Landgericht Hannover
Urt. v. 28.11.2022, Az.: 13 O 173/22
Unterlassungverfügung gegenüber einer Bank bzgl. der Verwendung von Formulierungen betreffend die Zustimmung zu den aktualisierten allgemeinen Geschäfts- und Sonderbedingungen, dem Preis- und Leistungsverzeichnis sowie dem Preisaushang
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 28.11.2022
- Aktenzeichen
- 13 O 173/22
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2022, 49960
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2022:1128.13O173.22.00
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Celle - AZ: 13 U 70/22
Rechtsgrundlagen
- § 1 UKlaG
- § 3 UWG
- 3a UWG
- § 8 Abs. 1 UWG
- § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB
- § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB
Fundstellen
- BKR 2023, 311-312
- EWiR 2023, 67-69
- VuR 2023, 157
- ZBB 2023, 196
- ZIP 2022, 2599-2603
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
- Verfügungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
gegen
- Verfügungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
hat das Landgericht Hannover - 13. Zivilkammer - durch , und auf die mündliche Verhandlung vom 21.11.2022 für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzendes Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihren gesetzlichen Vertretern, zu unterlassen,
- a.
im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern die Zustimmung zu den aktualisierten allgemeinen Geschäfts- und Sonderbedingungen, dem Preis- und Leistungsverzeichnis sowie dem Preisaushang dadurch herbeizuführen, dass die Verbraucher lediglich eine Überweisung tätigen (beleghaft, am SB-Terminal, telefonisch oder online), die girocard (Debitkarte) oder Mastercard/Visacard (Kreditkarte) am Geldautomaten oder beim bargeldlosen Bezahlen einsetzen oder gegen einen Rechnungsabschluss nach dessen Zugang keine Einwendungen innerhalb von sechs Wochen erheben und dadurch den Rechnungsabschluss genehmigen, wenn dies geschieht wie in der Anlage AS 4 abgebildet;
- b.
in Bezug auf Verträge über Zahlungsdienste nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, ausgenommen gegenüber einer Person, die in ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer), zu verwenden sowie sich auf die Klauseln bei der Abwicklung derartiger Verträge zu berufen:
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Hierzu haben Sie folgende Möglichkeiten:
...
- 2.
Konkludentes Handeln
Nutzen Sie Ihr Konto/Ihre Konten im gewohnten Umfang einfach weiter. Eine weitere Nutzung Ihres Kontos/Ihrer Konten liegt insbesondere dann vor, wenn Sie
eine Überweisung tätigen (beleghaft, am SB-Terminal, telefonisch oder online)
Ihre girocard (Debitkarte) oder Mastercard/Visacard (Kreditkarte) am Geldautomaten oder beim bargeldlosen Bezahlen einsetzen
gegen einen Rechnungsabschluss nach dessen Zugang keine Einwendungen innerhalb von sechs Wochen erheben und dadurch den Rechnungsabschluss genehmigen. Machen Sie Ihre Einwendungen in Textform geltend, genügt die Absendung innerhalb der Sechs-Wochen-Frist.
- 2.
Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.
Und beschlossen: Der Streitwert wird auf 11.667,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Verfügungskläger (nachfolgend: Kläger) macht gegen die Verfügungsbeklagte (nachfolgend: Beklagte) Unterlassungsansprüche - ohne Folgenbeseitigung zu begehren - nach dem UWG und dem UKlaG geltend.
Der Kläger ist der Dachverband aller Verbraucherzentralen und 27 weiterer verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in . Seine Arbeit wird aus Mitteln des Bundesministeriums der Justiz, aus Projektmitteln und durch Mitgliedsbeiträge finanziert. Gemäß § 2 seiner Satzung bezweckt er, Verbraucherinteressen wahrzunehmen, den Verbraucherschutz zu fördern, die Stellung des Verbrauchers in der sozialen Marktwirtschaft zu stärken und zur Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Dazu versucht er - ggf. auch durch Einleitung gerichtlicher Verfahren - von ihm als solche qualifizierten Verstöße gegen das UWG zu unterbinden und Ansprüche nach dem UKlaG zu verfolgen. Er ist in der vom Bundesamt für Justiz in Bonn geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.
Die Beklagte ist eine Genossenschaftsbank mit Sitz in . Sie schließt mit Verbrauchern Verträge über Zahlungsdienstleistungen sowie Verträge über Tagesgeldanlagen ab.
Aufgrund des Urteils des BGH vom 27.04.2021, Az. XI ZR 26/20, mit dem der BGH - verkürzt dargestellt - die Änderungen der AGB der dort beklagten Bank mittels Zustimmungsfiktion für unwirksam erachtet hat - bat die Beklagte ihre Kunden mit Schreiben vom 25.05.2022 und 25.07.2022 um ausdrückliche Zustimmung zu einer Änderung ihrer AGB. Nachdem ihr Kunde nicht zugestimmt hatte, teilte ihm die Beklagte - wie anderen Kunden auch - mit Schreiben vom 20.09.202) mit:
" ...
