Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.03.2022, Az.: 1 LA 70/21
Abweichende Bauausführung; aliud; Ungefragte Fehlersuche; Verlängerung Geltungsdauer Baugenehmigung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 03.03.2022
- Aktenzeichen
- 1 LA 70/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 59818
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 05.03.2021 - AZ: 2 A 137/18
Rechtsgrundlagen
- § 35 BauGB
- § 71 BauO ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der konkrete Standort und die Ausrichtung eines nicht privilegierten Vorhabens im Außenbereich haben gerade mit Blick auf die öffentlichen Belange einer unerwünschten Zersiedlung und der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes besondere Relevanz. Daher führen Änderungen des genehmigten Standorts regelmäßig dazu, dass eine Identität zwischen dem genehmigten und dem verwirklichten Vorhaben nicht gegeben ist.
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 2. Kammer (Einzelrichter) - vom 5. März 2021 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 36.250 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen um die Gültigkeit bzw. Verlängerung einer von dem Beklagten erteilten Baugenehmigung.
Der Kläger erwarb im Jahr 1980 ein Grundstück, das unmittelbar an der Einmündung der Achmer Straße (K165) zur Osnabrücker Straße (B68) lag; sein Sohn hat hierauf Landwirtschaft im Nebengewerbe betrieben. Die Beigeladene beabsichtigte dieses Grundstück zur Verwirklichung von Ausbauplänen der B68 zu erwerben. Da der Kläger zur Veräußerung nur bereit war, wenn er an anderer Stelle in ähnlicher Weise Landwirtschaft im Nebengewerbe betreiben könne, bot die Beigeladene ihm hierfür den Erwerb des Außenbereichsgrundstücks (Gemarkung F., Flur 8, Flurstück 11/7; im Folgenden: Vorhabengrundstück) an. Im April 2005 erteilte die Beigeladene das Einvernehmen zum Neubau eines Ersatzgebäudes mit Nebengebäude auf dem Vorhabengrundstück und führte aus, es handele sich zwar um ein nicht privilegiertes Vorhaben, das Einvernehmen werde aber erteilt, um die mögliche Realisierung des Ausbaus der B68 nicht zu gefährden.
Unter dem 7. Juni 2005 erteilte der Beklagte dem Kläger eine Baugenehmigung für den Neubau eines Ersatzgebäudes mit Nebengebäude für landwirtschaftlichen Nebenerwerb als Bio-Betrieb mit Selbstvermarktung für das Vorhabengrundstück. Nach den grüngestempelten Bauvorlagen sollte die Zufahrt von der Achmer Straße über das Nachbarflurstück 11/10 verlaufen und der Eingang zum Verbindungstrakt zwischen Wohnhaus und Halle nach Nordosten ausgerichtet sein und sich nordwestlich die Halle sowie südöstlich das Wohnhaus anschließen. Der Baugenehmigung waren zwei als „Bedingungen“ bezeichnete Nebenbestimmungen, darunter die Vorgabe, Nachweise zur Statik rechtzeitig vor „Baubeginn bzw. vor Ausführung der entsprechenden Bauteile“ vorzulegen, sowie mehrere Auflagen und Hinweise beigefügt. Der Beklagte verlängerte die Geltungsdauer der Baugenehmigung in der Folgezeit zweimal, zuletzt mit Bescheid vom 20. Mai 2011 bis zum 7. Juni 2014.
Im Rahmen einer örtlichen Kontrolle stellte der Beklagte am 6. Mai 2014 fest, dass mit den Erdarbeiten auf dem Vorhabengrundstück begonnen worden war, ohne dass die erforderliche Statik nach Ziffer 2. der „Bedingungen“ vorgelegt worden sei. Zudem stellte er fest, dass die Zufahrt, die zu dem Zeitpunkt als Baustraße ausgeführt war, nicht mehr in Teilbereichen über das angrenzende Grundstück (Flurstück 11/10), sondern ausschließlich über das Vorhabengrundstück verlief. Mit Schreiben vom 21. Mai 2014 ließ der Kläger über seinen Architekten mitteilen, in den letzten Tagen mit den Vorbereitungsarbeiten für den Bau sowie mit den Gründungsarbeiten für den Zwischenbau zur Unterbringung der für das Bauvorhaben erforderlichen Versorgungsleitungen begonnen zu haben. Da das Wohnhaus nunmehr geringfügig kleiner ausgeführt werden solle, werde hierfür in Kürze ein Nachtrag mit der erforderlichen Statik eingereicht.
Mit Bescheid vom 22. Mai 2014 untersagte der Beklagte die Weiterführung der Bauarbeiten und begründete dies mit der fehlenden Vorlage statischer Unterlagen. Mit Bescheid vom 12. Juni 2014 erteilte die Straßenbehörde des Beklagten dem Kläger eine Sondernutzungserlaubnis für das Anlegen einer Zufahrt an der K165 mit Verrohrung des betroffenen Teils des Wegeseitengrabens. Im September 2014 reichte der Kläger Statikunterlagen ein, die der Beklagte nicht mehr prüfte und mit Schreiben vom 15. März 2017 zurücksandte. Jedenfalls bis Januar 2017 errichtete der Kläger auf dem Baugrundstück eine Kleinkläranlage sowie das Fundament des Zwischenbaus, der das geplante Wohnhaus mit dem ebenfalls noch nicht errichteten Wirtschaftstrakt verbinden soll.
Am 26. April 2017 beantragte der Kläger erneut die Geltungsdauer der Baugenehmigung zu verlängern; dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 18. Juni 2018 nach Versagung des gemeindlichen Einvernehmens ab. Unter dem 12. Dezember 2017 beantragte der Kläger zudem die Feststellung, dass die Baugenehmigung noch gültig sei, und beantragte die Aufhebung des Baustopps vom 22. Mai 2014. Beides lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 26. März 2018 ab. Nach Zurückweisung seiner gegen beide Bescheide erhobenen Widersprüche hat der Kläger Klage erhoben und beantragt, die Baueinstellungsverfügung vom 22. Mai 2014 aufzuheben und festzustellen, dass die Baugenehmigung vom 7. Juni 2005 nicht erloschen sei, hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, festzustellen, dass die Baugenehmigung nicht erloschen sei, weiter hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, die Gültigkeit der Baugenehmigung um drei Jahre zu verlängern.
Die Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 5. März 2021 abgewiesen und unter anderem ausgeführt, der zweite Hauptantrag und der erste Hilfsantrag seien, ungeachtet der Frage der Zulässigkeit, jedenfalls unbegründet, da die Baugenehmigung mit Ablauf des 7. Juni 2014 erloschen sei. Der Kläger habe innerhalb des - zuletzt mit Bescheid vom 20. Mai 2011 verlängerten - Gültigkeitszeitraums nicht mit der Ausführung der Baumaßnahme begonnen, da die vorgenommenen Bauausführungen nicht der Baugenehmigung entsprächen und daher ein „aliud“ darstellten. Das errichtete Fundament des Verbindungsbaus zwischen Wohnhaus und Halle sei abweichend von dem zum Gegenstand der Baugenehmigung gewordenen einfachen Lageplan um ca. 45° gedreht errichtet worden. Die abweichende Ausrichtung des Sockels stehe offenbar im Zusammenhang mit der geänderten Zufahrt, die nunmehr nicht mehr über das Nachbarflurstück 11/10, sondern ausschließlich über das Vorhabengrundstück verlaufen solle, und damit ebenfalls eine Abweichung von der erteilten Baugenehmigung darstelle. Hieran vermöge die mit Bescheid vom 12. Juni 2014 erteilte Sondernutzungserlaubnis nichts zu ändern, da diese keinen Einfluss auf den baurechtlichen Genehmigungstatbestand habe. Wenn der Kläger eine abweichende Bauausführung beabsichtige, hätte er einen entsprechenden Bauantrag stellen müssen. Hinzu komme, dass die straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis erst nach Ablauf der Geltungsdauer der Baugenehmigung erteilt worden sei und auch deshalb das Erlöschen der Baugenehmigung nicht mehr habe verhindern können. Vorherige Gespräche zwischen dem Kläger und der Straßenbehörde änderten hieran nichts; es liege keine wirksame Zusicherung vor. Hinzu komme, dass nur dann mit einer Baumaßnahme i.S.d. § 71 Satz 1 NBauO begonnen werde, wenn die Ausführung auch im Einklang mit den der Genehmigung beigefügten Nebenbestimmungen erfolge, was nicht der Fall sei. Der Kläger habe die Ziffern 1. und 2. der „Bedingungen“ nicht beachtet. Fristrelevante Umstände, die zu einer (automatischen) Verlängerung der Geltungsdauer der Genehmigung geführt hätten, lägen nicht vor. Insbesondere sei der Ablauf der Geltungsdauer nicht durch die Baueinstellungsverfügung vom 22. Mai 2014 gehemmt bzw. unterbrochen worden, denn der Kläger sei von der Baugenehmigung abgewichen, weshalb die Einstellungsverfügung in seiner Risikosphäre liege. Die mit dem zweiten Hilfsantrag begehrte Verpflichtung auf Verlängerung der Baugenehmigung sei ebenfalls unbegründet, da der Kläger den Verlängerungsantrag nicht fristgerecht gestellt habe. Der Antrag hätte aber selbst dann keinen Erfolg, wenn die Baugenehmigung noch nicht erloschen sei, da die Voraussetzungen für eine Verlängerung nicht vorlägen. Im Rahmen der Verlängerung müssten veränderte Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art berücksichtigt werden. Dies gelte auch, wenn sich die Sach- und Rechtslage zwar nicht geändert habe, die Behörde inzwischen aber eine andere Rechtsauffassung gewonnen habe. Der Kläger könne sich bereits nicht mit Erfolg auf einen Vertrauenstatbestand berufen. Die Erteilungsvoraussetzungen lägen nicht vor, da sich das Vorhaben nicht als lebensfähiges Unternehmen darstelle und daher als nicht privilegiertes Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig sei. Schließlich habe die mit dem Hauptantrag verfolgte Aufhebung der Baueinstellungsverfügung vom 22. Mai 2014 keinen Erfolg. Aufgrund der Bestandskraft der Verfügung habe der Kläger dies nur im Wege der Verpflichtungsklage, gerichtet auf Aufhebung der Verfügung, verfolgen können. Die Klage sei jedoch unbegründet, da die Anordnung rechtmäßig und nicht erkennbar sei, dass die Voraussetzungen der §§ 49, 51 VwVfG vorlägen.
II.
Der allein auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Maßgebend für die Prüfung des Senats sind allein die innerhalb der Begründungsfrist dargelegten Gründe (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Diese rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen die Zulassung der Berufung dann, wenn es dem Rechtsmittelführer gelingt, wenigstens einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit plausiblen Gegenargumenten derart in Frage zu stellen, dass sich am Entscheidungsergebnis etwas ändern könnte. Das darzulegen ist dem Kläger nicht gelungen.
Schon im Ansatz ungeeignet, die Zulassung der Berufung unter dem Blickwinkel der ernstlichen Zweifel zu erreichen, ist der Vortrag des Klägers zu einer ungefragten Fehlersuche durch das Verwaltungsgericht. Eine ungefragte Fehlersuche als solche kann nicht Ursache eines fehlerhaften Urteils sein. Die von dem Kläger zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts trägt seine Auffassung nicht. In seiner Entscheidung vom 17. April 2002 (- 9 CN 1.01 -, BVerwGE 116, 188 = NJW 2002, 2807 = juris Rn. 43) hat das Bundesverwaltungsgericht lediglich ausgeführt, eine ungefragte Fehlersuche sei im Zweifel dann nicht sachgerecht, wenn sie das Rechtsschutzbegehren des Klägers aus den Augen verliere. Das sei namentlich dann der Fall, wenn unklar sei, ob sich eine Aufklärung des von Amts wegen aufgegriffenen Punktes überhaupt auf die vom Kläger gestellte Frage konkret auswirken könne. Mit der Mahnung, nicht „gleichsam ungefragt“ auf Fehlersuche zu gehen, solle aber nicht die rechtliche Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes in Frage gestellt werden, sondern darauf hingewiesen werden, dass eine sachgerechte Handhabung dieses Grundsatzes unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung und der Prozessökonomie zu erfolgen habe.
Das Gericht ist unter Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht gehindert, die Sache von sich aus weiter aufzuklären oder rechtliche Gesichtspunkte anzusprechen, die die Beteiligten mitunter noch nicht erörtert haben. Es ist nicht an die Rechtsauffassungen der Beteiligten gebunden, sondern hat vielmehr eine umfassende eigene Würdigung der Rechtslage auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts vorzunehmen. Hierzu dient § 86 Abs. 1 VwGO, wonach das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen erforscht. Die Bestimmung umschreibt den Untersuchungsgrundsatz, der dem Gericht die Verpflichtung auferlegt, den Sachverhalt von sich aus zu klären, spricht aber nicht das Verbot aus, ungefragt auf Fehlersuche zu gehen (BVerwG, Beschl. v. 27.9.2012 - 4 BN 20.12 -, BRS 79 Nr. 222 = BauR 2013, 66 = juris Rn. 15; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 17.5.2018 - 4 B 20.18 -, juris Rn. 10; v. 4.10.2006 - 4 BN 26.06 -, BRS 70 Nr. 66 = BauR 2007, 335 = juris Rn. 7).
Hieraus ergibt sich, dass eine überobligatorische Ermittlung allein noch nicht zu der Annahme eines Verfahrensfehlers (OVG LSA, Beschl. v. 16.5.2019 - 4 L 115/18 -, juris Rn. 24) und erst Recht nicht zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung führt. Im Falle einer ungefragten Fehlersuche lässt sich ein - hier im Übrigen nicht gerügter - Verfahrensfehler allenfalls dann annehmen, wenn das Gericht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG seiner Entscheidung selbständig ermittelte Umstände zugrunde legt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können, weil das Gericht sie hierauf nicht bzw. zu spät hingewiesen hat. Dies ist hier nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat entgegen dem Zulassungsvorbringen auch nicht eine eigene Ermessensentscheidung an die Stelle der Ermessenserwägungen des Beklagten gesetzt, sondern seine Würdigung, die Baugenehmigung sei erloschen, lediglich auf andere rechtliche Erwägungen gestützt als der Beklagte.
Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, innerhalb des Gültigkeitszeitraums bis zum 7. Juni 2014 habe der Kläger nicht mit der Ausführung der Baumaßnahme begonnen, da es sich um ein „aliud“ handele, unterliegt keinen ernstlichen Zweifeln. Soweit der Kläger rügt, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts ließen offen, welche relevanten baurechtlichen Zulässigkeitsfragen sich aufgrund der geänderten Ausführung neu stellen würden, übersieht er, dass das Verwaltungsgericht gerade die Standortfrage im Hinblick auf das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs als prüfbedürftig angesehen hat. Hiergegen ist nichts zu erinnern. Gerade bei einem - wie hier - lediglich nach § 35 Abs. 2, 3 BauGB genehmigten Vorhaben kommt den Details seiner Einbindung in die Umgebung, etwa mit Blick auf eine Zersiedelungstendenz oder eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes, für die Frage, ob öffentliche Belange beeinträchtigt sind, regelmäßig erhebliche Bedeutung zu. Die Drehung eines Vorhabens um 45° und eine Änderung seiner Dimensionen kann für diese Prüfung durchaus relevant sein. Allein die damit eröffnete Möglichkeit einer anderen Einschätzung schließt es aus, eine Identität der Vorhaben anzunehmen; dass die baurechtliche Beurteilung für das abweichend errichtete Vorhaben dann im Ergebnis genauso ausfällt wie für das genehmigte, genügt nicht.
Ist das Verwaltungsgericht mithin zu Recht davon ausgegangen, dass die vom Kläger vor dem 7. Juni 2014 durchgeführten Baumaßnahmen nicht der Verwirklichung des genehmigten Vorhabens dienten, so geht auch die Zulassungsrüge des Klägers, die Fehlerhaftigkeit dieser Auffassung führe in der Folge dazu, dass die Baueinstellungsverfügung vom 22. Mai 2014 rechtswidrig sei, in die Sphäre des Beklagten falle und infolgedessen den Ablauf der Geltungsdauer der Genehmigung gehemmt habe, ins Leere. Unerheblich ist insoweit, dass der Beklagte die Baueinstellungsverfügung nicht mit der fehlenden Vorhabenidentität, sondern mit einem Verstoß gegen Ziffer 2. der „Bedingungen“ zur Baugenehmigung (fehlende statische Unterlagen) begründet hat. Nach der Rechtsprechung des Senats hat die Bauaufsichtsbehörde gegen baurechtswidrige Zustände regelmäßig einzuschreiten. Ein "Für und Wider" braucht nur dann abgewogen zu werden, wenn der Fall so geartet ist, dass ganz bestimmte konkrete Anhaltspunkte für die Angemessenheit einer Ausnahme vorliegen. Dabei ist es auch unschädlich, wenn die Behörde die Begründung der Baurechtswidrigkeit anders gefasst hat, als es nach dem die Anschauungen läuternden Widerspruchs- und Klageverfahren schließlich das Gericht tut, soweit der Behörde damit nicht eine Entscheidung anderen Inhalts untergeschoben würde (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschl. v. 9.3.2012 - 1 LA 254/09 -, juris Rn. 63).
Da bereits die vorgenannten Feststellungen des Verwaltungsgerichts den Urteilsausspruch tragen, kommt es auf die weitere - insofern selbständig tragende - Feststellung, ein Baubeginn i.S.d. § 71 Satz 1 NBauO (a.F.) liege auch wegen Verstoßes gegen die „Bedingungen“ der Baugenehmigung nicht vor (Urteilsabdruck S. 11 - 13), nicht an, weshalb es einer Auseinandersetzung mit den hiergegen erhobenen Rügen des Klägers nicht bedarf.
Soweit sich die Ausführungen des Klägers im letzten Absatz auf Seite 6 seines Schriftsatzes vom 18. Mai 2021 gegen die Ausführungen der Vorinstanz im Hinblick auf seinen zweiten Hilfsantrag (Urteilsabdruck S. 14 - 20) richten sollten, scheitert eine Zulassung der Berufung bereits daran, dass das Verwaltungsgericht entscheidungstragend darauf abgestellt hat, dass der Verlängerungsantrag schon deshalb erfolglos bleibe, da er nicht fristgerecht gestellt worden sei.
Ungeachtet dessen genügt der Kläger mit seinem Vorbringen nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, wenn er lediglich rügt, das Verwaltungsgericht habe seinen Vertrauensschutz verkannt und es sei lediglich zu entscheiden, ob die Beigeladene ihr Einvernehmen versagen könne. Dies lässt eine substantiierte Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung und eine Darlegung, dass und weshalb das Verwaltungsgericht unrichtig entschieden haben soll, vermissen. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass sich der Kläger nicht mit Erfolg auf einen Vertrauenstatbestand berufen könne. Er habe auf die baurechtliche Zulassung seines Vorhabens nur für die Zeit der Wirksamkeit der Baugenehmigung vertrauen können. Angesichts des Sinn und Zwecks der zeitlichen Begrenzung der Geltungsdauer könnten im Rahmen der Verlängerung veränderte Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art nicht unberücksichtigt bleiben. Die Geltungsdauer der Genehmigung habe den Zweck, dem Bauinteressenten für die Vorbereitung des Bauvorhabens eine gewisse Zeit zur Verfügung zu stellen, in der er geänderten öffentlich-rechtlichen Vorschriften, einer geänderten Sachlage oder neuen Erkenntnissen der Baugenehmigungsbehörde keine Rechnung tragen müsse. Der ihm eröffnete Entscheidungszeitraum sei jedoch von vornherein erkennbar auf drei Jahre begrenzt. Ein weitergehender Schutz des Bauherrn sei nicht geboten. Habe sich also etwa die Sach- oder Rechtslage geändert mit der Folge, dass eine Baugenehmigung nicht mehr erteilt werden könne, habe der Kläger auch keinen Anspruch auf eine Verlängerung. Das gelte im Übrigen auch, wenn sich die Sach- und Rechtslage zwar nicht geändert habe, die Behörde inzwischen aber eine andere Rechtsauffassung gewonnen habe. Sie könne daher trotz unveränderter Sach- und Rechtslage zu einer anderen Beurteilung der Zulässigkeit des Vorhabens gelangen, da der Bauherr nur für die Geltungsdauer der Baugenehmigung vor einer solchen Änderung geschützt sei. Die Gemeinde könne z. B., auch wenn sie früher ihr Einvernehmen nach § 36 BauGB erteilt habe, im Hinblick auf neue Planungen die Zurückstellung beantragen oder ihr Einvernehmen verweigern.
Im Hinblick auf diese ausführlichen Feststellungen - die der Senat auch inhaltlich teilt - hätte es einer näheren Darlegung bedurft, warum dennoch Vertrauensschutzschutzgesichtspunkte zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung führen bzw. warum die Beigeladene verpflichtet gewesen wäre, ihr Einvernehmen zu erteilen. Hieran fehlt es.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig (§ 162 Abs. 3 VwGO), da sie sich am Verfahren nicht beteiligt hat.
Die Streitwertfestsetzung, die der erstinstanzlichen Festsetzung folgt, beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).