Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 07.11.2002, Az.: 4 B 3906/02

Abwehrrecht; Baugenehmigung; einstweiliger Rechtsschutz; Erledigungserklärung; Lärmvorbelastung; Nachbarantrag; Nachbarklage; Nachbarschutz; Nachtragsbaugenehmigung; Rücksichtnahmegebot

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
07.11.2002
Aktenzeichen
4 B 3906/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 43672
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Frage der Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen eine geänderte Baugenehmigung, wenn (gleichzeitig) der Rechtsbehelf gegen die Genehmigung in der Ursprungsfassung für erledigt erklärt wird.

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die der Beigeladenen durch die Antragsgegnerin unter dem 27. Dezember 2001 erteilte Baugenehmigung für ein Geschäftshaus in der Fassung der Nachtragsgenehmigung vom 22. August 2002 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Gründe

1

I. Die Antragsteller sind Eigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks (...), an das in südöstlicher, östlicher und - jenseits der Straße ... - nördlicher Richtung weitere Wohngrundstücke anschließen. Westlich des Grundstücks der Antragsteller folgt das aus verschiedenen Flurstücken bestehende Grundstück ... ... straße .. bis .., das ebenso wie das Grundstück der Kläger nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt. Auf diesem Nachbargrundstück befindet sich eine zur ... ... straße ausgerichtete Tankstelle. Der übrige Bereich wurde bislang für ein auf der anderen Seite der ... ... straße angesiedeltes Autohaus genutzt, die unmittelbar an das Grundstück der Antragsteller anschließenden Flächen als Stellflächen für Pkw. 1997 erteilte die Antragsgegnerin einen Bauvorbescheid für die Errichtung eines Einzelhandelszentrums nördlich der Tankstelle. Das Verfahren über die gegen diese Genehmigung erhobene Klage der Antragsteller (4 A 1237/99) wurde eingestellt, nachdem die damalige Bauherrin auf die Ausnutzung des Bauvorbescheides verzichtet hatte.

2

Unter dem 27. Dezember 2001 erteilte die Antragsgegnerin der damaligen Bauherrin die Baugenehmigung für den "Neubau eines Geschäftshauses (Lebensmittelmarkt)" auf dem Nachbargrundstück. Die Erlaubnis sah die Errichtung eines Discountmarktes nördlich der Tankstelle in einer gegenüber dem Bauvorbescheid geänderten Ausführung vor. Gegen diese Baugenehmigung erhoben die Antragsteller Widerspruch und am 13. August 2002 Untätigkeitsklage (4 A 3419/02). Am 15. August 2002 beantragten sie die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes (4 B 3434/02). Unter dem 22. August 2002 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen, die zuvor den Bauherrenwechsel angezeigt hatte, auf ihren Antrag eine Nachtragsbaugenehmigung für das Vorhaben. Er bezieht sich insbesondere auf die Änderung der Warenanlieferung, die an der dem Grundstück der Antragsteller zugewandten Seite des geplanten Baukörpers erfolgen soll. Die Antragsteller erhoben gegen diesen Bescheid Widerspruch, über den noch nicht entschieden wurde. Unter Hinweis auf die Nachtragsgenehmigung erklärten die Antragsteller in den Verfahren 4 A 3419/02 und 4 B 3434/02 jeweils den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt; diesen Erklärungen schloss sich die Antragsgegnerin an.

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Zeitgleich mit ihren Erledigungserklärungen haben die Antragsteller erneut um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Die Baugenehmigung sei in der Fassung der Nachtragsgenehmigung rechtswidrig und verletze sie in ihren Nachbarrechten.

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Die Antragsteller beantragen,

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die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 27. August 2002 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 22. August 2002 für die Errichtung eines Geschäftshauses anzuordnen.

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Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.

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Sie ist der Auffassung, dass sich der Streitgegenstand wegen der übereinstimmenden Erklärungen in den vorangegangenen gerichtlichen Verfahren erledigt hat. Im Übrigen verstoße das Vorhaben nicht gegen Nachbarrechte.

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Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.

