Landgericht Hannover
Urt. v. 06.10.2022, Az.: 21 O 48/22
Wettbewerbsrechtliche Irreführung i.R. der Werbung für das Produkt "X CBD-Öl 5% Hanfblütenextrakt"; Voraussetzung für die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 06.10.2022
- Aktenzeichen
- 21 O 48/22
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2022, 62739
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2022:1006.21O48.22.00
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs. 1 UWG
- § 3 Abs. 1 UWG
- § 8 Abs. 1 S. 1 UWG
- § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG
- § 3a HWG
- Art. 10 der VO Nr. 1924/2006/EG
In dem Rechtsstreit
hat das Landgericht Hannover - 1. Kammer für Handelssachen - durch ... auf die mündliche Verhandlung vom 15.09.2022 für Recht erkannt:
Tenor:
- I.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft,
oder
einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer,
zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr für das Produkt
- 1.
"X CBD-Öl 5% Hanfblütenextrakt" mit der Angabe zu werben:
- 1.1
"CBD-Öl zum ersten Mal 5%-tig. Wir hatten bisher 4 %-tiges im Angebot. Jetzt noch höher dosiert, 5 %-tig. ...Und es ist eben entzündungshemmend. Es ist schmerzstillend. Es ist entkrampfend, neuroprotektiv, anti-epileptisch, anti- psychotisch, anti-asthmatisch, angstlösend",
- 1.2
"Und wenn Sie sagen, "Ich will das haben, weil ich gut schlafen kann davon, weil ich keine Schmerztabletten mehr brauche.", es gibt tausend Ansätze, die wir heute versprechen werden",
- 1.3
"Ich hab von ?ner Schmerztherapie oder von schmerzstillend gesprochen, von entzündungshemmend, anti-, anti-an- oder angstlösend, anti-asthmatisch",
- 1.4
"Aber wir haben sie zusammengefasst in 8 Aussagen. Von CBD weiß man, dass es entzündungshemmend ist und dadurch oftmals schmerzstillend. Wir wissen, CBD ist entkrampfend auf die Muskulatur der inneren Organe, also der glatten Muskulatur, aber auch entkrampfend auf die Skelettmuskulatur. Wir haben hier CBD von innen und durch unser Balsam CBD von außen mit der Wirkung auf die Skelettmuskulatur. Wir haben bekanntermaßen die neuroprotektive Wirkung. Das heißt, der Schutz für die Nervenzellen, damit Sie eben nicht in so genannte neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer oder wie Parkinson abrutschen",
- 1.5
"Dann die bekannte, über 50 Jahre auch in der Kinder- Jugend-Epileptologie angewandte Wirkung, anti-epileptisch, wird auch heute oft in der Schulmedizin verwendet. Dann die wunderbare, ähm, wieder luftbekommende Wirkung, anti- asthmatische Wirkung, weil es die glatte Muskulatur in den Bronchien lockert und dann das, wo ich so wunderbar in der Praxis auch dankbar bin, dass ich dieses CBD habe, die angstlösende Wirkung, die anti-depressive Wirkung, die anti- psychotische Wirkung, die loslassende Wirkung",
- 1.6
"Es ist also eine schmerzlindernde und beruhigende Therapie, ..."
