kläger einberufene (weitere) Gesellschafterversammlung der Beklagten statt. Zu Beginn jener Versammlung wusste der Kläger noch nicht, dass der Verein bereits zwei Tage zuvor eine außerordentliche Gesellschafterversammlung abgehalten und einen Abberufungsbeschluss gefasst hatte. Der (vom Verein in den Aufsichtsrat der Beklagten entsandte) Aufsichtsratsvorsitzende XXX fragte den Kläger zunächst, ob er das Amt als Geschäftsführer mit Wirkung zum 31.12.2022 niederlege. Als der Kläger jenem Vorschlag nicht zustimmte, übergab Rechtsanwalt XXX als Bevollmächtigter des Vereins dem Kläger das den Abberufungsbeschluss enthaltende Protokoll der Versammlung vom 25. Juli 2022.
Der Kläger meint unter Hinweis auf § 7 des Gesellschaftsvertrags, der Abberufungsbeschluss vom 25.07.2022 sei nichtig, da allein der Aufsichtsrat die Bestellung und die Abberufung des Geschäftsführers vornehmen könne, nicht aber die Gesellschafterversammlung. Zudem verstoße der Verein gegen den XXX-Vertrag.
Der Beschluss vom 25.07.2022 sei schon deshalb kein zulässiger satzungsdurchbrechender Beschluss im Sinne der Rechtsprechung, weil er nicht lediglich punktuell (einmalig für den Einzelfall), sondern strukturell in die Gesellschaft eingreife. Der Beschluss sei zustandsbegründend, denn im Aufsichtsrat herrsche eine Pattsituation. Die Bestellung eines neuen Geschäftsführers durch Organe der Gesellschaft bedürfe, da der Aufsichtsrat uneinig sei, einer weiteren Satzungsdurchbrechung seitens des Vereins. Die Wirksamkeit eines zustandsbegründenden Beschlusses setze die Einhaltung der für eine Satzungsänderung erforderlichen Formvorschriften voraus, was vorliegend nicht gegeben sei.
Zudem sei es dem Verein wegen des XXX-Vertrags untersagt, die Satzung ohne Zustimmung der X & X KG zu ändern oder einzelne satzungsdurchbrechende Beschlüsse zu fassen.
Entgegen der Ansicht der Beklagten habe die Gesellschafterversammlung auch keine Abberufungs-Sonderkompetenz im Fall des Vorliegens eines wichtigen Grundes. Davon, dass die Gesellschafter im Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrags eine solche Sonderkompetenz gewollt hätten, dürfe nicht ausgegangen werden. Die Kompetenzordnung im Gesellschaftsvertrag und die gleichgewichtige Zusammensetzung des Aufsichtsrats sprächen dagegen. Im Übrigen habe gar kein wichtiger Grund für die Abberufung des Klägers vorgelegen.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass der von der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 25.07.2022 gefasste Gesellschafterbeschluss, wonach der Geschäftsführer XXX, geb. XXX, wohnhaft in XXX, mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund im Wege eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses als Geschäftsführer der XXX abberufen worden ist, nichtig ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, ein Feststellungsinteresse des Klägers im Sinne von § 256 ZPO liege nicht vor. Dem Kläger gehe es ausschließlich um die Frage eines Verstoßes des Vereins gegen den XXX-Vertrag. Da weder der Kläger noch die beklagte GmbH zu den Parteien jenes Vertrags gehörten, könne er einen solchen Verstoß nicht im vorliegenden Rechtsstreit klären lassen.
Der angegriffene Beschluss sei keinesfalls nichtig, sondern allenfalls anfechtbar. Ein Anfechtungsrecht stehe dem Kläger jedoch schon deshalb nicht zu, weil er - unstreitig - kein Gesellschafter der Beklagten ist.
Im Übrigen sei der Abberufungsbeschluss rechtmäßig ergangen, obgleich er nicht vom Aufsichtsrat, sondern von der Gesellschafterversammlung gefasst wurde.
Die Beklagte macht geltend, es habe ein wichtiger Grund für die Abberufung des Klägers vorgelegen. In einem solchen Fall stehe der Gesellschafterversammlung, hier also dem Verein, eine Abberufungskompetenz unabhängig von der im Gesellschaftsvertrag festgelegten Kompetenzverteilung zu. Ein wichtiger Grund liege zum einen deshalb vor, weil der Kläger als Geschäftsführer "beharrlich" gegen Weisungen des alleinigen Gesellschafters (des Vereins) verstoßen habe. Wegen der Einzelheiten zum diesbezüglichen Vortrag der Beklagten wird auf ihre Ausführungen in der Klageerwiderung unter Ziffer 5 (Seite 13-24; Bl. 63 f. d.A.) verwiesen.
Zudem wirft die Beklagte dem Kläger vor, als Geschäftsführer der XXX Vermögensbetreuungspflichten verletzt und dadurch dem Verein - der einer von zwei Mitgesellschaftern jener GmbH ist - Schaden zugefügt zu haben. Ferner habe der Kläger als mittelbarer Geschäftsführer der X & X KG, der KGaA und der XXX GmbH & Co. KG (nachfolgend kurz: XXX KG) vielfach gegen den im September 2014 zwischen dem Verein, der KGaA und der X & X KG geschlossenen Grundlagenvertrag verstoßen. Er habe den Verein durch Ausstellen von Rechnungen der X & X KG und der XXX KG, die vertragswidrig seien, finanziell unter Druck gesetzt. Auch habe der Verein im XXX-Vertrag vereinbarte Förderbeträge wiederholt nicht fristgerecht oder gar nicht erhalten.
Unabhängig vom Vorliegen eines wichtigen Grundes sei der Abberufungsbeschluss vom 25. Juli 2022 aber auch deshalb wirksam, weil es sich bei der Beschlussfassung vom 25. Juli 2022 um einen einmaligen Vorgang gehandelt habe. Es liege ein lediglich punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss vor. Ein solcher sei wirksam.
Die Satzungsdurchbrechung sei nicht als zustandsbegründend einzustufen. Der Aufsichtsrat der Beklagten sei weiterhin befugt, einen neuen Geschäftsführer zu bestellen; bei entsprechender Einigkeit des Aufsichtsrats könne das sogar der Kläger selbst sein. Aus der Uneinigkeit des Aufsichtsrats über die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer sei keine Uneinigkeit bei der Bestellung eines neuen Geschäftsführers zu folgern.
Die Beklagte meint, selbst wenn die Satzungsdurchbrechung als zustandsbegründend anzusehen sei, wäre der Beschluss - da notariell beurkundet und weil die Eintragung im Handelsregister immer noch möglich sei - nicht nichtig.
Da der Abberufungsbeschluss zur Wahrung des Unternehmensgegenstands, welche wiederum die Wahrung der 50+1-Regel erfordere, erforderlich gewesen sei, könne die Nichtigkeit des Beschlusses nicht mit der Kompetenzverteilung in § 7 des Gesellschaftsvertrags begründet werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vortrag der Parteien wird auf ihre anwaltlichen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Die Klage ist zulässig. Macht ein Fremdgeschäftsführer die Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses geltend, ist die von ihm eingereichte allgemeine Feststellungsklage (§ 256 ZPO) zulässig (vgl. BGH, 11.02.2008 - II ZR 187/06, juris-Rn. 34; OLG Celle, Beschl. v. 08.09.2022 - 9 U 72/22 [Anlage K 22] unter II.1).
2. Die Klage ist auch begründet. Der Abberufungsbeschluss vom 25. Juli 2022 ist nichtig.
a) Die Nichtigkeit kann allerdings nicht in entsprechender Anwendung von § 241 Nr. 4 AktG darauf gestützt werden, der Inhalt des Beschlusses der Gesellschafterversammlung verstoße gegen die guten Sitten.
Sehr problematisch erscheint zwar, dass die Gesellschafterversammlung die Abberufung beschloss, ohne davon ausgehen zu können, der Aufsichtsrat werde zügig einen oder mehrere neue Geschäftsführer bestellen. Die Gesellschafterversammlung musste vielmehr davon ausgehen, dass der Aufsichtsrat wegen der Pattsituation - jedenfalls bis zur rechtskräftigen Klärung der Wirksamkeit des Beschlusses und damit wahrscheinlich über einen längeren Zeitraum - weder für die erneute Bestellung des Klägers noch für die Bestellung eines oder mehrerer neuer Geschäftsführer eine Mehrheit finden wird. Die Abberufung ging somit mit der Erwartung einer möglicherweise längerdauernden Führungslosigkeit der beklagten GmbH einher, sofern keine satzungsfremde Geschäftsführerbestellung (wie die Bestellung eines Notgeschäftsführers analog § 29 BGB durch das zuständige Amtsgericht) erfolgen sollte. Da die Führungslosigkeit der Gesellschaft nicht nur der Satzung und dem Gesetz (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG) widerspricht, sondern - da eine GmbH ohne Geschäftsführer nicht prozessfähig ist (BGH, 25.10.2010 - II ZR 115/09, juris-Rn. 12) - auch die Gläubiger der Gesellschaft benachteiligt, ist es durchaus überlegenswert, den Abberufungsbeschluss unter den hier gegebenen Umständen als gegen die guten Sitten verstoßend anzusehen. Denn Rechtsgeschäfte, die grundlegende Prinzipien der Rechtsordnung verletzen, sind gem. § 138 BGB nichtig (Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 138 Rn. 3). Zu den grundlegenden Prinzipien im Gesellschaftsrecht gehört, dass eine Gesellschaft einen gesetzlichen Vertreter hat.
Gleichwohl stuft die Kammer den Abberufungsbeschluss nicht als sittenwidrig ein, denn das Verhalten des Vereins zielte nicht darauf ab, die Beklagte führungslos zu machen. Die zu erwartende Führungslosigkeit war vielmehr eine sich aus den besonderen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags ergebende, aus Vereinssicht als "notwendiges Übel" einzustufende Folge. Nach § 38 GmbHG ist die Bestellung eines Geschäftsführers jedenfalls dann jederzeit - auch ohne dass ein wichtiger Grund vorliegt - "widerruflich", wenn der Gesellschaftsvertrag (wie hier) keine Einschränkung enthält. Deshalb kann ein Abberufungsbeschluss insbesondere dann, wenn die Gesellschafterversammlung davon überzeugt ist, es liege ein wichtiger Grund vor, selbst bei voraussehbareren Schwierigkeiten bei der Bestellung eines Nachfolgers nicht als sittenwidrig eingestuft werden.
b) Der Abberufungsbeschluss der Gesellschafterversammlung ist jedoch wegen Verstoßes gegen die im Gesellschaftsvertrag geregelte Kompetenzverteilung nichtig, und zwar sowohl bei Einbeziehung des XXX-Vertrags als auch bei dessen Außerachtlassung.
(1) Der Abberufungsbeschluss steht im klaren Widerspruch zu den Bestimmungen unter Ziffer 3 des XXX-Vertrags. Der Verein als Alleingesellschafter hat sich gegenüber der KGaA und der X & X KG verpflichtet, die Satzung nicht ohne Zustimmung der X & X KG zu ändern. Die organschaftliche Kompetenz des Aufsichtsrats, die Geschäftsführung zu bestimmen, ist dabei besonders betont. Bei verständiger Auslegung der Bestimmungen in Ziffer 3 des XXX-Vertrags gehört zu den vertraglichen Pflichten des Vereins auch die Verpflichtung, nicht durch satzungsdurchbrechende Beschlüsse in die Kompetenz des Aufsichtsrats einzugreifen. Da der Verein Alleingesellschafter ist, muss er die gegenüber der KGaA und der X & X KG eingegangene Bindung im Streit über die Wirksamkeit des Beschlusses unmittelbar gegen sich gelten lassen. Die vertragliche Stimmrechtsbindung führt zur Unwirksamkeit der Stimmabgabe bei der Beschlussfassung jedenfalls dann, wenn der Alleingesellschafter bewusst versucht, die satzungsmäßige Kompetenzordnung ohne Änderung des Gesellschaftsvertrags zu unterlaufen (OLG Celle, Beschl. v. 08.09.2022 - 9 U 72/22 [Anlage K 22], unter II.2).
(2) Die Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses wäre nach Ansicht der Kammer vorliegend aber auch dann zu bejahen, wenn vertragliche Vereinbarungen mit Nichtgesellschaftern, die darauf gerichtet sind, das Recht der Gesellschafterversammlung auf Änderung des Gesellschaftsvertrags zu beschränken, gesellschaftsrechtlich unerheblich wären.
(a) Allerdings ist anerkannt, dass satzungsdurchbrechende Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH - sofern kein Nichtigkeitsgrund analog § 241 AktG vorliegt - regelmäßig dann nicht nichtig (sondern allenfalls anfechtbar) sind, wenn der Verstoß gegen bestimmte Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags eine lediglich punktuelle Satzungsdurchbrechung darstellt (vgl. BGH, 25.11.2002 - II ZR 69/01, juris-Rn. 16).
(b) Es ist aber zweifelhaft, ob die Wirksamkeit lediglich punktueller Satzungsdurchbrechung auch dann zu bejahen ist, wenn der Verstoß die satzungsmäßige Kompetenzordnung betrifft, wenn dem Gesellschaftsvertrag selbst entnommen werden kann, dass die vom gesetzlichen Regelfall abweichende Kompetenzordnung einem Dritten, der nicht zum Kreis der Gesellschafter gehört, ein gleichgewichtiges Mitbestimmungsrecht einräumen soll und wenn in das im Gesellschaftsvertrag verankerte gleichgewichtige Mitbestimmungsrecht des Dritten übergangen wird, ohne dass zugleich die Satzung geändert wird. Ein solcher Fall liegt hier vor, denn aus den Bestimmungen zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Verfügungsbeklagten (§ 8 des Gesellschaftsvertrags) - und damit unmittelbar aus der Satzung selbst - folgt, dass die Abberufung eines Geschäftsführers nicht gegen den (durch entsprechende Stimmabgabe erklärten) Widerspruch beider vom Verein entsandten Aufsichtsratsmitglieder, aber auch nicht gegen den Widerspruch beider von der KGaA bestimmten Aufsichtsratsmitglieder möglich sein soll. Unter Berücksichtigung des Gegenstands des Unternehmens (Übernahme der persönlichen Haftung, der Vertretung und der Geschäftsführung der KGaA, die ihrerseits die Unterhaltung einer Profimannschaft zur Teilnahme an den Lizenzligen der Bundesliga und der 2. Bundesliga zum Gegenstand hat) kommt der Kompetenzverlagerung in § 7 des Gesellschaftsvertrags eine gesellschaftsrechtlich zentrale Bedeutung zu.