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2. Konkludentes Handeln
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- eine Überweisung tätigen (beleghaft, am SB-Terminal, telefonisch oder online)
- Ihre girocard (Debitkarte) oder Mastercard/Visacard (Kreditkarte) am Geldautomaten oder beim bargeldlosen Bezahlen einsetzen
- gegen einen Rechnungsabschluss nach dessen Zugang keine Einwendungen innerhalb von sechs Wochen erheben und dadurch den Rechnungsabschluss genehmigen. Machen Sie Ihre Einwendungen in Textform geltend, genügt die Absendung innerhalb der Sechs-Wochen-Frist.
Ihre Annahme akzeptieren wir bis spätestens 30.12.2022.
Mit Ihrer Annahme gelten die neuen Vereinbarungen ... frühestens ab dem Monat nach Ihrer Zustimmung ...
Sofern Sie sich endgültig gegen eine Fortführung Ihrer Geschäftsbeziehung mit uns entscheiden und Ihr Konto nicht mehr nutzen wollen, teilen Sie uns dies sowie eine Kontoverbindung ..."
Wegen des (weiteren) Inhalts der vorgenannten Schreiben wird auf deren Kopien (Anlage Vb 14 und Vb15, Anlagenband Beklagte und Anlage AS 4 Anlagenband Kläger) verwiesen. Herr wandte sich wegen dieses Schreiben an den Kläger, der die Beklagte mit Schreiben vom 06.10.2022 abmahnte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufforderte.
Der Kläger ist der Auffassung, gegen die Beklagte Unterlassungsansprüche aus §§ 8 Abs. 1, 3, 4a, 7 UWG und aus §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 UKlaG i.V.m. §§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, § 311, §§ 145 ff. BGB zu haben. Die Beklagte handele gem. § 4a UWG unlauter, weil sie eine aggressive geschäftliche Handlung vornehme, die geeignet sei, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. Außerdem verstoße das Schreiben vom 20.09.2022 gegen §§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, § 311, §§ 145 ff. BGB und sei unwirksam.
Der Kläger beantragt - ohne eine Folgenbeseitigung zu begehren -,
es der Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzendes Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihren gesetzlichen Vertretern, zu untersagen,
- 1.
im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern die Zustimmung zu den aktualisierten allgemeinen Geschäfts- und Sonderbedingungen, dem Preis- und Leistungsverzeichnis sowie dem Preisaushang dadurch herbeizuführen, dass die Verbraucher lediglich eine Überweisung tätigen (beleghaft, am SB-Terminal, telefonisch oder online), die girocard (Debitkarte) oder Mastercard/Visacard (Kreditkarte) am Geldautomaten oder beim bargeldlosen Bezahlen einsetzen oder gegen einen Rechnungsabschluss nach dessen Zugang keine Einwendungen innerhalb von sechs Wochen erheben und dadurch den Rechnungsabschluss genehmigen, wenn dies geschieht wie in der Anlage AS 4 abgebildet;
- 2.
in Bezug auf Verträge über Zahlungsdienste nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, ausgenommen gegenüber einer Person, die in ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer), zu verwenden sowie sich auf die Klauseln bei der Abwicklung derartiger Verträge zu berufen:
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Hierzu haben Sie folgende Möglichkeiten:
...
- 2.
Konkludentes Handeln
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Die Beklagte beantragt,
der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der Kläger in vergleichbaren Fällen der Umsetzung von Vertragsänderungen durch konkludente Zustimmung durch Banken (z.B. der und der ) und andere Großunternehmen auch nicht einschreite, diese in öffentlichen Aussagen sogar gebilligt habe und sich deswegen treuwidrig verhalte; sie habe auf diese Aussagen des Klägers vertraut und sei auch so verfahren. Der Kläger vertrete hier Individualinteressen eines Verbrauchers und bewege sich damit außerhalb seiner gesetzlich eingeräumten Befugnisse; ihm fehle das Rechtsschutzbedürfnis, er sei nicht aktiv legitimiert. Außerdem nähme eine Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren die Hauptsache vorweg. Ein Verstoß gegen das UWG liege aber auch nicht vor, für die Kunden entstünde schon keine Zwangslage. Das LG Stuttgart habe mit Urteil vom 18.01.2022, Az. 34 O 98/21 festgestellt, dass eine unerlaubte geschäftliche Handlung selbst dann nicht vorliege, wenn eine Bank den Kunden auffordert, auf berechtigte Ansprüche zu verzichten, und für den Fall der Geltendmachung der Ansprüche die Kündigung der Geschäftsbeziehung androhe. Auch verstoße sie nicht gegen AGB-Vorschriften; das Schreiben vom 20.09.2022 sei nicht als AGB zu qualifizieren und wäre zudem einer AGB-Kontrolle entzogen. Im Übrigen wäre im Rahmen einer Inhaltskontrolle eine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild nach einer umfassenden Interessenabwägung sachlich auch gerechtfertigt und der gesetzliche angestrebte Schutzzweck wäre sichergestellt; die Interessen der Kunden seien dadurch berücksichtigt worden, dass sie dreimal angeschrieben wurden und so einen Zeitraum von 9 Monaten für eine Entscheidung zur Verfügung hatten. Auch das Urteil des BGH vom 27.04.2021 werde nicht umgangen, weil sich das auf eine fiktive Zustimmung beziehe und nicht auf den Fall einer konkludenten Annahmeerklärung erfasse.
