Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 07.11.2002, Az.: 6 A 804/01
amtsangemessene Alimentation; angemessene Alimentation; Beamter; Erhöhungsbetrag; Familienzuschlag; Geburtsanzeige; Nachzahlung; rechtzeitige Geltendmachung; Widerspruchserhebung
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 07.11.2002
- Aktenzeichen
- 6 A 804/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43683
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 9 § 1 Abs 1 S 2 BBVAnpG99
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Anzeige von der Geburt eines Kindes kann nicht als Geltenmachung einer unzureichenden Alimentation im Sinne des Art. 9 § 1 Satz 2 BBVAnpG gewertet werden.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt amtsangemessene Alimentation für einen zurückliegenden Zeitraum.
Der Kläger ist Polizeibeamter und steht im Dienste des Landes Niedersachsen. Er ist der Vater von fünf Kindern, wobei das dritte Kind im März 1994 geboren wurde.
Unter dem 28. August 2000, beim Beklagten am 1. September 2000 eingegangen, beantragte er die “Nachzahlung von Erhöhungsbeiträgen bei mehr als drei Kindern ab 03.1994“. Zur Begründung führte er aus, ihm werde der Familienzuschlag für das dritte sowie weitere Kinder um je 200 DM ausgezahlt. Soweit ihm bekannt sei, greife jedoch ein neues Urteil zum Bundesbesoldungsgesetz, wonach ein Anspruch auf Erhöhung der Beträge schon für den Zeitraum 1988 bis 1998 bei mehr als drei Kindern bestünde. Da sein Sohn .... im März 1994 und die Tochter ..... im Oktober 1996 geboren worden seien, bestehe nach seiner Auffassung ein Anspruch auf Nachzahlung ab März 1994.
Mit Bescheid vom 4. September 2000 lehnte der Beklagte den Antrag unter anderem mit der Begründung ab, er sei für den Zeitraum vor dem 1. Januar 1999 deshalb abzulehnen, weil der Kläger nicht zu dem in Art. 9 § 1 des Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes 1999 (BBVAnpG 99) erwähnten Personenkreis - Kläger und Widerspruchsführer - gehöre.
Den vom Kläger erhobenen Widerspruch begründete er im Wesentlichen damit, dass das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 24. November 1998 ausgeführt habe, dass besoldungsrechtliche Vorschriften mit Art. 33 Abs. 5 GG nicht vereinbar seien, soweit es der Gesetzgeber unterlassen habe, in den Jahren ab 1988 bei Beamten mit mehr als zwei Kindern eine amtsangemessene Alimentation festzusetzen. Die Umsetzung dieser verfassungsgerichtlichen Entscheidung sei durch das Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1999 erfolgt, in dem geregelt sei, ab wann bestimmte Erhöhungen zu erfolgen hätten. Lediglich für die Kläger der verfassungsgerichtlichen Ausgangsverfahren sei in Art. 9 § 1 BBVAnpG 99 eine Anpassungsregelung ab dem 1. Januar 1988 getroffen worden. Andere Beamte, wie er, seien nicht berücksichtigt worden. Die Entscheidung des Gesetzgebers entspreche nicht dem, was das Bundesverfassungsgericht am 24. November 1998 entschieden habe. Es habe nämlich entschieden, dass bereits seit 1988 eine amtsangemessene Alimentation bei Beamten mit mehr als zwei Kindern nicht vorgelegen habe. Das dritte Kind ... sei am 3. März 1994, das vierte Kind .... am 10. Oktober 1996 geboren worden, so dass seine Alimentation ab März 1994 nicht mehr angemessen gewesen sei.
