Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 22.02.2023, Az.: 2 B 245/22

Anlage für soziale Zwecke; Gebietserhaltungsanspruch; Gebietsverträglichkeit; faktisches Mischgebiet; Nachbarschutz; Rücksichtnahmegebot; Ruhezone; Stellplätze; Zulässigkeit einer Pflegeeinrichtung im faktischen Mischgebiet

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
22.02.2023
Aktenzeichen
2 B 245/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 11973
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2023:0222.2B245.22.00

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Erteilung einer Baugenehmigung für ein Gebäude, in dem eine Pflegeeinrichtung betrieben werden und das darüber hinaus Seniorenwohnungen enthalten soll.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des von ihr selbst bewohnten Zweifamilienhauses F. 40 in A-Stadt (Gemarkung A-Stadt, Flur 6, Flurstück 194/4) und des südlich angrenzenden, mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks G. 2 (Flurstück 194/3). Westlich des Grundstücks F. 40 grenzen das an der Straße F. gelegene, ebenfalls mit einem Mehrfamilienhaus bebaute Grundstück F. 38 sowie das etwa 3600 m2 große, aus den Flurstücken 195/3 und 198/5 bestehende Grundstück F. 32 an. Auf dem Grundstück F. 32 befinden sich die Gewächshäuser einer mittlerweile aufgegebenen Gärtnerei.

Ein Bebauungsplan existiert für den betreffenden Bereich, der im Osten durch den G. und im Westen durch die H. straße begrenzt wird, nicht. Der südlich der Grundstücke G. 2 und F. 32 angrenzende Bereich ist durch den Bebauungsplan "I." überplant, der in seinem nördlichen Teil ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. Östlich des G. s beginnt der Geltungsbereichs des Bebauungsplans "J. weg", der den an der Straße F. gelegenen Bereich als Mischgebiet und den südlich davon gelegenen Bereich als reines Wohngebiet festsetzt. Nördlich des unbeplanten Bereichs und einschließlich der Straße F. gilt der Bebauungsplan "K.", der in seinem südlichen, an die Straße F. angrenzenden Bereich Mischgebiet festsetzt. Westlich schließt sich unmittelbar an das Grundstück L. 30 der Bebauungsplan 65 "Stadtring-Teilbereich H. straße/M. straße/F." an.

Auf dem westlich des Grundstücks F. 32 gelegenen Grundstück F. 24 befinden sich eine Tankstelle und eine Kfz-Reparaturwerkstatt. Im hinteren Bereich des daran angrenzenden Grundstücks L. 40 befindet sich eine Garagenanlage mit mindestens 20 Garagen. Nordwestlich des Grundstücks F. 32 wird auf dem Grundstück F. 19, das innerhalb des durch den Bebauungsplan "K." festgesetzten Mischgebiets liegt, ein größeres Autohaus betrieben. Auf den von dort aus östlich gelegenen Grundstücken F. 29 und 31 wird ein Steinmetzbetrieb geführt.

Im Februar 2022 beantragte die Beigeladene bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Baugenehmigung zum Neubau einer Pflegeeinrichtung mit 88 Wohneinheiten und einem "Service Wohnen" mit neun Wohneinheiten sowie einer Tiefgarage mit 11 Pkw-Stellplätzen. Sieben weitere Stellplätze sollten an der Ostseite des Grundstücks an der Grenze zum Grundstück der Antragstellerin oberirdisch eingerichtet werden. Die Antragstellerin wandte sich gegen dieses Vorhaben und führte aus, es verletze sie in ihrem Gebietserhaltungsanspruch. Das geplante dreigeschossige Gebäude füge sich nicht in die Umgebung ein, die durch zweigeschossige Häuser in offener Bauweise geprägt sei. Der an der Südseite mehr als 60 m lange Gebäuderiegel überschreite die bei offener Bauweise zulässige Länge und sei in der Nachbarschaft ohne Vorbild. Sie befürchte eine Verschattung ihrer beiden Grundstücke. Die Anlage der Tiefgaragenzufahrt am östlichen Grundstücksende sei rücksichtslos, da die entstehenden Lärmimmissionen auf ihr Grundstück und insbesondere dessen Südseite einwirkten, wo mit einer Terrasse und einem Garten eine Erholungszone bestehe. An diesen Erholungsbereich unmittelbar angrenzend seien zudem oberirdische Kfz-Stellplätze geplant. Entsprechende Plätze im hinteren Grundstücksteil seien in der Umgebung nicht vorhanden. Es sei zu befürchten, dass der entstehende Verkehrslärm durch die Zulieferung zu den Versorgungsbereichen der Pflegeeinrichtung verstärkt würde, wobei auch mit Lkw-Verkehr zu rechnen sei. Ein Konzept zur nachbarschaftserträglichen Ausgestaltung des Verkehrs existiere nicht. In der Folge passte der Vorhabenträger die Bauantragsunterlagen insoweit an, als der Grenzabstand der oberirdischen Parkflächen auf 2,5 m vergrößert und eine Abschirmung der Plätze durch die Anpflanzung einer Hecke geplant wurde.

Die Bauantragsunterlagen enthielten eine Betriebsbeschreibung, wegen deren Inhalts auf Bl. 201 der Beiakte 001 Bezug genommen wird.

Die untere Immissionsschutzbehörde der Antragsgegnerin kam in einer Stellungnahme vom 25.10.2022, überarbeitet am 02.11.2022, zu dem Ergebnis, im Bereich des Grundstücks der Antragstellerin sei durch den Betrieb der Einrichtung ein Beurteilungspegel von maximal 49 dB(A) am Tag und von 40 dB(A) nachts zu erwarten. Allerdings lägen die möglichen kurzzeitigen Geräuschspitzen in der Nachtzeit mit 73 dB(A) über den zulässigen Richtwerten, wofür die Nutzung des Parkplatzes ausschlaggebend sei.

Unter dem 28.10.2022 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung. Diese enthielt unter Nr. 44 die Auflage, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass sich die Fahrbewegungen auf den Einstellplätzen entlang der östlichen Grundstücksgrenze auf den Tageszeitraum (6 - 22 Uhr) beschränkten. Durch Nebenbestimmung Nr. 45 wurde der Beigeladenen aufgegeben, die Immissionsrichtwerte der TA-Lärm von tagsüber 55 dB(A) und nachts 40 dB(A) bezüglich der nächstgelegenen Wohnbebauung nicht zu überschreiten.

Am 15.11.2022 erhob die Antragstellerin hiergegen Widerspruch, den die Antragsgegnerin durch Widerspruchsbescheid vom 13.02.2023 zurückwies.

Durch Bescheid vom 09.11.2022, wegen dessen Inhalts auf Bl. 347 ff. der Beiakte 001 Bezug genommen wird, lehnte die Antragsgegnerin einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung ab.

