Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 23.06.2010, Az.: 4 B 961/10
Beeinträchtigung; Beeinträchtigungsverbot; Befristung; Bestimmbarkeit; Betrieb; Einzelhandel; Festlegung; Kaufkraftabfluss; Kongruenzgebot; Planung; raumbedeutsame Planung; Raumordnung; Raumordnungsbehörde; Raumordnungsplan; Schwellenwert; Städtebau; Untersagung; Verflechtungsbereich; Versorgungszentrum; Zentrale-Orte-System; Ziele; Ziele der Raumordnung; Zweifel
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 23.06.2010
- Aktenzeichen
- 4 B 961/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 47871
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 14 RaumOG
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der von der Antragstellerin gegen die Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 15.01.2010 erhobenen Klage wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1, die erstattungsfähig sind.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 und 3 sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 150.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die raumordnungsrechtliche Untersagung ihres Bebauungsplanes Nr. 1/30 G "Sondergebiet J. -Mitte".
Die Antragstellerin ist eine im Nordwesten Hannovers gelegene Stadt mit 63.000 Einwohnern, der das Landesraumordnungsprogramm Niedersachsen 2008 (LROP 2008) die Funktion eines Mittelzentrums zuweist. Da die Antragstellerin erst 1974 im Zuge der Gebietsreform aus elf Gemeinden entstand, fehlt ihr ein historisch gewachsener Ortskern. Stattdessen existieren im Stadtgebiet mehrere Einzelhandelsschwerpunkte, für zentrenrelevante Sortimente u. a. nördlich der Bundesstraße 6 entlang der "K. " und im südlich der Autobahn 2 gelegenen L. center. Das L. center beruht auf dem 1982 rechtsverbindlich gewordenen Bebauungsplan Nr. 1/5 A, der eine überbaubare Fläche von 31.600 m² ausweist. Derzeit plant die Antragstellerin die Ausweisung des L. centers als Stadtteilzentrum mit einer Verkaufsfläche von max. 12.000 m². Diese Planung war zunächst durch Veränderungssperre gesichert. Am 22.06.10 beschloss der Rat der Antragstellerin den Bebauungsplan 1 / 5A, 2. Änderung als Satzung. Nach § 1 Abs. 2 der textlichen Festsetzungen soll im Sondergebiet im Erdgeschoss "ein Einkaufszentrum der Stadtteilversorgung mit Einzelhandelsbetrieben bis zu einer Gesamtverkaufsfläche von maximal 12.000 m² " zulässig sein.
Ausgehend von ihrem 2006 und 2008 beschlossenen Zentrenkonzept will sich die Antragstellerin nördlich der Autobahn 2 zwischen Berenbosteler und Meyenfelder Straße eine Stadtmitte schaffen und neben dem schon vorhandenen neuen Rathaus, der Polizeidienststelle, einem Kino und einer Fitnesseinrichtung auch ein Einkaufs- und Dienstleistungszentrum (24.000 m² Verkaufsfläche) ansiedeln. Dazu betreibt die Antragstellerin das Bauleitverfahren Nr. 1 /30 G "Sondergebiet J. Mitte", das mit einem vom Rat zu erlassenden Satzungsbeschluss in der Sitzung vom 18.01.10 zum Abschluss gebracht werden sollte. Nach Durchführung eines unter Beteiligung der Umlandgemeinden durchgeführten Moderationsverfahrens stellte die Antragsgegnerin eine positive landesplanerische Stellungnahme unter folgenden Bedingungen in Aussicht:
1. Vorlage eines Standortkonzepts für die Handels- und Zentrenentwicklung mit Konzentration auf die "Neue Mitte" sowie
dessen rechtsverbindliche Umsetzung insbesondere in Bezug auf die Festsetzung der Standorte L. Zentrum und Rote Reihe als Stadtteilzentren mit teilweise stadtteilübergreifender Bedarfsdeckung für die Stadtteile südlich der Autobahn bzw. nördlich der B 6
1.1 Verkaufsflächenerhöhung in der "Neuen Mitte" (19.600 m²) bei gleichzeitiger Verkaufsflächenreduzierung im L. Zentrum infolge der neuen Funktionszuweisung als Stadtteilzentrum (12.000 m²)
1.2 Parallelität der Bebauungspläne für die "Neue Mitte" und für das L. center
2. Einhaltung der Obergrenze von 19.600 m² Gesamtverkaufsfläche für das Planprojekt und Festsetzung im Bebauungsplan
3. Festsetzung der Verkaufsflächenobergrenzen für die einzelnen Sortimente im Bebauungsplan auf der Grundlage des reduzierten Flächenprogramms.
Der Entwurf für den Bebauungsplan Nr. 1 /30 G "Sondergebiet J. Mitte" sieht nun ein zwei- bis viergeschossig bebaubares Sondergebiet mit der Zweckbestimmung Einkaufs- und Freizeitzentrum, weitere zentrale Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur vor. Nach § 1 Abs. 2 der textlichen Festsetzungen sollen folgende Arten der baulichen Nutzungen allgemein zulässig sein:
1. ein Einkaufszentrum mit Einzelhandelsbetrieben bis zu einer Gesamtverkaufsfläche von max. 19.600 m²
Im Rahmen der vorstehenden Gesamtverkaufsfläche werden für das Einkaufszentrum folgende zusätzliche Verkaufsflächenobergrenzen für nachstehende Sortimente festgesetzt:
a) periodischer Bedarf (umfassend Lebensmittel, Reformwaren, Parfümerieartikel, Gesundheit, Drogerieartikel, Schnittblumen, Zeitschriften sowie im Rahmen der Vertriebsformen Lebensmitteldiscount- oder Lebensmittelverbrauchermarkt deren Ergänzungssortiment) auf max. 4.350 m²
b) Bekleidung, Wäsche und Modeartikel, Schuhe und Lederwaren auf max. 7.370 m²
c) Technik (Unterhaltungselektronik, Computer, Telekommunikation, Foto, Film und Optik) auf max. 3.400 m²
d) Haushalt und persönlicher Bedarf (Sport- und Spielwaren, Fahrräder, Musikinstrumente, Hobby, Uhren, Schmuck, Bücher und Schreibwaren, Hausrat, Porzellan, Glas, Keramik, Geschenkartikel, Sanitätswaren, Kurzwaren, Kunstgegenstände und Antiquitäten, sonstige Haushaltswaren) auf max. 4.575 m²
e) Heimwerkerbedarf auf max. 300 m²
f) Möbel und Heimtextilien, Teppiche auf max. 600 m²
Innerhalb des Einkaufszentrums sind max. zwei Einzelhandelsbetriebe mit einer Verkaufsfläche zwischen 500 m² und 2.000 m² mit dem Hauptsortiment Lebensmittel mit einer Gesamtverkaufsfläche von max. 2.000 m² zulässig. Weitere kleinflächige Einzelhandelsbetriebe mit dem Hauptsortiment Lebensmittel dürfen eine maximale Verkaufsfläche von jeweils 500 m² nicht überschreiten.
Verkaufsfläche im Sinne der vorstehenden Festsetzungen ist die Fläche, die dem Verkauf dient, einschließlich der Gänge und Treppen in den Verkaufsräumen, der Standflächen für Einrichtungsgegenstände, der Kassenbereiche, Schaufenster sowie der Freiverkaufsflächen, soweit sie nicht nur vorübergehend genutzt werden.
2. Schank- und Speisewirtschaften, Dienstleistungsbetriebe
3. Kinos und sonstige Kultur- und Freizeitnutzungen mit Ausnahme von Spielhallen
4. Büro- und Verwaltungsnutzungen, Räume freier Berufe und sonstiger Gewerbetreibenden, die ihren Beruf in ähnlicher Art ausüben.
Mit Verfügung vom 15.01.10 untersagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin, den Bebauungsplan Nr. 1/30 G als Satzung zu beschließen. Die Antragstellerin habe die im Moderationsverfahren abgestimmten raumordnerischen Bedingungen nicht vollständig erfüllt. So seien die zulässigen Verkaufsflächenobergrenzen für die einzelnen Sortimente nicht dem abgestimmten Flächenprogramm entsprechend festgesetzt worden. Insbesondere die Sortimente der Gruppe "Haushalt und persönlicher Bedarf" hätte anhand der Hauptwarengruppen des Zentrenkonzepts 2008 differenzierter festgelegt werden müssen. Zudem sei die Parallelität der Bebauungspläne für die "Neue Mitte" und für das L. center nicht gewährleistet, da letzterer erst im Sommer 2010 beschlossen werden solle. Hinzu komme die Problematik des Bestandsschutzes. Das L. center verfüge über 15.631 m² bestandsgeschützter Verkaufsfläche, so dass allein eine entsprechende Reduzierung im Bebauungsplan ins Leere laufe. Hier seien entsprechende Rückbaugebote erforderlich.
