Landgericht Hannover
Beschl. v. 10.08.2022, Az.: 23 O 77/22

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
10.08.2022
Aktenzeichen
23 O 77/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 58958
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2022:0810.23O77.22.00

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 07.11.2022 - AZ: 9 W 87/22

Fundstelle

  • GmbHR 2023, 516-518

In dem Informationserzwingungsverfahren
...
- Antragsteller -
Prozessbevollmächtigte:
...
gegen
...
- Antragsgegnerin -
Prozessbevollmächtigte:
...
hat das Landgericht Hannover - 3. Kammer für Handelssachen - durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht ..., den Handelsrichter... und die Handelsrichterin ... am 10.08.2022 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Antrag auf Auskunftserteilung vom 20. Januar 2022 wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

  3. 3.

    Die Rechtsbeschwerde wird für zulässig erklärt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist Gesellschafter der unter HRB 217183 im Handelsregister des Amtsgerichts Osnabrück eingetragenen Antragsgegnerin mit Sitz in Salzbergen. Die Antragsgegnerin hat ihre Firma am 20. April 2022 - wie aus dem Rubrum ersichtlich - geändert. Ausweislich der am 27. Oktober 2020 zum Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste beläuft sich der Anteil des Antragstellers auf 8,36 % des Stammkapitals. Gegenstand des Unternehmens der Antragsgegnerin ist insbesondere die Beteiligung als persönlich haftende geschäftsführende Gesellschafterin an der ..., mit Sitz in Salzbergen.

Die Satzung der Antragsgegnerin enthält unter 13.1 folgende Regelung:

"Alle Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern oder zwischen der Gesellschaft und Gesellschaftern im Zusammenhang mit dieser Satzung oder über ihre Gültigkeit oder Auslegung werden - sofern gesetzlich zulässig - nach der jeweils gültigen Fassung der Schiedsgerichtsordnung (DIS-SchO) und der Ergänzenden Regeln für Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (DIS-ERGeS) der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs endgültig entschieden, soweit diese Satzung nicht etwas anderes bestimmt."

(Anlage AST 13, bzw. AG1, jeweils - wie alle weiteren Anlagen - gesondert geheftet im Anlagenband "Antragsteller", bzw. "Antragsgegnerin").

Nachdem dem Antragsteller die vorprozessual begehrten Auskünfte nicht erteilt wurden (vergleiche Anlagen AST 1 bis AST 6), begehrt der Antragsteller - wie aus dem Antrag vom 20. Januar 2022 ersichtlich - (zunächst vor dem Landgericht Osnabrück und nach Verweisung mit Beschluss vom 14. April 2022 vor dem Landgericht Hannover) von der Antragsgegnerin Auskunft, die seitens der Antragsgegnerin zum Teil erteilt wurde (Anlagen AG4 sowie AG 5 und AG 6). Der Antragsteller hat die Hauptsache daraufhin teilweise für erledigt erklärt und hält seine Anträge zu 3. und 4. aufrecht (Blatt 69 der Akten sowie Schriftsatz vom 29. Juli 2022).

Der Antragsteller ist der Auffassung, die Schiedsgerichtsklausel in 13.1 des Gesellschaftsvertrages gelte nicht für das Auskunftsrecht nach §§ 51a, 51b GmbHG. Nach dem Wortlaut der Regelung würden nur Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Satzung oder über ihre Gültigkeit oder Auslegung von der Schiedsgerichtsklausel erfasst. Die Schiedsvereinbarung hätte anderenfalls - wie in einem vom OLG Hamm am 7. März 2000 (15 W 355/99) entschiedenen Fall - dahin formuliert werden müssen, dass die umfassten Streitigkeiten "den Gesellschaftsvertrag, das Gesellschaftsverhältnis oder die Gesellschaft" beträfen. Insoweit wurzele das Auskunftsrecht in dem in der (dortigen) Klausel ausdrücklich angesprochenen Gesellschaftsverhältnis. Vor diesem Hintergrund habe die Antragsgegnerin in einem - vor der Sitzverlegung nach Salzbergen - vor dem Landgericht Münster geführten Informationserzwingungsverfahren (24 O 1038/21) die Schiedsvereinbarung nicht eingewandt, sondern Auskunft erteilt.