Am 25.11.2022 hat die Antragstellerin um Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung trägt sie vor, der betreffende Bereich sei als faktisches Baugebiet nach § 34 Abs. 2 des Baugesetzbuchs (BauGB) anzusehen und sie berufe sich auf die Verletzung ihres Anspruchs auf Wahrung der Gebietsart. Es handele sich nur bei den neun geplanten Service-Wohnungen um Wohnnutzung, im Schwerpunkt jedoch um eine Anlage für soziale Zwecke. Die Nutzer der 88 Einzelzimmer seien pflegebedürftig und könnten nicht selbständig für sich sorgen und ihren Alltag bewältigen. Anders als die Antragsgegnerin meine, handele es sich bei dem Bereich nicht um ein Mischgebiet, das etwa gleichwertig durch gewerbliche und durch Wohnnutzung geprägt sei. Vielmehr sei die nähere Umgebung nahezu ausschließlich durch Wohnen geprägt. Die Gebäude der aufgegebenen Gärtnerei müssten dabei unberücksichtigt bleiben. Es sei daher von einem allgemeinen Wohngebiet auszugehen. Zwar seien Anlagen für soziale Zwecke auch in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig. Der geplante Betrieb solle jedoch eine Größe erhalten, die in einer durch Ein- oder Zweifamilienhäuser geprägten Umgebung nicht gebietsverträglich sei. Dies gelte insbesondere wegen des angesichts der Zahl der dort tätigen Personen zu erwartenden Zu- und Abgangsverkehrs. Das Vorhaben genüge auch nicht den Schallschutzanforderungen. Das Anlegen der Tiefgaragenzufahrt wäre angesichts der zu erwartenden Lärmimmissionen rücksichtslos. Der Lärm würde auch auf die südlich ihres Hauses F. 40 gelegene Ruhezone einwirken. Auch die oberirdischen Parkplätze wären rücksichtslos, zumal die von dort zu erwartenden Störungen durch die vom Anlieferverkehr verursachten Immissionen verstärkt würden. Die Nebenbestimmungen Nr. 44 und 45 zur Baugenehmigung seien unbestimmt, da nicht geregelt sei, wie das gewünschte Ergebnis erreicht werden solle, und das Vollzugsrisiko daher den Nachbarn auferlegt werde. Abschirmende Maßnahmen seien nicht verbindlich geplant und fänden keine Verankerung in der Baugenehmigung. Es sei auch nicht geregelt, dass die oberirdischen Plätze nur den Mitarbeitern der Einrichtung zur Verfügung gestellt werden sollten.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Klage gegen die Baugenehmigung vom 28.10.2022 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie ist der Auffassung, die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Mischgebiet, in dem die Pflegeeinrichtung als Wohngebäude oder als Anlage für soziale und gesundheitliche Zwecke zulässig sei. Auch die Anforderungen gemäß § 34 Abs. 1 BauGB seien erfüllt, insbesondere füge sich das Gebäude in die Eigenart der näheren Umgebung ein.

Die Beigeladene hat sich nicht geäußert und stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Der nach § 80a Abs. 3 Sätze 1 und 2, Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO und § 212a BauGB statthafte Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere hat die Antragstellerin vor Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes das nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 80 Abs. 6 VwGO erforderliche behördliche Aussetzungsverfahren nach § 80 Absatz 4 VwGO erfolglos durchlaufen. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen. Die gerichtliche Entscheidung ergeht dabei auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Abzuwägen ist das Interesse des Nachbarn an einer vorläufigen Verhinderung der Umsetzung der von ihm für rechtswidrig gehaltenen Baumaßnahme gegen das Interesse des Bauherrn an der alsbaldigen Fertigstellung des Vorhabens. Dabei kommt es im Regelfall darauf an, ob der Nachbarklage hinreichende Erfolgsaussichten beizumessen sind, weil die angefochtene Baugenehmigung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht und die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz der Nachbarn dient, ihr also drittschützende Wirkung zukommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.10.1989 - 4 C 14/87 -, juris Rn. 9); eine objektive Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung reicht nicht aus. Hier ist die Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift durch das Bauvorhaben nicht überwiegend wahrscheinlich, sodass es bei der in §§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 212a BauGB vorgenommenen Wertung verbleibt, wonach ein besonderes Vollzugsinteresse besteht.

1. Verstöße gegen die Vorschriften der Nds. Bauordnung (NBauO) hat die Antragstellerin nicht gerügt; sie hat im Verwaltungsverfahren lediglich die Befürchtung der Verschattung ihrer Grundstücke geäußert. Derartige Verstöße drängen sich der Kammer bei der im vorliegenden Verfahren nur notwendigen summarischen Überprüfung auch nicht auf. Insbesondere gilt dies für die bauordnungsrechtlichen Regelungen zu den Grenzabständen. Nach § 5 Abs. 1 NBauO müssen Gebäude mit allen auf ihren Außenflächen oberhalb der Geländeoberfläche gelegenen Punkten von den Grenzen des Baugrundstücks Abstand halten, der zur nächsten Lotrechten über der Grenzlinie zu messen ist; er richtet sich jeweils nach der Höhe des Punkts über der Geländeoberfläche (H) und darf auf volle 10 cm abgerundet werden. Der Abstand beträgt 0,5 H, mindestens jedoch drei Meter (§ 5 Abs. 2 Satz 1 NBauO). Das geplante Gebäude rückt ausschließlich im südöstlichen Bereich des Baugrundstücks mit den "Service-Wohnungen" an das Grundstück der Antragstellerin heran und hält die notwendigen Grenzabstände in östlicher Richtung im Übrigen ersichtlich ein. Dasselbe gilt für den südöstlichen Gebäudeteil, der bei einer Höhe von 10 m einen Grenzabstand von 5 m wahrt. Das nach Westen leicht ansteigende Dach bleibt dabei außer Betracht, weil dessen Neigung weniger als 63° beträgt (vgl. Breyer in Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 5 Rn. 46).

2. Die Baugenehmigung verstößt auch nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.

a) Soweit die Antragstellerin der Ansicht ist, das geplante Vorhaben widerspreche dem Charakter des Baugebiets, und sich auf einen Gebietserhaltungsanspruch beruft, gilt Folgendes:

Da für das Gebiet kein Bebauungsplan besteht, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 BauGB. Gemäß § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der aufgrund des § 9a BauGB erlassenen Verordnung (der Baunutzungsverordnung - BauNVO) bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Abs. 1 entsprechend anzuwenden (§ 34 Abs. 2 BauGB). Da es sich um einen unbeplanten Bereich handelt, ist die Baunutzungsverordnung in der im Zeitpunkt der Entscheidung über das Vorhaben geltenden Fassung anzuwenden (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: August 2022, Vorbemerkungen zur Baunutzungsverordnung Rn. 3 und 4 sowie § 34 BauGB Rn. 77).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, juris Rn. 12 f.) besitzt die Festsetzung von Baugebieten durch Bebauungspläne drittschützende Wirkung und vermittelt dem Nachbarn einen Rechtsanspruch auf die Bewahrung der Gebietsart; derselbe Nachbarschutz besteht im unbeplanten Innenbereich, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht. Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass die Gebietsfestsetzungen nach der Baunutzungsverordnung die Planbetroffenen oder die Grundstückseigentümer in einem unbeplanten Bereich nach § 34 Abs. 2 BauGB zu einer Gemeinschaft verbindet, in der die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten dadurch ausgeglichen wird, dass auch die anderen Eigentümer denselben Beschränkungen unterworfen sind. Der auf die Erhaltung der Gebietsart gerichtete Nachbarschutz setzt also Gebiete voraus, die - wie die Baugebiete der Baunutzungsverordnung - durch eine einheitliche bauliche Nutzung gekennzeichnet sind. Daran fehlt es im unbeplanten Innenbereich nach § 34 Abs. 1 BauGB (BVerwG, Beschluss vom 28.07.1999 - 4 B 38/99 -, juris Rn. 5).

Der Abwehranspruch des Nachbarn wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsart unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebietes eingeleitet wird. Anders als der durch das Rücksichtnahmegebot (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, siehe unten) erwachsende Nachbarschutz setzt der Anspruch auf die Bewahrung der Gebietsart nicht voraus, dass das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall bereits zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung von Nachbarrechten führt (BVerwG, Beschluss vom 11.04.1996 - 4 B 51/96 -, juris Rn. 10).

