Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 05.11.2002, Az.: 4 A 1407/01
Außenbereich; Bauvorbescheid; Bebauungszusammenhang; Innenbereich; Minigolfanlage; Sportanlage; Werbetafel
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 05.11.2002
- Aktenzeichen
- 4 A 1407/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43654
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 49 BauO ND
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 3.250 € festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheides für die Errichtung einer Werbetafel. Sie beantragte am 18. April 2000 die Erteilung einer Baugenehmigung für eine 2,55 x 3,6 m große freistehende Werbetafel aus Holz für einseitig sichtbare wechselnde Fremdwerbung. Die Werbetafel soll im nordöstlichen Bereich des unbeplanten Grundstücks ... straße .. in ... errichtet werden. Auf dem Baugrundstück wird eine Minigolfanlage betrieben. Die Werbetafel soll im rechten Winkel zur ... straße auf Stützen östlich vor dem Kassenhaus an einem Weg errichtet werden. Außer dem Kassenhaus sind auf dem Baugrundstück keine Gebäude vorhanden. Auf dem westlich anschließenden Grundstück wird eine Tennisanlage betrieben. Die Tennisfreiplätze sind von den auf dem Baugrundstück vorhandenen Minigolfspielbahnen durch einen Grünstreifen aus Bäumen und Sträuchern getrennt. Eine Tennishalle liegt etwa 200 m westlich von dem geplanten Standort entfernt. Die Fläche östlich jenseits des Weges, an dem die Werbetafel errichtet werden soll, ist unbebaut und mit Bäumen und Sträuchern bestockt. Jenseits der ... straße liegt nordwestlich des geplanten Standortes in ca. 200 m Entfernung eine Sporthalle, nordöstlich eine größere geteerte Parkfläche und in ca. 300 m Entfernung nordöstlich eine Eissporthalle.
Nach Anhörung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. September 2000 die Erteilung der Baugenehmigung ab. Von der Werbeanlage würden erhebliche Belästigungen iSv. § 49 Abs. 2 NBauO ausgehen. Die Werbetafel solle an der südlichen Böschungskante eines Entwässerungsgrabens errichtet werden. Dort erstrecke sich eine Grünfläche aus wildgewachsenen Bäumen und Sträuchern, deren Erscheinungsbild durch eine Werbeanlage erheblich beeinträchtigt werde. Auch werde das Landschaftsbild verunstaltet, so dass öffentliche Belange (§ 35 Abs. 3 BauGB) beeinträchtigt würden.
Zur Begründung des Widerspruchs vom 11. Oktober 2000 führte die Klägerin im wesentlichen aus, das Baugrundstück läge im Innenbereich, da es innerhalb einer zusammenhängenden baulichen Nutzung liege. Der Erbbauberechtigte habe seine Zustimmung zur Errichtung der Werbeanlage erteilt.
Mit Bescheid vom 24. April 2001 lehnte die Bezirksregierung Weser-Ems den Widerspruch der Klägerin als unbegründet ab. Der vorgesehene Standort läge im Außenbereich. Der Bebauungszusammenhang sei über mehrere 100 m unterbrochen. Die Tennisplätze und die Minigolfanlage könnten keinen Bebauungszusammenhang begründen. Die Anlage würde zudem in den Außenbereich hineinwirken und sei auch deshalb nach § 49 Abs. 3 NBauO unzulässig. Die Minigolfanlage führe nicht zum Verlust des ruhigen Außenbereichscharakters des Grundstücks.
Am 7. Mai 2001 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus, der vorgesehene Standort läge innerhalb einer aufgelockerten Bebauung und das Vorhaben sei damit im Innenbereich zulässig. In der näheren Umgebung seien mehrere Werbeanlagen errichtet worden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. September 2000 und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 24. April 2001 zu verpflichten, ihr einen positiven Bauvorbescheid für die Errichtung einer Werbetafel auf dem Grundstück ... straße .. in ... zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt aus, dass das Baugrundstück im Außenbereich liege. Aufgrund der negativen optischen Wirkung auf die Grünfläche am Entwässerungsgraben und der Verunstaltung des Landschaftsbildes würden öffentliche Belange beeinträchtigt. Jedenfalls würde die Werbeanlage erheblich in den Außenbereich hineinwirken und sei damit nach § 49 Abs. 3 NBauO auch im Zusammenhang mit einer Sportanlage unzulässig. Die in der näheren Umgebung vorhandenen Werbeanlagen seien jeweils an solchen Standorten genehmigt worden, die aufgrund der vorhandenen Bebauung Innenbereichscharakter hätten bzw. an einem Standort im öffentlichen Verkehrsraum. Jene Flächen seien mit dem Vorhabenstandort, der im Außenbereich liege, nicht vergleichbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Das Baugrundstück und die nähere Umgebung wurden im Rahmen der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen.