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II. Das Gericht wertet das Begehren der Antragsteller dahingehend, dass es sich nicht (nur) auf die Nachtragsbaugenehmigung vom 22. August 2002 bezieht, sondern auf die Baugenehmigung vom 27. Dezember 2002 in der Fassung der genannten Nachtragsgenehmigung. Eine isolierte Anfechtung der Nachtragsgenehmigung wäre unzulässig, da diese unselbständig ist und sich die Antragsteller gegen die Baumaßnahme insgesamt wenden. Deren genehmigter Umfang erschließt sich aus den Inhalten beider Genehmigungsbescheide; nach dem Text der Nachtragsgenehmigung vom 22. August 2002 ist diese Bestandteil der Ursprungsgenehmigung, die damit in der Fassung der Änderung weiter wirksam ist.

10

Der so verstandene, nach § 80 a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 iVm. § 80 Abs. 5 VwGO zu beurteilende Antrag ist zulässig. Der Widerspruch der Antragsteller gegen die bauaufsichtliche Zulassung des Vorhabens hat keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO iVm. § 212 a Abs. 1 BauGB). Die Verwirklichung des Vorhabens steht unmittelbar bevor, so dass eine der drohenden Vollstreckung (vgl. § 80 a Abs. 3 Satz 2 iVm. § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO) vergleichbare Situation besteht. Der Beschluss der erkennenden Kammer vom 21. August 2002 (4 B 3434/02) über die einstweilige Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung vom 27. Dezember 2001 ist gegenstandslos, (vgl. den Beschluss vom 1. Oktober 2002); die Baumaßnahmen könnten deshalb auf der Grundlage der geänderten Genehmigung fortgesetzt werden. Die Beigeladene hat sich auch nicht zu ihren Bauabsichten geäußert, so dass anzunehmen ist, dass sie entsprechend ihren ursprünglichen Planungen alsbald die Bauarbeiten wieder aufzunehmen gedenkt.

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Für das auf vorläufigen Rechtsschutz gerichtete Verfahren geht die erkennende Kammer davon aus, dass die Antragsteller nicht durch die Abgabe der Erledigungserklärungen den Verfahren 4 A 3419/02 und 4 B 3434/02 an der Geltendmachung nachbarlicher Abwehrrechte gegen die Baugenehmigung in der geänderten Fassung gehindert sind. Als Rechtsfolgen der übereinstimmenden Erledigungserklärungen endete in den genannten Verfahren die Rechtshängigkeit (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl., § 161 Rdnr. 8) der Rechtsbehelfe. Damit war auch die Anfechtungssituation gegen die Baugenehmigung beendet. Dies gilt allerdings nur für die Fassung, die die Erlaubnis vor dem Ereignis hatte, das die Erledigungserklärungen ausgelöst hatte, also für die Ursprungsfassung. In dieser Gestalt ist der Verwaltungsakt nicht mehr anfechtbar. Einwendungen gegen die Baugenehmigung in ihrer geänderten Form sind den Antragstellern dadurch nicht notwendig abgeschnitten; ihre Zulässigkeit richtet sich nach allgemeinen Regelungen. Hier begann mit der Nachtragsbaugenehmigung die Anfechtungsmöglichkeit gegen die geänderte Genehmigung neu. Die Erlaubnis vom 27. Dezember 2001 besteht infolge der durch die Nachtragsbaugenehmigung verfügten Änderungen in ihrer ursprünglichen Gestalt nicht mehr. Ausgenutzt werden darf die Baugenehmigung nur noch in der Fassung der Nachtragsgenehmigung. Dies hat die Antragsgegnerin etwa in der Nebenbestimmung Nr. 1 zur Nachtragsgenehmigung deutlich gemacht, wonach der ursprünglich genehmigte Lageplan "aufgehoben" und durch den neuen Plan ersetzt wird. Durch den Bescheid vom 22. August 2002 erhält die Genehmigung einen Inhalt, der in nachbarrechtlich erheblicher Weise von der Ursprungsgenehmigung abweicht. In dieser Gestalt war er von den Erledigungserklärungen nicht erfasst und sollte - jedenfalls aus der Sicht der Antragsteller - auch nicht von ihnen erfasst werden. Die Antragsteller haben vielmehr in den Begleitschreiben zu den Erledigungserklärungen zum Ausdruck gebracht, dass sie ihren Widerspruch gegen die Baugenehmigung in dem am 22. August 2002 genehmigten Inhalt fortsetzen wollen.

