Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.04.2023, Az.: 1 ME 26/23

gewerbliche Nutzung; faktisches Mischgebiet; rückwärtige Stellplätze; Stellplätze; Fahrzeugbewegungen bzw. Stellplätze im straßenabgewandten Bereich

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.04.2023
Aktenzeichen
1 ME 26/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 20849
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:0426.1ME26.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Göttingen - 22.02.2023 - AZ: 2 B 245/22

Amtlicher Leitsatz

Die planungsrechtliche Prägung der näheren Umgebung als faktisches Mischgebiet bzw. als gewerbliche Nutzungen einschließende Gemengelage ermöglicht es im Grundsatz, das gesamte Baugrundstück, und zwar auch in seinem straßenabgewandten Bereich, gewerblich zu nutzen. Die Erwartung, der straßenabgewandte Bereich bleibe auf Dauer von emittierenden Nutzungen (hier: rückwärtige Stellplätze) verschont, ist deshalb im (faktischen) Mischgebiet bzw. in einer Gemengelage grundsätzlich nicht berechtigt.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen - 2. Kammer - vom 22. Februar 2023 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 12.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Gebäudes für eine Pflegeeinrichtung und für Seniorenwohnen.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des von ihr selbst bewohnten Zweifamilienhauses A-Straße x in A-Stadt (Gemarkung A-Stadt, Flur ..., Flurstück ...). Westlich des Grundstücks A-Straße x grenzen das an der A- Straße gelegene, mit einem Mehrfamilienhaus bebaute Grundstück A-Straße y sowie das etwa 3.600 m2 große, aus den Flurstücken ... und ... bestehende Grundstück A-Straße z, das Vorhabengrundstück, an. Auf dem letztgenannten Grundstück, das im straßenabgewandten südlichen Teil hinter dem Grundstück A-Straße y unmittelbar westlich an das Grundstück der Antragstellerin angrenzt, befinden sich die Gewächshäuser einer mittlerweile aufgegebenen Gärtnerei.

Das Vorhabengrundstück und das Grundstück der Antragstellerin liegen im unbeplanten Innenbereich. Sie grenzen in allen Himmelsrichtungen teils unmittelbar an Gebiete im Geltungsbereich von Bebauungsplänen, die für den unmittelbar an der A-Straße - der Ortsdurchfahrt der Bundesstraße XXX - gelegenen Bereich ein Mischgebiet festsetzen.

Mit Bescheid vom 28. Oktober 2022 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die Genehmigung zur Errichtung einer Pflegeeinrichtung mit 88 Wohneinheiten und einem Bereich für betreutes Wohnen mit neun Wohnungen. Darüber hinaus wurde die Errichtung einer Tiefgarage mit elf Pkw-Stellplätzen sowie von sieben oberirdischen Stellplätzen genehmigt. Sowohl die Einfahrt zur Tiefgarage als auch die oberirdischen Stellplätze sollen auf der Ostseite des Grundstücks und somit teils direkt an der Grenze zum Grundstück der Antragstellerin errichtet werden. Die Baugenehmigung enthielt folgende Auflagen:

44. Es ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass sich die Fahrbewegungen auf den Einstellplätzen entlang der östlichen Grundstücksgrenze nur auf den Tageszeitraum (06 bis 22 Uhr) beschränken.

45. Der Gesamtbeurteilungspegel der Anlage (einschl. aller Einrichtungen, Maschinen und Geräte sowie des Fahrzeugverkehrs auf dem Betriebsgelände) ist so zu begrenzen, dass unter Berücksichtigung der Vorbelastung am maßgeblichen Immissionsort die nach Ziffer 6.1 e) TA Lärm festgesetzten gebietsbezogenen Immissionsrichtwerte für die nächstgelegene Wohnbebauung am Tage von 55 dB(A) und in der Nacht von 40 dB(A) nicht überschritten werden. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die oben genannten Richtwerte am Tage um nicht mehr als 30 dB(A) und in der Nacht um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten. Als Nachtzeit gilt die Zeit von 22:00 bis 06:00 Uhr. [...] Die Festlegung ist erfüllt, wenn an den maßgeblichen Immissionsorten der nach dem Anhang 3 der TA Lärm ermittelte Beurteilungspegel die vorgenannten Richtwerte nicht überschreitet.