Nach der zuvor dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann Nachbarschutz im Hinblick auf die Wahrung des Gebietscharakters im unbeplanten Innenbereich nur gewährt werden, wenn es sich um ein Gebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB handelt. Die Anwendbarkeit von § 34 Abs. 2 BauGB setzt grundsätzlich voraus, dass sich die Eigenart der näheren Umgebung eindeutig in eine der typisierten Gebietskategorien der BauNVO einordnen lässt; ist dies nicht möglich, ist die Zulässigkeit des Vorhabens ausschließlich nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen (Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, 15. Aufl. 2022, § 34 Rn. 60). Hier entspricht die nähere Umgebung nach summarischer Prüfung einem in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Gebiet, sodass sich die Antragstellerin grundsätzlich auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen kann.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts reicht die nähere Umgebung so weit, wie sich - erstens - die Ausführung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens auf sie auswirken kann und - zweitens - die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (BVerwG, Urteil vom 05.12.2013 - 4 C 5/12 -, juris Rn. 10 m.w.N.). Das Gericht betrachtet zur Bestimmung der näheren Umgebung zunächst das Areal südlich der Straße F. bis zum Beginn des Geltungsbereichs des Bebauungsplans "I.". Hier endet in südlicher Richtung das Nebeneinander von Wohn- und gewerblicher Nutzung und es schließt sich ein ausschließlich der Wohnnutzung dienender Bereich an. Im Westen wird die nähere Umgebung durch den Stadtring (H. straße) begrenzt. Im Norden und im Osten endet der unbeplante Bereich an den Straßen F. und G.. Die Kammer bezieht jedoch auch das Mischgebiet nördlich der Straße F. (Bebauungsplan "K.") in ihre Betrachtungen ein und berücksichtigt des Weiteren, dass auch im nördlichen Teil des östlich gelegenen Plangebiets "J. weg" ein Mischgebiet festgesetzt ist. Sie darf dies tun, weil die Eigenart des Gebiets auch durch Vorhaben bestimmt sein kann, die in einem angrenzenden, nach § 30 Abs. 1 zu beurteilenden Gebiet mit Bebauungsplänen errichtet wurden (BVerwG, Urteil vom 31.10.1975 - 4 C 16.73 -, juris Ls. und Rn. 15; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 34 Rn. 36).

Die Antragsgegnerin meint, dass die nähere Umgebung des Bauvorhabens einem Mischgebiet i. S. von § 6 BauNVO entspricht, während die Antragstellerin von einem faktischen allgemeinen Wohngebiet (§ 4 BauNVO) ausgeht. Allgemeine Wohngebiete dienen gemäß § 4 Abs. 1 BauNVO vorwiegend dem Wohnen. Zulässig sind gemäß § 4 Abs. 2 BauNVO Wohngebäude (Nr. 1), die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe (Nr. 2) sowie Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke (Nr. 3). Ausnahmsweise können nach § 4 Abs. 3 BauNVO u. a. sonstige nicht störende Gewerbebetriebe (Nr. 2) und Tankstellen (Nr. 5) zugelassen werden. Demgegenüber dienen Mischgebiete gemäß § 6 Abs. 1 BauNVO dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Zulässig sind nach § 6 Abs. 2 BauNVO u. a. Wohngebäude (Nr. 1), sonstige Gewerbebetriebe (Nr. 4), Anlagen für Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke (Nr. 5) und Tankstellen (Nr. 7).

Die Kammer geht nach Auswertung des vorliegenden Karten- und Bildmaterials für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes davon aus, dass die nähere Umgebung einem Mischgebiet entspricht. Zwar sind südlich der Straße F. im nicht überplanten Bereich mehr als 10 Wohngebäude vorhanden, sodass dort - worauf die Antragstellerin hinweist - anzahlmäßig die Wohnnutzung überwiegt. Gegen ein (faktisches) allgemeines Wohngebiet und für ein Mischgebiet spricht jedoch, dass dort mehrere Nutzungen vorhanden sind, die in einem allgemeinen Wohngebiet nicht oder nur ausnahmsweise zulässig sind.

Dies gilt zunächst für die auf dem Grundstück F. 24 betriebene Kfz-Reparaturwerkstatt. Derartige Werkstätten können, sofern sie das Wohnen nicht wesentlich stören, in Mischgebieten bzw., sofern sie besonders geräuschintensive und störende Arbeiten wie z. B. Karosseriereparaturen durchführen, in Gewerbe- oder Industriegebieten zulässig sein. Dagegen ist im Regelfall nicht davon auszugehen, dass es sich um nicht störende Gewerbebetriebe handelt, die in einem allgemeinen Wohngebiet auch nur ausnahmsweise zulässig wären (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.04.1975- IV B 37.75 -, juris Rn. 4; Fickert/Fieseler, BauNVO, 13. Aufl. 2019, § 4 Rn. 4.4 und § 6 Rn. 23.1; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 4 BauNVO Rn. 74 und 123). Dafür, dass dies hier ausnahmsweise anders sein könnte, weil die Werkstatt ausschließlich auf nicht störende Arbeiten wie z. B. Elektroreparaturen oder Achsvermessungen spezialisiert ist, bestehen keine Anhaltspunkte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass dort auch Arbeiten durchgeführt werden, die in einem Wohngebiet störend wirken würden.

Auch die auf dem Grundstück L. 40 vorhandene Garagenanlage wäre in einem allgemeinen Wohngebiet unzulässig. Gewerbliche Garagenanlagen - angesichts der Größe liegt eine gewerbliche Nutzung nahe - mögen in Misch-, Kern- oder Gewerbegebieten zulässig sein (vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O., § 8 Rn. 5). In allgemeinen Wohngebieten sind Garagen dagegen gemäß § 12 Abs. 2 BauNVO nur für den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf zulässig. Zwar ist davon auszugehen, dass in diesem Sinn Garagen nach Zahl und Umfang zulässig sind, um den Bedarf der Bewohner des Wohngebiets der näheren Umgebung zu befriedigen (Fickert/Fieseler, a.a.O., § 12 Rn. 6). Dies führt hier aber nicht zu der Annahme, dass die Garagenanlage in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig wäre. Die Größe der Anlage spricht dagegen, dass sie lediglich den Bedarf der in der näheren Umgebung vorhandenen Wohnhäuser decken soll, zumal diese zumindest teilweise eigene Garagen und Stellplätze besitzen. Dies gilt beispielsweise für die Grundstücke der Klägerin, auf denen sich am G. fünf und am F. weitere zwei Pkw-Garagen befinden, für das Haus F. 38, in dessen hinterem Bereich überdachte Stellplätze vorhanden sind, und für das Grundstück F. 30, in dessen hinterem Bereich zwei Garagen vorzufinden sind.

Die auf dem Grundstück F. 24 betriebene Tankstelle fügt sich in die Mischnutzung durch Reparaturwerkstatt und Garagenanlage ein und wäre in einem Mischgebiet ohne Weiteres, in einem allgemeinen Wohngebiet dagegen nur ausnahmsweise zulässig. Auch sie spricht für den Charakter des Gebiets als faktisches Mischgebiet (vgl. Ficker/Fieseler, a.a.O., § 4 Nr. 10 und § 2 Rn. 23/23.1).