Die Antragsgegnerin erhebt analog § 1032 Abs. 1 ZPO die Schiedseinrede. Die Schiedsklausel erfasse auch den Antrag nach § 51b GmbHG. Schiedsklauseln seien weit auszulegen. Die der von der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. (DIS) vorgeschlagenen Musterklausel für den Gesellschaftsvertrag für Schiedsverfahren (weitgehend) entsprechende Schiedsklausel sei darauf ausgerichtet, sämtliche Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern umfassend der Schiedsvereinbarung zu unterwerfen. Eine Trennung zwischen gesellschaftsvertraglich geregelten und gesetzlichen Ansprüchen sei kaum möglich und auch nicht gewollt, weil auch im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsvertrag stehende Ansprüche der Schiedsvereinbarung unterworfen seien. Im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsvertrag stünden nicht nur Beschlussmängelklagen (vgl. LG Köln, Urteil vom 8. Februar 2012 - 91 O 97/11), sondern auch der hier in Rede stehende Auskunftsanspruch. Maßgeblich für den Umfang der Geltung der Schiedsklausel sei auch nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm (s. o.) das damit erstrebte Ziel, welches in Bezug auf die in der Satzung verankerte Musterklausel des DIS gerade auf eine umfassende Geltung der Schiedsklausel gerichtet sei. Gegenteiliges ergebe sich nicht aus der unterbliebenen Erhebung der Schiedseinrede in einem vor dem Landgericht Münster geführten Verfahren (Anlage AG3). Dort sei es (nach Erteilung der Auskunft) nur noch um die Kosten gegangen, deren Auferlegung durch das Gericht nicht habe verzögert werden sollen, während hier wegen Geheimhaltungsinteressen der Antragsgegnerin von Vorneherein Bedenken gegen die Erteilung der Auskunft bestünden.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes, insbesondere wegen der gestellten Anträge, wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist unzulässig, weshalb er in entsprechender Anwendung des § 1032 Abs. 1 ZPO auf die Erhebung der Schiedseinrede hin als unzulässig zurückzuweisen war.

4. Die Erhebung der Schiedseinrede im Verfahren nach dem FamFG führt analog § 1032 Abs. 1 ZPO zum Bestehen eines Verfahrenshindernisses (Ulrici in Münchener Kommentar zum FamFG, 3. Aufl., Vorbemerkung zu § 23, Rn. 8). Im vorliegenden Verfahren nach § 51b Satz 1 GmbHG ist gemäß § 132 Abs. 3 Satz 3, § 99 Abs. 1 AktG das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) anzuwenden. Damit liegt bei berechtigter Erhebung der Schiedseinrede ein Verfahrenshindernis vor.

5. Die objektive Schiedsfähigkeit des auf § 51a GmbHG beruhenden Auskunfts- und Einsichtsrechts des Gesellschafters ist allgemein anerkannt und wird vom Antragsteller nicht angezweifelt (vergleiche hierzu nur OLG Hamm, Beschluss vom 7. März 2002 - 15 W 355/99, juris Rn. 14 bis 19, mit weiteren Nachweisen). Die vom Bundesgerichtshof in Beschlussmängelstreitigkeiten im Recht der GmbH zur Annahme der "Schiedsfähigkeit" vorausgesetzte Einhaltung eines aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Mindeststandards an Mitwirkungsrechten und damit an Rechtsschutzgewährung für alle ihr unterworfenen Gesellschafter (BGH, Urteil vom 6. April 2009 - II ZR 255/08, juris Rn. 10), ist vorliegend dadurch gewährleistet, dass für das Schiedsverfahren auf die Schiedsgerichtsordnung (DIS-SchO) und die ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten der DIS (DIS-ERGeS) Bezug genommen wird (vergleiche zu den Einzelheiten LG Köln, Urteil vom 8. Februar 2012 - 91 O 97/11, juris Rn. 22 bis 28). Auch dies nimmt der Antragsteller nicht in Abrede.

6. Die in Nr. 13 der Satzung verankerte Schiedsklausel erfasst - entgegen der Auffassung des Antragstellers - das hier in Rede stehende Auskunftsersuchen gemäß §§ 51a, 51b GmbHG.

a) Bei der Auslegung einer Schiedsvereinbarung anhand von Wortlaut und Zweck sowie der Interessenlage der Parteien ist im Zweifel davon auszugehen, dass eine Schiedsvereinbarung, wonach alle Rechtsstreitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit einem Vertrag durch ein Schiedsgericht entschieden werden sollen, die also Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkeiten aus einem Vertrag allgemein einem Schiedsgericht zuweist, grundsätzlich weit auszulegen ist (BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018 - I ZB 17/18, juris Rn. 9 ff).

b) Nach Maßgabe dessen ergibt die Auslegung der Schiedsklausel, dass davon auch das Auskunfts- und Einsichtsrecht des Antragstellers gemäß §§ 51a, 51b GmbHG erfasst ist. Insoweit trifft es zwar zu, dass der Wortlaut der hier zu beurteilenden Schiedsvereinbarung "alle Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern oder zwischen der Gesellschaft und Gesellschaftern im Zusammenhang mit dieser Satzung oder über ihre Gültigkeit oder Auslegung" nicht vollständig derjenigen Vereinbarung entspricht, für die das Oberlandesgericht Hamm in der vorgenannten Entscheidung die Erstreckung auf das Auskunfts- und Einsichtsrecht bejaht hat, nämlich "alle Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern oder zwischen der Gesellschaft und Gesellschaftern, welche diesen Vertrag, das Gesellschaftsverhältnis oder die Gesellschaft betreffen." In der hier in Rede stehende Klausel ist das "Gesellschaftsverhältnis" also nicht explizit als Gegenstand des Schiedsverfahrens benannt. Wie das Oberlandesgericht Hamm aber ausführt, haben Streitigkeiten die mit dem durch Vertrag begründeten Gesellschaftsverhältnis im Zusammenhang stehen, ihre Wurzel im Gesellschaftsvertrag (aaO, Rn. 22). Damit stehen sie "im Zusammenhang mit dieser Satzung", werden also von der hier zu beurteilenden Schiedsklausel ebenfalls erfasst. Eine Trennung zwischen gesellschaftsvertraglich geregelten und gesetzlichen Ansprüchen ist - worauf die Antragsgegnerin zu Recht hinweist - kaum möglich, weil auch gesetzliche Ansprüche ihre Grundlage im Gesellschaftsvertrag haben, da ohne dessen Bestehen bspw. kein Auskunfts- und Einsichtsrecht nach §§ 51a, 51b GmbHG gegeben ist. Dass bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages eine umfassende Geltung der Schiedsvereinbarung für alle Ansprüche im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsvertrag gewollt war, ergibt sich aus der Heranziehung der DIS-Musterklauseln, DIS-SchO und DIS-ERGeS, wobei letztere zur Sicherstellung der "Schiedsfähigkeit" von Beschlussmängelstreitigkeiten konzipiert wurde, die bis zu den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 29. März 1996 (II ZR 124/95, Schiedsfähigkeit I) und vom 6. April 2009 (II ZR 255/08, Schiedsfähigkeit II) Zweifeln unterlag. Ziel der DIS-ERGeS ist es, die umfassende Beilegung gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten auf schiedsgerichtlichem Weg nach Maßgabe der Anforderungen in den vorgenannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu ermöglichen. Die DIS-SchO in Kombination mit den DIS-ERGeS ist ein Angebot für die umfassende Beilegung gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten auf schiedsgerichtlichem Weg (Borris: Die "Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten" der DIS ("DIS-ERGeS"), SchiedsVZ 2009, 299 - beck-online Seite 6, III. 1. a). Indem bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages die vorgenannten Klauseln (mit geringfügigen Ergänzungen) übernommen wurden, haben die Gesellschafter zum Ausdruck gebracht, dass sie damit die Beilegung aller gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten auf schiedsgerichtlichem Weg regeln wollten. Dieser Annahme steht das Procedere der Antragsgegnerin in einem vor dem Landgericht Münster geführten Verfahren nicht entgegen, weil im dortigen Verfahren - anders als hier - kein Streit über Inhalt und Umfang des Auskunftsrechts des Antragstellers bestand. Einer Heranziehung der Schiedsgerichtsklausel bedurfte es danach nicht.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 79 Abs. 1 GNotKG.

7. Auf Antrag der Antragsgegnerin war die Beschwerde gemäß § 51 b Satz 1 GmbHG in Verbindung mit § 132 Abs. 3 Satz 2, 3 AktG, § 70 Abs. 2 FamFG zuzulassen. Die grundsätzliche Bedeutung ergibt sich daraus, dass die von der DIS empfohlene Musterklausel für den Gesellschaftsvertrag für Schiedsverfahren nach den ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten 2018 bundesweit breite Verwendung findet, sodass deren Auslegung über den hier zu entscheidenden Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat.