Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 05.11.2002, Az.: 4 A 2648/01

allgemeines Wohngebiet; Bauvorbescheid; Fremdwerbung; Gebietscharakter; Gebrauchtwagenhandel; Kfz-Handel; Werbetafel; Wohnnutzung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
05.11.2002
Aktenzeichen
4 A 2648/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43658
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 3.250 € festgesetzt. 

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheides für eine Werbetafel. Sie beantragte am 23. Januar 2001 die Erteilung einer Baugenehmigung für eine 2,55 x 3,76 m große aus Holzplatten bestehende Werbetafel für wechselnde Plakatanschläge. Die Werbetafel soll im nordwestlichen Bereich des Grundstücks ... straße .. (Flurstück ../..) errichtet werden. Die Anlage soll auf Stützen freistehend errichtet werden und eine Gesamthöhe von 3,75 m über Grund haben. Der geplante Abstand zum westlich angrenzenden Grundstück ... straße .. beträgt ca. 0,5 m. Auf dem nicht beplanten Baugrundstück wird Handel mit KFZ und KFZ - Teilen betrieben. Nördlich jenseits der ... straße sowie östlich und westlich des Baugrundstücks ist  Wohnbebauung und vereinzelt gewerbliche Nutzung vorhanden.

2

Nach Anhörung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Mai 2001 die Erteilung der Baugenehmigung ab. Die nähere Umgebung stelle sich als faktisches allgemeines Wohngebiet dar, in dem gem. § 49 Abs. 4 NBauO Anlagen für Fremdwerbung unzulässig seien. Die nähere Umgebung werde überwiegend zu Wohnzwecken genutzt. Dass einige Betriebe vorhanden seien, die nicht ausschließlich der Gebietsversorgung dienten, sei insoweit unerheblich, da diese jedenfalls ausnahmsweise in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig seien.

3

Zur Begründung ihres Widerspruchs vom 13. Juni 2001 führte die Klägerin aus, dass die nähere Umgebung des Baugrundstückes sich als Mischgebiet darstelle, in dem das Vorhaben zulässig sei. In einem Umkreis von ca. 150 m seien eine Gaststätte (... straße ..), ein Bistro-Cafe (... straße ..), ein Malereibetrieb (... straße ..), ein Netto-Verbrauchermarkt (... straße .. -..), ein Kfz-Gebrauchtteilhandel (... straße ..) sowie ein Autohandel (... straße ..) vorhanden. 

4

Die Bezirksregierung Weser-Ems lehnte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2001 als unbegründet ab. Die nähere Umgebung sei als allgemeines Wohngebiet zu beurteilen, da Gewerbe- und Wohnnutzung keine etwa quantitativ gleichwertigen Nutzungen darstellten, sondern die gewerbliche Nutzung deutlich untergeordnet sei. In einem vergleichbaren Fall für einen geplanten Standort für Werbetafeln in dem gegenüberliegenden Straßengeviert habe das Verwaltungsgericht Oldenburg mit Urteil vom 27. Oktober 1999 - 4 A 4380/96 - festgestellt, dass die nähere Umgebung als allgemeines Wohngebiet einzustufen sei.

5

Die Klägerin hat am 13. August 2001 unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens Klage erhoben.

6

In der mündlichen Verhandlung beschränkte sie aufgrund der unvollständigen Bauvorlagen ihr Begehren auf die Erteilung eines Bauvorbescheides.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Mai 2001 und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser - Ems vom 30. Juli 2001 zu verpflichten, ihr einen Bauvorbescheid für die Errichtung einer Werbetafel auf dem Grundstück ... straße .. in ... zu erteilen.

9

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

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Sie weist darauf hin, dass die nähere Umgebung sich nach den Feststellungen in dem Urteil vom 27. Oktober 1999 als allgemeines Wohngebiet darstelle. Seitdem hätten keine derart gravierenden Änderungen der Nutzungen stattgefunden, dass diese Beurteilung inzwischen überholt sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Das Baugrundstück und die nähere Umgebung wurden im Rahmen der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen. Die Gerichtsakte 4 A 4380/96 wurde beigezogen.

Entscheidungsgründe

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Das Verfahren war entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO mit der Kostenfolge aus § 155 Abs. 2 VwGO einzustellen, soweit die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen hat. In der mündlichen Verhandlung hat sie aufgrund der unzureichenden Bauvorlagen (nach § 1 Abs. 7 BauVorlVO ist der amtliche Vordruck zu verwenden; es fehlt ein vermaßter Lageplan (§ 3 Abs. 1 Ziff. 4 BauVorlVO)) den ursprünglich auf Erteilung einer Baugenehmigung gerichteten Antrag im Wege der sachdienlichen und damit zulässigen Klageänderung (§ 91 VwGO) auf die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides beschränkt und damit sinngemäß die Klage teilweise zurückgenommen.