Die Beklagte hat zudem beantragt, die Akten des Landgerichts Rottweil zu dem Aktenzeichen 4 O 41/22 und des Landgerichts Augsburg zu dem Aktenzeichen 084 O 3035/22 beizuziehen und dem Kläger gemäß § 142 ZPO aufzugeben, die bei ihm geführten Akten zu den oben genannten Verfahren des Landgerichts Rottweil zu dem Aktenzeichen 4 O 41/22 und des Landgerichts Augsburg zu dem Aktenzeichen 084 O 3035/22 vollständig einschließlich der außergerichtlichen Korrespondenz vorzulegen, weil er sich auf die vorgenannten Verfahren berufen habe und die Unterlagen zu diesem Verfahren und insbesondere Unterlagen zu vorgerichtlicher Korrespondenz bei der hiesigen Verfügungsbeklagten nicht vorliegen.
Entscheidungsgründe
I.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet.
I. Der Antrag ist zulässig.
1. Das Landgericht Hannover ist gem. §§ 14 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, UWG, 6 UKlaG zuständig.
2. Soweit der Kläger zwei Unterlassungsanträge bei einem Streitgegenstand formuliert, folgt die Zulässigkeit insoweit aus der Notwendigkeit, dass der Antrag den Anforderungen des § 8 UKlaG zu genügen hat, soweit der Kläger - wie hier -Unterlassungsansprüche aus § 1 UKlaG geltend macht.
3. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers nicht zu verneinen. Das Rechtsschutzbedürfnis soll als ungeschriebenes Merkmal objektiv sinnlose Klagen verhindern; da indes jeder Rechtsuchende einen Anspruch darauf hat, dass die Gerichte sein Anliegen sachlich prüfen und bescheiden, kann es nur unter ganz besonderen Umständen verneint werden (vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl., Vorbemerkungen zu §§ 253-299a, Rn. 18). Solche besonderen Umstände sind von der Beklagten nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
4. Durch die vom Kläger begehrte Entscheidung wird die Hauptsache nicht unzulässig vorweggenommen.
Zwar ist die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, auch dann, wenn sie in einer einstweiligen Verfügung enthalten ist, mangels abweichender Anhaltspunkte dahin auszulegen, dass sie neben der Unterlassung derartiger Handlungen auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands umfasst (vgl. BGH, Beschluss vom 11.10.2017 - I ZB 96/16 -, Rn. 19, juris). So kann der Unterlassungstitel dahin auszulegen sein, dass der Schuldner zwar Maßnahmen zu ergreifen hat, um auf Dritte zur Verhinderung weiterer Verletzungshandlungen einzuwirken, dass die insoweit geschuldeten Maßnahmen aber allein der Sicherung der Abwehransprüche des Gläubigers dienen, ohne ihn in diesen Ansprüchen abschließend zu befriedigen (BGH, a.a.O. Rn. 37). Vorliegend indes macht der Kläger aber ausdrücklich schon keinen Folgenbeseitigungsanspruch geltend, so dass die Beklagte durch die von der Kammer getroffene Entscheidung dazu auch nicht verpflichtet wird. Schon deswegen begehrt der Kläger nicht den Erlass einer einstweiligen Verfügung, durch die die Hauptsache unzulässig vorweggenommen wird.
II. Der Antrag ist auch begründet.
1. Der Kläger hat einen Verfügungsanspruch. Er kann von der Beklagten die Unterlassung der Verwendung der angegriffenen Formulierungen aus dem Schreiben der Beklagten vom 20.09.2022 an ihre Kunden aus § 1 UKlaG, §§ 8 Abs. 1, 3, 3a UWG, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB verlangen.
a. Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 4 UKlaG aktivlegitimiert, § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG, § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG. Der Umstand, dass der Kläger deswegen tätig wird, weil Herr ihm das Schreiben der Beklagten vom 20.09.2022 übermittelt hat, führt ebenso wenig zum Verlust seiner Aktivlegitimation wie die von ihm in eigener Verantwortung zu treffende Entscheidung, in welchen Fällen er Unterlassungsansprüche gerichtlich geltend macht.
b. Bei dem Schreiben der Beklagten an ihre Kunden handelt es sich in den vom Kläger beanstandeten Passagen um Allgemeine Geschäftsbedingungen.
aa. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach § 305 Abs. 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbestimmungen, die der Verwender der anderen Vertragspartei stellt; der Begriff der Allgemeinen Geschäftsbedingung setzt damit eine Erklärung des Verwenders voraus, die den Vertragsinhalt regeln soll; für die Unterscheidung von allgemeinen (verbindlichen) Vertragsbedingungen und (unverbindlichen) Bitten, Empfehlungen oder tatsächlichen Hinweisen ist auf den Empfängerhorizont abzustellen; eine Vertragsbedingung liegt demnach vor, wenn ein allgemeiner Hinweis nach seinem objektiven Wortlaut bei den Empfängern den Eindruck hervorruft, es solle damit der Inhalt eines vertraglichen oder vorvertraglichen Rechtsverhältnisses bestimmt werden, wobei auf den rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden und die dabei typischerweise gegebenen Verhältnisse abzustellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 09.04.2014 - VIII ZR 404/12 -, BGHZ 200, 362-387, Rn. 23 f.).
bb. Daran gemessen handelt es sich bei dem Schreiben in Anwendung der Regeln der §§ 145 ff. BGB zum Abschluss eines Vertrages durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen um mehr als ein Angebot, um dessen Zustimmung die Beklagte ihre Kunden schlicht bittet. Vielmehr stellt sie gegenüber allen bisher nicht zustimmenden Kunden einseitig die Bedingungen dafür, was als konkludente Annahme zu werten ist.
(1) Es erscheint schon zweifelhaft, ob der Kunde einer Bank ein Angebot auf Änderung der Geschäftsbeziehung - hier durch Einbeziehung neuer Vertragsbedingungen -konkludent annehmen kann; regelmäßig wird das jedenfalls nicht bereits durch eine bloße Fortsetzung der Geschäftsbeziehung der Fall sein (vgl. Staudinger/Rodi (2022) Anh zu §§ 305-310 Rn F 1, Rn. F 148e m.w.N.); darauf, ob das in Ausnahmefällen - wie etwa nach erfolgter Kontokündigung (vgl. Rodi, Das "Postbank"-Modell, ZIP 2022, 1583, Kurzfassung LSK 2022, 32811716, beck-online und juris Literaturnachweis zu Rodi, ZIP 2022, 1583-1592) - anders sein kann, kommt es vorliegend nicht an, weil ein solcher nicht vorliegt.
(2) Indes ist die Beklagte selbst nach den ihren Kunden mit Schreiben vom 25.05.2022 und 25.07.2022 angebotenen Vertragsänderungen ersichtlich gerade nicht davon ausgegangen, dass die bloße Weiternutzung des Kontos in dem im später im Schreiben vom 20.09.2022 beschriebenen Sinne (also der Nutzung des Kontos oder der - ggf. sogar stillschweigenden - Genehmigung eines Rechnungsabschlusses) als konkludente Zustimmung zu der Vertragsänderung zu verstehen sei. Anders als mit Schreiben vom 20.09.2022 hatten die vorhegenden Schreiben zwar nicht auf eine konkludente Annahme hingewiesen. Darauf indes kann es nicht ankommen: ob eine Inanspruchnahme der von der Beklagten ihren Kunden geschuldeten Leistungen wie Überweisungen (beleghaft, am SB-Terminal, telefonisch oder online) oder der Einsatz einer von der Beklagten ausgegebenen Debit- oder Kreditkarte am Geldautomaten oder beim bargeldlosen Bezahlen oder sogar das Unterlassen der Erhebung von Einwendungen gegen einen Rechnungsabschluss der Erklärungsgehalt der Annahme der von der Beklagten angebotenen Vertragsänderung beigemessen werden, hängt von dem objektiven Erklärungsgehalt und nicht davon ab, dass die Beklagte ankündigt, dem Verhalten ihren Kunden - anders als bisher - diesen Erklärungsgehalt beizumessen.
(3) Das gilt umso mehr, als die Beklagte diesen Erklärungsgehalt gerade auch dem Verhalten der Kunden beimisst, bei denen es aufgrund der Verweigerung einer Zustimmung zu der bereits mehrfach angebotenen Vertragsänderung nicht fernliegend ist, dass sie mit der Änderung des Vertrags gerade nicht einverstanden sind. Dass ein Teil der Kunden diese Entscheidung möglicherweise in Verkennung des Risikos getroffen haben mag, dass die Beklagte sich ggf. bei ausbleibender Zustimmung zu einer Kündigung der Geschäftsbeziehung veranlasst sieht, führt insoweit zu keiner anderen Bewertung; die Motive (mutmaßlich, aber mit einiger Wahrscheinlichkeit auch nur eines Teils der Kunden) dafür, eine Zustimmung nicht zu erteilen, und die mögliche Verkennung der Folgen ändert nichts am Erklärungsgehalt der bloßen Nutzung des Kontos und dem Nichterheben von Einwendungen gegen einen Rechnungsabschluss.
(4) Die Beklagte gibt im Ergebnis damit im Verhältnis zur ihren Kunden einseitig die Voraussetzungen dafür vor, wann - anders als bisher - ein bestimmtes Verhalten oder auch ein Unterlassen der Kunden zu einer Änderung des bisherigen Vertrages führen soll, unabhängig davon, ob der Kunde damit eine Erklärung abgeben will oder - aus vom BGH benannten Gründen wie Lethargie, Desinteresse, intellektuelle Überforderung, Unbeholfenheit oder Krankheit - nicht. Da die Beklagte damit die Bedingungen dafür einseitig vorgibt, unter denen (und in denen es regelhaft) zu einer Änderung des Vertragsverhältnisses kommt, handelt es sich dabei um Allgemeine Geschäftsbedingungen (so wohl auch Eifinger, GRUR-Prax 2022, 295, beck-online).
c. Die von der Beklagten mit Schreiben vom 20.09.2022 angekündigte Auslegung des Verhaltens ihrer Kunden verstößt auch gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
aa. Der BGH hat mit Urteil vom 27.04.2021, a.a.O. (unter Rn. 21 - 30, juris) ausgeführt
"... Nr. 1 (2) AGB weicht von wesentlichen Grundgedanken der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB ab, indem sie das Schweigen des Verwendungsgegners als Annahme eines Vertragsänderungsantrags qualifiziert.
bb) Diese Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung benachteiligt die Kunden der Beklagten unangemessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
(1) Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders wird vermutet, wenn eine klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gegeben ist (...). Diese Vermutung ist widerlegt, wenn die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild auf Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung sachlich gerechtfertigt und der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt ist (...).