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Der Antrag ist auch begründet. Die vom Gericht zu treffende Entscheidung orientiert sich grundsätzlich an dem Ergebnis einer umfassenden Abwägung des sich gegenüberstehenden Interesses der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes einerseits und der vorläufigen Aussetzung der Vollziehung andererseits. Im Rahmen dieser Abwägung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des erhobenen Rechtsbehelfs in der Hauptsache maßgebend, wenn sie in der einen oder anderen Richtung offensichtlich sind. Anderenfalls findet eine umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände statt. Diese ist auch hier vorzunehmen. Nach dem Ergebnis der in Verfahren dieser Art nur überschlägig möglichen Prüfung der Sach- und Rechtlage kann derzeit nicht sicher abgeschätzt werden, ob der Rechtsbehelf der Antragsteller gegen die Baugenehmigung in der geänderten Fassung letztlich Erfolg haben wird oder nicht.

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Allerdings teilt die erkennende Kammer die Bedenken der Antragsteller hinsichtlich der Bestimmtheit der geänderten Genehmigung nicht. Die An- und Abfahrtwege für den Entladeverkehr sind in den zum Gegenstand der Baugenehmigung gemachten Anlagen eindeutig beschrieben. Sie sind insbesondere in dem Lageplan Beiakte G, Bl. 44, zeichnerisch dargestellt. Aus diesem Lageplan ergibt sich zugleich, dass die Zufahrt zu dem Ladebereich von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr durch eine Schranke versperrt werden muss. Außerdem wird aus dem Lageplan und der Zeichnung Beiakte G, Bl. 45, deutlich, dass der Abstand zwischen dem Grundstück der Antragsteller und der Rampe des Baukörpers auf insgesamt 4 m vergrößert werden soll (3 m bis zur Lärmschutzwand und 1 m bis zur Rampe). Die zeitliche Beschränkung des Anlieferverkehrs ist auch im Text der Anlagen zur Baugenehmigung hinreichend festgehalten (Beiakte G, Bl. 41 bis 43). Inwieweit tatsächlich eine Möglichkeit besteht, die Schranke für den Entladeverkehr zu umfahren, kann nicht abgeschätzt werden. Eine solche Möglichkeit würde hier für sich genommen nicht zur Aussetzung der Vollziehung führen, da der Betreiber ersichtlich die erforderlichen Voraussetzungen für die Einhaltung des Nachtbelieferungsverbotes schaffen will und anzunehmen ist, dass erforderlichenfalls noch im laufenden Rechtsbehelfsverfahren eine entsprechende Nachbesserung der Baugenehmigung erfolgen würde. Die angefochtene Baugenehmigung ist auch nicht deshalb aus der Sicht des Nachbarschutzes unvollständig, weil sie keine Regelung über ein Verbot eines Leerlaufbetriebes der Lkw einschließlich des Betriebes der Kühlaggregate während der Entladung enthält. Das schalltechnische Gutachten des TÜV-Nord Umweltschutz GmbH & Co. KG vom 5. August 2002, das die Antragsgegnerin zum Bestandteil der Nachtragsbaugenehmigung vom 22. August 2002 gemacht hat, geht davon aus, dass die Immissionsrichtwerte in der Nachbarschaft auch beim Betrieb der Lkw-Kühlaggregate eingehalten werden (Zusammenfassung Bl. 8 des Gutachtens).