und/oder
"Und wenn Sie sagen, "Ich möchte das gerne haben, das Angebot des Tages.", heute erstmalig 5 % Cannabidiol enthalten und alles das für die schmerzlindernde und beruhigende Wirkung, ohne Rausch",
- 1.7
"...Simone sagt, "Viel gehört, viel gelesen, trotzdem skeptisch, gekauft, ausprobiert und nur begeistert. Jahrelang Ibuprofen, nicht so gesund, wurden ausgemustert. Dank der Zaubertropfen sind meine Knie- und Rückenschmerzen weg. Alle paar Stunden 2 Tropfen und die Schmerzen bleiben weg. Die Depressionen werden weniger. Und ich nehme CBD-Öl erst seit einer Woche",
- 1.8
"Depressive, die sagen, "Ich möchte etwas haben als Anti- Depressivum, wo ?ne natürliche Substanz, die keinen Nebenwirkungen hat, die innerhalb von 20 Minuten funktioniert.", CBD!",
- 1.9
"Am Herz hat man eine so genannte Rhythmus- stabilisierende Wirkung unter CBD gefunden. Das heißt, wenn Sie sagen, "Ich habe immer wieder Herzrhythmusstörungen. Mein Arzt hat ausgeschlossen, dass es sich um Vorhofflimmern handelt. Der hat zu mir gesagt, "Naja, viele andere haben auch Herzrhythmusstörungen. Damit müssen Sie leben.", nee! Versuchen Sie ?s mal mit CBD! Das ist die Chance, ohne Nebenwirkungen",
- 1.10
"Dann die wunderbare Wirkung, die schon oft angesprochen worden ist, auf die glatte Muskulatur Ihrer Bronchien. Und diese glatte Muskulatur relaxiert, entspannt sich und damit bekommen Asthmatiker wieder richtig Luft",
- 1.11
"Mädchen, die Regelblutungen haben, was geben Sie denen, wenn sie Schmerzen haben? Als Mutter gibt man denen Ibuprofen, Diclofenac, Napro(...?), bei Regelschmerzen. Und ich kann Ihnen nur sagen, geben Sie Ihrer Tochter oder sich selber auch, geben Sie CBD-Tropfen!",
- 1.12
"Männer wie Frauen, kann ich sagen, hier bekommen Sie wieder Kontrolle über Ihre Reizblase. Das heißt, wenn Sie ?ne unkontrollierte Blase haben, nehmen Sie CBD! Das ist ?nen Hohlorgan mit ?ner glatten Muskulatur. CBD relaxiert und Sie haben wieder Kontrolle, um wegzukommen vom unkontrollierten Harnabfluss",
- 1.13
"Dann haben wir die wunderbare, ähm, Wirkung auf die Skelettmuskulatur. Von innen die Tropfen und von außen das CBD Balsam, 5 %, zeigen wir Ihnen nachher noch ?nen Filmchen, wie das funktioniert. Dann haben wir gesehen, CBD in der Wissenschaft, gibt's viele Studien, CBD wirkt auch aufs Knochensystem. Wenn Sie sagen, "Ich habe vielleicht schon eine so genannte Osteopenie.", also die Vorstufe der Osteoporose, dann kann CBD tatsächlich die knochenabbauenden Zellen, die Osteoklasten, eindämmen und fördert die knochensystemaufbauenden Zellen, die Osteoplasten",
- 1.14
"...die wunderbare Wirkung von CBD auf Ihr Immunsystem. Wenn Sie ?ne akute Entzündung, ?ne chronische Entzündung, ne Autoimmunerkrankung haben, bis hin zur Tumorerkrankung, dann hängt das mit dem Immunsystem zusammen. Was macht CBD am Immunsystem? Es balanciert Ihr Immunsystem, so dass es hoch reaktiv ist, aber nicht in Richtung hoch reaktiv, allergisch reagiert, es balanciert Ihr Immunsystem wieder in die Mitte zurück",
- 1.15
"Wenn Sie also einen Reizdarm haben, dann haben Sie 5 bis 8 Stuhlentleerungen pro Tag. Das ist nicht normal. Wenn Sie das Gegenteil haben, Obstipation, einmal pro Woche, das ist auch nicht normal. CBD relaxiert die Muskulatur und bringt diese Stuhlfrequenz wieder in die Mitte zurück",
- 1.16
"Schlafe ich davon besser?", ja! "Hab ich meine, kann ich meine Ängste damit unter Kontrolle kriegen, meine Depressionen?", ja!",
- 1.17
"ich nehme viel weniger Schmerzmittel, viel weniger Schmerzmittel für meine Kopf-, Nacken- und Schulterbeschwerden. Ich huste viel weniger als sonst. Meine Depressionen halten sich in Grenzen. Ich will damit nicht sagen, "Schmeißt Eure Medikamente in den Müll!", das CBD- Öl ist jedoch eine superunterstützende Geschichte",
- 1.18
"Schlafe ich besser, wenn ich CBD-Öl nehme? Definitiv! Nach 20 Minuten bereits setzt die Wirkung ein. Hilf CBD-Öl bei Schmerzen? Ja. Definitiv schmerzlindernd! Darf ich es oder sollte ich es nehmen bei Arthrose? Ja, und zwar Arthrosen tun ja nicht weh. Aber es gibt reaktivierte Arthrosen und die schmerzen. Ja, CBD hilft auch bei Entzündungen und dadurch schmerzlindernd",