(2) Danach ist die Vermutung hier nicht widerlegt.
(a) Nr.1 (2) AGB bietet eine Handhabe, unter Zuhilfenahme einer Zustimmungsfiktion im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung das Vertragsgefüge insgesamt umzugestalten (....). Der Verbraucher muss nicht für, sondern gegen die von der Beklagten gewünschte Vertragsänderung aktiv werden. Aus welchen Gründen (Lethargie, Desinteresse, intellektuelle Überforderung, Unbeholfenheit, Krankheit oder tatsächliches Einverständnis) er untätig bleibt, hat auf die Rechtswirkungen der Klausel keinen Einfluss. Die Klausel läuft deshalb gerade gegenüber ungewandten Verbrauchern tatsächlich auf eine einseitige, inhaltlich nicht eingegrenzte Änderungsbefugnis der Beklagten hinaus.
...
(b) In der Vereinbarung einer mit den Gewährleistungen des § 675g BGB versehenen Zustimmungsfiktion liegt auch keine bei der Bewertung nach § 307 BGB beachtliche Besserstellung des Kunden gegenüber den sonst nach § 305 BGB geltenden Voraussetzungen, die die Interessenabwägung zugunsten der Beklagten beeinflussen könnte (...).
Das nach § 675g Abs. 2 Satz 2 BGB gewährte außerordentliche Kündigungsrecht bietet gegenüber der Ablehnung der Änderung für den am Fortbestand des Vertrags interessierten Kunden keine Vorteile (...). Dass das Schweigen im Rechtsverkehr nur dann in Betracht kommt, wenn besondere Umstände zu Gunsten des anderen Teils dies rechtfertigen (...), dient gerade dem Schutz des Kunden. Dass sich ein Kunde aus anderen Gründen vom Vertrag lösen will und die Änderung nur beiläufig zum Anlass nimmt, dies zu tun, steht mit dem Mechanismus der Vertragsänderung nicht in einem die Interessenabwägung bestimmenden Zusammenhang.
Eine Zustimmungsfiktion als solche bietet auch keinen Gewinn an Rechtssicherheit. Es steht dem Verwender, der in seinem und im Interesse des Kunden über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer Vertragsänderung Gewissheit erlangen will, frei, Änderungen von einer Reichweite, für die eine Zustimmungsfiktion nicht in Betracht kommt, mit einem an die in § 675g Abs. 2, § 308 Nr. 5 BGB genannten Fristen angelehnten Anfangstermin anzubieten und damit für den Beginn der Vertragsänderung Rechtssicherheit zu schaffen."
bb. Diese Wertungen treffen allesamt auch auf die von der Beklagten mit Schreiben vom 20.09.2022 erklärte Absicht zu, eine unter Nr. 2 und der Überschrift "Konkludentes Handeln" (zudem nicht einmal abschließende, sondern lediglich beispielhaft beschriebene) Nutzung des Kontos als Zustimmungserklärung auszulegen. Die dadurch (bloß unterstellte) konkludente Zustimmung weicht vom wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab und die Vermutung einer unangemessenen Benachteiligung ist nicht widerlegt, wenn dem Kunden als Verbraucher die Last auferlegt wird, der Vertragsänderung widersprechen zu müssen. Bleibt er dagegen in diesem Sinne einer ausdrücklichen Zustimmung schlicht untätig und nutzt er lediglich sein Konto durch die Inanspruchnahme vertraglich geschuldeter Leistungen wie gewohnt weiter, geht die Beklagte von einer konkludenten Zustimmung auch in den Fällen aus, in denen der Verbraucher eine solche Zustimmung bislang gerade nicht erteilt hat und auch nicht erteilen will.
Etwas Anderes folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte ihre Kunden bereits am 25.05.2022 und 25.07.2022 angeschrieben und um Zustimmung gebeten hatte. Allein das rechtfertigt nicht bereits die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild und stellt nicht den gesetzlich angestrebten Schutzzweck sicher. Aus den vorgenannten Schreiben folgte nämlich gerade nicht, dass die Beklagte entgegen des gesetzlichen Leitbildes ihren Kunden die Bedingungen einseitig dafür stellen würde, dass und wann deren vertragsgemäße Nutzung ihres Kontos als Zustimmung zu einer angebotenen Vertragsänderung verstanden werde. Das ergab sich vielmehr erstmals und ausschließlich aus dem Schreiben vom 20.08.2022. Aber selbst dann, wenn es anders wäre, böte auch eine mehrmalige und/oder langfristige Ankündigung keinen Schutz vor einer möglicherweise nicht gewollten Vertragsänderung, mit der vom gesetzlichen Leitbild des Zustandekommens von Verträgen (und Vertragsänderungen) abgewichen wird. Ebenso wenig, wie eine lange Kenntnis von der Vereinbarung einer Zustimmungsfiktion und damit der Möglichkeit, dass auf dieser Grundlage Vertragsänderungen bewirkt werden können, eine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild rechtfertigt, könnte es eine langfristige Ankündigung, dem Verhalten des Kunden einen Erklärungsgehalt beizumessen, den dieses objektiv nicht hat.