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In der Sache werden die Antragsteller voraussichtlich nicht mit Erfolg einen Anspruch auf Bewahrung der Gebietsart geltend machen können. Ein solcher Schutzanspruch, der über das Rücksichtnahmegebot hinausgeht, greift im unbeplanten Innenbereich nur dann ein, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht, § 34 Abs. 2 BauGB. Er wird in einem solchen Fall bereits unabhängig von tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigungen des Nachbarn durch Zulassung eines mit dem Gebietscharakter unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil dadurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebietes eingeleitet wird (BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 118 = UPR 1994, 69 [BVerwG 16.09.1993 - BVerwG 4 C 9.91]). Hier entspricht aber die Eigenart der (gemeinsamen) näheren Umgebung des Baugrundstücks und des Grundstücks der Antragsteller nicht einem der in der BauNVO bezeichneten Baugebiete. Nach den Erkenntnissen der Kammer aus der Ortsbesichtigung in den Verfahren 4 A 1235/99 und 4 A 1237/99 sowie nach dem vorliegenden Kartenmaterial bildet vielmehr die gemeinsame Grundstücksgrenze faktisch auch eine Grenze unterschiedlicher Nutzungen in den sich hieran jeweils anschließenden Gebieten. Während sich die Bebauung östlich und nördlich des Grundstücks der Antragsteller als allgemeines oder gar reines Wohngebiet darstellt, ist das Baugrundstück Teil eines sich entlang der ... ... straße hinziehenden Gebietes, das durch z. T. intensive gewerbliche Nutzung mit Mischgebietscharakter geprägt ist. Auch die bisherigen Nutzungen des Baugrundstücks (Tankstelle, Autohaus) wären in einem reinen Wohngebiet (§ 3 BauNVO) keinesfalls und in einem allgemeinen Wohngebiet (§ 4 BauNVO) allenfalls ausnahmsweise zulässig. Die zum Baugrundstück zählenden, an die Straße ... angrenzenden Flurstücke ../.. und ../.. sind auch nicht isoliert bauplanungsrechtlich dem angrenzenden faktischen Wohngebiet zuzuordnen. Hiergegen spricht schon die fehlende Bebauung mit Hochbauten und vor allem die langjährige gewerbliche Nutzung für das Autohaus, die die Antragsteller hingenommen haben und die sie sich insoweit entgegenhalten lassen müssen. Wegen der fehlenden Vermischung der unterschiedlichen Nutzungen können das Baugrundstück und das Nachbargrundstück der Antragsteller auch nicht als Bestandteile eines einheitlichen faktischen Mischgebietes (§ 6 BauNVO) angesehen werden, das nach Maßgabe der genannten Rechtsprechung des BVerwG einen Anspruch auf Bewahrung der Gebietsart begründen könnte.

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Ob ein Abwehranspruch der Antragsteller aus dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme besteht, das auch im unbeplanten Innenbereich über das in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene Gebot des "Einfügens" Bedeutung erlangt und auch dort nachbarschützende Wirkung haben kann, kann nicht abschließend beurteilt werden. Die Errichtung und Nutzung von Einzelhandelsflächen in unmittelbarer Nähe von Wohnbebauung ist nicht schon im Grundsatz rücksichtslos. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalls kommt es hier wesentlich darauf an, ob das Vorhaben gegenüber dem Grundstück der Antragsteller den maßgeblichen Lärmrichtwert einhält. Die Beteiligten gehen insoweit übereinstimmend von den Grenzwerten für ein allgemeines Wohngebiet von tags 55 dB(A) und nachts 40 dB(A) aus. Nach vorläufiger Einschätzung ist dieser Maßstab rechtlich nicht zu beanstanden. Nach Aktenlage mag zwar die an das Grundstück der Antragsteller anschließende Wohnbebauung, die offenbar nicht gewerblich durchmischt ist, eventuell sogar als reines Wohngebiet einzustufen sein. Für das Grundstück der Antragsteller ist aber andererseits zu berücksichtigen, dass es in einem Grenzbereich unterschiedlicher Baugebiete liegt, in dem die Nutzung mit einer gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet ist. Diese äußert sich bei der Festlegung der Zumutbarkeitsschwelle in der Bildung eines Mittelwertes (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1975 - 4 C 71.73 -, BVerwGE 50, 49). Stoßen - wie hier - ein Wohngebiet und ein Bereich mit einer dort nicht generell zulässigen gewerblichen Nutzung aneinander, so unterliegt nicht nur die gewerbliche Nutzung, sondern auch die Wohnnutzung im Grenzbereich weitergehenden Bindungen als im Kernbereich des jeweiligen Gebietes. Diese Überlegungen lassen es vorbehaltlich einer näheren Prüfung im Widerspruchs- und einem eventuellem Klageverfahren als angemessen erscheinen, dem Grundstück der Antragsteller gegenüber vom Baugebiet ausgehenden Emissionen einen Schutzanspruch wie in einem allgemeinen Wohngebiet zuzubilligen.

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Nach dem Ergebnis der ergänzenden schalltechnischen Stellungnahme des TÜV-Nord vom 5. August 2002 werden durch das genehmigte Vorhaben wahrscheinlich keine Lärmimmissionen für das Grundstück der Antragsteller verursacht, die die Richtwerte für ein allgemeines Wohngebiet übersteigen. Für die beiden Immissionspunkte IP 3 und IP 4 auf dem Grundstück der Antragsteller berechnet der TÜV-Nord unter Berücksichtigung ungünstiger Umstände (Gesamtbetrieb, "laute Lkw-Kühlaggregate" während der Entladungen im Betrieb) Beurteilungspegelbeiträge von jeweils 54 dB(A). Bei der Alternative "leise Lkw-Kühlaggregate" verringern sich die prognostizierten Werte auf 52 bzw. 51 dB(A). Damit verbliebe zu dem Immissionsrichtwert von 55 dB(A) ein Spielraum von jedenfalls 1 dB(A). Das Gutachten leidet auch nicht erkennbar an Mängeln, die seine Aussagekraft insoweit in Frage stellen.

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Dennoch bleiben Zweifel, ob die Einhaltung der Lärmrichtwerte durch die Baugenehmigung hinreichend gesichert ist. Unter 7.2 der Stellungnahme werden Grenzwerte für die Geräusche der Abgasmündung der Heizungsanlage sowie der Kälteanlage im Freien innerhalb der überdachten Anlieferungsrampe genannt. Der Gutachter hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass das Hervorrufen tonhaltiger Geräusche durch die Anlage in der Nachbarschaft vermieden werden müsse. Es werde empfohlen, den Kältekompressor im Gebäude aufzustellen oder ihn bei einer Aufstellung außerhalb des Gebäudes einzuhausen. Der Schallleistungspegel der frei abstrahlenden Anlageteile sei auf insgesamt 64 dB(A) zu begrenzen. Die "Empfehlung" wird in der Nachtragsbaugenehmigung nicht an anderer Stelle aufgenommen und damit möglicherweise unzureichend umgesetzt. Eine allgemeine Einbeziehung des schalltechnischen Gutachtens durch die Nebenbestimmung Nr. 2 in die Baugenehmigung genügt den Anforderungen des Nachbarschutzes insoweit möglicherweise nicht.

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Darüber hinaus und vor allem folgt aus dem Gutachten nicht die gesamte Lärmbelastung für das Grundstück der Antragsteller nach Ausnutzung der Baugenehmigung. Die Antragsteller weisen insoweit zutreffend darauf hin, dass wesentliche Geräuschquellen unberücksichtigt bleiben. Eine nicht zu vernachlässigende Vorbelastung besteht jedenfalls durch die auf dem Baugrundstück befindliche Tankstelle mit ihren Nebenanlagen wie der Waschstraße. Abzustellen ist für den Nachbarschutz der Antragsteller aber auf die Gesamtbelastung (Nr. 3.2.1 1. Abs. der TA-Lärm), wobei die Vorbelastung in bestimmter Weise (Absätze 2 - 4) angemessen zu berücksichtigen ist. Angesichts des knappen Ergebnisses des Gutachtens vom 5. August 2002 (54 dB(A)) kann ohne die erforderliche Einbeziehung der Vorbelastung in die Prüfung nicht abgeschätzt werden, ob der maßgebliche Immissionsrichtwert eingehalten wird oder die Anlage trotz Überschreitung genehmigungsfähig ist.

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Die in dieser Situation vorzunehmende allgemeine Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen, insbesondere der Antragsteller und der Beigeladenen, fällt hier zu Lasten der Beigeladenen aus. Bei einer Fortführung der Baumaßnahmen vor einer Klärung der offenen Fragen würden Fakten geschaffen werden, die sich später erforderlichenfalls kaum mehr rückgängig machen ließen. Angesichts der bisher verstrichenen Verzögerungen fällt auch der für eine ergänzende Begutachtung der Gesamtbelastung erforderliche Zeitraum nicht ins Gewicht. Bei einem für die Beigeladene positiven Ergebnis eines solchen Gutachtens stünde es ihr frei, gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 2 iVm. § 80 Abs. 7 VwGO eine Änderung dieses Beschlusses zu beantragen. In der Zwischenzeit könnte die Baugenehmigung auch durch eine Klarstellung zu den in Nr. 7.2 des Gutachtens aufgeworfenen Fragen ergänzt werden.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig erklärt, da sie keinen Antrag gestellt und sich damit nicht am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).