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Im übrigen ist die zulässige Klage unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung eines positiven Bauvorbescheides (§ 74 Abs. 1 NBauO) zur Errichtung einer Werbetafel auf dem Grundstück ... straße .., da das nach § 69 NBauO genehmigungspflichtige Vorhaben nicht dem öffentlichen Baurecht entspricht (§§ 74 Abs. 2, 75 Abs. 1, 2 Abs. 10 NBauO).

14

Nach § 49 Abs. 4 NBauO sind in allgemeinen Wohngebieten Werbeanlagen nur an der Stätte der Leistung (Ziff. 1) bzw. bestimmte Werbeanlagen nach § 49 Abs. 4 Ziff. 2 NBauO zulässig. Diese Regelungen greifen hier nicht ein, da die Klägerin eine Werbetafel für wechselnde „Fremdwerbung“ plant. Mit Ausnahme der im öffentlichen Straßenraum vorhandenen Werbung an den Bushaltestellen (§ 49 Abs. 4 S. 2 NBauO) sind in der unbeplanten näheren Umgebung nur Werbeanlagen an der Stätte der Leistung vorhanden (§ 49 Abs. 4 Ziff. 1 NBauO). Das nicht beplante Baugrundstück stellt sich aufgrund der das Grundstück prägenden vorhandenen baulichen Nutzungen in der näheren Umgebung als Teil eines faktischen allgemeinen Wohngebietes dar. In dem Bereich westlich des Baugrundstücks sind bis zum Grundstück ... straße .. ausschließlich Wohnnutzungen vorhanden. Der Bereich jenseits der ... straße , in dem Fremdwerbung vorhanden ist, ist als Gewerbegebiet ausgewiesen und aufgrund der Entfernung auch nicht mehr Teil der den Standort prägenden näheren Umgebung. Auch der der Bauzeile ... straße .. bis .. gegenüberliegende Bereich wird zu Wohnzwecken genutzt. Die Gaststätte an der Ecke ... straße / ... straße (... straße ..) ist gem. § 4 Abs. 2 Ziff. 2 BauNVO in einem allgemeinen Wohngebiet zur Gebietsversorgung zulässig. Auch gegenüber dem Baugrundstück ist auf den Grundstücken ... straße .. bis .. Wohnnutzung vorhanden. Der Verbrauchermarkt auf dem Grundstück ... straße .. - .. ist im allgemeinen Wohngebiet ebenfalls nach § 4 Abs. 2 Ziff. 2 BauNVO zur Gebietsversorgung zulässig. Östlich an das Baugrundstück angrenzend ist in den Gebäuden ... straße .. bis .. ebenfalls jeweils Wohnnutzung vorhanden. Jenseits der ... straße wird auf dem Grundstück ... straße .. allerdings ein Gebrauchtwagenhandel betrieben, der aufgrund des Störpotentials, das durch die üblichen Reparatur- und Wartungsarbeiten begründet wird, in einem allgemeinen Wohngebiet auch nicht ausnahmsweise nach § 4 Abs. 3 Ziff. 2 BauNVO (sonstige nicht störende Gewerbebetriebe) zulässig sein dürfte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 01. November 1994 - 4 B 220/94 - Buchholz 406.16 Grundeigentumsschutz Nr. 68). Gleiches dürfte für den KFZ bzw. KFZ-Teilehandel auf dem Baugrundstück gelten.

15

Es kann offen bleiben, ob in diesen Betrieben lärmintensive Arbeiten ausgeführt werden, die die umgebende Wohnbebauung tatsächlich stören. Selbst wenn diese Betriebe deshalb in einem allgemeinen Wohngebiet unzulässig sein sollten, wird der durch die ganz überwiegende Wohnbebauung geprägte Charakter des Bereiches nicht geändert. Es handelt sich insoweit um den Gebietscharakter nicht prägende "Fremdkörper". Für die Annahme eines Mischgebietes wäre es erforderlich, dass Wohnnutzung und gewerbliche Nutzung quantitativ etwa gleichberechtigt nebeneinander stehen (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, Kommentar, 9. Auflage, § 6 RdZiff. 1). Von einer auch nur annähernden Gleichwertigkeit der in der näheren Umgebung vorhandenen Wohnnutzung und gewerblicher Nutzung kann hier indes nicht die Rede sein, da auch nach dem Ergebnis der Augenscheinseinnahme die nähere Umgebung eindeutig durch Wohnnutzung geprägt wird. In dem allgemeinen Wohngebiet ist die geplante Werbeanlage unzulässig und die Klage somit abzuweisen. 

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO.

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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich der Höhe nach an dem Streitwertkatalog des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts für baurechtliche Verfahren (Nds. VBl. 1995 S. 80), wonach für die Erteilung eines Bauvorbescheides für eine Werbetafel im Euroformat 6.500 DM als Streitwert angemessen sind (Ziff. 4 Streitwertkatalog). Bei der Umrechnung in Euro wurde pauschal halbiert.