Entscheidungsgründe
Das Verfahren war entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO mit der Kostenfolge aus § 155 Abs. 2 VwGO einzustellen, soweit die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen hat. In der mündlichen Verhandlung hat sie aufgrund der unzureichenden Bauvorlagen (nach § 1 Abs. 7 BauVorlVO ist der amtliche Vordruck zu verwenden; ein vermaßter Lageplan (§ 3 Abs. 1 Ziff. 4 BauVorlVO) fehlt) den ursprünglich auf Erteilung einer Baugenehmigung gerichteten Antrag im Wege der sachdienlichen und damit zulässigen Klageänderung (§ 91 VwGO) auf die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides beschränkt und damit sinngemäß die Klage teilweise zurückgenommen.
Im übrigen ist die zulässige Klage unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung eines positiven Bauvorbescheides (§ 74 Abs. 1 NBauO) zur Errichtung einer Werbetafel auf dem Grundstück ... straße .., da das nach § 69 NBauO genehmigungspflichtige Vorhaben nicht dem öffentlichen Baurecht entspricht (§§ 74 Abs. 2, 75 Abs. 1, 2 Abs. 10 NBauO).
Nach § 49 Abs. 3 Satz 1 NBauO sind Werbeanlagen im Außenbereich unzulässig und dürfen auch nicht erheblich in den Außenbereich hineinwirken. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der vorgesehene Standort eine Außenbereichsfläche. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z. B. Urteil vom 15. Mai 1997 - 4 C 23.95 - BauR 1997 S. 988 ff.) ist die Grenze zwischen Innen- und Außenbereich nicht unter Anwendung von geographisch-mathematischen Maßstäben zu bestimmen, sondern eine Beurteilung aufgrund einer echten Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts erforderlich (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 14. November 1991 - 4 C 1.91 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 236 = BRS 52 Nr. 146 m.w.N.). Maßgeblich ist, wie weit eine aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche selbst diesem Zusammenhang angehört.
Hiervon ausgehend liegt der zur Bebauung vorgesehene Standort im Außenbereich. Der östlich angrenzende Bereich ist unbebaut. Insofern fehlt es schon an einem "Bebauungszusammenhang", in dem das Grundstück liegt, der durch eine Anschlussbebauung vermittelt würde. Zudem liegt in westlicher Richtung die nächste für die Annahme eines Bebauungszusammenhangs mögliche relevante Bebauung ca. 200 m entfernt (Tennishalle). Der Begriff Bebauung erfordert bauliche Anlagen, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht haben, so dass sie ein Gebiet prägen können, d.h. "maßstabbildende Kraft" haben (Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, Kommentar, 7. Aufl. § 34 Rdziff. 2 m.w.N.). Davon ausgehend können weder die Tennisfreiplätze mit den Netz- und Zaunanlagen noch die Minigolfbahnen auf dem Baugrundstück einen Bebauungszusammenhang zu der ca. 200 m entfernten Tennishalle vermitteln. Dabei handelt es sich um untergeordnete bauliche Anlagen für Sport- bzw. Freizeitzwecke, die nicht maßstabbildend sind. Die gegenüberliegende Bebauung jenseits der ... straße ist hier nicht relevant. Zum einen ist auch diese Bebauung ca. 200 m entfernt und bildet die ... straße insoweit ohnehin eine den Bebauungszusammenhang unterbrechende Barriere. Zudem fehlt es auch insoweit an einer in der Nähe liegenden "Anschlussbebauung“ südlich des vorgesehenen Standortes.
