Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 25.03.2022, Az.: 1 LA 89/21

Ablehnung wegen Unvollständigkeit; Bauantrag; Behördenentscheidung, letzte; entscheidungserheblicher Zeitpunkt; Geruchsgutachten; Tierhaltungsanlage; Verbesserungsgenehmigung; Zeitpunkt, entscheidungserheblicher

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
25.03.2022
Aktenzeichen
1 LA 89/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59852
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 19.04.2021 - AZ: 2 A 74/19

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der Anwendungsbereich des § 69 Abs. 2 Satz 2 NBauO wird nicht bereits dann verlassen, wenn die Behörde die vorgelegten Bauunterlagen inhaltlich auf Vollständigkeit überprüft und den Bauherrn bei festgestellten Mängeln zur Nachbesserung auffordert.

2. Entscheidungserheblicher Zeitpunkt bei einer Klage gegen die Ablehnung der weiteren Bearbeitung eines Bauantrags gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 NBauO ist derjenige der letzten Behördenentscheidung.

3. Der Umfang der notwendigen Ermittlungen eines Geruchsgutachtens richtet sich danach, was für die Beurteilung der Zulässigkeit des konkreten Vorhabens erforderlich ist.

4. Steht eine baurechtliche Verbesserungsgenehmigung (siehe hierzu BVerwG, Urt. v. 27.6.2017 - 4 C 3.16 -, BVerwGE 159, 187) im Raum, so lässt sich die Zulässigkeit des geplanten Vorhabens bereits durch einen Vergleich der durch das genehmigte (Bestands-)Vorhaben verursachten Belastung mit der von dem geplanten Vorhaben verursachten (Zusatz-)Belastung beurteilen. Ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Gesundheitsgefahr bedarf es nicht auch einer Ermittlung der bestehenden Gesamtbelastung.


Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 2. Kammer (Einzelrichter) - vom 19. April 2021 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Instanzen auf jeweils 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid, mit welchem der Beklagte seinen Bauantrag wegen Vorlage unzureichender Genehmigungsunterlagen abgelehnt hat.

Der Kläger ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Tierhaltungsbetriebs im Gebiet der Beigeladenen. Seine aus vier Betriebseinheiten bestehende Hofstelle befindet sich auf dem Flurstück E., Flur F., Gemarkung G. (postalische Anschrift: A-Straße, H.). In näherer Umgebung befinden sich weitere Tierhaltungsanlagen.

Unter dem 27. November 2014 beantragte der Kläger die Erteilung einer Baugenehmigung u.a. für eine Grundrissänderung sowie Nutzungsänderung des Ferkelabteils zu Schweinemastställen. Dem Antrag beigefügt war eine geruchstechnische Stellungnahme der I. mbH vom 14. November 2014, die u.a. zu dem Ergebnis kam, dass an mehreren Immissionsorten die maßgeblichen Immissionswerte überschritten seien. Für diese Immissionsorte seien indes Minderungsfaktoren ermittelt worden. Die Ergebnisse zeigten, dass die durch den geplanten Betrieb hervorgerufene Zusatzbelastung reduziert werde.

Der Beklagte forderte den Kläger in der Folge mehrfach auf, ein nachvollziehbares Geruchsgutachten entsprechend den Vorgaben der VDI-Richtlinie 3783 Blatt 13 einzureichen. In einer dem Kläger im April 2016 übersandten Stellungnahme der Abteilung für Immissionsschutz des Beklagten vom 31. März 2016 wurde die Nachforderung dahingehend konkretisiert, dass Aussagen bzgl. einer speziellen Prüfung der Randbedingungen des Einzelfalles nach Ziffer 5 Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL), die Berechnung und Darstellung der 2%-Geruchsstundenisoplethe, eine Darstellung des Beurteilungsgebiets nach Ziffer 4.4.2 GIRL und eine Berechnung der Gesamt- und Zusatzbelastung gemäß Ziffer 4.2 GIRL erforderlich seien. Weiter heißt es darin, dass hinsichtlich dieser Punkte die Datengrundlagen (Rauigkeit, meteorologische Daten etc.) aufzuführen und zu begründen seien; die jeweiligen Eingabeprotokolle seien beizulegen.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 28. Oktober 2015 zwar angekündigt, ein Geruchsgutachten gemäß VDI 3783 Blatt 13 nachzureichen, kam dieser Aufforderung aber nicht nach. Nach Anhörung des Klägers lehnte der Beklagte sodann den Bauantrag mit Bescheid vom 31. Juli 2017 gemäß § 69 Abs. 2 NBauO ab und führte im Wesentlichen aus, eine ordnungsgemäße Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzungen sei aufgrund unvollständiger Antragsunterlagen nicht möglich. Nach Zurückweisung seines hiergegen erhobenen Widerspruchs hat der Kläger Klage gerichtet auf Neubescheidung erhoben.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 19. April 2021 abgewiesen und unter anderem ausgeführt, es handele sich um ein „steckengebliebenes“ Genehmigungsverfahren, in dessen Rahmen sich das Gericht auf die Prüfung beschränken dürfe, ob die von der Behörde herangezogenen Versagungsgründe die Ablehnung des Antrags trügen bzw. ob die Genehmigung aus anderen Gründen erkennbar zu versagen sei. Das Gericht lasse offen, ob der Beklagte seine Ablehnung zu Recht auf § 69 Abs. 2 NBauO habe stützen können oder ob durch Stellen inhaltlicher Anforderungen an die geruchstechnische Stellungnahme bereits das Stadium reinen „Abhakens“ der Unterlagen verlassen und in eine materielle Prüfung eingestiegen worden sei. Werde diese Konstellation als noch von § 69 Abs. 2 NBauO getragen angesehen, bestünden keine Bedenken an der rechtmäßigen Versagung, da der Kläger die geruchstechnische Stellungnahme trotz mehrfacher Aufforderungen nicht ergänzt habe. Sei der Anwendungsbereich des § 69 Abs. 2 NBauO verlassen, werde die Ablehnung jedenfalls von § 70 Abs. 1 NBauO getragen, denn es sei nicht hinreichend nachgewiesen worden, dass das Vorhaben keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorrufe. Die geruchstechnische Stellungnahme komme zwar zu dem Ergebnis, dass durch das Vorhaben eine Reduzierung der Gesamtbelastung gegenüber der Vorbelastung zu erwarten sei; dies sei grundsätzlich im Rahmen einer Verbesserungsgenehmigung ausreichend. Jedoch sei dieses Ergebnis nicht hinreichend plausibel belegt und genüge allgemeinen Gutachtenstandards nicht. Auch wenn es für die Darlegung einer Verbesserungsgenehmigung der Nachforderungen durch den Beklagten überwiegend nicht bedurft habe, sei die geruchstechnische Stellungnahme zur plausiblen Darlegung ihres Ergebnisses schon deshalb nicht geeignet, weil die Eingabeprotokolle nicht beigefügt seien. Ohne Vorlage dieser Protokolle sei das Berechnungsergebnis weder im Hinblick auf die zugrunde gelegten (eigenen) Emissionsquellen noch bezüglich der berücksichtigten Immissionspunkte noch hinsichtlich der eingestellten Umgebungsbedingungen überprüfbar.

II.

Der auf § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 3 und 5 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Maßgebend für die Prüfung des Senats sind allein die innerhalb der Begründungsfrist dargelegten Gründe (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Diese rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.

1.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind dann dargelegt, wenn es dem Rechtsmittelführer gelingt, wenigstens einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des verwal-tungsgerichtlichen Urteils mit plausiblen Gegenargumenten derart in Frage zu stellen, dass sich hierdurch am Entscheidungsergebnis etwas ändern könnte. Ist bereits auf der Grundlage des bisherigen Vorbringens der Beteiligten ohne weiteres erkennbar, dass die Entscheidung aus anderen Gründen richtig ist, die nicht ihrerseits „zulassungsträchtig“ sind, kommt eine Zulassung nicht in Betracht (vgl. Senatsbeschl. v. 10.5.2019 - 1 LA 124/18 -, n.v.; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, 542 = DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 124 Rn. 7a). Letzteres ist hier der Fall.

Die vom Verwaltungsgericht offengelassene Frage, ob der vorliegende Fall vom Anwendungsbereich des § 69 Abs. 2 Satz 2 NBauO erfasst ist, lässt sich klar bejahen, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.