Mit am 15. Februar 2001 zugestellten Bescheid vom 9. Februar 2001 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, in Art. 9 §1 des BBVAnpG 1999 sei geregelt, das Anspruchsberechtigt nur Widerspruchsführer und Kläger seien, die ihre Ansprüche auf höhere Besoldung für dritte und weitere Kinder geltend gemacht hätten, ohne dass darüber schon abschließend entschieden worden sei. Dabei sei durch Erlass des Niedersächsischen Finanzministeriums geklärt, dass es nicht zulässig sei, über die in ihrem Wortlaut eindeutige und dem Willen des Gesetzgebers entsprechende Vorschrift hinaus auf dieser Grundlage auch solchen Besoldungsempfängern Erhöhungsbeträge zu zahlen, die ihre Ansprüche nicht durch Widerspruch oder Klage geltend gemacht hätten. Bloße Anträge, die auf eine Erhöhung der Besoldung gerichtet seien, seien mangels gesetzlicher Grundlage stets anzulehnen. Der Widerspruch sei unbegründet, weil der Kläger nicht Widerspruchsführer im Sinne des Gesetzes sei. Das Bundesverfassungsgericht habe bereist in seiner Entscheidung vom 25. März 1990 festgestellt, dass es verfassungsrechtlich nicht geboten sei, Besoldungsempfängern nachträglich rückwirkend eine verfassungsgemäße Alimentation zu gewähren. Das Bundesverfassungsgericht habe deshalb verlangt, dass eine Nachbesserung der Alimentation geboten sei, soweit der Besoldungsempfänger seinen Anspruch durch Erhebung einer Klage rechtshängig gemacht habe. Dem habe das Bundesverfassungsgericht diejenigen Beamtinnen und Beamten gleich gestellt, die aus prozessualen Gründen gehindert gewesen seien, rechtzeitig ihre Ansprüche bei Gericht geltend zu machen. Der Gesetzgeber habe diese Rechtsprechung auch durch Art. 14 § 3 des Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts vom 24. Februar 1997 umgesetzt. Der Begriff des Widerspruchsführers sei nach dem Willen des Gesetzgebers im Sinne der Verwaltungsgerichtsordnung zu verstehen. Da nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kein verfassungsrechtliches Gebot der rückwirkenden Besserstellung bestehe, habe der Besoldungsgesetzgeber mit Rücksicht auf die Haushaltslage ganz bewusst den Kreis der Begünstigten in diesem Sinne fest gelegt. Auch mit seiner Entscheidung vom 24. November 1998 habe das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, eine allgemeine rückwirkende Behebung des Verfassungsverstoßes sei mit Blick auf die bereits im Beschluss vom 22. März 1990 näher erläuterten Besonderheiten des Beamtenrechtsverhältnisses nicht geboten. Im Ergebnis bleibe fest zu halten, dass das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen vom 24. November 1998 die Bestimmungen aus Art. 14 § 1 Reformgesetz nur hinsichtlich der Höhe danach Besoldung beanstandet, nicht aber wegen des personellen Anwendungsbereichs beanstandet habe. Der Besoldungsgesetzgeber habe durch Art. 9 § 1 BBVAnpG 1999 die Erhöhungsbeträge nachgebessert. Die Festlegung des begünstigten Personenkreises habe er unangetastet gelassen, obwohl ihm die Problematik zahlreicher Antragsteller bewusst gewesen sei. Art. 9 § 1 BBVAnpG 1999 regele eindeutig und abschließend den Personenkreis. Der Kläger gehöre aber nicht zu dem in Art. 9 § 1 BBVAnpG des Gesetzes abschließend aufgeführten Personenkreis.
