Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 04.04.2023, Az.: 9 U 102/22
Zur Nichtigkeit einer kompetenzwidrigen Abberufung des (Fremd)-Geschäftsführers einer GmbH im Streitfall. Zur Selbstwiderlegung eines vermeintlich wichtigen Grundes für die Abberufung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 04.04.2023
- Aktenzeichen
- 9 U 102/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 45043
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2023:0404.9U102.22.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 11.10.2022 - AZ: 32 O 119/22
- OLG Celle - 07.02.2023 - AZ: 9 U 102/22
- nachfolgend
- BGH - 16.07.2024 - AZ: II ZR 71/23
Rechtsgrundlagen
- GmbHG § 38
- GmbHG § 46
Fundstellen
- DStR 2023, 10
- GmbHR 2023, 739-742
- NWB 2023, 2596
In dem Rechtsstreit
X GmbH,
Beklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
...,
gegen
..., ...,
Kläger und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte:
...,
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 4. April 2023 beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 11. Oktober 2022 verkündete Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover wird einstimmig zurückgewiesen.
- 2.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
- 3.
Das angefochtene Urteil ist - wegen der Kosten - ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Der Kläger ist im Handelsregister als Geschäftsführer der in der Rechtsform einer GmbH organisierten Beklagten eingetragen. Er wendet sich gegen einen seiner Ansicht nach nichtigen Beschluss des Alleingesellschafters der Beklagten vom 25. Juli 2022, der seine sofortige Abberufung vom Geschäftsführeramt aus wichtigem Grund zum Inhalt hat (vgl. Anlage K 16, wie alle nicht anders gekennzeichneten, vom Kläger vorgelegten Anlagen im gesonderten Anlagenband "K").
Alleiniger Gesellschafter der Beklagten ist der X e.V. (im Folgenden auch: Verein). Die Beklagte wiederum ist Komplementärin der X GmbH & Co. KGaA (im Folgenden nur: KGaA), die ihrerseits die am Ligabetrieb teilnehmende Fußballmannschaft "X" unterhält. Kommanditaktionärin der KGaA ist die X S. & S. GmbH & Co. KG (im Folgenden nur: S & S KG), deren Mehrheitskommanditistin die XY GmbH ist (vgl. Anlage K 11). Alleiniger Gesellschafter der XY GmbH ist der Kläger.
In § 5 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten (Anlage K 14) ist Folgendes bestimmt:
"Organe der Gesellschaft sind:
a) die Geschäftsführung,
b) der Aufsichtsrat und
c) die Gesellschafterversammlung."
§ 7 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten lautet auszugsweise:
"(1) Die Geschäftsführer werden vom Aufsichtsrat bestellt und abberufen.
(2) (...)"
Aus § 8 des Gesellschaftsvertrages der Beklagten ergibt sich, dass deren Aufsichtsrat aus vier Mitgliedern besteht, die zur Hälfte vom Alleingesellschafter der Beklagten (also dem X e.V.), zur anderen Hälfte vom Aufsichtsrat der KGaA (der sogenannten "Kapitalgeberseite") entsandt werden.
Am 23. August 2019 kamen der Verein (Alleingesellschafter der Beklagten), die KGaA und die S & S KG in einem sogenannten "X-Vertrag" (Anlage K 12) unter dessen Ziffer 3 u.a. wie folgt überein:
"(...) X e.V. [i.e. der Alleingesellschafter der hiesigen Beklagten] verpflichtet sich, die Satzung der X Management GmbH [i.e. die hiesige Beklagte] nicht bzw. nicht ohne vorherige schriftliche Zustimmung der X. [i.e. die S & S KG] zu ändern, zu ergänzen oder zu ersetzen. Die vorstehende Regelung gilt insgesamt, insbesondere aber für den Passus der Satzung, der Funktion (Bestellung der Geschäftsführung der Gesellschaft) und Besetzung des Aufsichtsrats der X Management GmbH regelt. Durch die jetzige Regelung hat X, vermittelt durch den Aufsichtsrat, Mitentscheidungsrechte bei der Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung der X Management GmbH. Der Erhalt dieser Mitentscheidungsrechte und die künftige Kooperation der Parteien bei der Ernennung und Abberufung der Geschäftsführung der X Management GmbH unter Berücksichtigung des Zwei-Säulen-Modells ist Grundlage und essentieller Bestandteil dieser Vereinbarung, insbesondere im Hinblick auf die sich für X e.V. [i.e. den Alleingesellschafter der hiesigen Beklagten] ergebenden Pflichten. (...)"
Am 25. Juli 2022 suchten Mitglieder des Vorstands des Alleingesellschafters der Beklagten, also des X e.V., einen Notar in ... auf, hielten ohne Mitwirkung des Geschäftsführers, also des hiesigen Klägers, unter Verzicht auf die Einhaltung aller Frist- und Formvorschriften eine außerordentliche Gesellschafterversammlung der Beklagten ab und beschlossen, den Kläger "mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund im Wege eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses als Geschäftsführer" der Beklagten abzuberufen (vgl. Anlage K 16).
Am 27. Juli 2022 fand sodann eine zuvor vom Kläger einberufene Gesellschafterversammlung der Beklagten statt, zu deren Beginn der vom Verein in den Aufsichtsrat der Beklagten entsandte Aufsichtsratsvorsitzende den Kläger fragte, ob er das Amt als Geschäftsführer zum 31. Dezember 2022 niederzulegen bereit sei. Nachdem der Kläger das verneint hatte, übergab der jetzige Prozessbevollmächtigte der Beklagten als Bevollmächtigter des Vereins dem Kläger das den Abberufungsbeschluss enthaltende Protokoll der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 25. Juli 2022.
Der Kläger hat gemeint, der Abberufungsbeschluss des Vereinsvorstands für den Verein als Alleingesellschafter der beklagten GmbH vom 25. Juli 2022 sei nichtig, da Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers allein der Aufsichtsrat, nicht aber die Gesellschafterversammlung vornehmen könne; anderenfalls verstoße der Verein als alleiniger Gesellschafter der beklagten GmbH gegen den X-Vertrag vom 23. August 2019. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass die Abberufung auf einen wichtigen Grund gestützt werde, weil ein solcher nicht vorliege.
Das Landgericht, auf dessen Urteil (Bl. 117 ff. Bd. I d.A.) wegen der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen, der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat die Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses vom 25. Juli 2022 festgestellt.
Zur Begründung hat die Kammer im Wesentlichen ausgeführt, der Beschluss sei zwar nicht gemäß § 241 Nr. 4 AktG analog sittenwidrig. Seine Nichtigkeit ergebe sich jedoch aus dem Verstoß gegen die im Gesellschaftsvertrag der Beklagten geregelte Kompetenzverteilung. Das gelte insbesondere vor dem Hintergrund der in dem X-Vertrag unter Ziffer 3 getroffenen Bestimmung, im Übrigen aber auch selbst dann, wenn man den X-Vertrag außer Acht lasse, weil die vom Verein als Alleingesellschafter der Beklagten vorgenommene Satzungsdurchbrechung nicht lediglich punktuell, sondern zustandsbegründend wirke. Eine zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung jedoch sei unwirksam, wenn der Beschluss nicht gleichzeitig in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werde. Anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Beklagte das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Abberufung geltend mache. Denn im Streitfall sei auch die Kompetenz zur Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund von der Delegation auf den Aufsichtsrat erfasst, weil anderenfalls der sich in der paritätischen Besetzung des Aufsichtsrats widerspiegelnden gleichgewichtigen Mitbestimmungsmöglichkeit der sogenannten Kapitalgeberseite nicht hinreichend Rechnung getragen werde.
Bereits zuvor hatte das Landgericht dem Kläger durch einstweilige Verfügung gestattet, das Amt des Geschäftsführers bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiter auszuüben, und es der Beklagten untersagt, die Löschung des Klägers als Geschäftsführer im Handelsregister zu betreiben (vgl. Bl. 127 ff. Bd. I der als Beiakte geführten Verfahrensakten zu 32 O 116/22 LG Hannover); die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 8. November 2022 (9 U 72/22, Bl. 318 ff. Bd. II der Beiakte) zurückgewiesen.
Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen das vorerwähnte die Hauptsache betreffende Urteil. Sie macht im Wesentlichen geltend, der angefochtene Beschluss ihres Alleingesellschafters sei trotz Widerspruchs zum X-Vertrag wirksam. Dieser könne als lediglich schuldrechtliche Vereinbarung mit Gesellschaftsfremden keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses haben. Zudem könne sich der Kläger darauf nicht berufen, weil ihm seinerseits erhebliche (im Einzelnen näher ausgeführte) Pflichtverletzungen zur Last fielen, weshalb (im Sinne der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts) die in dem X-Vertrag festgehaltenen Rechte der S & S KG "suspendiert" seien und der S & S KG "kein durchsetzbares Recht auf Unterlassung einer Satzungsänderung" bei der Beklagten zustehe (vgl. Berufungsbegründung, dort S. 23 f., Bl. 199 f. Bd. I d.A.). Das vom Landgericht unter Verweis auf die paritätische Bestimmung der Mitglieder des Aufsichtsrats der Beklagten durch den Verein und die KGaA angenommene gleichgewichtige Mitbestimmungsrecht könne schon deshalb nicht bestehen, weil sich daraus ein Verstoß gegen die sogenannte "50+1-Regel" der Deutschen Fußballliga ergebe. Jedenfalls bestehe entgegen der Auffassung des Landgerichts eine Abberufungskompetenz der Gesellschafterversammlung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes. Schließlich fehle dem Kläger das erforderliche Feststellungsinteresse.
Die Beklagte hat angekündigt, beantragen zu wollen,
das Urteil des Landgerichts Hannover vom 11. Oktober 2022, Az. 32 O 119/22, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat noch keinen Antrag angekündigt.
Der Senat hat mit Beschluss vom 7. Februar 2023 (Bl. 248 ff. Bd. II d.A.), auf den verwiesen wird, auf seine Absicht hingewiesen, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, und der Beklagten insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, von der diese mit Schriftsatz vom 22. März 2023 (Bl. 280 ff. Bd. II d.A.) Gebrauch gemacht hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird neben der angefochtenen Entscheidung auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen, namentlich die Berufungsbegründung vom 7. Dezember 2022 (Bl. 177 ff. Bd. I d.A.) und den Schriftsatz vom 22. März 2023, verwiesen.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist jedoch gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und schließlich auch keine mündliche Verhandlung geboten ist.
Zur Begründung nimmt der Senat zunächst gemäß § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 7. Februar 2023 und hält an dem dort Ausgeführten fest. Der daraufhin noch eingegangene Schriftsatz vom 22. März 2023 bietet keinen Anlass, von den in diesem Beschluss niedergelegten Ausführungen abzurücken, zumal die Beklagte in weiten Teilen schon in erster Instanz gehaltenen und in der Berufungsbegründung wiederholten Vortrag, den der Senat bereits berücksichtigt hat, erneut aufgreift. Dass und warum die entsprechenden Einwendungen indes nicht durchgreifen, hat der Senat in seinem Hinweisbeschluss bereits dargelegt. Im Übrigen ist im Lichte des Stellungnahmeschriftsatzes nur Folgendes noch zu bemerken:
1.) Der Senat hält daran fest, dass sich der angefochtene Beschluss als nichtig gemäß § 241 Nr. 3 AktG analog darstellt, weil er kompetenzwidrig gefasst worden ist und dies unter den besonderen Umständen des Streitfalls nicht lediglich die Anfechtbarkeit, sondern die Nichtigkeit des Beschlusses zur Folge hat.
a) Soweit die Beklagte zunächst ihre Auffassung wiederholt, dass die Stimmabgabe eines Gesellschafters (hier: des X e.V.), die in Widerspruch zu einer gegenüber gesellschaftsfremden Dritten eingegangenen Stimmbindung steht, eine Beschlussnichtigkeit nicht zur Folge haben könne (vgl. Schriftsatz vom 22. März 2023, S. 2 f., Bl. 281 f. Bd. II d.A.), hat der Senat seine gegenteilige Auffassung bereits im Hinweisbeschluss vom 7. Februar 2023 begründet: So, wie kein Grund dafür besteht, stimmbindungswidrig überstimmte Mitgesellschafter auf den umständlichen Weg einer Klage gegen die Mitgesellschafter zu verweisen, um durch deren Verurteilung zu einer gegenteiligen Stimmabgabe einen bindungswidrig gefassten Beschluss aus der Welt zu schaffen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1983 - II ZR 243/81 -, juris Rn. 11), besteht ein solcher Grund dann, wenn die übrigen Parteien eines Stimmbindungsvertrages ihrerseits keine Gesellschafter der Gesellschaft sind, in welcher ein Beschluss stimmbindungswidrig gefasst worden ist.
Im Streitfall tritt hinzu, dass das stimmbindungswidrige Verhalten des X e.V. bei Annahme bloßer Anfechtbarkeit innergesellschaftlich sanktionslos bliebe, weil der Verein Alleingesellschafter der Beklagten ist. In einem solchen Fall scheint es erst recht geboten, dass der Alleingesellschafter die von ihm selbst eingegangene Stimmbindung unmittelbar gegen sich gelten lassen muss (vgl. Arntzen/Schweneke, jurisPR-HaGesR 3/2023, Nr. 5.C.IV.3).
b) Anderes folgt auch nicht aus der von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung des Kammergerichts vom 8. Februar 2005 - 1 W 203/03 -, weil dieser ein gänzlich anderer Sachverhalt zugrunde liegt, in dem - soweit ersichtlich - weder die Frage einer Stimmbindung noch die Frage einer Sanktionierung deren Umgehung eine Rolle spielt.
c) Die von dem X e.V. als Alleingesellschafter der Beklagten in dem X-Vertrag eingegangene Stimmbindung gerät, anders als die Beklagte meint, auch nicht dadurch in Wegfall, dass der Kläger vermeintlich beharrlich gegen seine Pflichten als Geschäftsführer verstößt. Denn Sinn und Zweck der - durch die eingegangene Stimmbindung abgesicherten - Übertragung der Kompetenz zu Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers der Beklagten auf deren Aufsichtsrat war es - wie sich aus der Stimmbindungsklausel ergibt - gerade, der (auf die Besetzung des Aufsichtsrats paritätischen Einfluss ausübenden) KGaA und damit mittelbar deren Gesellschaftern wirksame Mitentscheidungsrechte bei der Besetzung des Amts des Geschäftsführers der Beklagten einzuräumen. Diese vertraglich zu- und abgesicherten Mitentscheidungsrechte würden konterkariert, wollte man dem Verein als Alleingesellschafter die Möglichkeit eröffnen, durch die Behauptung von Pflichtverletzungen die Kompetenzordnung der Beklagten zu unterlaufen.
d) Nichts der Beklagten Günstiges ergibt sich aus ihrem Verweis auf § 47 Abs. 4 GmbHG. Aus dieser Bestimmung folgt nicht die Nichtigkeit der von dem X e.V. als Alleingesellschafter der Beklagten eingegangenen Stimmrechtsbindung.
Die Beklagte übersieht, dass sich die Stimmrechtsbindung ihres Alleingesellschafters nicht auf sein Stimmverhalten bei Berufung oder Abberufung ihres Geschäftsführers, sondern auf das Unterlassen einer einseitigen Veränderung der insoweit durch den Gesellschaftsvertrag vorgegebenen Kompetenzordnung bezieht. Ihre Überlegungen zu der Frage, ob die S & S KG, wenn sie Gesellschafterin der Beklagten wäre, bei der Beschlussfassung über die Abberufung des Klägers einem Stimmverbot nach § 47 Abs. 4 GmbHG unterliegen würde (vgl. S. 5 des Schriftsatzes vom 22. März 2023, Bl. 284 Bd. II d.A.), vermengen beide Gesichtspunkte in unzulässiger Weise und liegen daher neben der Sache.
e) Es hat auch dabei zu bleiben, dass die Kompetenzwidrigkeit des angefochtenen Beschlusses nicht unter dem Aspekt einer jedenfalls gegebenen Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung für die Abberufung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund entfällt.
Das folgt im Streitfall (ungeachtet dessen, dass der Senat weiterhin aus den im Hinweisbeschluss genannten Gründen von einer vollständigen Übertragung der Kompetenz auf den Aufsichtsrat der Beklagten und auch davon ausgeht, dass die im Streitfall unterbliebene Befassung des nach dem Gesellschaftsvertrag zuständigen Aufsichtsrats Mindestvoraussetzung für ein etwaiges Wiederaufleben der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung wäre) bereits daraus, dass der - vom Alleingesellschafter der Beklagten entsandte - Vorsitzende ihres Aufsichtsrats dem Kläger angeboten hat, sein Amt bis zum Jahresende 2022 und damit über einen mehr als fünf Monate über das Datum der Gesellschafterversammlung hinausreichenden Zeitraum weiter ausüben zu können. Der Senat hält daran fest, dass bereits deshalb das Vorliegen eines die Unzumutbarkeit des Verbleibens des Klägers im Amt des Geschäftsführers zur Voraussetzung habenden wichtigen Grundes im Streitfall unter keinen Umständen festgestellt werden kann.
Soweit die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 22. März 2023 (dort S. 6 f., Bl. 285 f. Bd. II d.A.) demgegenüber darauf verweist, dass im Arbeitsrecht die fristlose Kündigung mit Auslauffrist ein anerkanntes Instrument sei, greift dies nicht durch. Die Beklagte übersieht, dass es im Streitfall nicht um die Beendigung eines Arbeits- bzw. des Anstellungsverhältnisses des Klägers geht. Vielmehr geht es um dessen Abberufung als Organ. Diesbezüglich führt die Beklagte selbst zutreffend aus, es sei für eine Gesellschaft, die ihrem Geschäftsführer eine einen wichtigen Grund darstellende Pflichtverletzung vorwirft, essentiell, dass dieser so wenig Zeit wie möglich in seinem Amt verbleibt. Eben deshalb ist es nach dem Dafürhalten des Senats im Streitfall mit der Annahme eines (die Kompetenz der Gesellschafterversammlung der Beklagten zur Abberufung des Geschäftsführers wieder aufleben lassenden) wichtigen Grundes unvereinbar, dem Geschäftsführer zunächst den Verbleib im Amt für annähernd ein halbes Jahr anzubieten. Mit diesem Angebot widerlegt der Alleingesellschafter der Beklagten einen solchen Grund und die Unzumutbarkeit des Verbleibs des Klägers im Amt selbst.
2.) Auch die vom Senat in seinem Hinweisbeschluss vom 7. Februar 2022 angenommene und begründete Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses analog § 241 Nr. 4 AktG nimmt die Beklagte mit ihrer Stellungnahme vom 22. März 2023 ohne Erfolg in Abrede.
a) Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die bewusste Durchbrechung der in ihrer Satzung für Berufung und Abberufung ihres Geschäftsführers vorgesehenen Kompetenzverteilung nicht unter Verweis darauf gerechtfertigt werden, dass der Alleingesellschafter sich dazu zum Wohle der Gesellschaft gezwungen gesehen habe. Das könnte allenfalls dann in Betracht kommen, wenn das an sich zuständige Organ - also der Aufsichtsrat der Beklagten, dessen Entscheidungsunfähigkeit die Beklagte selbst in Abrede genommen hat (vgl. Berufungsbegründung vom 7. Dezember 2022, S. 10 ff., Bl. 186 ff. Bd. I d.A.) - mit der Thematik befasst worden und - aus Sicht des Gesellschafters - untätig geblieben wäre. Daran fehlt es indes; das zuständige Organ hat der Gesellschafter nicht mit der Angelegenheit befasst.
b) Auch der mit dem Schriftsatz vom 22. März 2023 (erneut) erhobenen tu-quoque-Einrede ist kein Erfolg beschieden. Die Beklagte übersieht, dass der Kläger, dem sie durch ihren Alleingesellschafter Pflichtverletzungen vorwirft, nicht Partei des sogenannten X-Vertrages ist. Dem Senat erschließt sich nicht, wie und warum vermeintliche Pflichtverletzungen des Klägers in seinem Amt als Geschäftsführer den Alleingesellschafter der Beklagten derjenigen Verpflichtungen hätte ledig werden lassen sollen, die er gegenüber den anderen Parteien des X-Vertrages (wenn auch mittelbar u. a. zugunsten des Klägers) eingegangen ist. Ein Fehlverhalten der übrigen Vertragsparteien, das möglicherweise Einfluss auf Bestand oder Durchsetzbarkeit der vom Alleingesellschafter der Beklagten seinerseits eingegangenen Verpflichtungen, namentlich der Stimmbindung bezüglich des Unterlassens einseitiger Änderungen der Satzung der Beklagten, hätte haben können, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
c) Die Sittenwidrigkeit des angefochtenen Beschlusses entfällt schließlich auch nicht im Licht der von der Beklagten wiederholt herangezogenen 50+1-Regel der Deutschen Fußballliga. Der Senat hat seiner Entscheidung die Kompetenzordnung der Beklagten in der Gestalt zugrunde zu legen, wie sie sich aus ihrem Gesellschaftsvertrag (flankiert durch die in dem sogenannten X-Vertrag eingegangene Stimmbindung) ergibt. Diese Kompetenzordnung ist eindeutig und kann nicht durch eine sie ihres Gehalts letztlich beraubende Auslegung im Sinne der Beklagten abgeändert werden, um dadurch externen Vorgaben am Rechtsstreit Unbeteiligter gerecht zu werden (ebenso auch Arntzen/Schweneke, jurisPR-HaGesR 3/2023, dort Nr. 5 lit. D.).
3. Der Senat ist nicht gehindert, im Streitfall nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren.
a) Das auch mit Blick auf die Stellungnahme vom 22. März 2023 fortbestehende offensichtliche Fehlen von Erfolgsaussichten in der Sache ergibt sich aus den Ausführungen unter Ziff. 1 und 2.
b) Des Weiteren steht der Berufungszurückweisung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht die von der Beklagten mit ihrer Stellungnahme vom 22. März 2023 (dort S. 11 ff., Bl. 290 ff. Bd. II d.A.) angenommene grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) bzw. das Erfordernis der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO) entgegen.
Die Beklagte übersieht insoweit, dass der Senat sich auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gestützt hat, durch die seiner Auffassung nach die von der Beklagten aufgeworfenen Fragen bereits beantwortet sind.
Zudem führt die Beklagte selbst aus, dass eine Sache lediglich dann grundsätzliche Bedeutung hat, wenn sie eine klärungsbedürftige und -fähige Rechtsfrage aufwirft, die auch entscheidungserheblich ist. Daran fehlt es im Hinblick auf die Reichweite der vom Alleingesellschafter der Beklagten eingegangenen Stimmbindung und die Frage des Rückfalls der Abberufungskompetenz an den Gesellschafter im Fall des Vorliegens eines wichtigen Grundes bereits deshalb, weil ein solcher wichtiger Grund im Streitfall - wie oben ausgeführt - jedenfalls nicht festgestellt werden kann. Einer Diskussion über die weiteren Begründungsstränge der Entscheidung im Grundsätzlichen bedarf es daher nicht.
Der Senat weicht schließlich auch nicht von der Rechtsprechung des Kammergerichts in dessen Beschluss vom 8. Februar 2005 - 1 W 203/03 - ab, weil dieser Entscheidung, soweit ersichtlich, ein vollständig anderer Sachverhalt zugrunde gelegen hat, in dem Fragen der Stimmbindung keine Rolle gespielt haben (s.o.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.