Ohne Einhaltung dieser Bedingungen verstoße der Bebauungsplan gegen Ziele der Raumordnung.
Ausgehend von den statistischen Daten des von der Beigeladenen im Jahre 2004 eingeholten GfK-Gutachtens werde das Einzelhandelsprojekt "Neue Mitte" 38 % seines Umsatzes außerhalb des Verfechtungsbereiches der Antragstellerin generieren und damit gegen das im LROP 2008 und RROP 2005 als Ziel festgelegte Kongruenzgebot verstoßen. Das GfK-Gutachten selbst nehme einen Umsatz von nur 29,7 % außerhalb des Verflechtungsbereiches an, ziehe den maßgeblichen Bereich mit 113.200 Einwohnern aber zu groß. Bei raumordnerischer Abgrenzung anhand geographischer, örtlicher und verkehrsbedingter Faktoren ergebe sich ein Verflechtungsbereich mit nur 92.984 Einwohnern, zu dem neben dem Gemeindegebiet der Antragstellerin der Ortsteil Hannover-Marienwerder, das überwiegende Gemeindegebiet Seelzes sowie die Ortsteile Seelze-Dedensen, Wedemark-Resse und Hannover-Stöcken zu je 1/3 gehörten. Zudem werde der mittelzentrale Versorgungsauftrag der Antragstellerin bereits durch die vorhandenen Einzelhandelsnutzungen weitestgehend erfüllt. Erforderlich erscheine lediglich eine Bedarfslückenschließung im Sortiment Technik. Sowohl das von den Nachbarstädten Hannover, Neustadt, Langenhagen und Seelze in Auftrag gegebene GMA-Gutachten von 2007 - ergänzt 2009 - als auch das von der Antragstellerin selbst eingeholte Gutachten Dr. Bonny / Planquadrat 2000 sähen eine Erweiterung der Verkaufsfläche um max. 15.000 m² als regional verträglich an. Eine Verkaufsfläche von 19.600 m² sei nur bei einer Reduzierung der Verkaufsfläche im L. center akzeptabel.
Das geplante Einzelhandelsprojekt verstoße weiter gegen das im LROP 2008 und RROP 2005 als Ziel festgelegte Beeinträchtigungsverbot. Das GMA-Gutachten ermittele für die benachbarte Beigeladene zu 2 in sechs Warensortimenten Umsatzumverteilungsquoten von über 10 %, in zwei Sortimenten nahe 20 %. Damit liege eine wesentliche Beeinträchtigung des zentralen Versorgungsbereichs der Beigeladenen zu 2 vor. Die Ergebnisse eines 2009 vorgelegten weiteren GfK-Gutachtens, das lediglich Umverteilungsquoten von max. 6 % zulasten der Innenstadt Neustadts prognostiziere, seien dagegen nicht belastbar. Denn die GfK fasse unverhältnismäßig viele Sortimente mit unterschiedlicher Zentrenrelevanz und Flächenproduktivität in der undifferenzierten Sortimentsgruppe "Haushalt und persönlicher Bedarf" zusammen, so dass die Auswirkungen auf die einzelnen unterschiedlich wirksamen zentrenrelevanten Sortimente nicht abgebildet, sondern eine nivellierende Durchschnittsumverteilungsquote errechnet werde.
Da die Planung der Antragstellerin die genannten Ziele der Raumordnung nicht nur geringfügig verletze und die Versorgungsfunktion des im benachbarten Gemeindegebiet der Beigeladenen zu 2 gelegenen Mittelzentrums wesentlich beeinträchtige, erweise sich die Untersagungsverfügung als ermessensgerecht.
Am 12.02.10 erhob die Antragstellerin Klage zum Az. 4 A 840/10. Am 22.02.10 hat sie um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, weder dem im LROP 2008 und nahezu wortgleich im RROP 2005 formulierten Kongruenzgebot noch dem Beeinträchtigungsverbot komme die Qualität eines Zieles der Raumordnung zu.
Das im LROP 2008 formulierte Kongruenzgebot sei zu unbestimmt und auch nicht hinreichend bestimmbar. Der Normadressat könne nicht erkennen, welche Verkaufsflächen für welche Warensortimente noch zugelassen werden könnten, um das Gebot nicht zu verletzen. Schon der Begriff des "Einzelhandelsgroßprojektes", unter den entsprechend den Erläuterungen zum LROP 2008 auch Agglomerationen verschiedener Einzelhandelsprojekte fallen sollen, sei unbestimmt. Entsprechendes gelte für den Begriff der "zentralörtlichen Versorgungsfunktion". Welche Warensortimente zu dem den Mittelzentren zugewiesenen allgemeinen täglichen und gehobenen Bedarf gehörten, sei nicht feststellbar. Auch für die Abgrenzung des den jeweiligen Zentren zugewiesenen Verflechtungsbereichs biete das LROP 2008 keine hinreichend verbindlichen Vorgaben. Die von der Antragsgegnerin gewählte Abgrenzung sei jedenfalls gegriffen und objektiv nicht nachvollziehbar. Der Umstand, dass sich hier die Verflechtungsbereiche mehrerer zentraler Orte überlagerten, könne nicht dazu führen, dass ein zwischen den betroffenen Gemeinden ausgehandeltes Ergebnis zum Ziel der Raumordnung erhoben werde. Der raumordnungsrechtlichen Vorgabe lasse sich darüber hinaus nicht entnehmen, wann Verkaufsfläche und Warenangebot der Versorgungsfunktion und dem Verflechtungsbereich (noch) entsprächen. Die Erläuterung des Plangebers, "der Einzugsbereich des jeweiligen Einzelhandelsgroßprojekts dürfe den zentralörtlichen Verflechtungsbereich nicht wesentlich überschreiten", helfe jedenfalls nicht weiter. Die Formel, es dürften nicht mehr als 30 % des Umsatzes außerhalb des Verflechtungsbereichs erzielt werden, stelle nur einen gegriffenen Schwellenwert dar. Die gegen die Bestimmtheit bestehenden Bedenken würden durch Satz 2 des Kongruenzgebotes, nach dem sich der zulässige Umfang neuer Verkaufsflächen auch aus den vorhandenen Versorgungseinrichtungen bestimmen solle, noch verstärkt. Die in diese Betrachtung einzubeziehenden Flächen könnten nicht eindeutig abgegrenzt werden.
Das Kongruenzgebot könne auch nicht als landesplanerische Letztentscheidung angesehen werden. Tatsächlich habe die Antragsgegnerin die Vereinbarkeit mit dem Kongruenzgebot mit dem beteiligten Gemeinden ausgehandelt und "als Kompromiss das Junktim" geschaffen, die Verkaufsfläche der "Neuen Mitte" auf 19.600 m² festzulegen und gleichzeitig die des L. centers auf 12.000 m² zu reduzieren. Die Antragsgegnerin setze so ein unter ihrer Ägide gefundenes Ergebnis interkommunaler Abstimmung an die Stelle einer vom Träger der Landes- bzw. Regionalplanung abschließend abgewogenen Vorgabe.
Das Beeinträchtigungsverbot sei im LROP 2008 ebenfalls zu unbestimmt formuliert. Der Begriff "ausgeglichene Versorgungsstruktur" bleibe auch unter Berücksichtigung der Erläuterungen völlig im Nebel. Wann die "Funktionsfähigkeit der Zentralen Orte" beeinträchtigt sei, bleibe unklar, weil nicht bestimmt werden könne, welches konkrete Warenangebot dem jeweiligen zentralen Ort zugewiesen sei und unter welchen Voraussetzungen prognostizierte Umsatzumverteilungen überhaupt eine wesentliche Beeinträchtigung darstellten. Der Begriff des "integrierten Versorgungsstandorts" erschließe sich dem Normanwender nicht. Zumindest bei den Warensortimenten, die üblicherweise nicht unmittelbar vor Ort angeboten würden, stelle sich die Frage, wie "verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung" zu verstehen sei.
Auch das Beeinträchtigungsverbot stelle keine landesplanerische Letztentscheidung dar und könne von den Gemeinden mit den Mitteln der Bauleitplanung nicht umgesetzt werden.
