Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 23.03.2022, Az.: 1 ME 141/21

Dorfgebiet; Mischgebiet; Rücksichtnahmegebot; Schlachtbetrieb

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
23.03.2022
Aktenzeichen
1 ME 141/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59849
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 17.09.2021 - AZ: 2 B 44/21

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein in handwerklicher Produktionsweise ausgeübter Schlachtbetrieb kann in einem Dorf- oder Mischgebiet seiner Art nach selbst dann zulässig sein, wenn das Lebendgewicht der zu schlachtenden Tiere an einzelnen Tagen den Schwellenwert der Nr. 7.2.3 der Anlage zur 4. BImSchV übersteigt.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 2. Kammer - vom 17. September 2021 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine dem Beigeladenen erteilte Nutzungsänderungsgenehmigung.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks mit der postalischen Anschrift A-Straße in F. /A-Stadt, das im straßenseitigen Bereich mit einem Wohnhaus und im hinteren Grundstücksbereich mit einer Garage und einem weiteren Gebäude bebaut ist. Der Beigeladene ist Eigentümer des direkt angrenzenden Grundstücks (D-Straße), das im straßenseitigen Bereich mit einem Wohnhaus, dahinter mit einer Garage und dahinterliegend mit einem bisher als Wildhandel genutzten (zum Grundstück der Antragstellerin grenzständig errichteten) etwa 24 m langen und 7 m breiten Gebäude bebaut ist.

Im Baulastenverzeichnis wurde am 4. Juni 2015 nach vorangegangener Bewilligung durch die Antragstellerin folgende Baulast eingetragen:

„Der jeweilige Eigentümer des [Bezeichnung des Grundstücks der Antragstellerin] gestattet, dass von seinem Grundstück eine Teilfläche dem Nachbargrundstück [Bezeichnung des Grundstücks des Beigeladenen] bei der Bemessung des Grenzabstandes zugerechnet wird. Er verpflichtet sich, mit baulichen Anlagen von dieser Teilfläche den vorgeschriebenen Grenzabstand zu halten.

In der Verpflichtungserklärung wurde auf einen Lageplan Bezug genommen.“

Der anliegende Lageplan bezeichnet das Bauprojekt als „Neubau eines landwirtschaftlichen Geräteschuppens“.

Im Juli 2019 beantragte der Beigeladene die Erteilung einer Nutzungsänderungsgenehmigung des bisher als Wildhandel genutzten Gebäudes zu einem Wildhandel mit Schlachtung.

Das vom Antragsgegner im Verwaltungsverfahren beteiligte Gewerbeaufsichtsamt stufte den Betrieb aufgrund der prognostizierten Schlachtzahlen als planungsrechtlich noch vertretbar in einem Dorfgebiet ein. Es liege ein handwerklicher Umfang der Schlachtungen vor. Ein Lärmgutachten ermittelte Pegel von 48,6 dB(A) tags und von 39,5 dB(A) nachts.

Der Antragsgegner erteilte dem Beigeladenen die beantragte Genehmigung zur Nutzungsänderung in einen Wildhandel mit Schlachtung werktags zwischen 6:15 Uhr und 21:45 Uhr von täglich 30 Schafen und 4 Rindern sowie wöchentlich maximal 70 Schafen und 6 Rindern. Aufgrund des Fehlens eines Wartestalles dürfen nach der Genehmigung maximal 10 Schafe/Ziegen gleichzeitig angeliefert werden, die innerhalb 1 Stunde geschlachtet werden müssen. Die Prozesse des Schlachtens von Rindern, die per Kugelschuss auf der Weide erlegt worden seien, und des Schlachtens von Schafen/Ziegen und der Wildverarbeitung müssen alle getrennt voneinander stattfinden. Zudem dürfen Rinder aufgrund des Fehlens eines Wartestalles nur einzeln angeliefert werden.

Den gegen diese Baugenehmigung fristgerecht erhobenen Widerspruch hat der Antragsgegner noch nicht beschieden.