Nördlich der Straße F. liegt auf dem Grundstück F. 19 auf mehreren Flurstücken mit einer Gesamtgröße von etwa 6000 m2 ein Autohaus, das große Ausstellungsflächen für Pkw besitzt und angesichts der von ihm ausgehenden Störungen in einem Wohngebiet ersichtlich unzulässig wäre. Des Weiteren wird auf den Grundstücken F. 29 und 31 ein Steinmetzbetrieb geführt, in dem u. a. Grabsteine hergestellt werden. Es liegt auf der Hand, dass es sich hierbei angesichts der zu erwartenden Geräuschemissionen beispielsweise durch den Betrieb einer Steinschneidemaschine ebenfalls nicht um einen nicht störenden Betrieb handelt, der in einem Wohngebiet zulässig wäre. Die Kammer bezieht diese Betriebe in ihre Betrachtung ein, obwohl sie auf der nördlichen Seite der Straße F. innerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans liegen. Nach vorläufiger Einschätzung hat die Straße hier hinsichtlich der beidseitigen Nutzungen keine trennende Wirkung. Vielmehr besteht der Eindruck, als hätten sich sowohl auf der nördlichen als auf der südlichen Seite der östlichen Einfallstraße nach A-Stadt im Lauf der Zeit neben der Wohnbebauung verschiedene gewerbliche Nutzungen zum Teil nicht unerheblichen Umfangs angesiedelt (vgl. insoweit auch die Begründung des Bebauungsplans "K.", S. 38, Ziffer 1.6 Abs. 2), die in einem allgemeinen Wohngebiet unzulässig wären. Im gesamten Bereich bis zum südlich angrenzenden Bebauungsplan "I." hat sich eine Mischnutzung herausgebildet, die durch die Straße eher verbunden, jedenfalls aber nicht getrennt wird. Für ein durchgehendes Mischgebiet entlang der Straße F. spricht auch, dass im nördlichen, straßenseitig gelegenen Teil des Bebauungsplans "J. weg" gleichfalls ein Mischgebiet vorhanden ist. Schließlich wird der unbeplante Bereich südlich der Straße F. im Flächennutzungsplan der Antragsgegnerin als gemischte Baufläche (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 BauNVO) dargestellt.

Die noch vorhandenen Gebäude des aufgegebenen Gartenbaubetriebs lässt das Gericht bei der Bewertung des Gebietscharakters unberücksichtigt, da ihre frühere Nutzung aufgegeben worden und mit ihrer Wiederaufnahme nicht mehr zu rechnen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.05.1988 - 4 CB 12/88 -, juris Rn. 4; BayVGH, Urteil vom 21.06.2007 - 26 B 05.3262 -, juris Rn. 13 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 02.03.2001 - 7 A 2432/99 -, juris Rn. 34 f.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 10.12.2004 - 3 M 209/04 -, juris Rn. 14; jeweils m.w.N.).

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin wird in der näheren Umgebung zum geplanten Vorhaben auch das Erfordernis der Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit der beiden im Mischgebiet zulässigen Hauptnutzungsarten - des Wohnens und des das Wohnen nicht wesentlich störenden Gewerbes - gewahrt. Das (auch faktische) Mischgebiet dient gleichrangig und gleichgewichtig dem Wohnen und dem Gewerbe. Das setzt zum einen eine wechselseitige Rücksichtnahme der einen Nutzung auf die andere und auf deren Bedürfnisse voraus, bedeutet zum anderen aber auch, dass keine der Nutzungsarten ein deutliches Übergewicht über die andere gewinnen soll (std. Rspr. des BVerwG, z. B. Urteil vom 04.05.1988 - 4 C 34/86 -, juris Rn. 18 f. m.w.N.; Beschluss vom 11.04.1996 - 4 B 51/96 -, juris Rn. 5 ff.; Urteil vom 25.11.1983 - 4 C 64/79 -, juris Rn. 9; vgl. auch Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 6 BauNVO Rn. 10 b; Fickert/Fieseler, a.a.O., § 6 Rn. 1.3 ff.). Nicht notwendig ist dagegen, dass die Nutzungsarten exakt gleichwertig vertreten sind (BVerwG, Urteil vom 04.05.1988, a.a.O. Rn. 19). Vorliegend überwiegt zwar die Wohnnutzung auf den im betreffenden Bereich liegenden Grundstücken anzahlmäßig. Es sind jedoch auch mehrere erheblich gebietsprägende Gewerbebetriebe vorhanden, sodass ein deutliches Übergewicht der Wohnnutzung nicht erkennbar ist.

Der Bereich wird nach alledem von einem Nebeneinander von Wohnnutzung und mischgebietstypischer gewerblicher Nutzung geprägt, sodass sich insgesamt der Eindruck eines faktischen Mischgebiets - und nicht eines allgemeinen Wohngebiets oder eines nicht eindeutig zuzuordnenden Bereichs, der nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen wäre - ergibt.

Die Antragstellerin kann sich jedoch nicht mit Erfolg auf eine Verletzung ihres Gebietserhaltungsanspruchs berufen, denn das Vorhaben der Beigeladenen erweist sich als im faktischen Mischgebiet gebietsverträglich. Wie bereits dargelegt, sind gemäß § 6 Abs. 2 BauNVO in Mischgebieten sowohl Wohngebäude als auch Anlagen für soziale Zwecke zulässig. Die Kammer teilt die Auffassung der Antragstellerin, es handele sich bei der geplanten Einrichtung nur teilweise - nämlich im Hinblick auf die neun Service-Wohnungen - um ein Wohngebäude und im Übrigen um eine Anlage für soziale Zwecke.

Der Begriff des Wohnens ist durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie Freiwilligkeit des Aufenthalts gekennzeichnet. Diese Definition ist aus der Abgrenzung zu anderen planungsrechtlichen Nutzungsformen (Beherbergung, Heimunterbringung, Formen der sozialen Betreuung und Pflege) entwickelt worden. Sie soll den Bereich des Wohnens als Bestandteil der privaten Lebensgestaltung kennzeichnen. Gemeint ist damit die Nutzungsform des selbstbestimmt geführten privaten Lebens "in den eigenen vier Wänden", die auf eine gewisse Dauer angelegt ist und keinem anderen in der Baunutzungsverordnung vorgesehenen Nutzungszweck verschrieben ist, insbesondere keinem Erwerbszweck dient. Die Kriterien müssen diejenigen erfüllen, denen die Unterkunft als Heimstätte dient (std. Rspr. des BVerwG, vgl. Beschluss vom 25.03.1996 - 4 B 302/95 -, juris Ls. 2 und Rn. 12; Beschluss vom 25.03.2004 - 4 B 15/04 -, juris Rn. 4; Beschluss vom 20.12.2016 - 4 B 49/16 -, juris Rn. 7).

Gemäß § 3 Abs. 4 BauNVO gehören zu den nach § 3 Abs. 2 sowie den §§ 2 und 4 bis 7 BauNVO zulässigen Wohngebäuden auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen. Die Regelung soll verdeutlichen, dass sich die Zweckbestimmungen Betreuung und Pflege einerseits und Wohnen andererseits im System der Nutzungsbegriffe nicht gegenseitig ausschließen. Heime für betreuungs- und pflegebedürftige Menschen können Wohngebäude sein, auch wenn das Nutzungskonzept Elemente beider Nutzungsarten vorsieht. Zweck des § 3 Abs. 4 BauNVO ist es, den städtebaulichen Wohnbegriff auf Verhältnisse zu erstrecken, in denen in einem Wohngebäude der Betreuungs- und Pflegezweck vorherrscht. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die konkrete Nutzung die Anforderungen des planungsrechtlichen Wohnbegriffs erfüllen muss, was voraussetzt, dass den Bewohnern eines Heims oder einer vergleichbaren Institution ungeachtet ihres Pflege- oder Betreuungsbedarfs neben der Freiwilligkeit und der Dauerhaftigkeit des Aufenthalts ein Mindestmaß an häuslicher, selbstbestimmter Lebens- und Haushaltsführung möglich ist. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach dem Nutzungskonzept für das Gebäude (Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 3 BauNVO Rn. 65).