Darüber hinaus werde das Beeinträchtigungsverbot zulasten der Beigeladenen zu 2 nicht verletzt. Auch das GMA-Gutachten 2009 gehe von einer Umsatzumverteilung von insgesamt nur 8 % aus. Der in der Rechtsprechung für eine wesentliche Beeinträchtigung vorausgesetzte Umsatzverlust von mind. 10 % bis 30 % liege jedenfalls nicht vor.
Ob ihre Bauleitplanung überhaupt gegen die - vermeintlichen - Ziele der Raumordnung verstoße, habe die Antragsgegnerin nicht dargelegt. Zu der Untersagungsverfügung sei es letztlich nur gekommen, weil die Antragsgegnerin auf einer rechtsverbindlichen Verkaufsflächenreduzierung für das L. center vor Aufstellung des Bebauungsplanes "Neue Mitte" bestehe. Die Planungen für ein L. center mit 12.000 m² seien nunmehr abgeschlossen. Den rechtlichen Auseinandersetzungen mit den Betreibern des L. centers aus Bestandsschutzgesichtspunkten könne entgegen gesehen werden.
Zudem leide die Untersagungsverfügung an einem Ermessensfehler. Die Antragsgegnerin habe ihre Verfügung auf Verstöße gegen des Kongruenzgebot und das Beeinträchtigungsverbot gestützt. Da schon das Beeinträchtigungsverbot ersichtlich nicht verletzt sei, erweise sich die Verfügung als rechtswidrig.
Vorläufiger Rechtsschutz sei geboten, da die Beigeladene zu 1 vertraglich nur bis Ende Juli 2010 an das Einzelhandelsprojekt gebunden sein. Wenn der Bebauungsplan nicht umgehend in Kraft gesetzt werden könne, werde ein mit großem finanziellem und personellem Aufwand geführtes europaweites Ausschreibungsverfahren bedeutungslos, die Antragstellerin erlitte einen unzumutbaren Nachteil in ihrer verfassungsrechtlich gewährleisteten Planungshoheit und in finanzieller Hinsicht entginge ihr ein Grundstückskaufpreis in siebenstelliger Höhe.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihrer gegen die Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 15.01.10 gerichteten Klage anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie verteidigt die angefochtene Verfügung und ergänzt: Mit einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage würden vollendete Tatsachen geschaffen, so dass schon schwerwiegende Zweifel bestehen, die angefochtene Verfügung mithin offensichtlich rechtswidrig sein müsste. Dafür gebe es keine Anhaltspunkte. Zudem sei recht wahrscheinlich, dass die Beigeladene auch bei einem verzögerten Inkrafttreten des Bebauungsplanes an dem Projekt festhalte. Unabhängig von der Untersagungsverfügung könne der Plan noch zustande kommen, wenn die Antragstellerin die im Moderationsverfahren abgestimmten Bedingungen erfülle.
Sowohl das Kongruenzgebot als auch das Beeinträchtigungsverbot seien als Ziele der Raumordnung anzusehen.
Das Kongruenzgebot sei hinreichend bestimmt formuliert. Die Wortwahl "müssen … entsprechen" stelle klar, dass es sich um eine strikt einzuhaltende Vorgabe für die gemeindliche Bauleitplanung handele. Unbestimmte Rechtsbegriffe seien auszulegen, ihre Verwendung allein führe nicht zur Unbestimmtheit des Plansatzes. Der Begriff des "Einzelhandelsgroßprojektes" lasse sich anhand der Vorgängervorschrift und der Erläuterungen definieren. Dies gelte zwar nicht unbedingt für Agglomerationen von Einzelhandelsbetrieben, stelle aber die Bestimmtheit des Plansatzes in seinem Kern nicht in Frage, auf den es hier allein ankomme. Ob das Kongruenzgebot hinsichtlich der Warensortimente bestimmt genug sei, könne dahin stehen; hinsichtlich der Verkaufsfläche sei es jedenfalls bestimmt genug. Die zulässige Verkaufsfläche sei nach dem Verflechtungsbereich des Zentralen Ortes zu bestimmen. Diese Verflechtungsbereiche würden in LROP 2008 und RROP 2005 zwar weder textlich noch zeichnerisch abgegrenzt, sie seien aber schon mit der Entscheidung darüber, wo die Zentralen Orte gleicher Stufe liegen sollen, zwangsläufig mit festgesetzt. Dem Zweck des Zentrale-Orte-Prinzips entsprechend umfasse der Verflechtungsbereich eines Zentralen Ortes die Wohngebiete und sonstigen besiedelten Flächen, von denen aus der Zentrale Ort am schnellsten und kostengünstigsten zu erreichen sei. Dem so zu bestimmenden Verflechtungsbereich der Antragstellerin entspreche das geplante Einzelhandelsprojekt nicht, weil es nach der Stellungnahme der GMA von März 2010 weit über 30 % seines Umsatzes außerhalb des Verflechtungsbereiches erzielen werde. Außerdem übersteige der Umsatz auf den schon vorhandenen Flächen und den Flächen des geplanten Projektes insgesamt die Nachfrage aus dem Verflechtungsbereich, was ebenfalls eine Verletzung des Kongruenzgebotes bedeute. Dabei seien "vorhandene Flächen" solche, auf denen tatsächlich Einzelhandel betrieben werde, für die eine gültige Baugenehmigung vorliege oder für die nach gültigem Planungsrecht Genehmigungen erteilt werden müssten.
Das Kongruenzgebot verbiete Einzelhandelsgroßprojekte, die zusammen mit den vorhandenen Verkaufsflächen dem Verflechtungsbereich nicht mehr entsprächen. Diese landesplanerische Letztentscheidung werde nicht in Frage gestellt, wenn der Antragstellerin im Wege der Ermessensbetätigung auch die Möglichkeit eröffnet werde, die Verkaufsflächen im L. center zu verkleinern. Das Kongruenzgebot könne auch planungsrechtlich umgesetzt werden, da es der Antragstellerin möglich sei, eine Verkaufsflächenoberbegrenzung je m² zulässiger Grund- oder Geschossfläche festzusetzen. Hinsichtlich der Frage, ob das Kongruenzgebot verletzt werde, dürfe sich die Antragsgegnerin auf eigene Gutachten stützten, ein nur eingeschränkt überprüfbarer Prognosespielraum bestehe nicht.
Das Beeinträchtigungsverbot sei ebenfalls inhaltlich hinreichend bestimmbar. Welche Funktionen ein Zentraler Ort erfüllen müsse, lasse sich aus dem LROP 2008 ablesen. Ein Mittelzentrum wie das im Gemeindegebiet der Beigeladenen zu 2 festgesetzte sei nur funktionsfähig, wenn dort alle gängigen Waren des gehobenen Bedarfs eingekauft werden könnten. Es werde beeinträchtigt, wenn durch konkurrierende Großprojekte in der Nachbargemeinde Lücken in diese Versorgung gerissen oder vorhandene Lücken nicht geschlossen würden. Daher könne auch nicht auf die prognostizierte Gesamtumsatzumverteilung abgestellt werden. In den für die mittelzentrale Versorgungsfunktion der Beigeladenen zu 2 bedeutsamen Sortimenten wie etwa Bekleidung oder Uhren/Schmuck betrage der erwartete Umsatzrückgang 13 % bis 20 %.
Die Untersagungsverfügung leide nicht an Ermessensfehlern. Sie sei darauf gestützt, dass die Planung der Antragstellerin zur "Neuen Mitte" Raumordnungsrecht verletze. Sowohl ein Verstoß gegen das Kongruenzgebot als auch gegen das Beeinträchtigungsverbot würde zur Rechtswidrigkeit des Planes führen und böte Veranlassung, die Planung zu untersagen.
Die Beigeladene zu 1 beantragt,
die aufschiebende Wirkung der gegen die Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 15.01.10 gerichteten Klage der Antragstellerin anzuordnen.
Sie ergänzt den Vortrag der Antragstellerin und betont besonders, dass der Begriff "Verflechtungsbereich" ohne nähere Umschreibung und zeichnerische Darstellung zu unbestimmt sei. Hinsichtlich des Beeinträchtigungsverbotes weist sie darauf hin, dass beide Einzelhandelsgutachten einen Funktionsverlust für die Beigeladene zu 3 verneinten und auch das GMA-Gutachten negative Auswirkungen für die Beigeladene zu 2 lediglich nicht ausschließen könne. Einen Funktionsverlust für Neustadt prognostiziere auch dieser Gutachter nicht.
Die Beigeladenen zu 2 und 3 stellen keinen Antrag.