Mit der am 15. März 2001 erhobenen Klage trägt der Kläger vor, aus der Verwaltungsakte ergebe sich, dass er mit Schreiben vom 28. August 2000 einen Antrag auf amtsangemessene Alimentation gestellt habe. Er meine allerdings, bereits früher gegen Besoldungsbescheide Einwendungen erhoben zu haben. Ob es sich dabei um bloße Schreiben oder um förmliche Widersprüche gehandelt habe, wisse er nicht mehr genau. Er wisse auch nicht genau, wann er entsprechend tätig geworden sei, meine aber sich erinnern zu können, dass er tätig geworden sei. Es bestehe damit die Möglichkeit, dass ein Widerspruch zu früheren Zeiten oder ein Schreiben zu früherer Zeit umgedeutet werden könne in einen Anspruch auf amtsangemessene Alimentation. Der im März 1994 eingereichte Vordruck zur Überprüfung des Kindergeldanspruchs und des Anspruchs auf erhöhten Ortszuschlag bzw. Sozialzuschlag sein jedenfalls als ein solcher Anspruch anzusehen. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass er nach der Geburt eines jeden Kindes bei seinem Dienstherrn eine sog. Veränderungsanzeige eingereicht habe, die dann jeweils zur Personalakte genommen worden sei. Die Veränderungsanzeige habe insbesondere den Zweck, nach der Geburt eines Kindes die Besoldung entsprechend den Gegebenheiten anzupassen. Das bedeute gleichzeitig, dass er eine amtsangemessene Alimentation begehrt habe. Eine großzügige Auslegung sei geboten, da der Anspruch des Beamten auf angemessene Alimentation nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundrechtlichen Charakter habe.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, ihm für den Zeitraum vom 3. März 1994 bis zum 31. Dezember 1998 gemäß Art. 9 § 1 des Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes 1999 Nachzahlungen zu gewähren und die Bescheide vom 4. September 2000 und 9. Februar 2001 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er entgegnet im Wesentlichen, der Kläger habe erstmalig unter dem 28. August 2000 die Erhöhung des Kindergeldes und des Ortszuschlages unter Berufung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998 beantragt. Eine Zahlung der Erhöhungsbeträge nach Art. 9 §1 BBVAnpG 1999 komme jedoch nur in Betracht, wenn der Anspruch vor dem 1. Januar 1999 geltend gemacht worden sei. Anders als vom Kläger vertreten, könnten die sonstigen Äußerungen des Klägers auch nicht als Widerspruch angesehen werden.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen; sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Dem Kläger steht kein aus Art. 9 § 1 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1999 - Bundesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz 1999 - BBVAnpG 99 - (vom 19. November 1999, BGBl. I S. 2198) ableitbarer Anspruch auf Nachzahlung von Bezügen zu, weil er erst im September 2000 und damit eindeutig nach Ablauf des in Art. 9 § 1 Abs. 1 Satz 1 BBVAnpG 99 bezeichneten Zeitraums - 1. Januar 1988 bis 31. Dezember 1998 - einen Anspruch geltend gemacht hat. Dass der Gesetzgeber unter anderem durch die Einführung eines bestimmten Zeitraums, innerhalb dessen der Beamte seinen Anspruch geltend gemacht haben muss, nicht allen Beamten rückwirkend einen durchsetzbaren Anspruch auf amtsangemessene Alimentation eingeräumt hat, begegnet wiederum keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfGE 99, 300 (331)). Rechtlich ohne Bedeutung bleibt dabei auch, dass die Ablehnung durch den Beklagten in den Bescheiden auf eine vorliegend nicht als entscheidungstragend angesehene Begründung gestützt wird, weil keine Ermessensentscheidung zur Überprüfung anstand.
Anders als vom Kläger vertreten, können auch die im gesetzlich bezeichneten Zeitraum von ihm vorgenommen Anzeigen von der Geburt seiner Kinder oder die Übersendung des Vordrucks zur Überprüfung des Kindergeldanspruchs bzw. Anspruchs auf erhöhten Ortszuschlag nicht als Geltendmachung eines solchen Anspruchs bzw. als Widerspruchserhebung angesehen werden. Soweit es die Anzeige von der Geburt eines Kindes betrifft, kann dies schon deshalb nicht der Fall sein, weil dies im gesetzlich bezeichneten Zeitraum sämtliche Beamte, die Eltern geworden sind, getan haben werden, so dass die Wertung bereits dieser Handlung als Geltendmachung des Anspruchs ersichtlich der gesetzgeberischen Zielsetzung zuwider liefe, nicht allen, sondern nur solchen Beamten einen Nachzahlungsanspruch zuzuerkennen, die eine unzureichende Alimentation dem Dienstherrn gegenüber gleichsam beanstandet haben. Das Erfordernis einer Äußerung mit Beanstandungscharakter schließt im Übrigen auch aus, bereits allein die Übersendung des vom Kläger bezeichneten Vordrucks als Geltendmachung des Anspruchs anzusehen. Der nicht vom Kläger, sondern vom Dienstherrn herrührende Vordruck diente in erster Linie dazu, dem Dienstherrn eine Überprüfung zu ermöglichen, ob dem Beamten der Kindergeldanspruch oder der erhöhte Ortszuschlag noch tatsächlich zusteht.