§ 69 Abs. 2 NBauO (in der hier anwendbaren, bis zum 31.12.2021 geltenden Fassung; die Vorschrift wurde durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung der Niedersächsischen Bauordnung und des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes vom 10.11.2021, NdsGVBl. Nr. 43/2021, S. 732, grundlegend geändert) regelt das Verfahren bei unvollständigen oder sonst mangelhaften Bauvorlagen. Sind der Bauantrag oder die Bauvorlagen unvollständig oder weisen sie sonstige erhebliche Mängel auf, so fordert die Bauaufsichtsbehörde die Bauherrin oder den Bauherrn nach § 69 Abs. 2 Satz 1 NBauO zur Behebung der Mängel innerhalb einer angemessenen Frist auf. Werden die Mängel innerhalb der Frist nicht behoben, so soll die Bauaufsichtsbehörde die Bearbeitung des Bauantrages unter Angabe der Gründe ablehnen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 NBauO). Die Befugnis der Bauaufsichtsbehörde, die Bearbeitung von Bauanträgen beim Vorliegen erheblicher Mängel abzulehnen, betont die Eigenverantwortung von Bauherrin oder Bauherr (vgl. bereits die damalige Gesetzesbegründung LT-Drs. 16/3195, S. 103). In Abgrenzung zu einer Versagung der Baugenehmigung wegen fehlender Genehmigungsfähigkeit liegt eine Ablehnung der weiteren Bearbeitung des Bauantrags nach § 69 Abs. 2 Satz 2 NBauO vor, wenn im Ergebnis eine materielle Prüfung des Vorhabens durch die Bauaufsichtsbehörde aufgrund der festgestellten Mängel schon nicht hinreichend möglich ist (vgl. zur Vorgängerregelung des § 73 Abs. 2 NBauO a.F. bereits Senatsbeschl. v. 21.12.2011 - 1 LA 257/09 -, NdsVBl 2012, 194 = juris Rn. 19; vgl. auch Fontana, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 69 Rn. 10).

Unvollständig sind die Bauvorlagen, wenn nicht alle für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit erforderlichen Unterlagen eingereicht worden sind (vgl. dazu die näheren Anforderungen der BauVorlVO). Sonstige erhebliche Mängel können sich aus formellen Gründen und widersprüchlichen oder unklaren Angaben ergeben. Ein wesentlicher Mangel ist auch die inhaltliche Unvollständigkeit der Bauvorlagen. Auch wenn die Prüfung der inhaltlichen Vollständigkeit bei komplexeren Vorhaben, insbesondere solchen, die - wie hier - erst nach Einholung gutachterlicher Stellungnahmen zum konkreten Immissionsverhalten beurteilt werden können (zur Aufforderung an den Bauherrn, immissionsrechtliche Gutachten vorzulegen, vgl. u.a. Senatsbeschl. v. 9.8.2011 - 1 ME 107/11 -, juris Rn. 32, noch zur Vorgängerregelung in § 71 Abs. 2 NBauO a.F., heute § 67 NBauO; vgl. auch Senatsbeschl. v. 2.4.2012 - 1 OA 48/12 -, BRS 79 Nr. 191 = BauR 2012, 1097 = juris Rn. 9; Fricke, in: Spannowsky/Otto, BeckOK, Bauordnungsrecht Niedersachsen, 21. Ed. Stand 1.12.2021, § 67 Rn. 19), umfangreicher ausfallen kann, als dies bei „Durchschnitts“-Bauvorhaben regelmäßig der Fall ist, so verlässt die Bauaufsichtsbehörde den Anwendungsbereich des § 69 Abs. 2 NBauO nicht, wenn sie die vorgelegten Bauunterlagen, beispielsweise ein notwendiges Geruchsgutachten, ihrerseits auf inhaltliche Vollständigkeit prüft, den Bauherrn bei Unvollständigkeit zur Nachbesserung auffordert und die weitere Bearbeitung des Bauantrags nach fruchtlosem Verstreichenlassen der eingeräumten Nachbesserungsfrist ablehnt. Der Anwendungsbereich des § 69 Abs. 2 NBauO ist erst verlassen, wenn die Bauaufsichtsbehörde die Zulässigkeit des Vorhabens prüft und die Genehmigung (auch) mit materiell-rechtlichen Erwägungen versagt (vgl. bereits Senatsbeschl. v. 21.12.2011 - 1 LA 257/09 -, NdsVBl 2012, 194 = juris Rn. 19 f.). So lag es hier aber nicht.