- 1.19
das sind die Aussagen aus diesem Papier der Weltgesundheitsorganisation. Die hat gesagt, "bei Alzheimererkrankung hilft CBD. Bei Parkinson-Erkrankung hilft CBD. Bei der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose und den Folgespastiken hilft CBD. Bei der Sonderform einer epileptischen Erkrankung, der Huntington-Erkrankung hilft CBD. Bei Zustand nach Schlaganfall, das ist der englische Ausdruck dafür, mit den Spastiken, den Halbseitenlähmungen, der Problematik, dass der Physiotherapeut nicht richtig arbeiten kann, hier hilft CBD. Bei allen Schmerzsymptomen, bei Psychosen, bei Angststörungen, bei Depressionen, ja, auch bei Krebserkrankungen", sagt die WHO, nach, "definitiv gibt es sehr gute Studien",
- 1.20
Bei entzündlichen Erkrankungen jeder Art", durch die antientzündliche Wirkung, bei der Autoimmunerkrankung "entzündlich Rheumatische Arthritis, bei Infektionen mit Entzündungen, bei entzündlichen Darmerkrankungen, Morbus Chron, Colitis ulcerosa, bei entzündlichen Gefäßerkrankungen, so genannte Schläfenarteriitis.", die zur Erblindung führen kann, wenn sie nicht behandelt wird. Und dann etwas, was ganz speziell ist, diabetische Komplikationen, hier sind die so genannten diabetischen Poli- Neuropathien gemeint. Sie wissen, Neuropathien gibt es durch Diabetes. Neuropathien gibt es, man weiß nicht, warum Diabetes ?ne Poli-Neuropathien, gibt es zum Beispiel auch im Rahmen einer Chemotherapie, wenn Pathien(?)-Produkte gegeben werden müssen. Diese so genannten Schmerzen, diese peripheren neuropathischen Schmerzen reagieren ganz schlecht auf Ibuprofen, auf Opioide und so weiter. Hier muss ich etwas anderes nehmen. Und hier hat sich tatsächlich CBD bewiesen, dass es bei neuropathischen Schmerzen wunderbar hilft",
- 1.21
"Das sind wirkliche Wundertropfen.", lese ich hier, "Ich schlage mich seit Jahren mit immer wiederkehrenden heftigen Kopfschmerzen herum, vertrage mittlerweile Medikamente nicht mehr, und versuchte, nur im absoluten Notfall etwas zu nehmen. Und dann ist die Lebensqualität stark gesunken. Ich sah die Sendung mit Dr. Dr. Miller und bestellte, weil sich alles so schlüssig anhörte. Dienstag kamen die Tropfen. Abends gleich 5 Tropfen genommen, nach ca. 30 Minuten waren die Kopfschmerzen weg und es folgte ein tiefer, entspannender Schlaf",
- 2.
"X CBD aktiv Balsam 5%" mit der Angabe zu werben:
- 2.1
"bei chronischen Muskelschmerzen" und/oder "Bei chronischen Muskelschmerzen ist ne Tiefenwirkung drin",
- 2.2
"CBD AKTIV BALSAM. 5 % ist im Intensiv Balsam. Und was steckt drin? Die geballte Kraft von Hanföl, antibakteriell, entzündungshemmend, unterstützt die Zellgenerierung", jeweils sofern dies geschieht wie in der Sendung "ABC - Gesundheitsscheck - X" vom 2. Februar 2022 zwischen 20:00 Uhr und 21.00 Uhr (Anlage K 4)
- II.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, hinsichtlich der Unterlassungsansprüche gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 € für jede der Werbeaussagen.
Tatbestand
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Zu seinen Mitgliedern gehören unter anderem der Hamburger Apothekerverein e. V., die Apothekerkammer Nordrhein, mehrere Apotheken, die Ärztekammern in Hamburg und Schleswig-Holstein, Ärzte, Kliniken sowie Hersteller und Großhändler von Arzneimitteln. Die Beklagte betreibt einen Teleshopping-Sender und vertreibt Konsumgüter aller Art, darunter auch Nahrungsergänzungsmittel.
Die Beklagte bewarb in einer am 2.2.2022 zwischen 20.00 Uhr und 21.00 Uhr ausgestrahlten Sendung das Produkt "X CBD-Öl 5% Hanfblütenextrakt" sowie das Produkt "X CBD aktiv Balsam 5%" mit den im Tenor wiedergegebenen Werbeaussagen des Moderators und des Produktpromotors; wegen der Einzelheiten der Aussagen wird auf die Niederschrift der Sendung, Anlage K 4, verwiesen.