Den sinngemäß gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 17. September 2021 abgelehnt. Es liege weder ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts noch des Bauordnungsrechts vor. Der grundsätzlich drittschützende Gebietserhaltungsanspruch sei nicht verletzt. Das Bauvorhaben füge sich seiner Art nach in die nähere Umgebung ein. Die maßgebliche nähere Umgebung entspreche einem faktischen Dorfgebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit § 5 BauNVO. In einem solchen Gebiet seien unter anderem Betriebe zur Be- und Verarbeitung und Sammlung land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse sowie sonstige (nicht wesentlich störende) Gewerbebetriebe allgemein zulässig. Darunter könnten auch Schlachthäuser fallen, wenn diese dem Gebietscharakter entsprächen. Maßgeblich seien hier die konkreten Verhältnisse des Betriebs. Gemessen daran sei der Betrieb nicht wesentlich störend, weil er angesichts der Größe des Schlachtraumes, der konkret genehmigten Anzahl von Schlachtungen, der Art und Weise der Betriebsführung und des Umfangs der Betriebstätigkeit nur in handwerklichem Umfang betrieben werde und kein überregionaler Einzugsbereich anzunehmen sei. Dass es sich bei den Erzeugnissen um solche des Dorfgebiets oder der näheren Umgebung handele, sei nicht erforderlich. Das Rücksichtnahmegebot gemäß § 15 Abs. 1 BauNVO stehe dem Vorhaben nicht entgegen. Die gutachterlich ermittelten Immissionswerte würden den für Dorfgebiete bestimmten Grenzwert nicht überschreiten. Die Kammer teile die von der Antragstellerin geäußerten Bedenken an der Verwertbarkeit des Gutachtens nicht. Vielmehr seien die Lärmbeeinträchtigungen sogar noch geringer zu veranschlagen, weil die TA-Lärm den maßgeblichen Immissionsmesspunkt in noch größerer Entfernung von dem Gebäude des Beigeladenen verorte als sich der im Rahmen der Begutachtung tatsächlich beurteilte Messpunkt befinde. Aus den Angaben der Antragstellerin ergebe sich zudem nicht, dass der maßgebliche Grenzwert für Geruchsimmissionen überschritten werde. Zudem seien der Antragstellerin aufgrund der Lage ihres Grundstücks am Rande zum Außenbereich erhöhte Geruchsbeeinträchtigungen zuzumuten. Nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts seien ebenfalls nicht verletzt. Die Verletzung der grundsätzlich nachbarschützenden Abstandsvorschriften könne die Antragstellerin nicht rügen, weil sie die aus einem Verstoß resultierenden Rechte durch jahrelange Untätigkeit verwirkt habe. Die Nutzungsänderung sei auch nicht genehmigungsbedürftig im Sinne des Immissionsschutzrechts. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin sei aber auch nicht im Sinne des § 15 Abs. 3 BauNVO allein auf diese fehlende Genehmigungsbedürftigkeit abgestellt worden. Der Antragsgegner habe die Baumaßnahme bauplanungsrechtlich geprüft und sei unabhängig von der fehlenden Genehmigungsbedürftigkeit nach BImSchG zu dem Ergebnis gelangt, dass die beantragte Nutzungsänderung gebietsverträglich sei. Dabei habe er aber die fehlende Genehmigungsbedürftigkeit als Indiz für die Gebietsverträglichkeit heranziehen dürfen.

Dagegen wendet sich hier Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.

Die Antragstellerin rügt, schon aus der genehmigten Anzahl von 34 Schlachttieren pro Tag ergebe sich, dass der geplante Betrieb den Umfang eines Handwerksbetriebs deutlich übersteige. Es könne auch nicht allein auf die Größe des Schlachtraums abgestellt werden, weil die Weiterverarbeitung auch in anderen Räumen stattfinde.