In Betracht kommt somit allenfalls eine Zulässigkeit der Werbeanlage nach § 49 Abs. 3 Ziff. 4 NBauO. Danach sind Werbeanlagen u.a. an und auf Sportanlagen zulässig, soweit sie nicht erheblich in den übrigen Außenbereich hineinwirken. Gedanke dieser Regelung ist es, dass durch Sportanlagen und ähnliche in dieser Vorschrift genannte bauliche Anlagen der "ruhige Außenbereichscharakter" der Landschaft ohnehin unterbrochen ist (vgl. Große-Suchsdorf, Lindorf, Schmaltz, Wiechert, NBauO, Kommentar, 7. Auflg. § 49 Rz. 28). Es kann hier dahinstehen, ob es sich bei der Minigolfanlage überhaupt um eine "Sportanlage" im Sinne dieser Regelung handelt. Denn nach § 49 Abs. 4 Ziff. 4 NBauO sind nur solche Werbeanlagen "privilegiert", die gleichsam nach innen auf die dort genannten Anlagen wirken und somit die Besucher bzw. Nutzer der Sportanlagen ansprechen sollen, da anderenfalls die Einschränkung, wonach die Anlagen nicht erheblich in den übrigen Außenbereich hineinwirken dürfen, keinen Sinn machen würde. Diese Voraussetzung ist hier bereits deshalb nicht erfüllt, da das Werbeschild nicht in erster Linie die Besucher der Minigolfanlage sondern „nach außen wirken“ - nämlich die Verkehrsteilnehmer auf der ... straße ansprechen soll. Letzteres führt auch zur Unzulässigkeit des Vorhabens, da nach § 49 Abs. 3 Ziff. 4 NBauO die dort genannten Werbeanlagen nicht erheblich in den übrigen Außenbereich hineinwirken dürfen. Dieses ist hier der Fall, da der im Außenbereich liegende Weg und der frei zugängliche Bereich östlich des vorgesehenen Standortes durch die Werbeanlage beeinträchtigt wird. Von dort aus wäre die Werbefläche vollständig und deutlich wahrnehmbar, so dass sie in den Außenbereich hineinwirkt (vgl. Große-Suchsdorf u.a. a.a.O. § 49 Rz. 28 u. 22).
Auf die in der näheren Umgebung errichteten sonstigen Werbeanlagen kann die Klägerin sich nicht erfolgreich berufen. Die ca. 300 m westlich errichtete Werbetafel im Euroformat ist im Zusammenhang mit dem Parkplatz für die Tennisanlagen zu sehen. Dort handelt es sich um eine Innenbereichsfläche. Die nordöstlich errichtete Anlage (Citylightboard) steht im öffentlichen Verkehrsraum und ist somit möglicherweise nach § 49 Abs. 4 Satz 2 NBauO zulässig, wonach auf Verkehrsflächen öffentlicher Straßen ausnahmsweise auch andere Werbeanlagen zugelassen werden dürfen, soweit diese die Eigenart des Gebietes und das Ortsbild nicht beeinträchtigen. Jedenfalls ist die dortige Situation nicht mit der Situation des Baugrundstücks vereinbar, da in unmittelbarer Nähe des Citylightboards und auch der nordöstlich liegenden Litfasssäule Parkflächen sowie ohnehin Hinweisschilder auf die Eissporthalle und die Eissporthalle selbst vorhanden sind.
Schließlich kann die Klägerin auch keine Ansprüche aus den Äußerungen eines Mitarbeiters des Liegenschaftsamtes der Beklagten über die Zustimmung zur Errichtung der Werbeanlage herleiten. Für die Prüfung der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens ist das Bauordnungsamt der Beklagten zuständig. Eine in der mündlichen Stellungnahme enthaltene wirksame Zusicherung, eine Baugenehmigung bzw. einen Bauvorbescheid für das Vorhaben zu erteilen, scheidet zudem auch mangels Schriftform aus (§ 38 Abs. 1 S. 1 VwVfG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich der Höhe nach an dem Streitwertkatalog des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts für baurechtliche Verfahren (Nds. VBl. 1995 S. 80), wonach für die Erteilung eines Bauvorbescheides für eine Werbetafel im Euroformat 6.500 DM als Streitwert angemessen sind (Ziff. 4 Streitwertkatalog). Bei der Umrechnung in Euro wurde pauschal halbiert.