Voranzustellen ist zunächst, dass der Beklagte trotz der missverständlichen Wortwahl in dem angefochtenen Bescheid vom 31. Juli 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2019 allein eine Entscheidung nach § 69 Abs. 2 Satz 2 NBauO getroffen hat. Dass laut Tenor des Bescheides der Bauantrag und nicht lediglich seine weitere Bearbeitung abgelehnt wurde, schadet insoweit nicht, zumal im Tenor die Regelung des § 69 Abs. 2 NBauO zitiert wurde. Auch wenn im Anwendungsbereich des § 69 Abs. 2 Satz 2 NBauO nur die Ablehnung der weiteren Bearbeitung möglich ist, ergibt sich aus der im Tenor zitierten Vorschrift sowie der Begründung des Bescheides, dass der Beklagte allein eine weitere Bearbeitung des Bauantrags wegen Unvollständigkeit der Unterlagen und nicht (auch) den Bauantrag inhaltlich wegen Fehlens materieller Genehmigungsvoraussetzungen abgelehnt hat. Die einleitenden Worte in der Begründung des Bescheides mögen zwar missverständlich sein, wenn es darin heißt, der Beklagte lehne den Antrag ab, da der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung gemäß § 70 Abs. 1 NBauO habe. Im Weiteren stellt der Beklagte aber allein auf die Unvollständigkeit der Unterlagen ab und führt aus, eine ordnungsgemäße Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzungen sei nicht möglich gewesen, weshalb das Antragsverfahren nicht abschließend entschieden werden könne und der Antrag nach § 69 Abs. 2 NBauO abzulehnen gewesen sei.

Diese Ablehnung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die angegriffenen Bescheide sind nicht von materiell-rechtlichen Erwägungen getragen; der Beklagte ist in eine inhaltliche Prüfung der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens nicht eingestiegen. Er hat sich vielmehr darauf zurückgezogen, eine inhaltliche Prüfung auf Grundlage der vorgelegten geruchstechnischen Stellungnahme der I. mbH vom 14. November 2014 nicht vornehmen zu können, da diese ihrerseits unvollständig sei. Dabei ist der Beklagte nicht in eine intensive Prüfung der Genehmigungsfähigkeit eingestiegen. Die Mangelhaftigkeit/Unvollständigkeit der geruchstechnischen Stellungnahme ergab sich vielmehr - ohne vertiefte inhaltliche Untersuchung - anhand der von ihm mehrfach zitierten Vorgaben der VDI 3783 Blatt 13 (dort insbesondere aus einem Abgleich der vorgelegten geruchstechnischen Stellungnahme mit der im Anhang B (S. 43 - 46) der VDI 3783 Blatt 13 aufgeführten „Liste zur Überprüfung der Vollständigkeit, Nachvollziehbarkeit und Plausibilität einer Immissionsprognose“). Diese Einschätzung teilt der Senat.

Welche inhaltlichen (Vollständigkeits-)Anforderungen ein Geruchsgutachten erfüllen muss, lässt sich nicht allgemeingültig beantworten. Zu fordern ist in jedem Falle aber, dass das Gutachten in sich schlüssig und nachvollziehbar sein muss (vgl. u.a. auch Ziffer 4 der VDI 3783 Blatt 13). Aus diesem Grund muss jedes Gutachten die jeweiligen Eingabeparameter mitteilen, denn nur so ist das Gutachten überhaupt überprüfbar. Ferner muss ein Geruchsgutachten Angaben zum Beurteilungsgebiet mitsamt Darstellung der Immissionspunkte sowie Darlegung der jeweiligen Datengrundlagen (u.a. meteorologische Daten für die Ausbreitungsrechnung, Rauigkeit) enthalten, um das Ergebnis nachvollziehbar zu machen. Dagegen hängt der Umfang der konkret erforderlichen Ermittlungen von der jeweiligen materiellen Situation ab. Stellt der Bauherr beispielsweise ein Vorhaben zur Prüfung, bei welchem es zur Beurteilung seiner Zulässigkeit auf die Einhaltung der nach der GIRL maßgeblichen Immissionswerte ankommt, so muss sich das Gutachten auch genau hierzu verhalten. Zur Ermittlung der zu erwartenden Geruchshäufigkeit bedarf es danach regelmäßig einer „auf der sicheren Seite“ liegenden Prognose, bei der aus der vorhandenen Belastung und der Zusatzbelastung im Wege einer Ausbreitungsrechnung die voraussichtliche Gesamtbelastung ermittelt wird. Diese ist sodann an dem nach der GIRL maßgeblichen Immissionswert zu messen (Nr. 4.6 GIRL; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 19.4.2012 - 4 CN 3.11 -, BVerwGE 143, 24 = BauR 2012, 1351 = juris Rn. 16). Anders ist dies hingegen, wenn der Bauherr von vornherein ein Vorhaben zur Prüfung stellt, das nach seinen Angaben im Bauantrag keine Verschlechterung der Immissionssituation verursacht. Zu einer derartigen baurechtlichen „Verbesserungsgenehmigung“ hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass ein weiteres emittierendes Vorhaben auch in einem erheblich vorbelasteten Gebiet zugelassen werden kann, wenn hierdurch die vorhandene Immissionssituation verbessert oder aber zumindest nicht verschlechtert wird, sofern die Vorbelastung die Grenze zur Gesundheitsgefahr noch nicht überschritten hat (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und das - immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige - Vorhaben den Anforderungen des § 22 Abs. 1 BImSchG genügt (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.6.2017 - 4 C 3.16 -, BVerwGE 159, 187 = BauR 2017, 1978 = juris Rn. 13 m.w.N.). Dem hat sich der Senat bereits mehrfach angeschlossen (vgl. u.a. Senatsurt. v. 11.2.2020 - 1 LC 63/18 -, BRS 88 Nr. 154 = BauR 2020, 1764 = juris Rn. 35; v. 30.6.2021 - 1 LC 120/17 -, BauR 2022, 56 = juris Rn. 42; v. 10.2.2022 - 1 LB 20/19 -, juris Rn. 42). Da es im Rahmen einer baurechtlichen „Verbesserungsgenehmigung“ mithin nicht darauf ankommt, ob das konkrete Vorhaben die Immissionsrichtwerte der GIRL einhält, bedarf es keiner gutachterlichen Ermittlungen hierzu. Steht eine „Verbesserungsgenehmigung“ im Raum, so lässt sich die Zulässigkeit des geplanten Vorhabens in aller Regel bereits durch einen Vergleich der durch das genehmigte (Bestands-)Vorhaben verursachten Belastung mit der von dem geplanten Vorhaben verursachten (Zusatz-)Belastung beurteilen, denn bereits dieser Vergleich genügt für die Prüfung, ob die vorhandene Immissionssituation verbessert oder aber zumindest nicht verschlechtert wird. Die Ermittlung und Darstellung der gesamten Vorbelastung, einschließlich aller zu berücksichtigenden betriebsfremden Emissionsquellen im näheren Umfeld, ist dagegen - hierauf hat bereits das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen - nur dann erforderlich, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Grenze der Gesundheitsgefahr erreicht ist. Liegen derartige Anhaltspunkte - wie hier - nicht vor, so ist ein zur Erlangung einer „Verbesserungsgenehmigung“ vorgelegtes Gutachten demnach nicht unvollständig, wenn es keine Gesamtbetrachtung angestellt hat.

Die geruchstechnische Stellungnahme der I. mbH vom 14. November 2014 genügte den vorgenannten Anforderungen nicht. Auch wenn der Beklagte mit seinen Nachforderungen in Bezug auf Aussagen zur Beurteilung im Einzelfall nach Ziffer 5 GIRL sowie der Gesamtbelastung über das Erforderliche hinausgeschossen sein dürfte, da diese Angaben für die Beurteilung des konkreten Vorhabens nicht erforderlich sind, teilt der Senat die Einschätzung des Beklagten, dass eine Bearbeitung des Bauantrags auf Grundlage der vorgelegten geruchstechnischen Stellungnahme wegen inhaltlicher Unvollständigkeit nicht möglich war. Es fehlen zum einen konkrete Ermittlungen zur Zusatzbelastung durch das geplante Vorhaben. Die Stellungnahme erschöpft sich allein in der Aussage, dass Minderungsfaktoren ermittelt worden seien. Ebenso fehlen Datengrundlagen, insbesondere meteorologische Daten und Angaben zur Rauigkeit. Zum anderen wurden keine Eingabeprotokolle beigefügt, weshalb die Rechenergebnisse insgesamt nicht nachvollziehbar sind.

Aufgrund der Unvollständigkeit der geruchstechnischen Stellungnahme konnte die Ablehnung der weiteren Bearbeitung des Bauantrags auf § 69 Abs. 2 Satz 2 NBauO gestützt werden. Weitergehender Ermessenserwägungen durch den Beklagten bedurfte es nicht, denn das durch die „Soll“-Vorschrift eingeräumte Ermessen ist intendiert (vgl. auch Hermanns, in: Spannowsky/Otto, BeckOK, Bauordnungsrecht Niedersachsen, 21. Ed. Stand 1.9.2021, § 69 Rn. 9; Fontana, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 69 Rn. 9).

Der während des Zulassungsverfahrens vom Kläger vorgelegte immissionsschutztechnische Bericht der J. GmbH vom 17. Juni 2021 ändert an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung nichts. Im Anwendungsbereich des § 69 Abs. 2 Satz 2 NBauO kommt es unabhängig von der statthaften Klageart - wobei vieles für eine insolierte Anfechtungssituation spricht (so bereits angedeutet in Senatsbeschl. v. 21.12.2011 - 1 LA 257/09 -, NdsVBl 2012, 194 = juris Rn. 17) - allein auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an. Denn die Entscheidung der Behörde, die Bearbeitung des Bauantrags aufgrund Unvollständigkeit oder aber Mangelhaftigkeit der Bauunterlagen abzulehnen, kann durch Nachbesserungen im Rechtsmittelverfahren nicht rechtswidrig werden. Aus diesem Grund muss ein Bauherr, der nunmehr „nachbessern“ will, einen neuen Bauantrag stellen, dem er dann die neuen, nachgebesserten Unterlagen beifügen sollte.

Ob es dem Kläger gelungen ist, die Annahme des Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen, der Bescheid vom 31. Juli 2017 könne auch auf § 70 NBauO gestützt werden, da die Genehmigungsvoraussetzungen mangels Plausibilität der geruchstechnischen Stellungnahme nicht gegeben seien, kann dahinstehen. Denn auf das Entscheidungsergebnis könnte sich dies nicht auswirken.

2.

Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen weist die Rechtssache keine tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Die entscheidungstragende Frage der Anwendbarkeit des § 69 Abs. 2 Satz 2 NBauO lässt sich aus dem Gesetz beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.

3.

Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Denn auf die von dem Kläger als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage, ob im Falle einer baurechtlichen „Verbesserungsgenehmigung“ primärseitige Emissionsminderungsmaßnahmen technischer Art durchzuführen sind (z. B. durch Einbau einer Abluftreinigungsanlage), oder ob die Verbesserung der Immissionssituation auch unabhängig davon durch betriebsorganisatorische Maßnahmen erreicht werden kann, kommt es nach den obigen Ausführungen nicht entscheidungstragend an.

4.

Die Berufung ist schließlich nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, auf dem die Entscheidung beruhen kann, zuzulassen.

Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt weiter ermitteln und ihn auffordern müssen, die Eingabeprotokolle vorzulegen; für ihn sei nicht erkennbar gewesen, dass das Gericht am objektiven Beweiswert der geruchstechnischen Stellungnahme vom 14. November 2014 zweifle. Hiermit werden Verfahrensfehler nicht aufgezeigt. Diese Gesichtspunkte haben erkennbar den eigentlichen Streitstoff des Verwaltungs- und erstinstanzlichen Verfahrens gebildet. Dass die Eingabeprotokolle aus Sicht des Beklagten notwendig waren, um über den Bauantrag entscheiden zu können, war dem Kläger spätestens seit der Übermittlung der Stellungnahme des Fachbereichs für Immissionsschutz Anfang April 2016 mitsamt entsprechender Nachbesserungsaufforderung durch den Beklagten bekannt.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, da sie sich nicht am Verfahren beteiligt hat.

Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Nach § 52 Abs. 1 GKG ist im Verwaltungsprozess maßgeblich für die Streitwertfestsetzung die sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebende Bedeutung der Sache. Im Klageverfahren gegen die Ablehnung der weiteren Bearbeitung eines Bauantrags nach § 69 Abs. 2 Satz 2 NBauO wegen fehlender Bauvorlagen richtet sich der Streitwert grundsätzlich nach den Kosten für die Erstellung dieser Bauvorlagen (Senatsbeschl. v. 20.4.2020 - 1 OA 32/20 -, BRS 88 Nr. 197 = BauR 2020, 1171 = juris Rn. 3). Der Senat erachtet vorliegend einen Wert von 5.000 EUR als überschlägig anzusetzende Kosten für die Beibringung bzw. Nachbesserung des von dem Beklagten geforderten Geruchsimmissionsgutachtens als angemessen. Der Senat macht von seiner ihm in § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG eingeräumten Befugnis Gebrauch, die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung von Amts wegen entsprechend abzuändern.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).