Demgegenüber dienen Anlagen für soziale Zwecke in einem weiten Sinn der sozialen Fürsorge und der öffentlichen Wohlfahrt. Es handelt sich um Nutzungen, die auf Hilfe, Unterstützung, Betreuung und ähnliche fürsorgerische Maßnahmen ausgerichtet sind. Als typische Beispiele werden Einrichtungen für alte Menschen und andere Personengruppen angesehen, die ein besonderes soziales Angebot wahrnehmen wollen (BVerwG, Beschluss vom 26.07.2005 - 4 B 33/05 -, juris Rn. 5; Nds. OVG, Beschluss vom 22.09.2022 - 1 ME 90/22 -, juris Rn. 12).

Insbesondere das die Wohnnutzung kennzeichnende Merkmal "Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises" trifft nach der Betriebsbeschreibung der Beigeladenen nur auf die Bewohnerinnen und Bewohner der Service-Wohnungen, nicht jedoch auf die Nutzer der 88 Einzelzimmer zu. Die Service-Wohnungen sollen an die Nutzer vermietet und jeweils mit einem Wohn- und Koch- sowie einem Schlafbereich ausgestattet werden, wobei sechs Wohnungen für Einzelpersonen und drei Wohnungen für (wohl) zwei Bewohnerinnen/Bewohner geplant sind. Diesen werden Service-Angebote für hauswirtschaftliche, organisatorische und pflegerische Leistungen gemacht, wobei der Umfang je nach individuellem Bedarf frei wählbar ist. In diesen Wohnungen können die Mieter sich selbst versorgen und in vergleichbarer Weise leben wie in jeder anderen Mietwohnung. Selbst wenn Pflegeangebote im Lauf der Zeit zunehmend in Anspruch genommen würden, wäre im Hinblick auf § 3 Abs. 4 BauNVO weiterhin von einer Wohnnutzung auszugehen. Dagegen sollen die Einzelzimmer im Rahmen einer zugelassenen Pflegeeinrichtung (vgl. § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB XI) genutzt werden. In ihnen sollen pflegebedürftige Personen aller Pflegegrade untergebracht werden. Die Zimmer werden nicht mit Kochgelegenheiten ausgestattet. Die Versorgung der Nutzerinnen und Nutzer erfolgt durch eine betriebseigene Großküche, die alle Mahlzeiten einschließlich der Getränkeversorgung abdeckt und in der auch das Geschirr gereinigt wird. Die Reinigung der Räume wird durch externe Dienstleister vorgenommen, diejenige der Wäsche durch eine Wäscherei. Die gesäuberte Wäsche wird durch Mitarbeiter der Einrichtung bis in die Schränke der Pflegebedürftigen verteilt. In den Zimmern findet danach unabhängig davon, welcher Pflegegrad den Bewohnerinnen und Bewohnern zuerkannt worden ist, keine Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises statt. Sie dienen nicht der Wohnnutzung, sondern der sozialen Fürsorge für Menschen mit besonderem Unterstützungs- und Betreuungsbedarf. Insoweit handelt es sich bei dem geplanten Vorhaben um eine Einrichtung für soziale Zwecke i. S. v. § 6 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO.

Die geplante Nutzung ist auch gebietsverträglich. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 28.02.2008 - 4 B 60/07 -, juris Rn. 5 f.; Urteil vom 21.03.2002 - 4 C 1/02 -, juris Rn 12 ff. m.w.N.) und des Nds. Oberverwaltungsgerichts (Beschlüsse vom 22.09.2022 - 1 ME 90/22 -, juris Rn. 15 und vom 03.11.2021 - 1 ME 42/21 -, juris Rn. 7) ist die Gebietsverträglichkeit ungeschriebenes Erfordernis jeder nach dem Wortlaut der Absätze 2 und 3 der §§ 2 ff. BauNVO zulässigen Nutzung. Die Nutzung muss mit dem Charakter zu vereinbaren sein, den der Gesetzgeber im jeweiligen Absatz 1 der genannten Vorschriften einem Baugebiet mit dem Ziel vorgegeben hat, dort ein verträgliches Nebeneinander der nebeneinander statthaften Nutzungen zu ermöglichen. Der dort beschriebenen typischen Funktion des jeweiligen Baugebiets muss sich jede Regelnutzung, erst recht jede Ausnahmenutzung zu- und unterordnen. Ihre Zulassung hängt dementsprechend in besonderem Maß von ihrer Immissionsverträglichkeit ab. Zu würdigen ist mithin in jedem Fall, ob die typischerweise mit dem in Rede stehenden Vorhaben verbundenen Auswirkungen nach dessen räumlichem Umfang, der Größe seines (betrieblichen) Einzugsbereichs, der Art und Weise der Betriebsvorgänge, dem damit verbundenen Zu- und Abgangsverkehr sowie der Dauer all dieser Auswirkungen einschließlich ihrer Verteilung auf die Tages- und Nachtzeiten mit dem in Absatz 1 definierten Gebietscharakter zu vereinbaren sind. Zu fragen ist daher vorliegend, ob ein Vorhaben der von der Beigeladenen geplanten Art generell geeignet ist, das Wohnen in einem Mischgebiet zu stören. Dies ist nach Auffassung der Kammer nicht der Fall.

Der Umstand, dass sich in dem geplanten Gebäude bei voller Belegung etwa 100 Nutzer (88 Pflegebedürftige und bis zu 12 Bewohner der Service-Wohnungen) sowie während der stärker als die Nachtschicht besetzten Früh- und Spätschicht jeweils ca. 20 (und nicht, wie die Antragstellerin vorträgt, 60) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufhalten werden, führt nicht dazu, dass der Betrieb der Einrichtung in einem Mischgebiet unzulässig wäre, denn es ist nicht zu erwarten, dass von diesem Personenkreis Störungen ausgehen werden, die mit ins Gewicht fallender Intensität auf die Bewohner und Betreiber der umliegenden Wohnungen und Gewerbebetriebe einwirken wird. Dies gilt auch für die um 7.00 Uhr und um 22.00 Uhr stattfindenden Wechsel von Tag- und Nachtschicht sowie für den dritten Schichtwechsel etwa um 14.30 Uhr. Der mit dem Wechsel möglicherweise einhergehende Kfz-Verkehr wird voraussichtlich nicht das Maß dessen überschreiten, was in einem Mischgebiet hinzunehmen ist. Auch die Warenanlieferung, die zwei- bis dreimal wöchentlich mittels eines Kleintransporters durchgeführt werden soll, sowie die zweimal wöchentlich geplante Wäscheversorgung lässt keinen Kfz-Verkehr erwarten, der die Grenze des in einem Mischgebiet Zulässigen überschreitet. Ein wesentlicher Verkehr durch von den Nutzern der Service-Wohnungen evtl. unterhaltene Kraftfahrzeuge ist mit Blick auf die Anzahl der Bewohner und den Umstand, dass diese ihre Fahrzeuge angesichts ihres anzunehmenden gehobenen Alters voraussichtlich nicht extensiv nutzen werden, gleichfalls nicht zu erwarten.

