Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 20.11.2002, Az.: 12 B 4429/02
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 20.11.2002
- Aktenzeichen
- 12 B 4429/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 35981
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2002:1120.12B4429.02.0A
Amtlicher Leitsatz
Dem Erfordernis der schriftlichen Begründung bei der Anordnung des Sofortvollzuges bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung nach § 80 Abs. 3 VwGO genügt es, wenn die Behörde auf die offensichtliche Rechtmäßigkeit der Verfügung hinweist.
Die Referenzmenge ist flächengebunden, eine Bindung an ein Inventar des landwirtschaftlichen Betriebes erfolgt nicht.
In der Verwaltungsrechtssache
des Herrn ...
Antragsteller,
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte ...,
gegen
die Landwirtschaftskammer Weser-Ems vertr.d.d. Vorstand,
Antragsgegnerin,
beigeladen:
Frau ...
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte ...,
Streitgegenstand: Milchquote,
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 12. Kammer - am 20. November 2002 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens; die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
G R Ü N D E :
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 5. Oktober 2001 (Az.: 12 A 3319/01) ist nach § 80 a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, aber unbegründet.
Die Klage des Antragstellers gegen die mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. April 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2001 hatte ursprünglich aufschiebende Wirkung. Diese entfiel jedoch, nachdem die Antragsgegnerin auf Antrag der Beigeladenen mit Bescheid vom 16. November 2001 die sofortige Vollziehung angeordnet hat.
Diese Anordnung genügt zunächst den formellen Anforderungen des Begründungsgebotes nach § 80 Abs. 3 VwGO, welches auch für Maßnahmen nach § 80 a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO gilt. Dem Erfordernis der schriftlichen Begründung bei der Anordnung des Sofortvollzuges genügt es in formeller Hinsicht grundsätzlich nicht, wenn die Behörde lediglich auf die offensichtliche Rechtmäßigkeit der Verfügung hinweist. Eine Behörde hat nämlich regelmäßig von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit ihres Bescheides auszugehen, da sie bei Zweifeln den Verwaltungsakt nicht erlassen dürfte. Auch bei einem Verwaltungsakt mit Doppelwirkung verbieten sich bei der Vollziehbarkeitsanordnung im Beteiligteninteresse formelhafte, nichtssagende Wendungen. Das Begründungserfordernis für Vollziehbarkeitsanordnungen im Beteiligteninteresse würde allerdings überstrapaziert, verlangte man wie beim Sofortvollzug im öffentlichen Interesse eine Darlegung der Dringlichkeit. Hat der Drittrechtsbehelf mit erheblicher Wahrscheinlichkeit keinerlei Aussicht auf Erfolg, genügt es den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in diesen Fällen, dies in der Begründung zum Ausdruck zu bringen (vgl. Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann, Pietzner, VwGO-Kommentar, Stand: Januar 2002, § 80 a Rd.Nr. 32 m. Nw.). Demnach genügt in diesem Verfahren der - erfolgte - Hinweis der Antragsgegnerin auf die offensichtliche Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat auch inhaltlich keinen Erfolg, da die nach § 80 a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 und § 80 Abs. 4 und 5 VwGO gebotene Interessenabwägung durch das Gericht zu dem Ergebnis führt, dass dem Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung der Vollziehung der Bescheinigung des Übergangs der Anlieferungs-Referenzmenge der Vorrang gegenüber dem Interesse der Beigeladenen am Vollzug nicht gebührt (zum gerichtlichen Entscheidungsmaßstab vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. September 1999 - 12 M 2125/99 -, Nds. Verwaltungsblatt 2000, 64; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz in Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., Rd.Nrn. 817, 839). Denn die Klage des Antragstellers wird aufgrund der für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben.
Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand hat die Antragsgegnerin mit den angefochtenen Bescheiden voraussichtlich zu Recht den Übergang der Anlieferungs-Referenzmenge zugunsten der Beigeladenen bescheinigt. Zur Begründung wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen. Zutreffend ist darin ausgeführt, dass nach § 12 Abs. 2 ZAV i.V.m. § 7 Abs. 1 MGV bei der Rückgabe von ganzen Betrieben, die vor dem 1. April 2000 gepachtet und deren Pacht am 31. März 2000 oder später endet, die entsprechende Referenzmenge auf den Verpächter übergeht. Diese Voraussetzungen liegen aus den in den angefochtenen Bescheiden genannten Gründen offensichtlich vor.
Unter einem Betrieb ist eine funktional selbständige Produktionseinheit zu verstehen. Sie umfasst neben den landwirtschaftlichen Flächen die ihrer Bewirtschaftung dienenden Baulichkeiten - also Wohn- und Wirtschaftsgebäude (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1992 - 3 C 29.90 -, BVerwGE 91, 288; Urteil vom 16. September 1993 - 3 C 37.92 -, BVerwGE 94, 143). Der Übergang der Referenzmenge ist somit grundsätzlich flächengebunden (vgl. Gehrke, Die Milchquotenregelung (1996), S. 256 ff.) unter Bezugnahme auf Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 mit umfangreichen Hinweisen auf die höchstrichterliche Rechtsprechung). Eine Bindung der Referenzmenge an ein Inventar des Betriebes erfolgt somit nicht.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist es unerheblich, ob ein schriftlich abgeschlossener oder sonst wirksamer Pachtvertrag vorlag. Maßgeblich ist allein die tatsächliche Nutzung in den genannten Zeiträumen und eine Rückgabe, die hier durch Räumung durch den Gerichtsvollzieher am 26. März 2001 erfolgt ist. Auch wenn mit dem Landwirtschaftsgericht Nordenham (vgl. Urteil vom 17. Juli 2000) und dem Oberlandesgericht Oldenburg (vgl. Urteil vom 21. Dezember 2000) anzunehmen ist, dass zwischen dem Antragsteller und der Beigeladenen kein Pachtvertrag abgeschlossen ist, ist, wie sich aus § 7 Abs. 6 MGV ergibt, allein die Nutzung und deren Beendigung für die Rückübertragung der Referenzmenge entscheidend, denn nach § 7 Abs. 6 MGV ist § 7 Abs.1 MGV auch für Rechtsverhältnisse mit vergleichbaren Rechtsfolgen anwendbar.
Der Antrag war demnach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil diese keinen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko nicht ausgesetzt hat (vgl. § 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).