Sie halten den Bebauungsplan der Antragstellerin selbst dann für rechtsfehlerhaft, wenn Kongruenzgebot und Beeinträchtigungsverbot lediglich den Charakter von Grundsätzen der Raumordnung aufwiesen. Diese Grundsätze könnten abwägungsfehlerfrei nicht überwunden werden, weil die Antragstellerin bereits jetzt mit Einzelhandelsflächen überversorgt sei und den Prognosen zufolge zukünftig eher einen Einwohnerschwung hinnehmen müsse. Für die Innenstadt der Beigeladenen zu 2 seien spürbare Umsatzrückgänge nicht ausgeschlossen, ihre Entwicklungsmöglichkeiten würden eingeschränkt. Im Hinblick auf die Beigeladene zu 3 seien Branchen besonders vom Umsatzrückgang betroffen, die im Hauptzentrum nur mit ein oder zwei Betrieben vertreten seien. Die mögliche Schließung dieser Betriebe führe zu Versorgungslücken.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten - auch zum Verfahren 4 A 840/10 - und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO statthaft. Denn die angefochtene raumordnungsrechtliche Untersagungsverfügung stellt sich der Antragstellerin gegenüber als Verwaltungsakt dar, der entsprechend § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 14 Abs. 3 ROG kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist. Da die Antragstellerin die Verletzung ihrer durch Art. 28 Abs. 2 GG garantierten kommunalen Planungshoheit geltend machen kann, ist sie analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt.
Der Antrag ist auch begründet.
Unter welchen Voraussetzungen die Vollziehung ausgesetzt werden kann oder muss, regelt der Gesetzgeber in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 1 - 3 VwGO nur für die Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten. Nach § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO soll in diesem Falle die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabenoder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ansonsten gibt der Gesetzgeber keinen bestimmten Maßstab vor. Es entspricht jedoch auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO vielfach der gesetzlichen Risikoverteilung, sich an der Interessenbewertung zu orientieren, die dieser Vorschrift zu Grunde liegt, sofern nicht andere Kriterien zu berücksichtigen sind (vgl. BVerwG, Bes. v. 17.09.01 - 4 VR 19/01, 4 A 40/01-, Juris). Derart abweichende Kriterien liegen hier nicht vor. Denn der in § 14 Abs. 3 ROG angeordnete Sofortvollzug soll verhindern, dass eine Planung umgesetzt und ausgenutzt wird, die sich im Verlauf des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens als nichtig bzw. rechtswidrig erweisen könnte (Schmitz in Bielenberg/Runkel/Spannowsky, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, § 12 ROG 1998 Rn 109). Kann somit nur der gesetzlich angeordnete Sofortvollzug die Schaffung vollendeter Tatsachen verhindern, kann die Kammer das Interesse der Antragstellerin, ihre Bauleitplanung umgehend umzusetzen, nur dann als das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegend ansehen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Untersagungsverfügung bestehen. Derartig ernstliche Zweifel liegen nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung vor.
Rechtgrundlage der angefochtenen Verfügung ist § 14 Abs. 1 ROG. Danach kann die Raumordnungsbehörde raumbedeutsame Planungen unbefristet untersagen, wenn Ziele der Raumordnung entgegenstehen. Dass es sich bei der Planung eines mit 19.600 m² Verkaufsfläche großflächigen Einkaufszentrum um eine raumbedeutsame Planung i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 6 ROG handelt, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Die Kammer kann bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung jedoch nicht feststellen, dass die Planung der Antragstellerin zur "Neuen Mitte" Ziele der Raumordnung verletzt, soweit die Antragsgegnerin diese zur Begründung ihrer Ermessensentscheidung herangezogen hat.
Dabei kann die Kammer die zwischen den Beteiligten kontrovers diskutierte Frage, ob es sich bei dem Kongruenzgebot um ein Ziel der Raumordnung handelt, letztlich offen lassen. Denn die Planung der Antragstellerin erfüllt die Bedingungen, unter denen die Antragsgegnerin das Kongruenzgebot als eingehalten ansieht, soweit diese raumordnungsrechtlich zulässig sind.
Das LROP 2008 in der Fassung vom 08.05.08 (Nds. GVBl. S. 132) formuliert das von der Antragsgegnerin zur Begründung ihrer Untersagungsverfügung herangezogene Kongruenzgebot unter 2.3 Ziff. 03 Satz 1 und 2 wie folgt:
1Verkaufsfläche und Warensortiment von Einzelhandelsgroßprojekten müssen der zentralörtlichen Versorgungsfunktion und dem Verflechtungsbereich des jeweiligen Zentralen Ortes entsprechen (Kongruenzgebot).2Der Umfang neuer Flächen bestimmt sich auch aus den vorhandenen Versorgungseinrichtungen und der innergemeindlichen Zentrenstruktur.
Das RROP 2005 der Antragsgegnerin setzt das Kongruenzgebot unter D 1.6.1 Ziff. 04 nahezu wortgleich mit Satz 1 des LROP fest, lediglich der Begriff "Einzelhandelsgroßprojekt" wird durch den Verweis auf § 11 Abs. 3 BauNVO näher beschrieben. Der Plansatz ist in beiden Plänen fett gedruckt, will vom jeweiligen Plangeber also als Ziel der Raumordnung verstanden werden (vgl. LROP 2008 1. Abs. Satz 2 und RROP 2005 Aufgabe und Grundlagen). Allein dies ist jedoch für die Einstufung als "Ziel der Raumordnung" nicht ausreichend.
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG sind Ziele der Raumordnung verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger den Raumordnung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes. Ernstzunehmende Zweifel an der räumlichen Bestimmbarkeit einer Festsetzung bezogen auf eine konkrete raumbedeutsame Maßnahme gehen dabei zu Lasten der Zielqualität der Festlegung (vgl. Runkel in Bielenberg/Runkel/Spannowsky, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, § 3 ROG 1998 Rn 38).
Derartige ernstzunehmende Zweifel sind nach Auffassung der Kammer hinsichtlich des Begriffs "Verflechtungsbereich des jeweiligen Zentralen Ortes" kaum von der Hand zu weisen. Weder das LROP 2008 noch das RROP 2005 definiert den Begriff "Verflechtungsbereich" oder zeigt eindeutige Kriterien auf, nach denen die Verflechtungsbereiche Zentraler Orte bestimmt und voneinander abgegrenzt werden können. Anders als etwa in den Bundesländern Bayern oder Rheinland-Pfalz legen die niedersächsischen Raumordnungspläne die Verflechtungsbereiche rund um die Zentralen Orte kartographisch nicht fest. Auch das Kongruenzgebot der baden- württembergischen Landesplanung, dem der VGH Baden-Württemberg mit Urteil vom 17.12.09 (- 3 S 2110/08 -, Juris) Zielqualität bescheinigt hat, ist in einem Landesentwicklungsplan festgesetzt, der in seinem Anhang rund um die Mittelzentren sogenannte "Mittelbereiche" kartographisch festlegt. In dem in Bezug auf die räumliche Bestimmtheit vergleichbaren Fällen, dass Landes- bzw. Regionalraumordnungspläne Eignungsgebiete für Windenergieanlagen als Ziele der Raumordnung festschreiben wollen, fordert die Rechtsprechung ebenfalls zumindest eine grobmaßstäbliche zeichnerische Darstellung (vgl. OVG Münster, Urt. v. 28.01.05 -7 D 35.03.NE -, Juris), die die allgemeine Größenordnung und annähernde räumliche Lage der Eignungsbereiche bestimmt und lediglich die konkrete räumliche Feinabgrenzung im Einzelfall der kommunalen Bauleitplanung überlässt.