Auch ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO ist nach summarischer Prüfung nicht zu erkennen. Danach sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Die allein für die Art, nicht aber das Maß der baulichen Nutzung geltende Bestimmung geht davon aus, dass - ausnahmsweise - Quantität in Qualität umschlagen, mithin die Größe einer baulichen Anlage die Art der baulichen Nutzung erfassen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.03.1995 - 4 C 3.94 -, juris Rn. 17). Auch diese Vorschrift ist nachbarschützend; sie vermittelt einen Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung eines Baugebiets (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.05.2002 - 4 B 86/01 -, juris Rn. 4 ff.; Nds. OVG, Beschlüsse vom 12.09.2022- 1 ME 48/22 -, juris Rn. 8, und vom 28.05.2014 - 1 ME 47/14 -, juris Rn. 13). Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass das Vorhaben hinsichtlich seiner Lage, seines Umfangs oder seiner Zweckbestimmung der Eigenart des (faktischen) Mischgebiets im konkreten Fall widerspricht.

b) Soweit die Antragstellerin im Verwaltungsverfahren vorgetragen hat, das Bauvorhaben füge sich nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die Umgebung ein, ist eine Verletzung nachbarschützender Normen ebenfalls nicht zu erkennen. Vorgaben zum Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, dienen regelmäßig nur öffentlichen städtebaulichen Belangen und entfalten Nachbarschutz nur im Rahmen des Rücksichtnahmegebots, welches seine gesetzliche Verankerung in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO gefunden hat (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit dem Urteil vom 26.05.1978 - IV C 9.77 -, BVerwGE 55, 369; Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O., Vorb §§ 29-38 Rn. 42 f.; Fickert/Fieseler, a.a.O. § 16 Rn. 58; vgl. auch Rieger in Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 34 Rn. 132 f.).

c) Auch eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme liegt bei summarischer Überprüfung nicht vor.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Die Vorschrift soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalls kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.2004 - 4 C 1/04 -, juris Rn. 22; Urteil vom 29.11.2012 - 4 C 8/11 -, juris Rn. 16). Eine Veränderung der Verhältnisse durch ein Vorhaben, das den Rahmen der Umgebungsbebauung wahrt und städtebaulich vorgegeben ist, ist regelmäßig als zumutbar hinzunehmen (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 12.09.2013 - 2 CS 13.1351 -, juris Rn. 6; VG München, Beschluss vom 27.08.2018 - M 8 SN 18.3539 -, juris Rn. 53).

Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots wegen einer Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung oder Besonnung oder wegen entstehender Einsichtmöglichkeiten scheidet in der Regel aus, wenn - wie hier - die bauordnungsrechtlich erforderlichen Abstandsflächen eingehalten werden (Nds. OVG, Beschluss vom 18.02.2009 - 1 ME 282/08 -, juris Rn. 43 m.w.N.). An dieser Rechtsprechung halten das Nds. Oberverwaltungsgericht wie auch die Kammer auch nach der Verringerung des Mindestabstands durch die am 13.04.2012 in Kraft getretene Neufassung der NBauO grundsätzlich fest (Nds. OVG, Urteil vom 30.05.2016 - 1 LB 7/16 -, juris Rn. 32; vgl. auch Urteil vom 26.07.2017 - 1 KN 171/16 -, juris Rn. 78 f.). Lediglich ausnahmsweise kann ein Vorhaben, das die landesrechtlichen Abstandsvorschriften einhält, gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.01.1999 - 4 B 128/98 -, juris Rn. 4). Ein solcher Ausnahmefall kann beispielsweise vorliegen, wenn das Gebäude im Hinblick auf das Grundstück des betroffenen Nachbarn eine erdrückende Wirkung hat. Das anzunehmen kommt nur in Betracht, wenn die genehmigte Anlage das Nachbargrundstück regelrecht abriegelt, d. h. dort ein Gefühl des Eingemauertseins oder eine Gefängnishofsituation hervorruft. Dem Grundstück muss gleichsam die Luft zum Atmen genommen werden. Dass es die bislang vorhandene Situation lediglich verändert, reicht hierfür nicht aus (Nds. OVG, Beschluss vom 15.01.2007 - 1 ME 80/07 -, juris Rn. 13 m.w.N.). Vielmehr muss die Wirkung des Gebäudes auf das Nachbargrundstück so übermächtig sein, dass das "erdrückte" Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem "herrschenden" Gebäude dominierte Fläche ohne eigene Charakteristik wahrgenommen wird (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.07.2013 - 7 B 477/13 -, juris Rn. 8 m.w.N.). Das Bundesverwaltungsgericht hat etwa eine erdrückende Wirkung in einem Fall bejaht, in dem neben einem 21/2-geschossigen Gebäude ein an der engsten Stelle nur 15 m entferntes 12-geschossiges Hochhaus unter Erteilung einer Befreiung von den entgegenstehenden Festsetzungen des zugrundeliegenden Bebauungsplanes genehmigt worden war (Urteil vom 13.03.1981 - 4 C 1/78 -, BRS 38, 186). Eine vergleichbare Situation ist hier offensichtlich nicht gegeben. Insbesondere hat die Antragsgegnerin unwidersprochen vorgetragen, die Firsthöhen der umliegenden Wohnhäuser einschließlich desjenigen der Antragstellerin überstiegen deutlich die Höhe des geplanten Gebäudes von 10 m.

Schließlich drängt sich vorliegend auch nicht auf, dass das Vorhaben im Hinblick auf die von der Antragstellerin befürchteten Emissionen durch den zu erwartenden Liefer- und Versorgungsverkehr sowie durch die Nutzung der Tiefgarage gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt. Die mit einer rechtlich zulässigen Bebauung verbundenen Beeinträchtigungen und Unannehmlichkeiten durch den dadurch verursachten An- und Abfahrtsverkehr sind im Regelfall hinzunehmen. Das gilt auch dann, wenn sich die verkehrliche Situation gegenüber dem bisherigen Zustand merklich verschlechtert. Die Grenze zur Rücksichtslosigkeit ist erst dann überschritten, wenn die Beeinträchtigungen und Störungen jedenfalls im Rahmen einer Gesamtschau der vom Objekt ausgehenden Belastungen unzumutbar sind (vgl. Nds. OVG, Beschlüsse vom 20.12.2013 - 1 ME 214/13 -, Rn. 12; vom 15.04.2010 - 1 ME 22/10 -, Rn. 43; vom 19.12.2006 - 1 ME 207/06 -, Rn. 51; jeweils bei juris).

Wie bereits dargelegt, sind unzumutbare Störungen durch den Lieferverkehr im Zusammenhang mit dem Betrieb der Altenpflegeeinrichtung nicht zu erwarten. Dass der Zu- und Abgangsverkehr zur Tiefgarage zu Lärmimmissionen führen wird, die die Grenze des Unzumutbaren überschreiten, ist ebenfalls nicht anzunehmen. Die Zufahrt zur Tiefgarage erfolgt von der Straße F. aus über eine Einfahrt, die bereits durch die stillgelegte Gärtnerei genutzt wurde und über die derzeit der Verkehr zu den hinter dem Haus F. 38 befindlichen überdachten Stellplätzen geführt wird. Im weiteren Verlauf soll der Fahrweg zur Garage abgesenkt und durch eine Mauer nach Osten abgegrenzt werden, die den Schall gegenüber dem Grundstück der Antragstellerin abschirmt. Diese Mauer und damit der östliche Rand des Fahrwegs sind etwa 15 m von der Grenze zum Grundstück der Antragstellerin und fast 19 m von der Südwestecke ihres Hauses F. 40 entfernt. Über die Hälfte der sich absenkenden Zufahrt hinweg wirken auch das Haus F. 38 sowie die Nebengebäude auf dem Grundstück der Antragstellerin selbst abschirmend. Danach befinden sich die die Rampe befahrenden Pkw bereits weitgehend unterhalb der Erdoberfläche, sodass sich die von ihnen ausgehenden Geräusche im Wesentlich nach oben und weniger in östliche Richtung ausbreiten dürften. Die Ein- und Ausfahrt über die einspurige Rampe soll durch eine Lichtzeichenanlage gesteuert werden, wobei die einfahrenden Fahrzeuge Priorität erhalten sollen. Dadurch wird gewährleistet, dass es nicht zu längeren Wartezeiten von Fahrzeugen einschließlich entsprechender Geräusch- und Abgasemissionen am äußeren Ende der Einfahrt kommen wird. Aus vorstehenden Gründen liegt fern, dass die durch die Nutzung der Zufahrt auf das Grundstück der Antragstellerin einwirkenden Immissionen das Maß des Zumutbaren übersteigen.

Hinsichtlich der Immissionen durch die Nutzung der oberirdisch geplanten Stellplätze ist derzeit offen, ob die Zumutbarkeitsgrenze überschritten ist. Dies führt jedoch nicht zum Erfolg des Antrags. Regelmäßig sind die durch die Nutzung von Stellplätzen hervorgerufenen Immissionen sogar in ruhigen Wohngebieten von den Bewohnern zu tolerieren und begründen - vorbehaltlich besonderer Verhältnisse im Einzelfall - keine nachbarlichen Abwehransprüche. Sie sind grundsätzlich hinzunehmen, weil die durch die Benutzung verursachten Beeinträchtigungen zu den von der Nachbarschaft in aller Regel nicht abwehrbaren "Alltagserscheinungen" gehören (OVG des Saarlandes, Beschluss vom 04.01.2019 - 2 B 344/18 -, juris Rn. 17 m.w.N.). So liegt der Fall auch hier, soweit es um die Auswirkungen der Nutzung der Stellplätze auf das Haus F. 40 geht.

Die Anzahl von insgesamt 18 Stellplätzen führt dazu, dass das von der Beigeladenen geplante Gebäude den Anforderungen des § 47 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 NBauO entspricht. Danach müssen für bauliche Anlagen, die einen Zu- und Abgangsverkehr mit Kraftfahrzeugen erwarten lassen, Einstellplätze in solcher Anzahl und Größe zur Verfügung stehen, dass sie die vorhandenen oder zu erwartenden Kraftfahrzeuge der ständigen Benutzerinnen und Benutzer und der Besucherinnen und Besucher der Anlagen aufnehmen können. Bei der Berechnung der hierfür notwendigen Einstellplätze hat sich die Antragsgegnerin an den in den Ausführungsempfehlungen zu § 47 NBauO (RdErl. d. MU v. 16.12.2019, Nds. MBl. 2020, S. 24 ff.) angeführten Richtzahlen für den Einstellplatzbedarf orientiert, die (Nr. 7.5) für Pflegeheime von einem Platz je 6 bis 10 Betten bzw. für Altenheime (hier: die Service-Wohnungen) von einem Platz je 8 bis 15 Betten, mindestens jedoch 3 Plätzen ausgehen, und vertretbar einen Bedarf von 18 Einstellplätzen ermittelt.

Von den in der Tiefgarage gelegenen Einstellplätzen sind für die Antragstellerin keine unzumutbaren Belästigungen oder Störungen i. S. v. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zu erwarten. Ob dasselbe auch in jeder Beziehung für die an der Grenze zum Grundstück der Antragstellerin oberirdisch angeordneten Stellplätze gilt, ist derzeit offen. Sind von einem Vorhaben Geräuschemissionen zu erwarten, können bezüglich der Zumutbarkeit grundsätzlich die Prinzipien und Begriffe des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und damit auch die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (TA Lärm) herangezogen werden, weil sie die Grenzen der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht grundsätzlich allgemein festlegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 - 4 C 8/11 -, juris Rn. 17 ff.; Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 34 BauGB Rn. 50b m. w. N.).

Im Hinblick auf das Wohngebäude der Antragstellerin sind schädliche Umwelteinwirkungen (vgl. §§ 3 Abs. 1, 22 Abs. 1 BImSchG) durch die Errichtung und die Nutzung der Parkflächen nicht zu erwarten. Die Antragsgegnerin hat unter dem 02.11.2022 eine Schallimmissionsprognose erstellen lassen, die unter Anwendung des Prognoseverfahrens nach Nr. 2.3 TA-Lärm einschließlich der DIN ISO 9613-2 "Dämpfung des Schalls bei der Ausbreitung im Freien" und der sog. Bayrischen Parkplatzlärmstudie unter Anwendung des EDV-Programms "SoundPLAN essential" zu dem Ergebnis gekommen ist, dass am Immissionsort F. 40 mit einem Beurteilungspegel von tagsüber 49 dB(A) und nachts 40 d(B)A zu rechnen sei. Damit würden die Immissionsrichtwerte der TA-Lärm für Mischgebiete von tagsüber 60 dB(A) und nachts 45 dB(A) (Ziffer 6.1 Satz 1 Buchst. d TA-Lärm) deutlich unterschritten. Gleiches gilt nach der Prognose tagsüber auch für kurzfristige Geräuschspitzen (vgl. Ziffer 6.1 Satz 2 TA-Lärm). Die Antragstellerin hat diese Ergebnisse der Begutachtung nicht angegriffen. Die Kammer hat keinen Anlass, an ihrer Richtigkeit zu zweifeln.

Für die Nachtzeit ist die Begutachtung allerdings zu dem Ergebnis gelangt, die möglichen kurzzeitigen Geräuschspitzen lägen bei maximal 73 dB(A). Da zur Nachtzeit eine Überschreitung von bis zu 20 dB(A) zulässig ist, würden diese Immissionen über dem zulässigen Richtwert von 65 dB(A) liegen. Die Antragsgegnerin hat dies jedoch berücksichtigt, indem sie durch die Nebenbestimmung Nr. 44 zur Baugenehmigung angeordnet hat, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass sich die Fahrbewegungen auf diesen Einstellplätzen auf den Tageszeitraum (6 bis 22 Uhr) beschränken.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist diese Nebenbestimmung - wie auch die Nebenbestimmung Nr. 45, die die Einhaltung der Richtwerte der TA-Lärm, allerdings bezogen auf ein allgemeines Wohngebiet, anordnet - hinreichend bestimmt i. S. v. § 37 Abs. 1 VwVfG (i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG). Eine Nebenbestimmung ist hinreichend bestimmt, wenn in ihr der Wille der Behörde vollständig zum Ausdruck kommt und wenn er für die Verfahrensbeteiligten unzweideutig, erforderlichenfalls durch Auslegung, erkennbar ist. Es ist nicht zu beanstanden, wenn in einer Nebenbestimmung "nur" das Ziel der Anordnung formuliert wird, wie zum Beispiel die Einhaltung eines Immissionswerts, der Weg zur Verwirklichung dieses Zieles aber dem Betreiber der Anlage überlassen bleibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.11.1968 - I C 29.67 -, juris Rn. 11; BayVGH, Beschluss vom 15.11.2011 - 14 AS 11.2305 -, juris Rn. 31; VG Osnabrück, Beschluss vom 19.06.2012 - 2 B 28/11 -, bestätigt durch Beschluss des Nds. OVG vom 06.11.2012 - 12 ME 189/12 -, juris Rn. 10, jeweils m.w.N.). Diese Anforderungen erfüllen die Nebenbestimmungen Nr. 44 und 45, indem sie die zu erreichenden Ziele eindeutig bezeichnen. Anderes gilt nur, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die bei der Nutzung einer Anlage entstehenden Immissionen bei regelmäßigem Betrieb die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze überschreiten; in einem solchen Fall muss die genehmigte Nutzung schon in der Baugenehmigung durch konkrete Regelungen eingeschränkt werden (BayVGH, a.a.O.). Hier ist jedoch nach dem Ergebnis der Immissionsprognose davon auszugehen, dass die zulässigen Werte eingehalten werden, sofern die Beigeladene die in der Nebenbestimmung Nr. 44 angeordneten Vorkehrungen trifft.

Offen ist derzeit, ob die Anordnung der sieben oberirdischen Stellplätze an der Grenze zum Grundstück der Antragstellerin rücksichtslos ist. Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts sollen Stellplätze und Garagen grundsätzlich möglichst nah an öffentliche Verkehrsflächen herangebaut werden, um kein Störpotenzial in Ruhezonen hineinzutragen, in denen bislang keine Fahrzeugbewegungen stattfanden. Dementsprechend sollen selbst nach § 47 NBauO erforderliche Garagen und Stellplätze in der Regel nicht im Hintergarten liegen oder in das Blockinnere eines Straßenkarrees vordringen. Das gilt jedoch nur, wenn dieses Karree durch Grünflächen bzw. durch relative Wohnruhe gekennzeichnet ist. Wesentlich für eine Ruhezone ist, dass die Fläche dem Fahrzeugverkehr und ähnlich lärm- und immissionsträchtigen Nutzungen entzogen ist und eine Nutzung der Fläche selbst sowie der zu dieser Fläche ausgerichteten Wohnräume zu Erholungszwecken grundsätzlich möglich ist. Was danach bei Abwägung der konkurrierenden Nutzungsinteressen dem Bauherrn gestattet bzw. seinem Nachbarn zugemutet werden kann, richtet sich zum einen nach der Vorbelastung des geplanten Aufstellungsorts durch vergleichbare Anlagen, daneben und vor allem aber nach den Festsetzungen eines für diesen Bereich geltenden Bebauungsplans. Ist kein Bebauungsplan vorhanden, so ist auf die faktische Vorbelastung abzustellen (Nds. OVG, Beschluss vom 20.09.2017 - 1 ME 111/17 -, juris Rn. 6; Urteil vom 12.03.2001 - 1 L 3697/00 -, juris Rn. 4; jeweils m.w.N).

Es spricht einiges dafür, dass der südlich des Hauses F. 40 gelegene Bereich des Grundstücks der Antragstellerin als Ruhezone anzusehen ist. Die Antragstellerin hat unwidersprochen vorgetragen, sie habe in diesem Bereich eine Terrasse und einen Garten angelegt. Fraglich ist jedoch, ob durch die Nutzung der Stellplätze in unzumutbarer Weise in diesen Ruhebereich eingegriffen wird. Die von der Antragsgegnerin erstellte Immissionsprognose befasst sich mit den Auswirkungen des Parkverkehrs auf den hinteren Bereich des Grundstücks nicht, sondern berücksichtigt das Wohnhaus als Immissionsort. Ob die Richtwerte der TA-Lärm im betreffenden Bereich eingehalten werden, ist daher nicht bekannt. Auf der anderen Seite hat die Antragsgegnerin die Einwände der Antragstellerin dadurch berücksichtigt, dass sie die Beigeladene zu einer Planänderung veranlasst hat. Die Stellplätze sind jetzt mit einem Abstand von 2,5 m zur Grundstücksgrenze genehmigt worden und es wird festgelegt, dass eine Hecke den Bereich gegenüber dem Grundstück der Antragstellerin abschirmt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist diese Planänderung Gegenstand der Bauvorlagen und daher auch der Baugenehmigung geworden (vgl. den Freiflächenplan Nr. 03.08). Möglicherweise reicht bereits dies aus, um eine Rücksichtslosigkeit gegenüber der Antragstellerin auszuschließen; hierfür spricht insbesondere, dass die Immissionsrichtwerte für ein Mischgebiet tagsüber deutlich unterschritten werden. Der Antragsgegnerin wird nahegelegt, ihre Immissionsprognose zu ergänzen und die konkreten Auswirkungen der Nutzung der Parkplätze auf die Ruhezone der Antragstellerin zu überprüfen. Sollte sich dabei herausstellen, dass die Anordnung der Stellplätze gegenüber der Antragstellerin rücksichtslos wäre, sollte die Antragsgegnerin eine Umplanung durch die Beigeladene (z. B. Vergrößerung der Tiefgarage oder Anordnung der Plätze an anderer Stelle auf dem Baugrundstück) anstreben oder es der Beigeladenen ermöglichen, die Stellplätze auf einem anderen Grundstück einzurichten (vgl. § 47 Abs. 4 NBauO) bzw. sie - was im Verwaltungsvorgang bereits als Alternative angesprochen wird - abzulösen (vgl. § 47 Abs. 5 NBauO).

Der Umstand, dass die Erfolgsaussichten eines möglichen Hauptsacherechtsbehelfs im Hinblick auf die Anordnung der oberirdischen Stellplätze danach als offen anzusehen ist, verhilft dem Eilantrag jedoch nicht zum Erfolg. Dem Bauherrn ist eine einstweilige Zurückstellung seiner Bauabsichten nicht schon dann zuzumuten, wenn noch nicht vollständig erwiesen ist, dass die in Frage stehende Baugenehmigung keine Nachbarrechte verletzt. Eine solche Sichtweise widerspräche der Wertung des Gesetzgebers, der durch § 212a BauGB tendenziell den Bauabsichten Vorrang eingeräumt hat. Im Ergebnis kommt eine stattgebende Entscheidung über den Eilantrag daher erst dann in Betracht, wenn Überwiegendes für die Annahme spricht, dass der Rechtsbehelf des Nachbarn jedenfalls derzeit begründet ist (Nds. OVG, Beschluss vom 26.06.2019 - 1 ME 67/19 -, n. v.; Beschluss vom 25.01.2007 - 1 ME 177/06 -, juris Rn. 11; Beschluss vom 14.06.2017 - 1 ME 64/17 -, juris Rn. 12 ff.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 08.02.2012 - 8 B 10011/12 -, juris Rn. 3). Eine solche Feststellung käme hier allenfalls nach weiterer, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes weder möglicher noch gebotener Sachverhaltsaufklärung in Betracht.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene keinen Sachantrag gestellt und sich daher keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), erklärt die Kammer ihre außergerichtlichen Kosten nicht für erstattungsfähig.

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht orientiert sich an den Streitwertannahmen der mit Bau- und Immissionsschutzsachen befassten Senate des Nds. Oberverwaltungsgerichts (Ziffer 7 Buchstabe b i.V.m. der Anmerkung 1 zu Ziffer 7 sowie mit Ziffer 1 Buchstabe d), wonach bei einer weder atypisch schwerwiegenden noch atypisch geringfügigen Beeinträchtigung eines Mehrfamilienhauses der Streitwert in Höhe des Genehmigungswerts (12.500,00 Euro je Wohneinheit) festgesetzt werden soll. Hieraus ergibt sich für die Beeinträchtigung des Zweifamilienhauses der Antragstellerin ein Wert von 25.000,00 Euro, der im Hinblick auf die Vorläufigkeit der begehrten gerichtlichen Regelung halbiert wird.

Das Mehrfamilienhaus der Antragstellerin im G. 2 in A-Stadt lässt die Kammer bei der Streitwertfestsetzung außer Betracht, weil die Antragstellerin sich im gerichtlichen Verfahren - anders als zuvor im Verwaltungsverfahren - auf die Geltendmachung von Beeinträchtigungen ihres Wohnhauses F. 40 beschränkt hat.