(c) Ob der Grundsatz der Wirksamkeit satzungsdurchbrechender Beschlüsse der Gesellschafterversammlung bei lediglich punktueller Satzungsdurchbrechungen in einem Fall wie dem vorliegenden eingeschränkt ist, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn die Satzungsdurchbrechung im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Abberufungsbeschluss ist nicht lediglich punktuell.
Die Wirkung der Abberufung des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten geht in die Satzung berührender Weise über die Maßnahme vom 25. Juli 2022 hinaus. Der Abberufungsbeschluss hat insoweit weitergehende satzungsrelevante Auswirkungen, als er die Bestellung eines neuen Geschäftsführers erforderlich macht. Vorliegend ist eine zügige Bestellung eines neuen Geschäftsführers durch den Aufsichtsrat nicht zu erwarten, weil es im Aufsichtsrat zwei widerstreitende Interessengruppen ("Vereinsseite" und "Kapitalgeberseite") gibt, die gleich stark sind, so dass eine Pattsituation herrscht. Um die Führungslosigkeit ohne Satzungsänderung zu beenden, wird entweder die Gesellschafterversammlung einen weiteren satzungsdurchbrechenden Beschluss fassen und selbst einen Geschäftsführer bestimmen müssen oder das Amtsgericht muss einen Notgeschäftsführer bestellen. In beiden Varianten würde die Bestellung eines Geschäftsführers nicht durch das satzungsmäßig dafür vorgesehene Organ der Beklagten erfolgen.
Unter solchen Umständen kann die mit der Abberufung einhergehende Satzungsdurchbrechung nicht als "punktuell" angesehen werden. Vielmehr hätte der Abberufungsbeschluss im Fall seiner Wirksamkeit eine Dauerwirkung; er wäre zustandsbegründend. Eine zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung ist jedoch unwirksam, wenn der Beschluss nicht gleichzeitig in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen wird (vgl. OLG Köln, 24.08.2018 - 4 Wx 4/18, juris-Rn. 15, 17). Eine Satzungsänderung will der Verein, der den Beschluss ausdrücklich als "satzungsdurchbrechend" bezeichnet, aber gerade nicht.
(3) Soweit die Beklagte geltend macht, für die Abberufung habe ein wichtiger Grund vorgelegen, ist dies für die Frage der Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses im vorliegenden Rechtsstreit ohne Belang. Deshalb ist es unerheblich, ob tatsächlich ein wichtiger Grund vorliegt.
Die Kammer teilt nicht die Ansicht der Beklagten, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes könne die Gesellschafterversammlung einen Geschäftsführer stets auch dann abberufen, wenn die Abberufungszuständigkeit der Satzung nach ausschließlich einem anderen Organ (hier: Aufsichtsrat) zusteht (so aber z.B. Noack/Servatius/Haas, GmbH, 23. Aufl., § 38 Rn. 29 m.w.N. auch zur Gegenmeinung).
Aus § 38 Abs. 2 GmbHG lässt sich eine solche "Sonderkompetenz" nicht ableiten. Bedeutsam ist an dieser Stelle, dass die Gesellschafter dann, wenn sie die Abberufungskompetenz im Gesellschaftsvertrag einem anderen Gesellschaftsorgan zuweisen, sich zugleich die Zuständigkeit für die Abberufung aus wichtigem Grund vorbehalten können. Das ist vorliegend nicht geschehen.
Auch an dieser Stelle ist zu berücksichtigen, dass im Gesellschaftsvertrag festgelegt ist, dass die Kapitalgeberseite bei der Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern gleichgewichtig mitbestimmen kann. Jenem Grundgedanken wäre nicht hinreichend Rechnung getragen, wenn dem alleinigen Gesellschafter eine ungeschriebene Kompetenz für die Abberufung aus wichtigem Grund zugesprochen würde.
(4) Ob der Vorwurf der Beklagten, der Kläger habe schwerwiegend gegen die Statuten des XXX e.V., damit zugleich gegen die Satzung der KGaA, gegen den Grundlagenvertrag und gegen den XXX-Vertrag verstoßen, berechtigt und geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bejahen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Ein wichtiger Grund steht der Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses, wie ausgeführt, nicht entgegen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.