Der Antragsgegnerin wird zwar zuzugeben sein, dass eine kartographische Festlegung von Verflechtungsbereichen die auf eine längere Lebensdauer angelegten Raumordnungspläne anfällig macht für auch nur geringfügige Veränderungen in der Siedlung- und Infrastruktur oder im Einkaufsverhalten der Bevölkerung. Die Antragsgegnerin will den Begriff des "Verflechtungsbereichs" daher als einen unbestimmten, aber auslegungsfähigen Rechtsbegriff auffassen. Diese Auffassung hat zwar den Vorteil größerer Flexibilität, wird bestehende Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit aber auch nur schwer ausräumen können. Denn der Begriff "Verflechtungsbereich" findet nur im Raumordnungsrecht Verwendung, so dass auf eine Definition oder eine gefestigte Rechtsprechung aus anderen Rechtsgebieten (wie etwa für die Begriffe "Ortsteil" oder "großflächiger Einzelhandelsbetrieb") nicht zurückgegriffen werden kann. Die Antragsgegnerin verwendet den Begriff in ihrer Argumentation teilweise synonym mit dem Begriff "Versorgungsbereich", der z. B in § 34 Abs. 3 BauGB vorkommt und vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 11.10.07 (- 4 C 7/07 -, Juris) wie folgt definiert wird:
"(11) Zentrale Versorgungsbereiche" sind räumlich abgrenzbare Bereiche einer Gemeinde, denen auf Grund vorhandener Einzelhandelsnutzungen - häufig ergänzt durch diverse Dienstleistungen und gastronomische Angebote - eine bestimmte Versorgungsfunktion für die Gemeinde zukommt. … (132) Zentrale Versorgungsbereiche ergeben sich insbesondere aus planerischen Festlegungen, namentlich aus Darstellungen und Festsetzungen in den Bauleitplänen oder aus Festlegungen in den Raumordnungsplänen."
Danach umfasst der "Versorgungsbereich" allerdings nur ein abgrenzbares Gebiet innerhalb der Grenzen des Zentralen Ortes. Bei der Frage, wie weit der versorgungsrelevante Kreis um die Zentralen Orte zu ziehen ist, hilft er nicht weiter.
Der weitere Ansatz der Antragsgegnerin, den Umfang eines mittelzentralen Verflechtungsbereichs anhand naturräumlicher Gegebenheiten, siedlungsstruktureller Verflechtungen und der hinter dem Zentrale-Orte-System des § 2 Abs. 2 Nr. 2 ROG stehenden landesplanerischen Intention in hinreichend bestimmter Weise zu definieren, erscheint der Kammer geeigneter. Denn nach dem Zentrale-Orte-Prinzip sollen die Standorte zentralörtlicher Einrichtungen u. a. so gewählt werden, dass die Bevölkerung sie mit geringem Zeit- und Wegeaufwand in Anspruch nehmen kann (vgl. Begr. zu 2.2 Ziff. 02 LROP 2008). Der Verflechtungsbereich eines Zentralen Ortes würde danach alle Wohnstätten innerhalb des Radius umfassen, von denen aus der Zentrale Ort mit ÖPNV oder PKW am schnellsten und bequemsten zu erreichen ist. Diese Abgrenzung kann im Einzelfall umstritten sein, wenn wie hier die Beteiligten darüber streiten, welche Ortsteile - und gegebenenfalls mit welchen Anteilen - welchem Zentralen Ort zugeordnet werden können. Allein ein solcher Streit der Gutachter, wie der Verflechtungsbereich der Antragstellerin in allen Einzelheiten, sozusagen parzellenscharf, zu bestimmen ist, würde noch nicht zur Unbestimmtheit des Rechtsbegriffs führen. Dann wären in einem gerichtlichen Verfahren die Gutachten zu bewerten und zu entscheiden.
Doch selbst wenn die Kammer zugunsten der Antragsgegnerin von einer hinreichenden Bestimmbarkeit des den jeweiligen Zentralen Orten zugeordneten Verflechtungsbereiches ausgeht, stünde die Zielqualität für den konkreten Fall des der mittelzentralen Versorgungsfunktion der Antragstellerin zugeordneten Verflechtungsbereichs noch nicht fest. Denn das RROP 2005 bestimmt unter D 1.6.1 Ziff. 03 letzter Satz, dass die Antragstellerin und weitere konkret benannte Umlandstädte und -gemeinden mit dem Oberzentrum Hannover einen funktionalen Verflechtungsraum mit Ergänzungsfunktionen im Bereich Wohnen, Gewerbe und Infrastruktur/Versorgungsstruktur mit besonderem Abstimmungsbedarf bilden. Diese regionalplanerische Ausweisung weckt Zweifel daran, ob für den Verflechtungsbereich eines jeden Mittelzentrums in Niedersachsen und insbesondere für die Mittelzentren im Ballungsraum Hannover von einer landesplanerischen Letztabgewogenheit ausgegangen werden kann. Den Maßstab hierzu gibt das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 18.09.03 (- 4 CN 20/02 -, Juris) vor. Danach ist dem für eine Zielfestlegung charakteristischen Erfordernis abschließender Abwägung genügt,
"wenn die Planaussage auf der landesplanerischen Ebene keiner Ergänzung mehr bedarf. Dies ist nicht gleichbedeutend mit einem Höchstmaß an Stringenz. Der Plangeber kann es, je nach den planerischen Bedürfnissen, damit bewenden lassen, bei der Formulierung des Planungsziels Zurückhaltung zu üben, und damit den planerischen Spielraum der nachfolgenden Planungsebene schonen. Von einer Zielfestlegung kann freilich dann keine Rede mehr sein, wenn die Planaussage eine so geringe Dichte aufweist, dass sie die abschließende Abwägung noch nicht vorwegnimmt. Erhält der Adressat der Regelung die Möglichkeit, sich durch eine eigene Abwägungsentscheidung ohne landesplanungsbehördliche Beteiligung über die landesplanerische Abwägung hinwegzusetzen, so widerspricht dies der Konzeption des Raumordnungsgesetzes, das Zielabweichungen zwar zulässt, die Entscheidung hierüber aber unter den in § 5 Abs. 5 ROG a. F. (vgl. nunmehr § 11 ROG n. F.) genannten Voraussetzungen den Landesplanungsbehörden zuweist."
Die von der Antragstellerin geäußerten Zweifel an der landes- bzw. regionalplanerischen Letztabgewogenheit erscheinen vor diesem Hintergrund berechtigt, weil D 1.6.1 Ziff. 03 letzter Satz RROP 2005 durchaus dahingehend verstanden werden kann, dass der Plangeber des RROP 2005 nicht nur die Funktionszuweisungen der Umlandgemeinden in Bezug auf das Oberzentrum Hannover, sondern auch die Abgrenzung der Verflechtungsbereiche der im Verflechtungsraum liegenden Mittelzentren untereinander der kommunalen Abstimmung überlassen wollte (in einer vergleichbaren Konstellation hat das OVG Münster, Urt. v. 06.06.05 - 10 D 145/04. NE -, BRS 69 Nr. 2, die Letztabgewogenheit verneint). Im letztgenannten Sinne scheint auch die Antragsgegnerin den Plansatz D 1.6.1 Ziff. 03 letzter Satz RROP 2005 zu verstehen, wenn sie auf Seite 15 der angefochtenen Untersagungsverfugung ausführt: " In Bezug auf den Einzelhandel kann bereits hieraus abgeleitet werden, dass sich die jeweiligen zentralörtlichen Verflechtungsbereiche ergänzend überlagern können, allerdings bedarf dies eines besonderen Abstimmungsbedarfs und kann nicht einseitig von einem Zentralen Ort in Anspruch genommen werden."
Für das hier zu entscheidende Eilverfahren lässt die Kammer unentschieden, ob dem in LROP 2008 und RROP 2005 festgesetzten Kongruenzgebot Zielqualität zukommt, zumal hierzu obergerichtliche Vorgaben fehlen. Eine entsprechende Tendenz wird man lediglich bei wohlwollender Interpretation der Rechtsprechung des OVG Lüneburg annehmen können. Denn für das Kongruenzgebot des LROP 1998 (C 1.6 Ziff. 04: Umfang und Zweckbestimmung von Einzelhandelsgroßprojekten haben der jeweiligen Stufe der Zentralen Orte zu entsprechen. Durch solche Projekte dürfen ausgeglichene Versorgungsstrukturen nicht beeinträchtigt werden.) hat das Gericht mit Urteilen v. 30.03.00 (- 1 K 2491/98 -, BRS 63 Nr. 63), v. 31.10.00 (1 M 3407/00 -, NdsRpfl. 2001, 277) und v. 21.02.02 (- 1 MN 4128/01 -, Juris) die Zielqualität wegen mangelnder Bestimmtheit noch strikt verneint und festgestellt, dass mit diesem Plansatz lediglich ein der Abwägung zugänglicher Programmsatz bzw. ein Grundsatz der Raumordnung vorliege. Für die Nachfolgevorschrift des LROP 2002 (C 1. 6. Ziff. 03 Satz 6), die mit der aktuellen Vorschrift nahezu identisch ist, hat der Senat die Zielqualität in der Soltau-Entscheidung vom 01.09.05 (- 1 LC 107/05 -, BRS 69 Nr. 6) ausdrücklich offen gelassen. In einem Normenkontrollurteil vom 27.08.08 (- 1 KN 138/06 -, Juris) hat der Senat den Plansatz 6 - seine hinreichende Bestimmbarkeit unterstellt - als raumordnerische Festsetzung angesehen, die insoweit Zurückhaltung übt, als der planerische Spielraum der nachfolgenden Planungsebene geschont wird. Da der Senat keine "handgreifliche" Verletzung des Gebotes feststellen konnte, hat er sich mit den rechtlichen Details des Kongruenzgebotes nicht auseinander gesetzt.