cc. Soweit die Beklagte auf das Kündigungsrecht der Ziffer 18 ihrer AGB hinweist, hat der BGH (a.a.O., Rn. 28 f.) zu dem Kündigungsrecht nach § 675g Abs. 2 Satz 2 BGB ausgeführt:
"... In der Vereinbarung einer mit den Gewährleistungen des § 675g BGB versehenen Zustimmungsfiktion liegt auch keine bei der Bewertung nach § 307 BGB beachtliche Besserstellung des Kunden gegenüber den sonst nach § 305 BGB geltenden Voraussetzungen, die die Interessenabwägung zugunsten der Beklagten beeinflussen könnte (...).
Das ... Kündigungsrecht bietet gegenüber der Ablehnung der Änderung für den am Fortbestand des Vertrags interessierten Kunden keine Vorteile ..."
Diese Wertung trifft auch vorliegend zu.
dd. Soweit die Beklagte weiter darauf hinweist, dass es den Kunden möglich sei, der Änderung zu widersprechen und dennoch die Geschäftsverbindung weiter zu nutzen, kommt es darauf nicht an, weil die unangemessene Benachteiligung nach Vorgesagtem bereits darin liegt, widersprechen zu müssen.
Im Übrigen mag sich diese Möglichkeit aus den AGB ergeben, indes suggeriert das Anschreiben etwas Anderes, wenn es an dessen Ende heißt:
"Sofern Sie sich endgültig gegen eine Fortführung Ihrer Geschäftsverbindung mit uns entscheiden und Ihr Konto/Ihre Konten nicht mehr nutzen wollen ... Unser Anliegen ist es, auch in Zukunft auf einer rechtlich sicheren und von gegenseitiger Wertschätzung geprägten Basis eine Geschäftsbeziehung mit Ihnen zu führen. Wir wünschen uns daher, dass sie die Geschäftsbeziehung zu den aktualisierten Bedingungen und Preisen fortsetzen und unser Angebot annehmen."
ee. Erst recht kommt es nicht darauf an, ob Vertragsänderung durch konkludente Zustimmungen auch von anderen Banken und/oder in anderen Branchen praktiziert werden. Das auch insbesondere schon deswegen nicht, weil nicht ersichtlich ist, dass es sich um vergleichbare Konstellationen handelt.
Soweit die Beklagte auf einen Bericht des Handelsblatts vom 22.04.2022 (Anlage Vb 13, Anlagenband Beklagte) über die Praxis der und Aussagen des Klägers hinweist - und unzutreffend meint daraus ein treuwidriges Verhalten des Klägers ableiten zu können -, handelt es sich ersichtlich um eine gänzlich andere Konstellation, wenn es in dem Bericht auch heißt:
"... und wählen bei der möglichen Fortführung der Bankverbindung einen ähnlichen Ansatz. Sie haben zwar die Konten zu einem bestimmten Datum gekündigt. Wenn Kundinnen und Kunden die Konten aber danach weiterhin nutzen, werten die beiden Kreditinstitute das als Zustimmung zu den aktuellen AGBs..."
So erachtet Rodi (a.a.O.) das von ihm als solches bezeichnete "Postbank-Modell" als gangbar, betont dafür aber die Notwendigkeit einer wirksamen Kündigung. Die Beklagte indes hat ihren Kunden nicht gekündigt, sondern beabsichtigt, die Nutzung des Kontos oder die Genehmigung des Rechnungsabschlusses - auch durch bloße Untätigkeit - im laufenden Vertragsverhältnis als Zustimmung zu werten. Schon deswegen genießt die Beklagte aufgrund der Äußerungen des Klägers keinen Vertrauensschutz. Indes ist das Verhalten der Beklagten nicht nur nicht vertrauensschutzwürdig, es ist auch nicht nachvollziehbar, wenn sie behauptet, ihren Lösungsansatz unter dem Eindruck der Äußerung gewählt zu haben. Dann hätte es sich aufgedrängt, die Lösung zu wählen, die Gegenstand der Berichterstattung im Handelsblatt aus April 2022 war.
ff. Dass das Klauselverbot des § 308 Nr. 5 BGB nicht sämtlichen AGB entgegensteht, nach denen eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht abgegeben gilt, führt - entgegen der Auffassung der Beklagten -zu keiner anderen Bewertung. Die Einhaltung von § 308 Nr. 5 BGB (eine solche unterstellt) schließt die Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB im Übrigen nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 27.04.2021, a.a.O., Rn. 18).
gg. Auch der Hinweis der Beklagten auf die Entscheidung des BGH, 19.10.2022, Az. IV ZR 185/20 und darauf, dass Klauseln, die primäre Leistungspflichten beschreiben, keiner Klauselkontrolle unterlägen, greift nicht; vorliegend stellt sich nicht die Frage der Inhaltskontrolle geänderter Klauseln mit primären Leistungspflichten, sondern schon die von der Beklagten verwendeten Klauseln im Schreiben vom 20.09.2022, die zu einer Annahme der angebotenen Änderungen möglicherweise auch von primären Leistungspflichten führen soll. Schon der damit vorgegebene "Mechanismus" zur Anpassung des Vertrages, hält der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB - wie ausgeführt - nicht stand.