Der Kläger meint, es handele sich bei den Werbeaussagen der Beklagten hinsichtlich des "X CBD-Öl 5% Hanfblütenextrakt" um gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des Art. 10 der VO (EG) Nr. 1924/2006. Diese Angaben seien nicht gemäß der Liste der zugelassenen Angaben für Lebensmittelgesundheitsangaben zugelassen. Zudem fehlten anerkannte wissenschaftliche Belege der Wirkung im Sinne der Werbeaussagen. Hinsichtlich des Produkt "X CBD aktiv Balsam 5%" liege ein Verstoß gegen § 3a HWG vor. Die Werbeaussagen der Beklagten seien daher wettbewerbswidrig und zu unterlassen.
Der Kläger beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, die von ihr getätigten Aussagen seien zulässig. Bei dem Produkt "X CBD-Öl 5% Hanfblütenextrakt" handele es sich um ein "botanical", dessen Wirkungen durch verschiedene Studien belegt seien. Das Produkt "X CBD aktiv Balsam 5%" sei ein Kosmetikum und daher in zulässiger Weise beworben worden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung, mit den von ihm angegriffenen Äußerungen für das Produkt "X CBD-Öl 5% Hanfblütenextrakt" zu werben, aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, 3 a UWG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Nr. 5, Art. 10 Abs. 1, Abs. 3, Art. 12 b der VO (EG) Nr. 1924/2006.
1.
Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG als rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher Interessen klagebefugt. Die geltend gemachten Zuwiderhandlungen berühren die Interessen der im Tatbestand aufgeführten Mitglieder des Klägers.
2.
Bei Art. 10 VO (EG) Nr. 1924/2006 handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG, deren Missachtung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von Mitbewerbern und Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen (BGH, Urteil vom 7.4.2016-I ZR 81/15, juris Rn. 12).
3.
a) Die Regelungen der VO (EG) Nr. 1924/2006 sind anwendbar, da es sich bei den Produkten der Beklagten um Lebensmittel, und zwar um Nahrungsergänzungsmittel gemäß Art. 2 Abs. 1 a) und b) VO (EG) Nr. 1924/2006 handelt.
b) Die vom Kläger beanstandeten Werbeaussagen der Beklagten (zu Ziffern 1.1 bis 1.21) stellen nach Art. 10 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1924/2006 verbotene bzw. nach Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 unzulässige Angaben dar.
Gemäß § 10 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1924/2006 sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II und den speziellen Anforderungen im vorliegenden Kapitel entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Artikeln 13 und 14 aufgenommen sind. Gemäß § 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 sind Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Artikel 13 oder 14 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist.
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
aa) Sämtliche angegriffene Werbeaussagen sind gesundheitsbezogene Angaben gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 VO (EG) Nr. 1924/2006. Darunter fällt jeder Aussage oder Darstellung, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Der Begriff "Zusammenhang" ist dabei weit zu verstehen. Er erfasst jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustandes dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert (BGH a.a.O. Rn. 19). Maßgebend ist, wie der normale informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher die Angabe versteht (vgl. BGH, GRUR 2014, 1013 [BGH 24.07.2014 - I ZR 221/12] - Original Bach-Blüten m. w. N.)
Die in Rede stehenden Werbeaussagen enthalten gesundheitsbezogene Angaben in diesem Sinne. Mit den Äußerungen wird suggeriert, dass durch den Verzehr des beworbenen Produkts der Gesundheitszustand des Einnehmenden verbessert wird, insbesondere indem dem Produkt entzündungshemmende, schmerzstillende, entkrampfende, neuoprotektive, anti-epileptische, anti-psychotische, anti-asthmatische und angstlösende Wirkungen zugesprochen werden.
bb) Die streitgegenständlichen Angaben sind nicht in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß Art. 13 oder 14 der VO (EG) Nr. 1924/2006 aufgenommen.
cc) Es kann offenbleiben, ob es sich bei einzelnen Werbeaussagen der Beklagten lediglich um Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden gemäß Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 handelt. Eine Abgrenzung zwischen speziellen und nicht spezifischen gesundheitsbezogenen Angaben danach, ob mit der Angabe ein unmittelbarer Wirkungszusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und einer Funktion des menschlichen Organismus hergestellt wird, dessen wissenschaftliche Absicherung in einem Zulassungsverfahren überprüft werden kann (BGH, Urteil vom 7.4.2016-I ZR 81/15, juris Rn. 24), ist hier entbehrlich. Denn die Anwendung des Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 ist nicht davon abhängig, dass die Listen nach Art. 13 oder 14 der Verordnung erstellt sind (BGH MMR 2020, 473 [BGH 19.09.2019 - I ZR 91/18] Rn. 18, Gelenknahrung III). Mithin sind insoweit auch die Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 erfüllt, da die Beklagte ihren Äußerungen keine in einer der Listen nach Artikel 13 oder 14 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt hat.
d) Die Aufnahme in die Liste der zugelassenen Angaben bzw. das Beifügen einer in einer der Listen nach Artikel 13 oder 14 enthaltenen speziellen gesundheitsbezogenen Angabe ist auch nicht im Hinblick auf die pflanzlichen Inhaltsstoffe (sog. botanicals) enthalten, gemäß Art. 28 Abs. 5 VO (EG) Nr. 1924/2006 entbehrlich.
Gemäß Art. 28 Abs. 5 VO (EG) Nr. 1924/2006 dürfen gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des Artikels 13 Absatz 1 Buchstabe a ab Inkrafttreten dieser Verordnung bis zur Annahme der in Artikel 13 Absatz 3 genannten Liste unter der Verantwortung von Lebensmittelunternehmern verwendet werden, sofern die Angaben dieser Verordnung und den einschlägigen einzelstaatlichen Vorschriften entsprechen.
Es kann offenbleiben, ob in Bezug auf botanicals Art. 28 Abs. 5 VO (EG) Nr. 1924/2006 bei gesundheitsbezogenen Angaben nach Art. 10 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1924/2006 voraussetzt, dass Anträge auf Aufnahme der in Rede stehenden gesundheitsbezogenen Angaben in die Liste gemäß Art. 13 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 gestellt und noch nicht beschieden wurden (vgl. EuGH Urt. v. 10.9.2020 - C-363/19, GRUR-RS 2020, 22260 Rn. 40) oder ob bei gesundheitsbezogenen Angaben nach Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 eine spezielle gesundheitsbezogene Angabe beizufügen ist, die nach Mitteilung der Kommission "on hold" gehalten wird (vgl. OLG Celle, Hinweisbeschluss v. 26.10.2020 - 13 U 44/20, GRUR-RS 2020, 42108 Rn. 36, 42).
Denn in beiden Konstellationen ist ein wissenschaftlicher Nachweis gemäß Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1924/2006 erforderlich, an dem es hier fehlt.
Nach Art. 10 Abs. 1, Art. 5 Absatz 1a VO (EG) Nr. 1924/2006 setzt die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben voraus, dass anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweise nachgewiesen ist, dass das Vorhandensein, das Fehlen oder der verminderte Gehalt des Nährstoffs oder der anderen Substanz, auf die sich die Angabe bezieht, in einem Lebensmittel oder einer Kategorie von Lebensmitteln eine positive ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung hat und dass diese Stoffe in den Produkten der Beklagten jeweils in relevanter Menge (Art. 5 Abs. 1 b VO (EG) Nr. 1924/2006 ) und bioverfügbarer Form (Art. 5 Abs. 1 c VO (EG) Nr. 1924/2006 ) enthalten sind und bei einem vernünftigerweise zu erwartenden Verzehr die von der Beklagten behauptete Wirkung zu erzielen vermögen (Art. 5 Abs. 1 d VO (EG) Nr. 1924/2006 ) (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 18. Juli 2018-13 U 35/18, juris Rn. 27). Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und 2, Art. 10 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel in der durch die Verordnung (EG) Nr. 107/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass die Verordnung im Rahmen der Übergangsregelung gemäß ihrem Art. 28 Abs. 5 für gesundheitsbezogene Angaben im Sinne ihres Art. 13 Abs. 1 Buchst. a die Beweislast und das Beweismaß regelt. Der betreffende Lebensmittelunternehmer muss in der Lage sein, die Angaben, die er verwendet, durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise zu begründen. Die Angaben müssen eine objektive Grundlage haben, über die Einigkeit in der Wissenschaft besteht (EuGH Urt. v. 10.9.2020 - C-363/19, GRUR-RS 2020, 22260 Rn. 63, beck-online). Danach genügen das Glauben an eine bestimmte Wirkung, Volksweisheiten, aber auch Beobachtungen oder Experimente von Personen, die keine Wissenschaftler sind, nicht als Nachweis. Die gesundheitsbezogenen Angaben müssen vielmehr eine objektive, wissenschaftliche Grundlage haben und über die positive Wirkung der Stoffe, auf die sie sich beziehen, muss ausreichende Einigkeit in der Wissenschaft bestehen (EuGH Urt. v. 10.9.2020 - C-363/19, GRUR-RS 2020, 22260 Rn. 46, 47, beck-online). Der Lebensmittelunternehmer muss in der Lage sein, diese Wirkungen nachzuweisen. Er trägt insoweit die Beweislast (EuGH Urt. v. 10.9.2020 - C-363/19, GRUR-RS 2020, 22260 Rn. 52, beck-online).