Die Kammer geht auf der Grundlage der von der Antragsgegnerin selbst gesetzten Vorgaben jedoch davon aus, dass die Planung der Antragstellerin zur "Neuen Mitte" das raumordnungsrechtliche Kongruenzgebot nicht verletzt. Nach der Begründung des Plangebers zu 2.3 Ziff 03 Satz 1 LROP 2008 besteht ein Verstoß gegen das Kongruenzgebot, wenn der Einzugsbereich eines Einzelhandelsgroßprojekts den zentralörtlichen Verflechtungsbereich der Ansiedlungsgemeinde wesentlich überschreitet. Von einer wesentlichen Überschreitung ist in jedem Fall auszugehen, wenn zu erwarten ist, dass mehr als 30% des Umsatzes aus Räumen außerhalb des jeweiligen zentralörtlichen Verflechtungsbereichs erzielt wird.
Nach diesem Maßstab müsste die Kammer bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren lediglich gebotenen summarischen Prüfung auf der Grundlage der vorliegenden Marktgutachten von einer Verletzung des Kongruenzgebotes ausgehen. Denn das von der Antragstellerin in Auftrag gegebene GfK-Gutachten 2009 prognostiziert einen außerhalb des Verflechtungsbereichs generierten Umsatz von 29,7% und unterschreitet damit den maßgeblichen Schwellenwert von 30 % nur ganz knapp, während das von den Umlandgemeinden in Auftrag gegebene GMA-Gutachten 2009 einen auswärtigen Umsatz von 38 % vorhersagt.Im Zusammenhang mit der Frage nach der Verletzung des Kongruenzgebotes sind ebenso wie bei der Frage nach schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB Marktgutachten geeignete Mittel zur Beurteilung der hier in Rede stehenden ökonomischen Zusammenhänge sind. Der Umstand, dass die Beurteilung wirtschaftlicher Zusammenhänge schwer fallen mag, und die Erfahrung, dass Vorhabenbetreiber (und - wie zu ergänzen wäre - Vorhabengegner) in einzelnen Fällen unplausible Marktgutachten vorlegen, steht dem nicht entgegen (BVerwG, Urt. v. 11.10.07 - 4 C 7.07 -, BVerwGE 129, 307). Hier liegen Prognosen "führender" Gutachter für Fragen der in Rede stehenden Art vor und es spricht viel dafür, dass zu Ermittlung der "Realität" nur noch zwischen den beiden schon besetzten Polen interpoliert werden kann (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 27.08.08, a. a. O.) Für das Eilverfahren unterstellt die Kammer daher, dass das GfK-Gutachten den der Antragstellerin funktional zugeordneten Verflechtungsbereich tendenziell eher zu großzügig umrissen hat und das GMA-Gutachten diesen Bereich tendenziell eher zu kleinräumig bemisst. Aber auch bei einem somit zugrunde zu legenden Mittelwert wird die 30%-Marke für den auswärts generierten Umsatz nahezu sicher überschritten werden und eine Verletzung des Kongruenzgebotes wäre anzunehmen.
Die Antragsgegnerin hat in der angefochtenen Untersagungsverfügung das ihr durch § 14 Abs. 1 ROG eingeräumte Ermessen jedoch dahingehend gebunden, dass sie abweichend von den generellen Vorgaben von LROP 2008 und RROP 2005 für die Antragstellerin auch ein Einzelhandelsprojekt mit einer Verkaufsfläche von 19.600 m² noch als der Versorgungsfunktion und dem Verflechtungsbereich der Antragstellerin kongruent ansehen wird, wenn mehrere in dem über Jahre vorangegangenen Moderationsverfahren aufgestellte Bedingungen erfüllt werden. Nach Auffassung der Kammer ist die Antragstellerin allen Forderungen der Antragsgegnerin - soweit sie raumordnungsrechtlich zulässig sind -nachgekommen. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die Antragstellerin mittlerweile ein entsprechendes Standortkonzept für die Handels- und Zentrenentwicklung mit Konzentration auf die "Neue Mitte" beschlossen hat. Zudem wurde der Bebauungsplan für das L. center als Stadtteilzentrum mit 12.000 m² Verkaufsfläche am 21.06.10 als Satzung beschlossen und auch die Einhaltung der Obergrenze von 19.600 m² Gesamtverkaufsfläche für das Planprojekt wird im nunmehr untersagten Bebauungsplan Nr. 1 /30 G "Sondergebiet J. Mitte" festgesetzt. Führt man sich vor Augen, dass das geplante Einzelhandelsprojekt ursprünglich mit einer Verkaufsfläche von 24.000 m² konzipiert war und im L. center nach der nunmehr obsoleten Planung eine Verkaufsfläche von annähernd 30.000 m² möglich gewesen wäre, hat sich die Antragstellerin schon weitestgehend auf die Antragsgegnerin zubewegt.
Doch auch die unter Pkt 1.1 der Moderationsbedingungen geforderte Verkaufsflächenreduzierung im L. Zentrum infolge der neuen Funktionszuweisung als Stadtteilzentrum auf 12.000 m² sieht die Kammer mit dem am 21.06.10 erfolgten Beschluss über den entsprechenden Bebauungsplan als erfüllt an. Die von der Antragsgegnerin zusätzlich geforderten Rückbauverfügungen sind raumordnungsrechtlich nicht berechtigt. Denn nach 2.3 Ziff. 03 Satz 2 LROP 2008 bestimmt der noch dem Kongruenzgebot entsprechende Umfang neuer Flächen auch aus den vorhandenen Versorgungseinrichtungen und nicht nach Verkaufsflächen, für die nach Auffassung der Antragsgegnerin baurechtlicher Bestandsschutz besteht. Vorhandene Versorgungseinrichtungen einer Gemeinde sind zunächst alle Flächen, die tatsächlich zu Einzelhandelszwecken genutzt werden. Nach den insoweit unwidersprochen gebliebenen Angaben der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung waren in den vergangenen 20 Jahren im L. center Flächen zwischen 6.360 m² und 14.636 m² (1999) vermietet und wurden zu Einzelhandelszwecken genutzt, in den letzten Jahren jedoch nie mehr als 12.000 m². Derzeit ist der südliche Teil des L. centers mit einer Verkaufsfläche von rd. 6.200 m² genutzt. Im nördlichen Teil finden sich ein Schuhmarkt und ein Joker-Outlet, der ca. 5.000 m² große Mall-Bereich steht bis auf einen türkischen Gemüseladen weitgehend leer.
Zu den vorhandenen Flächen im Sinne des landesplanerischen Kongruenzgebotes würde die Kammer zugunsten der Antragsgegnerin darüber hinaus noch alle Verkaufsflächen zählen, für die eine Baugenehmigung besteht und für die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Ausnutzung dieser Baugenehmigung auch zu erwarten ist. Doch selbst bei dieser Betrachtungsweise werden für das L. center 12.000 m² Verkaufsfläche nicht überschritten. Nach dem vorliegenden GfK-Gutachten aus Sept. 09 zur Vermietbarkeit der Flächen im L. center ist ein großer Teil insbesondere der im Mall-Bereich liegenden Flächen ohne grundlegende Umbauarbeiten nicht mehr zu vermieten. Das Gutachten konstatiert einen teilweise desolaten Zustand des mittlerweile beinahe 40 Jahre alten Gebäudes, ein dem heutigen Ladenbau nicht mehr entsprechendes Stützenraster, zu große Schaufensterfronten und überdimensionierte Verkehrswege. Deswegen komme eine Vermietung der leerstehenden Fläche ohne grundlegenden Umbau nur im Billigsegment in Frage. Für 3.000 m² kleinteilig strukturierte Fläche gebe es im Billigsegment aber keine Mieter, da Restpostenmärkte o. ä. nur auf großen Flächen wirtschaftlich arbeiten können. Die Kammer geht daher davon aus, dass die Sorge der Antragsgegnerin vor einem florierenden L. center mit einer bestandsgeschützten Verkaufsfläche von 15.600 m² hypothetisch ist. Diese Einschätzung wird bestätigt durch die Erkenntnisse der Kammer aus den von ihr im Februar dieses Jahres entschiedenen Klageverfahren 4 A 40 31/08 und 4 A 4032/08, in denen der im L. center tätige Investor um Baugenehmigungen für die Umgestaltung des Mall-Bereiches gestritten hat, um das L. center wiederzubeleben. Auch die der Antragstellerin für das alte Hertie-Kaufhaus vorliegende Bauvoranfrage belegt, dass diese Flächen ohne grundlegenden Umbau nicht mehr dauerhaft zu vermieten sind. Die Kammer geht daher davon aus. dass eine nachhaltige Nutzung im nördlichen Teil des L. centers für Einzelhandel ohne Modernisierungs- und Umgestaltungsmaßnahmen, die weit über bestandsgeschützte Instandhaltung hinausgehen, nicht mehr möglich ist. Diese Umbaumaßnahmen scheitern aber nunmehr an der vom Rat der Antragstellerin beschlossenen neuen Planung für das L. center. Letztlich belegt wird diese Einschätzung auch durch die langen Leerstände und die Schwierigkeiten der Antragstellerin, einen Investor für das marode L. center zu finden.
Gerade im Hinblick auf diese teilweise langen Leerstände der Flächen bezweifelt die Kammer zudem - ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankäme-, ob auf der Grundlage der neuen Rechtsprechung des 1. Senates zur Dauer des Bestandsschutzes (OVG Lüneburg, Bes. v. 20.07.09 - 1 LA 103/07 -) tatsächlich von einem noch lange andauernden baurechtlichen Bestandsschutz für 15.600 m² Verkaufsfläche ausgegangen werden kann. Denn auch nach dieser Entscheidung geht der Senat nicht von einem "ewigen" Bestandsschutz bis zum Verfall der baulichen Anlage aus, sondern erwägt ein Zeitmodell, das zwar den Drei-Jahres-Zeitraum überschreiten, aber mit dem Begriff "Unterbrechung" noch zu vereinbaren sein soll.
Die weitere Forderung der Antragsgegnerin nach einer noch feiner differenzierten Festsetzung von Verkaufsflächenobergrenzen für die einzelnen Sortimente im Bebauungsplan kann nach Auffassung der Kammer mit dem raumordnungsrechtlichen Kongruenzgebot nicht begründet werden. Das Kongruenzgebot, wie es sowohl im LROP 2008 als auch im RROP 2005 formuliert ist, enthält - davon geht auch die Antragsgegnerin aus - grundsätzlich zwei Forderungen:
1. Das Warensortiment von Einzelhandelsgroßprojekten muss der zentralörtlichen Versorgungsfunktion und dem Verflechtungsbereich des Zentralen Ortes entsprechen.
und
2. Die Verkaufsfläche von Einzelhandelsgroßprojekten muss der zentralörtlichen Versorgungsfunktion und dem Verflechtungsbereich des Zentralen Ortes entsprechen.
Die erste Komponente des Kongruenzgebotes verletzt das von der Antragstellerin geplante Einzelhandelsprojekt ersichtlich nicht. Denn nach 2.2. Ziff. 03 Satz 3 LROP 2008 dürfen in einem Mittelzentrum alle Waren des allgemeinen täglichen Grundbedarfs und die Angebote für den gehobenen Bedarf angeboten werden. Dieses Warensortiment deckt das geplante Einkaufszentrum mit seinen aus den Warengruppen des periodischen und aperiodischen Bedarfs entstammenden Sortimenten ab. Dass dies der mittelzentralen Funktion der Antragstellerin nicht angemessen sein könnte, trägt auch die Antragsgegnerin nicht vor. Die zweite Komponente des Kongruenzgebotes sieht die Antragsgegnerin ebenfalls als erfüllt an, indem sie nach erfolgter (s. o.) Reduzierung der Verkaufsflächen im L. center auf 12.000 m² eine Verkaufsfläche von 19.600 m² in der "Neuen Mitte" akzeptieren will.
Wenn die Antragsgegnerin Verkaufsflächenobergrenzen für die einzelnen Sortimente unter dem Gesichtspunkt des Kongruenzgebotes fordert, verquickt sie die beiden Komponenten des Kongruenzgebotes dergestalt, dass sicherzustellen sei, dass in keiner einzigen Umlandgemeinde in keinem einzigen Warensortiment Kaufkraftabflüsse von mehr als 30% vorkommen dürfen. Dies ist nach Auffassung der Kammer aber dem raumordnungsrechtlichen Kongruenzgebot nicht geschuldet. Denn das Kongruenzgebot bestimmt sich aus dem Blickwinkel der Standortgemeinde. Einzelhandelsvorhaben sollen nicht mehr als 30 % des Umsatzes außerhalb des Verflechtungsbereiches dieser Standortgemeinde erzielen. Wie sich der Kaufkraftzufluss in die Standortgemeinde als Kaufkraftabfluss für die umliegenden Zentralen Orte jeweils im Einzelnen auswirkt, nimmt das Kongruenzgebot - anders als das Beeinträchtigungsverbot - nicht in den Blick. Dies ergibt sich aus folgender Kontroll-Überlegung: Denkbar ist ein in einem Mittelzentrum angesiedeltes Einzelhandelsgroßprojekt, das 95 % seines Umsatzes in den Warengruppen des alltäglichen und des gehobenen Bedarfs innerhalb seines Verflechtungsbereiches generiert. Dieses Projekt ist ohne weiteres mit dem Kongruenzgebot vereinbar und kann nicht allein deshalb als den Zielen der Raumordnung zuwider laufend bezeichnet werden, weil aufgrund der im konkreten Fall vielleicht gegebenen besonderen Einzelhandelsstrukturen trotzdem in benachbarten Mittelzentrum X ein auf das Einzelwarensortiment Schmuck/Uhren bezogener Kaufkraftabfluss von 50 % zu erwarten ist. Die Antragsgegnerin weist daher zu Recht darauf hin, dass es sich bei Kongruenzgebot und Beeinträchtigungsverbot insoweit um "zwei Seiten einer Medaille" handelt, als zwar eine Verletzung des Kongruenzgebotes nicht zwingend zu einem Verstoß gegen das Beeinträchtigungsverbot führt; ein Verstoß gegen das Beeinträchtigungsverbot aber eine Verletzung des Kongruenzgebotes voraussetzt. Eine "Verquickung" beider Plansätze ist dennoch nicht möglich.
Die Kammer geht daher für das hier vorliegende Eilverfahren davon aus, dass die Planungen der Antragstellerin das durch die in raumordnungsrechtlicher Hinsicht zulässigen Bedingungen modifizierte Kongruenzgebot des LROP 2008 und des RROP 2005 nicht verletzt.
Eine Verletzung des Beeinträchtigungsverbotes zulasten der Funktionsfähigkeit des im Gemeindegebiet der Beigeladenen zu 2 festgesetzten Zentralen Ortes kann die Kammer bei summarischer Prüfung ebenfalls nicht feststellen.
Das LROP 2008 formuliert das Beeinträchtigungsverbot 2.3 Ziff. 03 Satz 19 wie folgt:
19Ausgeglichene Versorgungsstrukturen und deren Verwirklichung, die Funktionsfähigkeit der Zentralen Orte und integrierter Versorgungsstandorte sowie die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung dürfen durch neue Einzelhandelsgroßprojekte nicht wesentlich beeinträchtigt werden (Beeinträchtigungsverbot).
Das RROP 2005 der Antragsgegnerin setzt das Beeinträchtigungsverbot in Kongruenzgebot unter D 1.6.1 Ziff. 04 wieder nahezu wortgleich fest. Auch dieser Plansatz ist in beiden Plänen fett gedruckt, will vom jeweiligen Plangeber also als Ziel der Raumordnung verstanden werden.