Damit stellt die Antragstellerin lediglich ihre eigene Wertung der Wertung des Verwaltungsgerichts gegenüber, ohne darzulegen, weshalb ihre eigene Wertung vorzugswürdig sein soll. Es mag zwar sein, dass das Lebendgewicht der zu schlachtenden Tiere an einzelnen Tagen den Schwellenwert der Nr. 7.2.3 der Anlage zur 4. BImSchV übersteigt, sodass eine Genehmigungsbedürftigkeit nach § 1 Abs. 1 Satz 1 4. BImSchV i.V. mit § 4 Abs. 1 BImSchG bestehen könnte. Selbst wenn dies aber der Fall wäre, führt das allein aber nicht dazu, dass das Vorhaben des Beigeladenen im Dorf- oder Mischgebiet seiner Art nach - nur insoweit besteht Drittschutz - unzulässig wäre (§ 15 Abs. 3 BauNVO). Der Betriebsumfang ist dennoch in einer Weise begrenzt, dass weiterhin von einer handwerklichen Produktionsweise gesprochen werden kann. Die Betriebsgröße von lediglich etwa 24 m² lässt ein Schlachten und Verarbeiten in größerem Umfang von vornherein nicht zu. Über die bereits vom Verwaltungsgericht gewürdigten Indizien hinaus lassen sich noch weitere Anhaltspunkte für eine Einstufung als eine in handwerklichem Umfang betriebene Schlachterei anführen. Dafür spricht die persönliche Mitarbeit des Betriebsinhabers bzw. seiner engsten Familienangehörigen (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 13. Aufl. 2019, § 2 Rn. 16). Laut dem Internetauftritt des H., auf den sich auch die Antragstellerin bezieht, hat der Sohn des Beigeladenen G. die kaufmännische Leitung des Betriebs „H.“ inne. Die Tochter des Beigeladenen I. (geb. J.) ist maßgeblich für den Vertrieb verantwortlich. Neben dem Schwiegersohn des Beigeladenen sind nur noch 3 weitere Mitarbeiter im Betrieb tätig, davon ein Fleischermeister (vgl. K. und L., zuletzt abgerufen am 11.3.2022). Für eine handwerkliche Tätigkeit spricht weiter, dass selbst in der (personal-)stärksten Schicht nach Durchführung des Bauvorhabens nach Angaben des Beigeladenen im Verwaltungsverfahren maximal 2 bis 3 Mitarbeiter zum Einsatz kommen werden. Ferner werden in einer Schilderung des Arbeitsablaufs im Baugenehmigungsverfahren (Erweiterung des HACCP-Konzeptes und Standardarbeitsanweisungen, eingegangen beim Antragsgegner am 27.2.2020) für einzelne Arbeitsschritte zuständige Mitarbeiter sogar namentlich benannt, was klar gegen eine Einordnung des Betriebs als einen handwerkliche Größenordnungen überschreitenden Gewerbe- oder gar Industriebetrieb spricht. Derartige Betriebe kennzeichnet eine ausgeprägte Arbeitsteilung und die Austauschbarkeit der Mitarbeiter in der Produktion.

Die Antragstellerin rügt auch zu Unrecht, es liege ein überregionaler Einzugsbereich vor, woraus die Unzulässigkeit des Bauvorhabens in einem Dorfgebiet folge. Überdies vertreibe der Beigeladene seine Waren per Versandhandel bundesweit im Internet und werbe dort auch mit Kleidungsstücken, die das Logo seiner Firma trügen. Sinn der Zulassung der Schlachthäuser in dörflichen Gebieten sei es aber allein, den örtlichen Schlachtern, die das umliegende Gebiet versorgen würden, zu ermöglichen, die Tiere an Ort und Stelle zu töten und im Anschluss dort zu vermarkten.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht demgegenüber auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 2.8.1996 - 4 B 136.96 - BRS 58 Nr. 68 = juris Rn. 4) verwiesen. Danach enthält der Gesetzestext des § 5 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO keinerlei Hinweis darauf, dass ein - lokaler oder konkreter - innerer (funktionaler) Zusammenhang der Sammelstelle für landwirtschaftliche Erzeugnisse mit anderen Vorhaben oder Betrieben „im Dorf“ gegeben sein muss. Für eine derartige einschränkende Auslegung gibt § 5 Abs. 1 BauNVO keinen Anhalt. Zudem muss berücksichtigt werden, dass der Betrieb des Beigeladenen seinen Sitz in einer dünn besiedelten Region in der Nähe der Grenzen des Landes Niedersachsen zu den umliegenden Bundesländern Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Hamburg hat. Der Bezug von Tieren aus den genannten Bundesländern spricht daher nicht entscheidend für ein überregionales Einzugsgebiet. Es ist auch nicht umgekehrt erforderlich, dass der Betrieb darauf ausgerichtet ist, seine Schlachterzeugnisse nur lokal zu vermarkten. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind in einem Dorfgebiet neben den der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben gleichwertig/-rangig nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe zulässig. Der Betrieb des Beigeladenen fällt in die zweite Kategorie. Dass der Beigeladene seine Erzeugnisse andernorts auf Wochenmärkten und auch im Versandhandel vertreibt, ändert nichts an dem städtebaulichen Erscheinungsbild des konkreten Betriebs und dem mit dem Betrieb verbundenen Störpotential. Dies wird auch nicht dadurch vergrößert, dass der Beigeladene neben seinen Produkten als Annex zu seinem Haupterwerb im Versandhandel auch Merchandise-Artikel vertreibt.

Das Vorhaben des Beigeladenen verursacht nach den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts auch keine unzumutbaren Beeinträchtigungen oder Störungen für die Antragstellerin und ist auch mit keinen unzulässigen Lärmbelästigungen und sonstigen schädlichen Umwelteinwirkungen verbunden. Die Antragstellerin rügt diesbezüglich zu Unrecht, das Verwaltungsgericht sei von einer geringeren Schutzwürdigkeit ihres Grundstücks ausgegangen, weil dieses unmittelbar an den Außenbereich angrenze. Die Konfrontation mit Tieren, die zur Schlachtbank geführt würden, sei auch Kindern und Jugendlichen, die sich auf einer nahen Reitanlage aufhielten, nicht zuzumuten. Die Lärmemissionen seien unzureichend ermittelt worden. Das Rindergebrüll auf einem Bauernhof sei nicht ansatzweise mit dem Brüllen von Tieren zu vergleichen, die zur Schlachtbank geführt werden und dem Blutgeruch und dem Gestank eines Schlachthofs ausgesetzt seien. Zudem sei mit einer erheblichen Belastung durch Aasgeruch und Blut sowie mit einer Belastung durch Fliegen zu rechnen.

Entgegen der Darstellung der Antragstellerin hat sich das Verwaltungsgericht nicht auf die Begründung zurückgezogen, dass das Grundstück der Antragstellerin wegen seiner unmittelbaren Angrenzung an den Außenbereich generell nicht so schutzwürdig sein dürfte. Zum einen hat das Verwaltungsgericht dieses Argument (zumindest, soweit es die Lärmemissionen betrifft,) ausdrücklich als nicht entscheidungstragend bezeichnet. Zum anderen hat sich das Gericht nicht auf diese Gebietsbetrachtung beschränkt, sondern ausführlich das eingeholte Gutachten zu den konkret zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen gewürdigt. Dabei ist es, auch unter Berücksichtigung des Einwands der Antragstellerin, dass das Rinderbrüllen lediglich simuliert worden sei, zu dem Ergebnis gekommen, dass die zu erwartenden Lärmimmissionen den zulässigen Grenzwert von 60 dB(A) am Immissionsmesspunkt deutlich unterschreiten würden und dass die Werte am eigentlich zutreffenden, noch weiter von dem Schlachtbetrieb entfernten Immissionsmesspunkt noch geringer zu veranschlagen seien. Die Antragstellerin setzt sich mit dieser Würdigung des Verwaltungsgerichts nicht auseinander. Hinzu kommt, dass in den Nebenbestimmungen Nr. 8 und 9 zur Baugenehmigung vom 14. Juni 2021 jeweils nur von der Schlachtung bereits durch Kugelschuss getöteter Rinder die Rede ist und eine Schlachtung von Rindern vor Ort nicht erfolgt. Es ist also schon fraglich, ob überhaupt und wenn ja wie häufig mit Anlieferungen von lebenden Rindern und dem damit verbundenen Gebrüll zu rechnen ist. Soweit die Antragstellerin meint, die von ihr geschilderten Auswirkungen eines Schlachtbetriebs seien Kindern und Jugendlichen auf der nahen Reitanlage nicht zuzumuten, übersieht sie, dass sie sich gegen die Nutzung des Nachbargrundstücks nur auf der Grundlage drittschützender Normen berufen kann und nicht dazu berufen ist, (vermeintlich) allgemeine Wertvorstellungen durchzusetzen.

Die Unzulässigkeit des Bauvorhabens ergibt sich auch nicht aus mit dem Schlachtbetrieb nach Ansicht der Antragstellerin verbundenen unzumutbaren Geruchsbeeinträchtigungen. Auch diesbezüglich kann darauf verwiesen werden, dass Schlachtbetriebe, in denen die Schlachtung in handwerklichem Umfang erfolgt, wie bereits ausgeführt allgemein in einem Dorfgebiet gemäß § 5 BauNVO zulässig sind. Grundsätzlich ist daher auch nicht anzunehmen, dass derartige Betriebe wegen der mit ihnen verbundenen Geruchsemissionen für ihre Umgebung unzumutbar sind. Dass der Betrieb im konkreten Fall aufgrund solcher Emissionen gegen das Rücksichtnahmegebot gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verstoßen wird, hat die Antragstellerin nicht dargelegt, obwohl schon in dem angefochtenen Beschluss ihr diesbezüglicher Vortrag als unsubstantiiert bezeichnet worden ist. Eine derartige Unzumutbarkeit liegt auch nicht nahe. Das Grundstück der Antragstellerin wird von den Geruchsemissionen des Schlachtbetriebs durch die auf dem Grundstück des Beigeladenen errichteten Gebäude abgeschirmt. Aufgrund der Lage des Grundstücks der Antragstellerin im Südwesten des Betriebsgrundstücks ist an den meisten Tagen eines Jahres in Anbetracht der vorherrschenden Windrichtung aus West bzw. Südwest kein übermäßiger Transport von Geruchspartikeln durch Wind auf das Grundstück der Antragstellerin zu erwarten. Die begrenzte Anzahl von 30 Schafen und 4 Rindern täglich sowie maximal 70 Schafen und 6 Rindern wöchentlich lässt einen durchgängigen Betrieb von 24 Stunden über 7 oder auch nur über 5 Tage nicht zu. Daher ist eine Geruchsbelästigung voraussichtlich deutlich unterhalb des für Dorfgebiete geltenden Richtwerts von 0,15 (relative Häufigkeit der Geruchsstunden) zu erwarten (zum Richtwert siehe Nr. 3.1 der Anlage 1 zur hier noch anzuwendenden Geruchsimmissions-Richtlinie - GIRL -, Gem. RdErl. d. MU, d. MS, d. ML u. d. MW v. 23.7.2009 - 33-40500/201.2 - Nds. MBl. 2009, S. 794). Hinzu tritt, dass durch die Nebenbestimmungen (Nr. 10 bis 25) zur Baugenehmigung umfangreiche Auflagen zu den baulichen Vorrichtungen für Hygienemaßnahmen erfolgt sind. Im Übrigen sind der Beigeladene und die Mitarbeiter des Betriebs auf seinem Grundstück an die Vorschriften gemäß der Tierischen Lebensmittel-Hygieneverordnung - Tier-LMHV - vom 18. April 2018 (BGBl. I 480), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 11. Januar 2021 (BGBl. I 47), und die darin in Bezug genommenen europarechtlichen Richtlinien und Verordnungen gebunden. Bei Beachtung der daraus folgenden Verpflichtungen dürften die von der Antragstellerin befürchteten Beeinträchtigungen vermieden werden.

Das Gebäude, in dem der Schlachtbetrieb eingerichtet werden soll, verstößt auch nicht gegen Abstandsvorschriften der NBauO. Aufgrund der Baulast wird dem Grundstück des Beigeladenen gemäß der Eintragungsbewilligung eine ausreichende Abstandsfläche hinzugerechnet. Diese Abstandsbaulast ist - entgegen der Ansicht der Antragstellerin - nicht nur für die Errichtung eines Geräteschuppens eingeräumt worden. Zwar bezeichnet der der Baulasterklärung anliegende Lageplan das Bauvorhaben, dass unter Inanspruchnahme der Abstandsbaulast realisiert werden soll, als „Neubau eines landwirtschaftlichen Geräteschuppens“. Dies ist aber nicht Inhalt der maßgeblichen Baulasterklärung geworden. Die Baulast ist dem maßgeblichen Wortlaut der Bewilligungserklärung nach bauvorhabenneutral und grenzt die durch sie ermöglichten Vorhaben lediglich durch die aus dem Lageplan hervorgehenden Tiefe der Baulastfläche ein, die entsprechend schraffiert im Plan dargestellt wird. Zulässig ist daher jedes Vorhaben, das den Grenzabstand gemäß § 5 NBauO zur fiktiv verschobenen Grundstücksgrenze wahrt. Damit ist der Inhalt der Baulast hinreichend bestimmt. Die Errichtung eines landwirtschaftlichen Geräteschuppens mag Anlass für die Einräumung der Baulast gewesen sein. Hierauf ist die Duldungspflicht der Antragstellerin aber nicht - was möglich gewesen wäre - beschränkt worden (vgl. Senatsbeschl. v. 19.7.2021 - 1 ME 75/21 - NVwZ-RR 2021, 966 = juris Rn. 12). Dass eine Beschränkung zudem nicht gewollt war, wird deutlich, wenn man die Erweiterung der Baulast im Oktober 2018 einbezieht; hier spricht der zugehörige Lageplan von einem „Anbau an einen bestehenden Wildhandel“. Offenbar gingen demzufolge noch zu diesem Zeitpunkt alle Beteiligten davon aus, dass die Baulastbewilligung nicht auf einen Geräteschuppen begrenzt war und auch nicht begrenzt werden sollte.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, weil sich der Beigeladene im Beschwerdeverfahren nicht durch eigene Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt oder das Verfahren sonst durch eigenständige Ausführungen zur Sache gefördert hat.

Es besteht kein Anlass, die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen in erster Instanz auferlegt, weil der anwaltlich vertretene Beigeladene in erster Instanz einen eigenen Antrag gestellt und die ihm erteilte Nutzungsänderungsgenehmigung verteidigt hat. Die Antragstellerin wendet gegen diese Kostenentscheidung ein, die Auferlegung der Kosten entspreche nicht der Billigkeit, weil sich der Beigeladene nicht redlich verhalte, indem er das Gericht im Unklaren über seine wahre Intention lasse, nämlich die Errichtung eines überörtlich tätigen, industriemäßigen Unternehmens mit einem großen Kundenkreis. Abgesehen davon, dass sich der Vortrag der Antragstellerin in Spekulationen und unbelegten Anschuldigungen erschöpft, sind im Rahmen der Billigkeitsentscheidung gemäß § 162 Abs. 3 VwGO nur die genannten Kriterien zu berücksichtigen.

Die Streitwertfestsetzung, die der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung folgt, folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).