An einem solchen wissenschaftlichen Nachweis zum Zeitpunkt der in der Fernsehsendung getätigten Äußerungen fehlt es hier. Die vorgelegten Unterlagen erfüllen bei Weitem nicht die an sie nach dem Vorstehenden zu stellenden Anforderungen.
Schließlich entfällt auch nicht die erforderliche Wiederholungsgefahr aufgrund des Umstands, dass das Produkt aktuell als "Bio-Mundöl" vertrieben wird. Hierfür wäre vielmehr die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung erforderlich, woran es hier fehlt.
II.
Dem Kläger stehen auch die hinsichtlich des Produkts "X CBD aktiv Balsam 5%" geltend gemachten Unterlassungsansprüche nach §§ 8, 3, 3a UWG in Verbindung mit § 3a HWG, § 21 AMG zu.
Gemäß § 3 a HWG ist eine Werbung für Arzneimittel unzulässig, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten.
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
Das Produkt unterliegt der Pflicht zur Zulassung, ohne das eine solche nach § 21 AMG besteht.
Bei dem Produkt "X CBD aktiv Balsam 5%" handelt es sich um ein (Präsentations-)Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG.
Nach dieser Regelung sind (Präsentations-)Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind.
Präsentationsarzneimittel sind von der Zweckbestimmung abhängig, nicht von ihrer Eignung. Nr.?1 knüpft daran an, dass Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu bestimmten Zwecken bestimmt werden (vgl. die englische Fassung von Art.?1 Nr.?2 lit.?a RL 2001/83/EG: "presented as having properties ..."). Aus Gründen der Arzneimittelsicherheit und des Verbraucherschutzes werden Präparate nach Nummer 1 unabhängig von der tatsächlichen Wirkung bereits dann als Arzneimittel eingestuft, wenn ihnen bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden. Präparate, die die entsprechende Wirkung nachweislich besitzen, werden von Nummer 2 erfasst. Ob ein Produkt "als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt" ist, richtet sich nicht nur nach der vom Hersteller subjektiv durch Bezeichnung, Etikettierung, Verpackung, Beipackzettel, Werbung und sonstige Aufmachung getroffenen Zweckbestimmung, sondern vielmehr objektiviert danach, wie sich die Zweckbestimmung für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstellt. Denn dem Begriff der Zweckbestimmung wohnt neben der subjektiven Komponente der der objektive Zweck inne, der anhand objektiver Kriterien zu ermitteln ist; in diesem Kontext kann die Dosis maßgeblich sein. Die Wahrnehmung jener Zweckbestimmung ist maßgeblich auch werblich geprägt. Subjektive Vorstellungen des Herstellers können sich also auf die Zweckbestimmung auswirken, letztlich ist diese vom Standpunkt eines objektiven Betrachters aus zu würdigen. Es kommt darauf an, ob Verbraucherkreise bei einer Gesamtschau aller Umstände von einem "Mittel" mit entsprechenden "Eigenschaften" ausgehen oder nicht (Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, AMG § 2 Rn. 2-4, beck-online).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn das Produkt wird mit einer überwiegend krankheitsbezogenen Wirkung von der Beklagten ausgelobt. Im Kern wird es mit der Aussage angepriesen, dass das Mittel eine entzündungshemmende, krampflösende und schmerzlindernde Wirkung habe. All dies ist nach dem Inhalt der Produktpräsentation der Fall, weil diese einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher bei der gebotenen Gesamtbetrachtung schlüssig, aber mit Gewissheit den Eindruck vermittelt, dass das Produkt wie ein Arzneimittel zu Heilung oder Linderung von Krankheiten, wie zum Beispiel Entzündungen oder Muskelschmerzen bestimmt ist. Die Sendung dreht sich maßgeblich um die vorgenannten Erkrankungen und preist das Produkt 2 damit an, dass dadurch der vorgenannte Zustand behoben oder zumindest gelindert werden könne. Die Auffassung der Beklagten, dass das Hauptgewicht bei der Präsentation auf eine manuelle Reflextherapie zur Entspannung und Muskellösung liege, die die Förderung der Selbstheilungskräfte des Körpers bewirke, teilt die Kammer, deren Mitglieder zum angesprochenen Verbraucherkreis gehören, nach dem Inhalt der Anlage nicht.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.