Gegen diese Baugenehmigung hat die Antragstellerin Widerspruch erhoben und einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieses Widerspruchs gestellt. Mit Bescheid vom 13. Februar 2023 hat die Antragsgegnerin den Widerspruch gegen die Baugenehmigung zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 22. Februar 2023 hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung "einer noch zu erhebenden Klage gegen die Baugenehmigung" abgelehnt. Zur Begründung seines Beschlusses hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Die Baugenehmigung verstoße nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts. Die nähere Umgebung entspreche einem Mischgebiet. Gegen die Annahme eines (faktischen) allgemeinen Wohngebiets würden verschiedene, im Beschluss näher beschriebene Nutzungen in der näheren Umgebung sprechen, die in einem allgemeinen Wohngebiet nicht oder nur ausnahmsweise zulässig seien. Die Hauptnutzungsarten, das Wohnen und das das Wohnen nicht wesentlich störende Gewerbe, seien gleichgewichtig vertreten. In diesem faktischen Mischgebiet sei das Bauvorhaben, das insgesamt als Anlage für soziale Zwecke zu charakterisieren sei, zulässig. Die mit dem Betrieb verbundenen Verkehrsbewegungen seien zumutbar. Das Rücksichtnahmegebot sei nicht verletzt. Die abfallende Zufahrt zur Tiefgarage werde nach Osten hin durch eine Mauer abgeschirmt und führe den Kfz-Verkehr in der Weise unterhalb des Niveaus der Geländeoberfläche, dass Störungen für das Grundstück der Antragstellerin nicht zu erwarten seien. Hinsichtlich der oberirdisch geplanten Stellplätze habe die Antragsgegnerin durch die zitierten Auflagen ausreichend sichergestellt, dass auch zur Nachtzeit die anzuwendenden Grenzwerte unterschritten würden. Diese Nebenbestimmungen seien auch insofern hinreichend bestimmt, als sie nur die Einhaltung bestimmter Richtwerte als Ziel vorgäben, den Weg zur Verwirklichung dieses Ziels aber dem Betreiber der Anlage überließen. Offen bleibe jedoch, ob die Errichtung der sieben oberirdischen Stellplätze an der Grenze zum Grundstück der Antragstellerin rücksichtslos sei, weil sie Störpotenzial in Ruhezonen hineintrügen, in denen bislang keine Fahrzeugbewegungen stattgefunden hätten. Aufgrund der gesetzlichen Wertung, die den Bauabsichten eines Vorhabenträgers grundsätzlich Vorrang einräume, führe dies aber nicht zum Erfolg des Antrags.

II.

Die gegen diesen Beschluss gerichtete, zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.

1. Die Antragstellerin rügt zu Unrecht eine Verletzung rechtlichen Gehörs, weil das Verwaltungsgericht ihr den zwischenzeitlich ergangenen Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2023 vor der Zurückweisung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem hier angefochtenen Beschluss nicht zur Kenntnis und möglicher Stellungnahme übersandt habe und der Beschluss insofern überraschend sei. Wie die Antragstellerin selbst einräumt genügt dieses Vorbringen nicht, um der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Insbesondere führt die Antragstellerin nicht aus, welchen Vortrag sie in Kenntnis des Widerspruchsbescheids mit der Folge vorgebracht hätte, dass der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts anders hätte ausfallen können.