Den von der Antragstellerin aufgeworfenen Fragen nach der hinreichenden Bestimmbarkeit der Begriffe "ausgeglichene Versorgungsstrukturen" oder "verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung" muss die Kammer nicht nachgehen. Denn die Antragsgegnerin hat ihre Untersagungsverfügung im Hinblick auf das Beeinträchtigungsverbot ausschließlich darauf gestützt, dass eine wesentliche Beeinträchtigung der Innenstadt und damit der Funktionsfähigkeit des im Gemeindegebiet der Beigeladenen zu 2 festgesetzten Mittelzentrums vorliege. Für das Eilverfahren geht die Kammer davon aus, dass das im Plansatz 19 enthaltene Verbot "Die Funktionsfähigkeit der Zentralen Orte darf durch neue Einzelhandelsgroßprojekte nicht wesentlich beeinträchtigt werden" ein Ziel der Raumordnung i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG darstellt. Es wird insoweit nicht wesentlich anders beurteilt werden können als das im Landesentwicklungsplan Rheinland-Pfalz enthaltene Beeinträchtigungsverbot. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil von 17.09.03 (- 4 C 14/01 -, Juris) dieses Verbot "Durch die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben darf die Funktion benachbarter zentraler Orte und ihrer Versorgungsbereiche nicht wesentlich beeinträchtigt werden" als hinreichend bestimmt und damit als Raumordnungsziel angesehen. Auch das OVG Lüneburg geht in seinem Beschluss vom 27.11.06 (- 1 MN 148/06 -, Juris) von der Zielqualität des Beeinträchtigungsverbotes aus dem LROP 2002 aus, das unter C 1.6 Ziff. 03 Satz 7 nahezu wortgleich mit der aktuellen Fassung des LROP 2008 bestimmte, die Funktionsfähigkeit der Zentralen Orte dürfe nicht wesentlich beeinträchtigt werden.
Nach den vorliegenden Marktgutachten der GfK und der GMA aus dem Jahre 2009 geht die Kammer davon aus, dass die Funktionsfähigkeit des im Gemeindegebiet der Beigeladenen zu 2 raumordnerisch festgesetzten Mittelzentrums nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Nach D 1.6.1 Ziff. 04 RROP 2005 bezeichnet der Begriff "Zentraler Ort" einen Standort innerhalb der Gemeinde. Zentralörtliche Standortbereiche sind in der dem Regionalen Einzelhandelskonzept beigefügten Beikarte 1 a farblich (für die Mittelzentren orange) dargestellt. Im Gemeindegebiet der Beigeladenen zu 2 sind orange markiert die zusammenhängenden Siedlungsflächen westlich der Bundesstraße 6 und das Gewerbegebiet Ost. Zusätzlich weist die Karte den orange eingefärbten Innenstadtbereich der Beigeladenen zu 2 als Versorgungskern fest. Letzteres ist im Zusammenhang mit der Frage, ob das Beeinträchtigungsverbot verletzt sein könnte, jedoch unbeachtlich. Denn für die Prüfung der Funktionsfähigkeit des Zentralen Ortes ist nach der Definition des RROP 2005 auf den gesamten orange eingefärbten Bereich im Gemeindegebiet der Beigeladenen zu 2 abzustellen.
Ob eine wesentliche Beeinträchtigung des so definierten Zentralen Ortes vorliegt, beurteilt die Kammer in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den schädlichen Auswirkungen von Einzelhandelsbetrieben auf die Funktionsfähigkeit eines zentralen Versorgungsbereiches (vgl. Urt. v. 11.10.07, a. a. O.) anhand der zu erwartenden Kaufkraftabflüsse. Eine wesentliche Beeinträchtigung benachbarter zentraler Versorgungsbereiche durch eine konkurrenzbedingte Schließung von Einzelhandelsbetrieben in deren Versorgungszentren liegt erst bei einem städtebaulich beachtlichen Kaufkraftabfluss vor. Einen bestimmten "Schwellenwert" gibt die Raumordnung nicht vor. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird die Frage, ob und gegebenenfalls bei welchen Prozentsätzen ein prognostizierter Kaufkraftabzug den Schluss auf negative städtebauliche Folgen für die davon betroffene Gemeinde zulässt, mit unterschiedlichen Ergebnissen diskutiert. Der Bandbreite der angenommenen Werte, die von mindestens 10 %, über 10 - 20 %, bis hin zu etwa 30 % reicht, ist allerdings die Tendenz zu entnehmen, dass erst Umsatzverluste ab einer Größenordnung von 10 % als gewichtig genug angesehen werden (vgl. OVG Münster, Urt. v. 06.06.05, a. a. O. mit umfangreichen Nachweisen hins. der Rspr.). Das OVG Lüneburg (vgl. Urt. v. 27.08.08, a. a. O.) nimmt im Zusammenhang mit der verwandten Frage, wann das kommunale Abstimmungsgebot ausgelöst wird, ebenfalls eine wesentliche Beeinträchtigung der benachbarten Gemeinde frühestens ab 10 % Kaufkraftabzug an und fordert bei "nur" 10 % Kaufkraftabfluss noch "handfeste zusätzliche Gesichtspunkte".
Die beiden Marktgutachten, auf die die Kammer bei ihrer Bewertung im Eilverfahren zurückgreifen kann, gehen von einer sehr optimistischen Umsatzerwartung für das geplante Einkaufscenter aus (das GfK-Gutachten 2009 spricht sogar von einem worst-case-szenario) und sehen - insoweit- übereinstimmend für das benachbarte Mittelzentrum der Beigeladenen zu 2 einen Gesamtkraftabfluss von weit unter 10 %. Das GMA-Gutachten 2009 weist für die zentralen Versorgungsbereiche der Beigeladenen zu 2 insgesamt einen Kaufkraftabfluss bei den zentrenrelevanten Sortimenten von 4 - 5 % aus, was den Feststellungen des GfK-Gutachtens 2009 in etwa entspricht, das einem Kaufkraftabfluss bei den zentrenrelevanten Sortimenten von 3,9 - 4,3 % prognostiziert. Selbst wenn man, was nach den raumordnerischen Vorgaben nach Auffassung der Kammer nicht möglich ist, eine isolierte Betrachtung nur der Innenstadt der Beigeladenen zu 2 anstellt, liegt der von der GMA prognostiziert Kaufkraftabfluss mit 8 % noch unter dem Schwellenwert.
Das GMA-Gutachten prognostiziert allerdings für einige Einzelbranchen über dem Schwellenwert liegende Kaufkraftabflüsse, etwa für die Sortimente Bücher/Zeitschriften 14 - 15 %, Spielwaren 14 - 15%, Bekleidung 13 %, Sport 10 -11 %, Foto 16-17 % und Schmuck/Uhren 20 %. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kommt es auf die Verluste in Einzelbranchen jedoch nicht entscheidend an. Denn es ist nicht Aufgabe der Landesplanung, einzelne Geschäftszweige vor Konkurrenz zu schützen; mit Hilfe der Raumordnung sollen vielmehr negative städtebauliche Folgen für die Zentralen Orte verhindert werden. Deshalb dürften die Werte für einzelne Sortimentsbündel grundsätzlich nicht für sich betrachtet werden, sondern nur als Teil des Gesamtumsatzes. Allenfalls dann, wenn es auf die Erhaltungsmöglichkeiten konkreter Geschäfte, insbesondere von "Magneten" geht, kann ein genauerer Blick auf die Sortimentsbündel geboten sein (so OVG Lüneburg, Urt. v. 27.08.08, a. a. O.)
Dass durch die relativ hohen Kaufkraftabflüsse in den besonders zentrenrelevanten Sortimenten Bekleidung, Schmuck/Uhren oder Spielwaren derartige "Magneten", sprich: Ankermieter, betroffen sein werden, mit deren Existenz die Zukunft eines zentralen Versorgungsbereichs insgesamt steht und fällt, hat weder die Antragsgegnerin noch die Beigeladene zu 2 vorgetragen. Im Gegenteil, das GfK-Gutachten 2009 weist (ab S. 88 des Gutachtens) nach, dass keine Ankermieter betroffen sind und die in der Innenstadt der Beigeladenen zu 2 ansässigen Anbieter die Umverteilung im Wesentlichen verkraften können.
Da die Planungen der Antragstellerin zur "Neuen Mitte" somit weder das Kongruenzgebot noch das Beeinträchtigungsverbot verletzen, kann die Kammer die zwischen den Beteiligten streitige Frage offen lassen, ob die Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin selbstständig tragend nur auf die Verletzung eines dieser Planziele gestützt werden könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG. Dabei orientiert sich das Gericht am Streitwertkatalog der Bausenate des Nds. OVG nach dem 01.01.2002, wonach der nach der Interessenlage der Antragstellerin vergleichbare Streit um die Genehmigung eines Bebauungsplanes mit 5.000.00 bis 150.000,00 € zu bewerten ist. Da der hier untersagte Bebauungsplan für die Antragstellerin von außerordentlicher Bedeutung ist, schöpft die Kammer den vorgegebenen Streitwertrahmen aus. Von einer Halbierung dieses Wertes sieht die Kammer ab, weil mit dem vorliegenden Eilverfahren die Hauptsache weitgehend vorweggenommen wird.