Landgericht Hannover
Beschl. v. 12.08.2022, Az.: 23 O 76/22

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
12.08.2022
Aktenzeichen
23 O 76/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 66104
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2022:0812.23O76.22.00

Fundstelle

  • ZIP 2023, 1535-1536

In dem Rechtsstreit
1. U.K.
2. G.K.
- Kläger -
Prozessbevollmächtigter zu 1. und 2.:
Rechtsanwalt ...
gegen
K ... SE, vertr. d.d., Aufsichtsrat best. aus ....
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen ...
N.
- Nebenintervenient -
Prozessbevollmächtigte:
...
hat das Landgericht Hannover durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht ... als Vorsitzende (analog § 329 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) am 12.08.2022 beschlossen:

Tenor:

Der Vorstand der Beklagten ist nicht legitimiert die Beklagte im vorliegenden Verfahren zu vertreten.

Gründe

I.

Die Kläger sind Aktionäre der Beklagten. Der Kläger zu 1 ist zugleich Vorstand der Beklagten. Mit der vorliegenden Klage wenden sie sich gegen Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 24. März 2022 zu TOP 1 und TOP 2. Die Kläger sind der Auffassung, die Beklagte werde im vorliegenden Rechtsstreit durch den Vorstand und den Aufsichtsrat vertreten, § 246 Abs. 2 Satz 2 AktG. Die Klage wurde sowohl dem Vorstand als auch dem Aufsichtsrat zugestellt. Für den Vorstand haben sich Rechtsanwälte T... legitimiert (Blatt 47 der Akten) und für den Aufsichtsrat Rechtsanwälte H... (Blatt 54 der Akten), über deren Beauftragung der Aufsichtsrat der Beklagten am 25. Mai 2022 Beschluss gefasst hat (Anlage B1). Die durch den Aufsichtsrat vertretene Beklagte ist der Auffassung, sie werde in der vorliegenden Konstellation gemäß § 246 Abs. 2 Satz 3 AktG allein durch den Aufsichtsrat vertreten. Die Vorsitzende hat mit Verfügung vom 2. Juni 2022 darauf hingewiesen, dass von einer Vertretung der Beklagten durch den Aufsichtsrat auszugehen sei (Blatt 55 der Akten). Dagegen haben sich die Kläger (Blatt 66 ff. der Akten) und die den Vorstand der Beklagten vertretenen Rechtsanwälte T... gewandt (Blatt 63 f. der Akten).

II.

Die gemäß § 56 Abs. 1, § 51 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigende Legitimation eines gesetzlichen Vertreters einer juristischen Person ist im vorliegenden Verfahren bezüglich des Vorstands der Beklagten nicht gegeben, weshalb die gesetzliche Vertretung durch den Vorstand durch beschwerdefähigen Beschluss zurückzuweisen war (Althammer in Zöller, ZPO, 34. Aufl., Rn. 13; KG Berlin, Beschluss vom 28. März 1968 - 12 W 2531/67, juris Leitsatz).

Es entspricht der herrschenden Auffassung, der sich die Kammer anschließt, dass die Vertretung der Gesellschaft allein beim Aufsichtsrat liegt, wenn Vorstands- und Aktionärsklage zusammentreffen (subjektive Häufung von Anfechtungsklagen). Dieser Fall ist in § 246 Abs. 2 Satz 2 und 3 AktG zwar nicht bedacht, doch folgt seine Lösung aus dem gesetzlichen Anliegen, Interessenkonflikte zu vermeiden. Sinnwidrig wäre es nämlich, den Vorstand zum Verteidiger eines Beschlusses zu bestellen, den er selbst angreift (Schäfer in Münchener Kommentar Aktiengesetz, 5. Aufl., § 246 Rn. 65). Entsprechendes gilt, wenn die Anfechtungsklage (wie hier) von einzelnen Verwaltungsmitgliedern erhoben wird. Zweck dieser Regelung ist, eine Beteiligung von Mitgliedern desselben Gesellschaftsorgans auf beiden Seiten des Rechtsstreits und die damit verbundene Fraktionierung zu verhindern. Die dargestellte Vertretungsordnung muss auch dann gelten, wenn das klagende Verwaltungsmitglied (wie hier) zugleich Aktionär ist und in dieser Eigenschaft klagen will; denn die Vertretung der Gesellschaft darf nicht zur Disposition des Klägers stehen (Schäfer, aaO, Rn. 66).

Demgegenüber geht die Auffassung des von T... vertretenen Vorstands der Beklagten fehl, es könne eine divergierende Auffassungen vertretende Doppelvertretung durch Vorstand und Aufsichtsrat im vorliegenden Verfahren geben. Eine Prozesspartei kann schon aus prozessualen Gründen nur einheitlich vortragen. Hier zeigt sich zudem aus der Interessenlage der aus zwei Familienflügeln bestehenden Familiengesellschaft, dass der Konflikt zwischen Mitgliedern des Vorstands einerseits und Mitgliedern des Aufsichtsrats andererseits besteht, sodass der Vorstand (im Falle seiner Vertretungsbefugnis) berufen wäre, die von seinem Mitglied (Kläger zu 1) angefochtenen Beschlüsse zu verteidigen. Der sich daraus ergebende Interessenkonflikt lässt sich auch nicht dadurch lösen, dass für den Vorstand das weitere Vorstandsmitglied B... tätig wird. Denn der Vorstand handelt durch sämtliche Mitglieder, zu denen der Kläger zu 1 gehört. Zudem lässt sich nicht ausschließen, dass Herr B...aufgrund seiner Organstellung über eine gewisse Nähe zum Kläger zu 1 verfügt. Soweit die Kläger aufzeigen, dass Interessenkonflikte auch in anderen Konstellationen in denen Doppelvertretung zugelassen sei, vorkommen könnten, ist dies für die hier in Rede stehende Sachlage ohne Bedeutung. Vielmehr zeigt sich der vorliegend bei einer Doppelvertretung bestehende Interessenkonflikt an den dargestellten Auseinandersetzungen, bei denen es um die Vormachtstellung innerhalb der "K...-Gruppe" geht, den einerseits der vom Familienflügel X.... dominierte Vorstand und andererseits der vom Aufsichtsrat dominierte Familienflüge Y.... für sich beansprucht. Vor diesem Hintergrund kann ein Interessenkonflikt nur dadurch vermieden werden, dass die Interessen des Vorstandes von der Klägerseite und die Interessen der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat vertreten werden.

Diese Entscheidung kann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Landgericht Hannover, 30175 Hannover, Volgersweg 65 oder dem Oberlandesgericht Celle, 29221 Celle, Schloßplatz 2.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. Richtet sich die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung über die Kosten, ist sie nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 € übersteigt.

Ist die Beschwerde danach nicht zulässig, kann innerhalb von zwei Wochen bei dem Landgericht Hannover, 30175 Hannover, Volgersweg 65 Erinnerung eingelegt werden, für die im Übrigen dieselben Formvorschriften wie für die Beschwerde gelten.

Beschwerdeberechtigt ist, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle der genannten Gerichte eingelegt. Sie kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts erklärt werden, wobei es für die Einhaltung der Frist auf den Eingang bei einem der genannten Gerichte ankommt. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen.

Die Einlegung kann auch in elektronischer Form erfolgen. Informationen zu den weiteren Voraussetzungen zur Signatur und Übermittlung sind auf dem Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) im Themenbereich zur elektronischen Kommunikation zu finden. Eine Einlegung per einfacher E-Mail ist unzulässig.

Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Soll die Entscheidung nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen. Die Beschwerde soll begründet werden.