2. Zu Unrecht ist die Antragstellerin der Ansicht, die Eigenart der näheren Umgebung des Grundstücks des Bauvorhabens entspreche einem allgemeinen Wohngebiet (dazu unter a), in dem das Bauvorhaben gebietsunverträglich (dazu unter b) sei.

a) Das Baugrundstück liegt - wie das Verwaltungsgericht richtig erkannt hat - in einem faktischen Mischgebiet, weil die maßgebliche nähere Umgebung durch Wohn- und Gewerbenutzungen gleichermaßen geprägt wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist maßstabsbildend die Umgebung, insoweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Die für die Abgrenzung der "näheren Umgebung" maßgebliche wechselseitige Prägung ergibt sich dabei allein aus den in § 34 Abs. 1 BauGB genannten städtebaulichen Merkmalen. Diese Merkmale prägen - vom Vorhaben aus gesehen - im Sinne einer Vorbildwirkung nur einen begrenzten Bereich. Umgekehrt wird das Grundstück, auf dem das Vorhaben verwirklicht werden soll, in diesen Merkmalen nur von anderen Nutzungen in einem begrenzten räumlichen Umfeld geprägt. Dabei lassen sich die Grenzen der näheren Umgebung nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.10.2019 - 4 B 27.19 -, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 225 = juris Rn. 8 m.w.N.; Senatsurt. v. 1.9.2022 - 1 LC 50/20 -, BauR 2022, 1749 = juris Rn. 16).

Zur näheren Umgebung des ehemaligen Gärtnereigeländes zählt danach auf der südlichen Straßenseite die Tankstelle. Die straßennahe Anzeigetafel dieses Betriebs ist vom Ort des Bauvorhabens ohne Weiteres optisch wahrnehmbar (s. Foto Nr. 21 der Fotosammlung Blatt 64 ff. d.A.) und trägt so zur Prägung des Gebiets bei. In einem allgemeinen Wohngebiet wäre eine Tankstelle nur ausnahmsweise gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 5 BauNVO zulässig.

Auch die auf der Nordseite der Straße A. liegenden Gewerbebetriebe sind in die Betrachtung mit einzubeziehen. Diese Straße hat entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine trennende Wirkung. Der Grenzverlauf der näheren Umgebung im Sinne des § 34 BauGB ist nicht davon abhängig, dass die unterschiedliche Bebauung durch eine künstliche oder natürliche Trennlinie (Straße, Schienenstrang, Gewässerlauf, Geländekante etc.) entkoppelt ist. Eine solche Linie hat bei einer beidseitig andersartigen Siedlungsstruktur nicht stets eine trennende Funktion. Umgekehrt führt ihr Fehlen nicht dazu, dass benachbarte Bebauungen stets als miteinander verzahnt anzusehen sind und insgesamt die nähere Umgebung ausmachen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.8.2003 - 4 B 74.03 -, juris Rn. 2). Eine Straße - zumal auch eine Hauptstraße - kann sowohl trennende als auch verbindende Wirkung haben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 - 4 B 1.00 -, BRS 63 Nr. 102 = juris Rn. 18), ist also für sich genommen nicht stets maßgeblich, um den räumlichen Bereich der näheren Umgebung zu begrenzen. Die Grenze zwischen näherer und ferner Umgebung, die sich nicht schematisch festlegen lässt, kann im Einzelfall dort zu ziehen sein, wo zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedenen Bau- und Nutzungsstrukturen aneinanderstoßen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.8.2003 - 4 B 74.03 -, juris Rn. 2; Senatsbeschl. v. 5.1.2023 - 1 LA 116/21 -, ZfBR 2023, 281 = juris Rn. 8).

Die A-Straße hat daran gemessen keine trennende Wirkung. Sie erschließt gleichermaßen auf beiden Seiten Wohn- und Gewerbebebauung. Sie ist auch nicht derart breit, dass sie - etwa weil eine fußläufige Überquerung ausgeschlossen oder deutlich erschwert wäre bzw. sie eine anderweitige Barrierewirkung entfaltete - eine städtebauliche Zäsur bewirkt. Durch die einheitlich gestaltete Einfassung der Straße durch parallel verlaufende Fuß- und Radwege verbindet sie bereits optisch beide Straßenseiten.

Die damit in die Betrachtung einzubeziehende nördliche Straßenseite ist direkt gegenüber dem Grundstück der Antragstellerin vor allem durch den Steinmetzbetrieb D., Grabmale, geprägt. Dabei handelt es sich entgegen der Darstellung der Antragstellerin nicht nur um eine Verkaufsstätte. An die straßenseitigen Gebäude schließen sich vielmehr die Werkstatt- bzw. Produktionsgebäude des Betriebs in einer Tiefe von ca. 50 m nach Norden an. Es werden in dem Betrieb auch nicht nur Grabmale gefertigt, sondern zudem verschiedene Produkte aus Natursteinen wie Treppen etc. hergestellt. Im selben Gebäude befindet sich zudem noch die Produktionsstätte eines Metallbaubetriebs. Schon aufgrund der dadurch zu erwartenden lärmintensiven Arbeiten zählen sowohl metallverarbeitende als auch steinbearbeitende Betriebe zu den typischerweise störenden Betrieben (Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 4 BauNVO Rn. 118, Stand: Oktober 2022 m.w.N.), die in allgemeinen Wohngebieten auch nicht ausnahmsweise zulässig sind.

Geprägt wird das Grundstück ferner durch das ca. 6.000 m2 große Autohaus, das sich in westlicher Richtung auf der nördlichen Straßenseite an eine ca. 50 m lange straßenseitige Wohnbebauung neben den Betrieben anschließt und ebenfalls vom Grundstück des Bauvorhabens aus gesehen ohne weiteres wahrnehmbar ist (Foto Nr. 11, 21). Allein durch seine Dimensionen wäre ein solches Autohaus mit dem mit ihm verbundenen Verkehr ebenfalls in einem allgemeinen Wohngebiet nicht gebietsverträglich. Eher wäre deshalb zu erwägen, ob - wie mit anderer Akzentuierung auch die Antragstellerin vorbringt - aufgrund der Vielfalt der Nutzungen von einer Gemengelage auszugehen sein könnte. Das kann indes dahinstehen, denn eine solche Gemengelage wäre von Wohnen und Gewerbe gleichermaßen geprägt; auch in eine solche Gemengelage fügte sich das Vorhaben der Beigeladenen ohne jegliche Schwierigkeiten ein.

b) Ohne Erfolg wendet die Antragstellerin ein, dass Bauvorhaben sei auch in einem Mischgebiet gebietsunverträglich. Die Antragstellerin meint, selbst wenn man die grundsätzliche Zulässigkeit des Vorhabens nach Art der baulichen Nutzung bejahen würde, dürfe man beim Wortlaut der typisierenden Nutzungsarten der Baunutzungsverordnung nicht stehen bleiben. Vielmehr müsse man sich als Kontrollüberlegung der Frage der Gebietsverträglichkeit des Bauvorhabens stellen. Ein Vorhaben sei gebietsunverträglich, wenn es aufgrund seiner typischen Benutzungsweise störend wirke. Dies treffe auf die geplante Pflegeeinrichtung wegen der hohen Anzahl an Bewohnerplätzen, der damit korrespondierend hohen Anzahl an Besucherinnen und Besuchern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu. Dies gelte jedenfalls dann, wenn wesentliche Dienstleistungen von Fremdbetrieben (Wäscheservice etc.) übernommen würden, die die Verkehrsbelastung noch zusätzlich erhöhten.

Die Gebietsverträglichkeit ist ungeschriebenes Erfordernis jeder nach dem Wortlaut der Absätze 2 und 3 der §§ 2 ff. BauNVO zulässigen Nutzung. Sie muss mit dem Charakter zu vereinbaren sein, welchen der Gesetzgeber im jeweiligen Absatz 1 der genannten Vorschriften einem Baugebiet mit dem Ziel vorgegeben hat, dort ein verträgliches Nebeneinander der - wie es beim ersten Eindruck scheinen mag - zufällig nebeneinander statthaften Nutzungen zu ermöglichen. Der dort beschriebenen typischen Funktion des jeweiligen Baugebiets muss sich jede Regelnutzung, erst recht jede Ausnahmenutzung zu- und unterordnen. Ihre Zulassung hängt dementsprechend in besonderem Maße von deren Immissionsverträglichkeit ab. Zu würdigen ist mithin in jedem Fall, ob die typischerweise mit dem in Rede stehenden Vorhaben verbundenen Auswirkungen nach dessen räumlichem Umfang, der Größe seines (betrieblichen) Einzugsbereichs, der Art und Weise der Betriebsvorgänge, dem damit verbundenen Zu- und Abgangsverkehr sowie der Dauer all dieser Auswirkungen einschließlich ihrer Verteilung auf die Tages- und Nachtzeiten mit dem in Absatz 1 definierten Gebietscharakter zu vereinbaren sind (Senatsbeschl. v. 22 9.2022 - 1 ME 90/22 -, BauR 2023, 51 = NVwZ-RR 2023, 14 = juris Rn. 15; v. 3.11.2021 - 1 ME 42/21 -, juris Rn. 7, unter Verweis auf BVerwG, Beschl. v. 28.2.2008 - 4 B 60.07 -, BRS 73 Nr. 70 = NVwZ 2008, 786 = juris Rn. 6 f. und 11 f. m.w.N.).

Daran gemessen steht die Gebietsverträglichkeit des Vorhabens außer Frage. Gemäß § 6 Abs. 1 BauNVO dienen Mischgebiete dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Ein Pflegeheim, das rechtlich zwar nicht mehr dem Wohnen im Sinne der BauNVO zuzuordnen ist, aber immerhin ebenfalls dem dauerhaften, wohnungsähnlichen Aufenthalt und der Pflege von Menschen dient, kann von der Art der Nutzung her nicht als das Wohnen wesentlich störend charakterisiert werden (vgl. insofern § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO). Zutreffend hat bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass von den Bewohnern Störungen nicht zu erwarten sind. Der Besucherverkehr, der sich auf die insgesamt 18 Parkplätze verteilen wird, ist verglichen mit dem Verkehr, den die nahegelegene Tankstelle hervorrufen dürfte, vernachlässigbar. Gleiches gilt im Vergleich zum ebenfalls noch in die Betrachtung mit einzubeziehenden, nahegelegenen Autohaus. Ohnehin ist die nähere Umgebung in einem nicht unerheblichen Maße aufgrund der sie durchquerenden Bundesstraße durch Kfz-Verkehr geprägt, der durch den durch das Bauvorhaben neu hinzukommenden Verkehr kaum verstärkt werden dürfte.

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht daraus, dass das Pflegeheim mit 88 Pflegeplätzen und neun Wohnungen sowie insgesamt rund 60 Mitarbeitern eine recht erhebliche Größe aufweist. Mit Blick auf die weitaus größere Dimension des Autohauses einerseits und die nach der Betriebsbeschreibung bei nur 18 Stellplätzen und geringem Anlieferverkehr geringe Belastung der Umgebung andererseits ist das Vorhaben auch insofern ohne weiteres gebietsverträglich.

3. Auch gegen die vom Bauvorhaben zu erwartenden Emissionen wendet sich die Antragstellerin ohne Erfolg.

Die Antragstellerin vermisst zu Unrecht eine umfassende Schallbegutachtung einschließlich einer Sonderbeurteilung der sieben Stellplätze entlang ihrer westlichen Grundstücksgrenze. Die Antragsgegnerin selbst hat unter dem 2. November 2022 eine Schallimmissionsprognose erstellt, die sowohl den Lärm auf den Zuwegungen, der Tiefgaragenrampe und dem Parkplatz als auch den Lärm der Betriebseinrichtungen des Pflegeheims selbst in die Betrachtung einbezieht. Diese Prognose hat am Grundstück der Antragsgegnerin Immissionswerte ergeben, die weit unterhalb der ihr zumutbaren Richtwerte liegen. Das Verwaltungsgericht hat insofern zutreffend aus der Schallimmissionsprognose zitiert, dass am Immissionsort A-Straße x, also am Wohnhaus der Antragstellerin, mit einem Beurteilungspegel von maximal 49 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts zu rechnen sei. Diese Werte liegen deutlich unter den Richtwerten der TA Lärm für Mischgebiete von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts. Zudem hat die Antragsgegnerin in den Nachtstunden die Benutzung des Parkplatzes untersagt, was die nach der Schallimmissionsprognose gegebenenfalls problematischen nächtlichen Geräuschspitzen zuverlässig ausschließt.

Ebenso wenig dringt die Antragstellerin mit ihren Einwänden durch, eine unzulässige Verlärmung ergebe sich durch den Wäscheservice, Reinigungsdienste, Anlieferungs- und Entsorgungsfahrzeuge etc. Die von der Antragsgegnerin erstellte Schallimmissionsprognose geht von einer Anlieferungsfahrt mit einem Kleintransporter pro Tag zuzüglich zwei weiterer Fahrten pro Woche durch den Wäscheservice aus, die entweder die Parkplätze oder die Tiefgarage nutzen. Diese Annahmen liegen oberhalb der Angaben in der Betriebsbeschreibung und sind insofern auf der sicheren Seite. Berücksichtigt ist auch der weitere Verkehr auf dem Vorhabengrundstück einschließlich der Zufahrt zur Tiefgarage. Defizite sind insofern weder dargetan noch - insbesondere auch mit Blick auf die mit erheblichem Abstand unterschrittenen Immissionsrichtwerte der TA Lärm - ersichtlich. Einer weiteren Begutachtung bedurfte es vor diesem Hintergrund nicht.

4. Die Antragstellerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass der straßenabgewandte Südbereich ihres Grundstücks besonders schutzwürdig und von rückwärtigen Stellplätzen freizuhalten sei.

Zur Anordnung von Stellplätzen und Garagen abseits von öffentlichen Verkehrsflächen gelten nach ständiger Rechtsprechung des Senats die folgenden Grundsätze: Stellplätze und Garagen sollen grundsätzlich möglichst nah an öffentliche Verkehrsflächen herangebaut werden, um kein Störpotenzial in Ruhezonen hineinzutragen, in denen bislang keine Fahrzeugbewegungen stattfanden. Dementsprechend sollen selbst nach § 47 NBauO erforderliche Garagen und Stellplätze in der Regel nicht im Hintergarten liegen oder in das Blockinnere eines Straßenkarrees vordringen. Das gilt jedoch nur, wenn dieses Karree durch Grünflächen bzw. durch relative Wohnruhe gekennzeichnet ist. Was danach bei Abwägung der konkurrierenden Nutzungsinteressen dem Bauherrn gestattet bzw. seinem Nachbarn zugemutet werden kann, richtet sich zum einen nach der Vorbelastung des geplanten Aufstellungsortes durch vergleichbare Anlagen, zum anderen nach der planungsrechtlichen Vorbelastung (vgl. Senatsbeschl. v. 18.7.2014 - 1 LA 168/13 -, BRS 82 Nr. 182 = juris Rn. 19; v. 19.1.2021 - 1 ME 161/20 -, BauR 2021, 804 = juris Rn. 9 f.; Senatsbeschl. v. 18.10.2022 - 1 ME 100/22 -, BauR 2023, 189 = juris Rn. 14).

Die planungsrechtliche Prägung der näheren Umgebung als faktisches Mischgebiet bzw. als gewerbliche Nutzungen einschließende Gemengelage ermöglicht es im Grundsatz, das gesamte Baugrundstück, und zwar auch in seinem straßenabgewandten Bereich, gewerblich zu nutzen. Zulässig sind damit Nutzungen, von denen eine deutlich größere Störintensität ausgehen würde, als sie von dem Vorhaben der Beigeladenen ausgehen wird. Für eine gewerbliche Nutzung ist es eher die Regel als die Ausnahme, dass diese nicht bloß straßenzugewandt, sondern auch auf den rückwärtigen Hof- und Grundstücksflächen stattfindet und dort unter anderem mit Fahrzeugbewegungen einhergeht. Die Erwartung, der straßenabgewandte Bereich bleibe auf Dauer von emittierenden Nutzungen verschont, ist deshalb im (faktischen) Mischgebiet bzw. in einer Gemengelage grundsätzlich nicht berechtigt und schließt einen Abwehranspruch der Antragstellerin aus (vgl. Senatsbeschl. v. 18.10.2022 - 1 ME 100/22 -, BauR 2023, 189 = juris Rn. 15). Insofern sind die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur möglichen Unzulässigkeit der rückwärtigen Stellplätze zu korrigieren.

5. Zu Unrecht hält die Antragstellerin die Nebenbestimmungen Nr. 44 und 45 zur Baugenehmigung für untauglich, um die von dem Bauvorhaben ausgehenden Schallemissionen zu begrenzen.

Nach der zitierten Nebenbestimmung Nr. 45 ist der Gesamtbeurteilungspegel der Anlage so zu begrenzen, dass am maßgeblichen Immissionsort (dazu Nr. 2.3 TA Lärm i.V.m. A.1.3 des Anhangs zur TA Lärm) bestimmte Immissionsrichtwerte nicht überschritten werden. Zutreffend wird durch diese Nebenbestimmung lediglich ein Ziel formuliert, ohne im Einzelnen vorzuschreiben, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Diese Auflage ist aber entgegen der Auffassung der Antragstellerin rechtmäßig.

Richtig ist zwar, dass eine Baugenehmigung dann rechtswidrig ist, wenn sie die gebotene Konfliktbewältigung lediglich "auf dem Papier" vortäuscht, weil beispielsweise losgelöst von den Verhältnissen des Einzelfalls Vorgaben gemacht werden, ohne dass geklärt ist, wie diese zu gewährleisten und zu überprüfen sind (vgl. Senatsbeschl. v. 9.8.2011 - 1 ME 107/11 -, NVwZ 2012, 124 = BRS 78 Nr. 183 = juris Rn. 29 m.w.N.; v. 18.10.2022 - 1 ME 100/22 -, BauR 2023, 189 = juris Rn. 13). Das ist aber hier nicht der Fall. Die von der Antragstellerin in den Mittelpunkt ihres Vortrags gestellte Lärmproblematik durch den mit dem baulichen Vorhaben verbundenen Verkehr ist aller Voraussicht nach von vornherein nicht von solchem Gewicht, dass die maßgeblichen Grenzwerte für ein Mischgebiet überschritten würden, jedenfalls aber zu bewältigen. Sowohl die Antragsgegnerin als auch das Verwaltungsgericht können sich auf die Schallimmissionsprognose der Antragsgegnerin stützen, wonach das Vorhaben ohnehin die für einen Mischgebiet geltenden Grenzwerte deutlich unterschreitet. Weitergehender Handlungsbedarf bestand deshalb nicht. Wie bereits oben ausgeführt kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass die Emissionen der Tiefgarage, die in der Schallimmissionsprognose als vernachlässigbar bezeichnet worden sind, unzumutbare Belästigungen der Antragstellerin hervorrufen könnten. Soweit die Antragstellerin dennoch eine Anordnung von Schallschutzmaßnahmen vermisst, ist dafür kein Rechtsgrund ersichtlich. Ebenso ist es nicht notwendig, der Beigeladenen im Einzelnen vorzugeben, wie sie verhindert, dass die oberirdischen Parkplätze in der Zeit von 22:00 Uhr abends bis 6:00 Uhr morgens genutzt werden. Ersichtlich kann eine Nutzung in dieser Zeit durch innerbetriebliche Anordnungen gegenüber den Mitarbeitern, entsprechende Beschilderung oder gegebenenfalls durch mechanische Absperrungen erreicht werden.

Hinsichtlich der Hecke hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass diese entgegen der Darstellung der Antragstellerin im Freiflächenplan für das Erdgeschoss als Teil der Baugenehmigung enthalten ist; auch insofern ist zudem kein Anspruch der Antragstellerin ersichtlich.

Darauf, dass die Baugenehmigung die Nutzung der oberirdischen Parkplätze nicht auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Beigeladenen beschränkt, kommt es nicht entscheidungserheblich an. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung nicht auf eine solche Beschränkung gestützt. Sie ist auch nicht notwendig, um die Einhaltung der Immissionsrichtwerte zu gewährleisten.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG und entspricht der Festsetzung für die erste Instanz durch das Verwaltungsgericht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).