hh. Soweit die Beklagte weiter das Urteil des LG Stuttgart vom 15.02.2022, Az. 34 O 98/21 KfH (WM 2022, 1534) zitiert, so hat sich dieses umfassend mit der Frage einer wettbewerbswidrigen aggressive geschäftlichen Handlung im Sinne der §§ 3, 4a Abs. 1 S. 2 UWG befasst und im Ergebnis Ansprüche aus dem UWG verneint (die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, sondern liegt dem OLG Stuttgart - dort 2 U 34/22 - vor; ablehnend: juris Literaturnachweis zu Fervers, EWiR 2022, 228-230; insoweit zuzustimmend, als kein Fall des § 4a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 UWG vorliegen soll, soweit die Kündigung für sich genommen zulässig ist, aber eine Unlauterkeit aus § 4a Abs. 1 Satz 3 UWG bejahend: Seichter in: Seichter, jurisPK-UWG, 5. Aufl., § 4a UWG (Stand: 31.10.2022), Rn. 108_1)). Soweit das LG Stuttgart weiter auch Ansprüche aus §§ 8, 3, 3a UWG i.V.m. § 307 Abs. 1, § 306a BGB abgelehnt hat, teilt die Kammer diese Auffassung nicht (vgl. auch Suchowerskyj, WuB 2022, 477, 480; Eifinger a.a.O.; BeckOK BGB/Schmalenbach, 63. Ed. 1.8.2022, BGB § 675g Rn. 11c).
c. Selbst wenn man die vom Kläger beanstandeten Inhalte des Schreiben der Beklagten vom 20.09.2022 nicht als Allgemeine Geschäftsbedingungen qualifizieren wollte, wäre die Anwendung des § 307 BGB gleichwohl aufgrund der damit vorgenommenen Umgehung einer der Inhaltskontrolle nicht standhaltenden Allgemeinen Geschäftsbedingung gem. § 306a BGB eröffnet.
aa. Der BGH hat dazu mit Urteil vom 08.03.2005 - XI ZR 154/04 -, BGHZ 162, 294-305, Rn. 24 - 27 (für den Fall einer bloß bankinternen Anweisung an nachgeordnete Geschäftsstellen zur Kostenbelastung der Kunden bei Lastschriftrückgaben mangels Deckung) ausgeführt:
"Ein Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 306 a BGB liegt vor, wenn eine als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksame Regelung bei gleicher Interessenlage durch eine andere rechtliche Gestaltung erreicht werden soll, die nur den Sinn haben kann, dem gesetzlichen Verbot zu entgehen (...). Ob insoweit eine besondere Umgehungsabsicht der Beklagten erforderlich ist, bedarf keiner Entscheidung, denn eine solche tritt in dem Rundschreiben der Beklagten vom 4. Mai 1998, das eine Anweisung an alle Geschäftsstellen der Beklagten im Bundesgebiet zur kostenmäßigen Behandlung von Lastschriftrückgaben enthält, offen zutage.
...
Mit dieser Vorgehensweise praktiziert die Beklagte die vom erkennenden Senat in seinen Urteilen vom 21. Oktober 1997 für unzulässig und unwirksam erklärte Entgeltklausel bei der Rückgabe von Lastschriften mangels Deckung unter dem rechtlichen Deckmantel pauschalierten Schadensersatzes wirtschaftlich wirkungsgleich weiter. Dadurch erreicht sie im Ergebnis dasselbe wie durch eine Pauschalierung eines Schadensersatzanspruchs gemäß § 309 Nr. 5 BGB. .... Die Beschränkung der Beklagten auf eine interne verbindliche Anweisung an alle Geschäftsstellen führt danach zum gleichen Erfolg wie eine unzulässige und unwirksame Entgeltklausel oder Schadenspauschale in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und hat bei gleicher Interessenlage nach dem Rundschreiben vom 4. Mai 1998 nur den Zweck, Ersatz für die nach den Urteilen des erkennenden Senats vom 21. Oktober 1997 unwirksame Entgeltklausel zu schaffen und eine AGB-rechtliche Überprüfung durch die Gerichte zu verhindern."
bb. Die Beklagte strebt mit ihrem Schreiben vom 20.09.2022 eine Zustimmung zu aktualisierten allgemeinen Geschäfts- und Sonderbedingungen, dem Preis- und Leistungsverzeichnis sowie dem Preisaushang durch eine konkludente Erklärung ihrer Kunden an, nachdem der BGH mit Urteil vom 27.04.2021 Klauseln zur Anpassung allgemeiner Geschäftsbedingungen durch eine Zustimmungsfiktion für unwirksam erachtetet hat. Das von der Beklagten angestrebte Modell führt zum gleichen Erfolg wie die vom BGH für unwirksam erachtete Klausel: Kunden, die bezogen auf die Vertragsänderung untätig bleiben, stimmen den neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu. Soweit die konkludente Zustimmung gemäß Schreiben vom 20.09.2022 eine Nutzung des Kontos erfordert, während die vom BGH zu bewertende Praxis nicht einmal einer solchen bedurfte, rechtfertigt das keine unterschiedliche Bewertung, weil die bestimmungs- und vertragsgemäße Nutzung eines Kontos regelmäßig erfolgen wird, jede Nutzung dafür ausreicht und - wie der letzte Punkt der nicht abschließenden Aufzählung unter Nr. 2. und der Überschrift Konkludentes Handeln aufzeigt - damit im Ergebnis doch eine völlige Untätigkeit ausreichen kann, wenn ein Rechnungsabschlusses durch Untätigkeit genehmigt wird, weil Einwendungen dagegen nicht erhoben werden.
cc. Die Absicht der Beklagten, durch das Schreiben vom 20.09.2022 die nach dem Urteil des BGH vom 27.04.2021 unwirksame Zustimmungsfiktion in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei gleicher Interessenlage durch eine andere rechtliche Gestaltung zu erreichen und so der Wertung des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB zu umgehen, tritt in dem genannten Schreiben offen zutage.
d. Der Kläger kann seinen Anspruch auch auf §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG stützen.
aa. Das Schreiben der Beklagten vom 20.09.2022 ist als geschäftliche Handlung i.S.v. § 3 Abs. 1 UWG zu qualifizieren. Darunter fällt nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG auch jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen Unternehmens nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt. Wenn die Beklagte mit dem Schreiben vom 20.09.2022 eine Änderung der Verträge mit ihren Bestandskunden anstrebt, so wirkt ihr Verhalten auf das Wettbewerbsgeschehen ein und dient so als marktbezogene Handlung unmittelbar (auch) dem Erhalt bzw. der Verbesserung der eigenen wirtschaftlichen Position (vgl. Ernst in: Seichter, jurisPK-UWG, 5. Aufl., § 2 UWG (Stand: 12.04.2022), Rn. 22).
bb. Verstöße gegen § 307 BGB - auch im Zusammenhang mit § 306a BGB - werden vom Rechtsbruchtatbestand des § 3a UWG erfasst und stellen einen Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung dar (vgl. BGH, Urteil vom 31.03.2021 - IV ZR 221/19 -, BGHZ 229, 266-293, Rn. 48; BGH, Urteil vom 14.12.2017 - I ZR 184/15 -, Rn. 41, juris; OLG Dresden, Urteil vom 10.04.2018 - 14 U 82/16 -, Rn. 51 f., 54, juris).
e. Die Vorschriften über die Kontrolle unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen gemäß § 1 UKlaG und des Lauterkeitsrechts sind auch nebeneinander anwendbar (BGH, Urteil vom 31.03.2021, a.a.O., Rn. 51; BGH, Urteil vom 14.12.2017, a.a.O., Rn. 46).
2. Der Verfügungsanspruch wird für die Ansprüche aus dem UWG gem. § 12 Abs. 1 UWG vermutet, für die Ansprüche aus dem UKlaG gem. § 5 UKlaG, § 12 Abs. 1 UWG. Umstände für eine Widerlegung der Vermutung sind nicht vorgetragen.
3. Einer Glaubhaftmachung bedarf es nicht, da der Sachverhalt unstreitig ist (vgl. Spoenle in: Seichter, jurisPK-UWG, 5. Aufl., § 12 UWG (Stand: 10.01.2022), Rn. 43) und daraus Verfügungsanspruch und -grund folgen.
4. Die Beklagte ist im Hinblick auf den Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG insoweit wie aus dem Tenor ersichtlich nach Maßgabe des § 9 UKlaG zu verurteilen; § 9 UKlaG gilt im einstweiligen Verfügungsverfahren entsprechend (vgl. A. Baetge in: Herberger/Martinek/Rüßmann/ Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 9 UKlaG (Stand: 01.02.2020), Rn. 3; Witt in: Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Recht, § 9 Besonderheiten der Urteilsformel, Rn. 3; Staudinger-Piekenbrock, (2022), UKlaG, § 9, Rn. 3).
III. Die Androhung von Ordnungsmitteln folgt aus § 890 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO.
II.
Soweit die Beklagte beantragt hat, die Akten des Landgerichts Rottweil zu dem Aktenzeichen 4 O 41/22 und des Landgerichts Augsburg zu dem Aktenzeichen 084 O 3035/22 beizuziehen und dem Kläger gemäß § 142 ZPO aufzugeben, die bei ihm geführten Akten zu den genannten Verfahren vollständig einschließlich der außergerichtlichen Korrespondenz vorzulegen, bedarf des dieser nicht. Der Kläger hat sich ersichtlich nur auf die Auffassungen der Gerichte (zu einer Zustimmung zu einer Preiserhöhung eines Fitnessstudios dadurch, dass die Mitglieder das Drehkreuz im Eingangsbereich passieren, um in das Fitnessstudio zu gelangen) bezogen; eine Beiziehung der Akten ist danach wie auch eine Auflage an den Kläger zur Vorlage seiner Akten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt veranlasst.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, weil sich diese aus dem Wesen der einstweiligen Verfügung selbst ergibt, §§ 936, 929 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 22.01.2009 - I ZB 115/07 -, Rn. 11 ff., juris; G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2022, § 929 ZPO Rn. 1).
Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 3 ZPO, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG.