Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 25.11.2002, Az.: 4 A 3275/01
Außenbereich; Bauvorbescheid; Ersatzbau; Flächennutzungsplan; Gebäudeerweiterung; landwirtschaftliche Nutzung; Nutzungsänderung; Privilegierung; Splittersiedlung; Wohnnutzung
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 25.11.2002
- Aktenzeichen
- 4 A 3275/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 41913
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 35 Abs 3 BBauG
- § 35 Abs 4 BBauG
- § 74 BauO ND
Tatbestand:
Die Klägerin ist seit 1992 Eigentümerin des im Außenbereich der beigeladenen Gemeinde liegenden Grundstücks ... Weg .. (Flurstück ../.. der Flur .. der Gemarkung ...). Nachdem das ursprünglich dort vorhandene Wohnhaus mit 2 Wohneinheiten und Scheunentrakt am 26./27. August 1997 weitgehend durch einen Brand zerstört wurde, erteilte der Beklagte ihr mit Bauschein vom 31. März 1998 eine Genehmigung zum Wiederaufbau des Gebäudes. Genehmigt wurde der Bau von 2 Wohneinheiten sowie eines Nebentraktes mit den Nutzungen "Hobby, Garage, Werkstatt, Fahrräder und Geräte". Nachdem im März 1999 örtlich festgestellt wurde, dass die Klägerin abweichend von der Baugenehmigung in dem Nebentrakt 2 zusätzliche Wohneinheiten errichtet hatte, beantragte sie für die abweichende Bauausführung einen positiven Bauvorbescheid. Diesen lehnte der Beklagte nach Anhörung der Klägerin mit Bescheid vom 7. August 2000 ab, nachdem zuvor die Beigeladene ihr Einvernehmen zu dem Vorhaben versagt hatte, da dieses keinem landwirtschaftlichen Betrieb diene.
Zur Begründung des am 25. August 2000 erhobenen Widerspruchs führte die Klägerin im Wesentlichen aus, dass die Landwirtschaftskammer Weser-Ems (Landwirtschaftsamt ...) mit Stellungnahme vom 10. Februar 2000 das Vorhaben befürwortet habe, da es landwirtschaftlichen Zwecken diene. Sofern die Beigeladene davon ausgehe, dass in der Zeit vor dem Brandschaden auf der Hofstelle ... Weg .. keine Landwirtschaft - insbesondere Viehhaltung - betrieben worden sei, sei dieses unzutreffend. Die Klägerin legte mehrere Dokumente (Rechnungen, Quittungen sowie Belege über die Einzahlungen bei der Tierseuchenkasse und schriftliche Bestätigungen) zum Beleg dafür vor, dass sie auch unmittelbar vor dem Brandschaden die Hofstelle ... Weg .. landwirtschaftlich genutzt habe.
Mit Bescheid vom 21. August 2001 wies die Bezirksregierung Weser-Ems den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Es sei rechtlich unerheblich, ob vor dem Brandschaden auf dem Baugrundstück Landwirtschaft betrieben worden sei. Das Vorhaben sei nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert zulässig. Auch könnten die erleichterten Voraussetzungen nach § 35 Abs. 4 BauGB nicht in Anspruch genommen werden, da insoweit bereits eine Baugenehmigung vom 31. März 1998 erteilt worden sei. Für die abweichende Bauausführung könne eine „Privilegierung“ nicht mehr in Anspruch genommen werden. Das nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilende Vorhaben widerspreche den Festsetzungen des Flächennutzungsplanes, der das Baugrundstück als Fläche für die Landwirtschaft ausweise. Zudem sei die Verfestigung einer Splittersiedlung zu befürchten, so dass öffentliche Belange beeinträchtigt würden.
Zur Begründung der am 26. September 2001 erhobenen Klage wird ergänzend ausgeführt, dass zwar abweichend von der Baugenehmigung 2 zusätzliche Wohneinheiten, d.h. insgesamt 4 Wohnungen errichtet wurden. Diese Abweichung sei jedoch nachträglich zu genehmigen. Die Beigeladene habe das Einvernehmen zu Unrecht versagt. Öffentliche Belange würden durch das Vorhaben nicht beeinträchtigt. Eine Verfestigung eines Siedlungssplitters sei nicht zu befürchten, zumal bereits im Haupttrakt des Gebäudes 2 Wohnungen vorhanden seien und es sich im Grunde nur um die Erweiterung eines genehmigten Wohnhauses handele. Auch könne nicht darauf abgestellt werden, dass das Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplanes widerspreche.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 7. August 2000 und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 21. August 2001 zu verpflichten, ihr einen positiven Bauvorbescheid für den Bau von zwei Wohneinheiten in dem als Nebentrakt genehmigten Gebäudeteil auf dem Grundstück ... Weg .. in ... - wie beantragt - zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf die angefochtenen Bescheide und weist darauf hin, dass die ungenehmigte Baumaßnahme als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen und aufgrund der Beeinträchtigung öffentlicher Belange unzulässig sei.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erteilung eines positiven Bauvorbescheides. Dieser ist nicht zu erteilen, da die gem. §§ 68 Abs. 1, 2 Abs. 5 NBauO genehmigungsbedürftige Baumaßnahme in bauplanungsrechtlicher Hinsicht nicht mit dem öffentlichen Baurecht vereinbar ist (§§ 74, 75 Abs. 1, 2 Abs. 10 NBauO).
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich nach § 35 BauGB. Das Baugrundstück liegt im Außenbereich. Eine Privilegierung des Vorhabens nach § 35 Abs. 1 Ziff. 1 BauGB kommt nicht in Betracht, da der Bau von 2 weiteren Wohneinheiten neben den bereits genehmigten zwei Wohnungen keinem landwirtschaftlichen Betrieb dient. Dieses wird weder von Klägerseite behauptet, noch sind dafür Anhaltspunkte ersichtlich. Selbst wenn das Grundstück noch Teil eines landwirtschaftlichen Betriebes wäre, wären bereits 2 genehmigte Wohneinheiten vorhanden. Der Wohnbedarf für eine landwirtschaftliche Hofstelle wäre dadurch bereits gedeckt. Die Baumaßnahme ist somit als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen und nur dann zulässig, wenn öffentliche Belange (§ 35 Abs. 3 BauGB) nicht beeinträchtigt werden.
Eine "Privilegierung" des Vorhabens nach § 35 Abs. 4 Ziff. 3 BauGB, wonach bestimmte öffentliche Belange nicht zu berücksichtigen sind, kommt nicht in Betracht. Nach § 35 Abs. 4 Ziff. 3 BauGB kann einem nicht privilegierten Vorhaben unter anderem nicht entgegengehalten werden, dass es den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht oder eine Splittersiedlung verfestigt wird bzw. entsteht, sofern es der alsbaldigen Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand zerstörten gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle dient. Zwar wurde das früher auf dem Baugrundstück vorhandene Gebäude im August 1997 durch Brand zerstört. Für den Wiederaufbau wurde der Klägerin jedoch am 31. März 1998 eine Baugenehmigung erteilt. Die "Privilegierung" des § 35 Abs. 4 Ziff. 3 BauGB ist damit verbraucht. Privilegiert ist zudem nur ein gleichartiges Gebäude an gleicher Stelle. Entscheidend ist dabei, dass Größe, Nutzung und Funktion des Vorhabens dem zerstörten Gebäude gleichartig sind. Soll der Ersatzbau - wie hier - mit einer Nutzungsänderung verbunden werden, beurteilt sich diese nach § 35 Abs. 2 BauGB (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1981 - 4 C 85.77 - BauR 1981 S. 360 = NJW 1981 S. 2143; Ernst/Zinkahn /Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Kommentar, § 35 Rdziff. 154 m.w.N.).
Davon ausgehend ist die "Erweiterung bzw. teilweise Nutzungsänderung" des durch Brand zerstörten Gebäudes um 2 weitere Wohneinheiten nicht genehmigungsfähig, da sie öffentliche Belange beeinträchtigt. Nach § 35 Abs. 3 Ziff. 1 BauGB liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange insbesondere vor, wenn das Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht. Dieses ist hier der Fall, da das Baugrundstück im Flächennutzungsplan der Beigeladenen als Fläche für die Landwirtschaft dargestellt ist. Die im Nebentrakt errichtete Wohneinheiten dienen keiner landwirtschaftlichen Nutzung und beeinträchtigen somit diesen öffentliche Belang. Zudem ist durch zusätzliche Wohneinheiten die Entstehung einer Splittersiedlung zu befürchten (§ 35 Abs. 3 Ziff. 7 BauG). Der Außenbereich soll von nicht privilegierter Wohnnutzung freigehalten werden. Aufgrund möglicher Vorbildwirkungen durch die Zulassung nicht privilegierter Wohnbauvorhaben, die zu einer unerwünschten Zersiedelung des Außenbereiches führen können, ist im Fall der Entstehung einer Splittersiedlung die städtebauliche Unzulässigkeit nicht näher zu begründen. Dies gilt auch für Vorhaben an vorhandenen Gebäuden, so dass der Hinweis der Klägerin, dass lediglich ein vorhandenes Gebäude erweitert werde, der Annahme der Entstehung einer Splittersiedlung i.S.v. § 35 Abs. 3 Ziff. 7 BauGB nicht entgegensteht (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O. § 35 Rdz. 105 m.w.N). Die Tatbestandsvoraussetzungen der übrigen in § 35 Abs. 4 BauGB bezeichneten "privilegierten Vorhaben" werden ebenfalls nicht durch die Baumaßnahme erfüllt, so dass der Klägerin der positive Bauvorbescheid zu Recht nicht erteilt wurde.
Die Klage war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, da sie keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko (§ 154 Abs. 3 VwGO) ausgesetzt hat.