Landgericht Hannover
Beschl. v. 15.06.2022, Az.: 11 U 78/21

Vorbringen neuer Verteidigungsmittel zur Schlechtleistung der Pflegeleistungen i.R.d. Berufungsverfahrens

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
15.06.2022
Aktenzeichen
11 U 78/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 53397
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BGH - AZ: III ZA 11/22

In dem Rechtsstreit
N. Y. W., ...,
Beklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...,
gegen
I. S. GmbH, ...,
Klägerin und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...,
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Amtsgericht ... am 15. Juni 2022 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 19. Mai 2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufungsinstanz zu tragen.

Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 17.723,87 € festgesetzt.

Gründe

I.

Von einer Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie der Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird gemäß § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO abgesehen, weil der vorliegende Beschluss unanfechtbar ist. Das einzige in Betracht kommende Rechtsmittel, die Nichtzulassungsbeschwerde, kann die Beklagte gemäß § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht in zulässiger Weise einlegen, weil von diesem Beschluss für sie keine Beschwer von mehr als 20.000 € ausgeht.

II.

Die Berufung der Beklagten ist aus den im Hinweisbeschluss des Senats vom 24. März 2022 ausgeführten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, zurückzuweisen. Die in den Schriftsätzen der Beklagten vom 9. und 11. Mai 2022 vorgetragenen Einwendungen geben keinen Anlass, in der Sache anders zu entscheiden.

1. Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf eine beigefügte Stellungnahme der Zeugin W. ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt, wird auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 24. März 2022 verwiesen. In rechtlicher Hinsicht setzt sich die Beklagte hiermit in keiner Weise auseinander, weshalb der Senat von weiteren Ausführungen absieht.

2. Über ihr bisheriges Vorbringen hinaus macht die Beklagte nunmehr erstmals geltend, Herr T. sei an im einzelnen genannten Tagen nicht oder nicht vollständig pflegerisch betreut worden.

a) Insoweit handelt es sich um neue Verteidigungsmittel i. S. d. § 531 Abs. 2 ZPO.

aa) Unerheblich ist, dass der Vortrag der Beklagten mit Schriftsatz vom 11. Mai 2022 außerhalb der gesetzten (verlängerten) Frist erfolgt ist.

Auch eine nach Fristablauf, aber vor Erlass des Zurückweisungsbeschlusses eingehende Stellungnahme ist zu berücksichtigen. Soweit die Stellungnahme Rechtsausführungen enthält, ergibt sich dies aus der vergleichenden Betrachtung zu § 296a i. V. m. § 156 ZPO. Es gilt aber auch für tatsächliches Vorbringen, da die Fristsetzung nur den Zweck hat, dem Berufungsführer einen bestimmten Zeitraum für seine Stellungnahme zu sichern. Allerdings kann der Berufungskläger die Stellungnahmefrist nicht ohne Weiteres dazu nutzen, das nachzutragen, was er bereits innerhalb der Berufungsbegründungsfrist (§ 520 Abs. 2 ZPO) oder der Replikfrist (§ 521 Abs. 2 Satz 1 ZPO) hätte vorbringen müssen. Ob solches Vorbringen zuzulassen ist, bemisst sich nach §§ 530, 531 Abs. 2 ZPO (vgl. MüKoZPO/Rimmelspacher, 6. Aufl. 2020, § 522 Rn. 28).

bb) Dies kann jedoch dahinstehen, weil das Vorbringen der Beklagten erstmals in der zweiten Instanz vorgetragen wird und daher von dem berufungsrechtlichen Novenausschluss erfasst wird. Warum ihr Vortrag gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen wäre, trägt die Beklagte nicht im Ansatz vor. Dies ist auch nicht ansonsten ersichtlich. Die nunmehr behauptete Nichterbringung pflegerischer Leistungen in den Jahren 2018 und 2019 war der Beklagten (seit langem) bekannt, so dass eine Zulassung nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO - als einzig in Betracht kommenden Zulassungsgrund - nicht erfolgen kann.

cc) Der Vortrag und Antrag auf Vernehmung der Zeugen ist zudem in der Berufungsinstanz erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erfolgt und deshalb auch nach §§ 530, 520 Abs. 2, 296 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

b) Nur ergänzend sei deshalb angeführt, dass im Übrigen - wie bereits im Hinweisbeschluss unter Ziff 4. b) cc) ausgeführt - eine Schlechtleistung nicht zur Kürzung des Vergütungsanspruchs führt. Selbst unterstellt, es wären einzelne Pflegeleistungen nicht vorgenommen worden, wäre der von der Beklagten behauptete Umfang jedenfalls nicht einer Nichtleistung gleichzustellen (vgl. hierzu Ziff. 4. a) des Hinweisbeschlusses).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 3 ZPO, §§ 48 Abs. 1, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG.