Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 29.07.2011, Az.: 8 ME 36/11
Einstweiliger Rechtschutz gegen das Streichen eines Architekten aus der Architektenliste wegen Vermögensverfalls
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 29.07.2011
- Aktenzeichen
- 8 ME 36/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 21509
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2011:0729.8ME36.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Lüneburg - 07.02.2011 - AZ: 5 B 11/10
Rechtsgrundlagen
- § 80 Abs. 5 VwGO
- § 1 Abs. 1 NArchtG
- § 15 NArchtG
Fundstellen
- BauR 2011, 1867
- DÖV 2012, 37
- NJW-Spezial 2011, 525
- NdsVBl 2012, 76-78
Amtlicher Leitsatz
Zur (hier bejahten) Rechtmäßigkeit der für sofort vollziehbar erklärten Streichung aus der Architektenliste wegen Vermögensverfalls.
Aus dem Entscheidungstext
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen seine von der Antragsgegnerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügte Streichung aus der Architektenliste.
Der Antragsteller ist seit dem 22. September 1982 als Architekt und seit dem 15. September 2008 auch als Stadtplaner in die bei der Antragsgegnerin geführte Architektenliste, zuletzt mit der Beschäftigungsart "freischaffend", eingetragen. Seit 2002 ist der Antragsteller alleiniger Inhaber des seit 1992 bestehenden "B. " in C., in dem derzeit neben dem Antragsteller ein weiterer Architekt, zwei Diplom-Ingenieure, zwei Bauzeichner und drei weitere Mitarbeiter beschäftigt sind.
Auf den Antrag der Techniker Krankenkasse Hamburg vom 17. Juli 2009 und auf den nachfolgenden Eigenantrag des Antragstellers vom 25. August 2009 eröffnete das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Celle mit Beschluss vom 1. September 2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers. Ausweislich des zum Berichtstermin nach § 156 der Insolvenzordnung gegebenen Berichts des Insolvenzverwalters vom 21. Oktober 2009 haben Gläubiger Forderungen in Höhe von insgesamt 1.023.186,30 EUR gegen den Antragsteller angemeldet. Diese resultieren im Wesentlichen aus Immobilienfinanzierungen des Antragstellers. Darüber bestehen Verbindlichkeiten gegenüber Arbeitnehmern, Sozialversicherungsträgern, der Berufsgenossenschaft und weiteren Gläubigern. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Insolvenzverwalter die selbständige Tätigkeit des Antragstellers aus der Insolvenzmasse gemäß § 35 Abs. 2 der Insolvenzordnung freigegeben. Den hiergegen gerichteten Antrag des Finanzamts, die Unwirksamkeit der Freigabeerklärung wegen Unzuverlässigkeit des Antragstellers anzuordnen, lehnte die Gläubigerversammlung im Berichtstermin am 3. November 2009 ab.
Mit mittlerweile rechtskräftigem Strafbefehl vom 30. März 2010 verwarnte das Amtsgericht Soltau den Antragsteller wegen des Vorenthaltens von Arbeitnehmeranteilen zur Gesamtsozialversicherung in den Monaten März, April und November 2007, Januar bis März und Dezember 2008 sowie Januar, April und Juni 2009 in Höhe von insgesamt 23.282,79 EUR und behielt sich die Verurteilung zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen vor.
Nach Anhörung des Antragstellers beschloss der Eintragungsausschuss der Antragsgegnerin am 20. Juli 2010, die Eintragungen des Antragstellers in die Architektenliste als Architekt und Stadtplaner unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zu streichen. Zur Begründung verwies der Eintragungsausschuss auf die persönliche und wirtschaftliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers. Er sei persönlich unzuverlässig, weil er über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren Sozialversicherungsbeiträge nicht an die Krankenkasse abgeführt und sich dadurch im Eigeninteresse gravierend über Arbeitnehmerinteressen hinweggesetzt habe. Dieses Verhalten zeige, dass der Antragsteller nicht die erforderliche Gewähr für die sachgerechte Wahrnehmung der Interessen von Auftraggebern und Gläubigern biete. Die wirtschaftliche Unzuverlässigkeit sei durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers indiziert. Daraus, dass er einen Eigenantrag gestellt habe, sein Architektenbüro seit der Freigabe aus der Insolvenzmasse wirtschaftlich erfolgreich führe, die Arbeitnehmer weiter beschäftige und Löhne und Sozialversicherungsbeiträge regelmäßig bezahle sowie keine Gründe ersichtlich seien, die gegen eine Erteilung der Restschuldbefreiung sprächen, folge nichts anderes. Denn der Antragsteller habe den Eigenantrag zu spät gestellt und keinen Sanierungs- oder Insolvenzplan vorgelegt, aus dem auf eine baldige Konsolidierung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse geschlossen werden könne. Der Beschluss des Eintragungsausschusses wurde dem Antragsteller durch Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. Juli 2010 mitgeteilt.
Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 24. August 2010 bei dem Verwaltungsgericht Lüneburg Klage erhoben und um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung hat der Antragsteller geltend gemacht, die Antragsgegnerin habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt, sondern sich im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt ausschließlich auf den mehr als sechs Monate alten Bericht des Insolvenzverwalters gestützt. Tatsächlich sei er weder wirtschaftlich noch persönlich unzuverlässig. Trotz des laufenden Insolvenzverfahrens bestehe die begründete Erwartung, dass seine finanziellen Verhältnisse in absehbarer Zeit wieder geordnet seien. Sein Betrieb sei ausweislich der Auswertungen und der Bestätigungen des ihn betreuenden Wirtschaftsberaters wirtschaftlich tragfähig und erfolgreich. Eine Gefährdung der Interessen von Arbeitnehmern, Gläubigern oder Auftraggebern sei ausgeschlossen, zumal der Antragsteller unter der "Aufsicht" des Insolvenzverwalters stehe. Eine persönliche Unzuverlässigkeit könne sich aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Soltau nicht ergeben. Denn dieses habe nur eine Verwarnung mit Strafvorbehalt ausgesprochen und damit eine deutlich positive Prognose für das zukünftige Verhalten des Antragstellers gestellt. Darüber hinaus bestehe kein Anlass für eine sofortige Vollziehung, die dem Antragsteller die Erwerbsquelle und zugleich die Möglichkeit zur Erwirtschaftung von Mitteln zur Befriedigung der Gläubiger nehme.
Der Antragsteller hat beantragt,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. Juli 2010 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen,
und ihren Bescheid verteidigt.
Nach Befassung der Kammer in einem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 3. Dezember 2010 hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 7. Februar 2011, den Beteiligten zugestellt am 9. Februar 2011, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. Juli 2010 wiederhergestellt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass im vorliegenden Einzelfall trotz des laufenden Insolvenzverfahrens ausnahmsweise keine wirtschaftliche oder persönliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers bestehe. Nach dem Vorbringen des Antragstellers lägen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass er seine finanziellen Verhältnisse zukünftig geordnet haben wird, und es sei nicht zu erwarten, dass er Vermögensinteressen Dritter künftig erneute gefährden werde.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 23. Februar 2011. Sie wendet gegen die angefochtene Entscheidung ein, das Verwaltungsgericht habe nicht allein auf die Sachlage im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Eintragungsausschusses abgestellt, sondern auch nachträglich entstandene Tatsachen, insbesondere die Verwertung des Immobilieneigentums des Antragstellers im März 2010 und die betriebswirtschaftlichen Auswertungen vom Juli und September 2010, bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Unabhängig davon sei der Antragsteller entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts als wirtschaftlich und persönlich unzuverlässig anzusehen. Der Antragsteller habe die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Vermutung der wirtschaftlichen Unzuverlässigkeit nicht entkräftet. Erforderlich hierfür sei ein tragfähiges Sanierungskonzept, das einen baldigen Schuldenabbau erwarten lasse. Hieran fehle es ganz offensichtlich. Der Antragsteller führe zwar seine aus der Insolvenzmasse freigegebene selbständige Tätigkeit fort und sei hierbei offenbar erfolgreich und in der Lage, Neuverbindlichkeiten zu erfüllen. Die an die Insolvenzmasse abgeführten geringen Beträge genügten aber nicht, um die Insolvenzforderungen zu erfüllen. Mangels eines hierauf bezogenen Sanierungs- oder Insolvenzplans könne von einem Abbau dieser Schulden daher erst mit Restschuldbefreiung ausgegangen werden. Die persönliche Unzuverlässigkeit ergebe sich aus dem strafbaren Vorenthalten von Arbeitnehmeranteilen an den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen. Mit diesem Verhalten habe der Antragsteller gezeigt, persönliche Interessen über Interessen seiner Arbeitnehmer und der Allgemeinheit zu stellen. Gerate er erneut in finanzielle Bedrängnis, sei nicht ausgeschlossen, dass er sich ähnlich verhalte. Zudem sei die Streichung aus der Architektenliste nicht mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen für den Antragsteller verbunden. Er dürfe zwar persönlich die Berufsbezeichnung Architekt nicht mehr führen und verlöre die damit verbundene Bauvorlageberechtigung, könne aber sein Büro nahezu unverändert fortführen. Denn in diesem sei ein weiterer bauvorlageberechtigter Architekt beschäftigt.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 7. Februar 2011 zu ändern und den Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückweisen,
und macht geltend, die Beschwerde genüge nicht den Darlegungserfordernissen des § 146 Abs. 4 Satz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung und sei daher bereits unzulässig. Im Übrigen verteidigt der Antragsteller die verwaltungsgerichtliche Entscheidung und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Die zulässige, insbesondere den Darlegungserfordernissen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügende Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ist begründet. Die von der Antragsgegnerin mit der Beschwerdebegründung fristgerecht vorgebrachten und gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO vom Senat allein zu prüfenden Gründe geben Anlass, den angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. Juli 2010 abzulehnen.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung einer Klage ganz oder teilweise wiederherstellen. Ist - wie hier - die sofortige Vollziehung von der Behörde den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügend angeordnet worden, so setzt die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGOüber die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das vorrangig öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung voraus (vgl. Senatsbeschl. v. 16.3.2004 - 8 ME 164/03 -, NJW 2004, 1750 m.w.N.).
Dem öffentlichen Vollzugsinteresse kann dabei überhaupt nur dann Vorrang eingeräumt werden, wenn der angefochtene Verwaltungsakt voraussichtlich auch im Hauptsacheverfahren Bestand haben, mithin sich als rechtmäßig erweisen wird. Bewirkt die sofortige Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes ein vorläufiges Berufsverbot und greift damit schwerwiegend in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG ein, setzt das Interesse an der sofortigen Vollziehung zudem die aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls zu treffende Feststellung voraus, dass der Sofortvollzug schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich ist (vgl.BVerfG, Beschl. v. 24.10.2003 - 1 BvR 1594/03 -, NJW 2003, 3618, 3619 (Widerruf der Approbation als Apotheker);
Senatsbeschl. v. 26.10.2010 - 8 ME 181/10 -, [...] Rn. 3 (Widerruf einer Heilpraktikererlaubnis); Senatsbeschl. v. 27.11.2009 - 8 ME 196/09 -, [...] Rn. 3 (Widerruf einer Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Logopäde) jeweils m.w.N.). Bei der im Übrigen vorzunehmenden Folgenabwägung sind gegenüberzustellen die Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter bei einem Aufschub des Vollzugs, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt nachträglich als rechtmäßig erweist, den Folgen des Sofortvollzugs für den Antragsteller, wenn sich der Verwaltungsakt nachträglich als rechtswidrig erweisen sollte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.10.2006 - 1 BvR 2403/06 -, [...] Rn. 17 f. (Widerruf der Approbation als Arzt)).
Eine nach diesen Maßstäben getroffene Abwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus.
1.
Die im Bescheid vom 29. Juli 2010 verfügte Streichung des Antragstellers aus der Architektenliste ist voraussichtlich rechtmäßig. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist dabei die Sach- und Rechtslage bei Erlass der letzten Behördenentscheidung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.9.2005 - 6 B 51.05 -, GewArch 2006, 77 f.; Senatsbeschl. v. 23.11.2006 - 8 ME 146/06 -, [...] Rn. 3).
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 Niedersächsisches Architektengesetz - NArchtG - in der hier maßgeblichen, zuletzt durch Gesetz vom 12. Juli 2007 (Nds. GVBl. S. 324) geänderten Fassung ist die Eintragung in der Architektenliste zu streichen, wenn die Eintragungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen. Eintragungsvoraussetzung ist nach § 5 Satz 1 NArchtG, dass keine Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass der Antragsteller nicht die für den Beruf erforderliche Zuverlässigkeit besitzt.
Nach der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes nur gebotenen und möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage besitzt der Antragsteller hier die für den Beruf des Architekten erforderliche Zuverlässigkeit nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats indiziert der Vermögensverfall eines Architekten dessen mangelnde Zuverlässigkeit für den Architektenberuf (vgl. zuletzt Senatsbeschl. v. 23.11.2006, a.a.O. m.w.N.). Denn nach § 3 Abs. 1 NArchtG gehört es zu den Berufsaufgaben des Architekten, seine Auftraggeber in mit der Planung und Durchführung eines Vorhabens zusammenhängenden Fragen unabhängig zu beraten und zu betreuen und die berechtigten Interessen des Auftraggebers und dessen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu wahren. Der Architekt hat dabei auch die Vermögensinteressen des Bauherrn zu beachten und unabhängig von eigenen finanziellen Interessen und übertriebener Gewinnorientierung zu handeln. Ist ein Architekt selbst in Vermögensverfall geraten, bietet er in der Regel nicht mehr die notwendige Gewähr für eine solche unabhängige Wahrnehmung der Interessen seines Auftraggebers. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Architekt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht bereinigen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.8.2005 - 1 BvR 912/04 -, NJW 2005, 3057, 3058 (Amtsenthebung eines Notars); BGH, Beschl. v. 5.12.2005 - AnwZ (B) 14/05 -, [...] Rn. 5 (Widerruf der Rechtsanwaltszulassung)). Ein solcher die Unzuverlässigkeit indizierender Vermögensverfall zeigt sich etwa in der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO und der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nach § 915 ZPO (vgl. Senatsbeschl. v. 23.11.2006, a.a.O.), der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Architekten (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 4.5.2011 - 4 A 697/10 -, [...] Rn. 8 f.; Beschl. v. 26.4.2007 - 4 B 497/06 -, [...] Rn. 6; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 17.5.2006 - 9 S 2538/05 -, [...] Rn. 4 f.) oder der Abweisung eines Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Architekten nach § 26 InsO (vgl. Hessischer VGH, Beschl. v. 15.6.2004 - 11 TP 1440/04 -, NJW 2005, 919 f.).
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers durch Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Celle vom 1. September 2009 indiziert damit, dass der Antragsteller die für den Beruf des Architekten erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt.
Dem Architekten verbleibt indes die Möglichkeit, das mit dem Vermögensverfall verbundene Indiz für seine Unzuverlässigkeit im Rahmen der sich für ihn aus § 26 VwVfG ergebenden Mitwirkungs- und der aus § 15 NArchtG folgenden Auskunftspflicht (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 7.8.2000 - 8 L 357/00 - m.w.N.) zu widerlegen, indem er im Einzelnen darlegt und nachweist, dass nach den Besonderheiten seines Einzelfalls trotz seines Vermögensverfalls die Interessen seiner Auftraggeber oder Dritter nicht gefährdet sind. Solche Besonderheiten können sich zum einen aus der Art und Weise der Berufsausübung des Architekten im konkreten Einzelfall ergeben, etwa bei einer Tätigkeit als Angestellter ohne wesentliche eigenständige Entscheidungsbefugnisse in einem größeren Büro (vgl. BFH, Beschl. v. 10.4.2006 - VII B 232/05 -, [...] Rn. 5 f. (Widerruf der Bestellung als Steuerberater); BGH, Beschl. v. 5.12.2005, a.a.O. (Widerruf der Rechtsanwaltszulassung)). Zum anderen kann die Vermutung der Unzuverlässigkeit dadurch widerlegt werden, dass im Einzelfall, etwa auf der Grundlage eines tragfähigen Sanierungskonzepts oder Insolvenzplans, die begründete Erwartung besteht, der Architekt werde in absehbarer Zeit seine finanziellen Verhältnisse wieder geordnet haben und seine finanziellen Verpflichtungen erfüllt haben oder jedenfalls erfüllen können (vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.8.2005, a.a.O. (Amtsenthebung eines Notars)).
Hieran gemessen ist es dem Antragsteller im vorliegenden Fall entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht gelungen, das mit dem Vermögensverfall verbundene Indiz für seine Unzuverlässigkeit zu widerlegen.
Zutreffend ist zwar, dass der Insolvenzverwalter die selbständige Tätigkeit des Antragstellers aus der Insolvenzmasse nach§ 35 Abs. 2 InsO freigegeben hat und der Antragsteller sein Architekturbüro seitdem offenbar wirtschaftlich erfolgreich führt, die Arbeitnehmer weiter beschäftigt und Löhne und Sozialversicherungsbeiträge regelmäßig bezahlt. Dieses Verhalten spricht ohne Weiteres für den Antragsteller und bietet gewisse Anhaltspunkte für die Möglichkeit einer künftigen Konsolidierung seiner finanziellen Verhältnisse. Allerdings betrifft dieses Verhalten nur solche (Neu-)Verbindlichkeiten, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind.
Den Bereich der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Verbindlichkeiten, den sog. Insolvenzforderungen nach§ 38 InsO, blendet das Verwaltungsgericht bei dieser Betrachtung zu Unrecht aus. Diese Verbindlichkeiten sind der maßgebliche Grund für die ungeordneten finanziellen Verhältnisse des Antragstellers und seinen daran anknüpfenden Vermögensverfall. Zutreffend ist zwar, dass bereits mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein strukturiertes Verfahren zur Ordnung der finanziellen Verhältnisse des Schuldners eingeleitet wird. Während dieses Verfahrens ist der Schuldner wegen der Insolvenzforderungen nach § 89 Abs. 1 InsO grundsätzlich auch keinen Zwangsvollstreckungen in sein Vermögen ausgesetzt, was die mit dem Vermögensverfall verbundene Gefahr der Beeinträchtigung der unabhängigen Wahrnehmung von (Vermögens-)Interessen der Auftraggeber des insolventen Architekten mindern mag. Allerdings ist der Vermögensverfall nach dem eingangs dargestellten Maßstab nicht allein durch das Bestehen ungeordneter finanzieller Verhältnisse gekennzeichnet, sondern maßgeblich auch dadurch, dass der Schuldner seinen Verpflichtungen nicht nachkommen, mithin seine Verbindlichkeiten nicht erfüllen kann. Unabhängig von der Frage, ob dem Antragsteller durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits eine gewisse Ordnung seiner Vermögensverhältnisse gelungen ist, besteht das weitere, den Vermögensverfall kennzeichnende Merkmal der Unfähigkeit, die bestehenden Verbindlichkeiten zu erfüllen, fort. Denn der Antragsteller leistet nach seinem eigenen Vorbringen aus den Erträgen seiner selbständigen Tätigkeit "lediglich eine relativ geringe feste monatliche Zahlung an die Insolvenzmasse" (Schriftsatz des Antragstellers v. 13.1.2011, dort S. 2). Dass diese auch nur annähernd ausreichend wäre, um die im Insolvenzverfahren festgestellten Insolvenzforderungen zu erfüllen, hat der Antragsteller nicht dargelegt. Hierfür bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte. In einem solchen Fall besteht (noch) keine begründete Erwartung, der Architekt werde in absehbarer Zeit seine finanziellen Verhältnisse wieder geordnet haben und seine finanziellen Verpflichtungen erfüllt haben oder erfüllen können. Hiervon kann vielmehr erst dann ausgegangen werden, wenn der Schuldner mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens das Recht zurückerhält, über die vormalige Insolvenzmasse frei zu verfügen (vgl. § 259 Abs. 1 Satz 2 InsO), und ein Insolvenzplan zustande gekommen ist, aufgrund dessen der Schuldner mit der im gestaltenden Teil vorgesehenen Befriedigung der Insolvenzgläubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten gegenüber diesen Gläubigern befreit wird (vgl. § 227 Abs. 1 InsO), oder dem Schuldner durch Beschluss des Insolvenzgerichts die Restschuldbefreiung angekündigt worden ist (vgl.§ 291 Abs. 1 InsO). Allein die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und ggf. die Freigabe der selbständigen Tätigkeit des Schuldners aus der Insolvenzmasse beseitigen das Vorliegen eines Vermögensverfalls hingegen noch nicht (vgl. BGH, Beschl. v. 21.3.2011 - AnwZ (B) 37/10 -, [...] Rn. 7 f.; Beschl. v. 16.4.2007 - AnwZ (B) 6/06 -, [...] Rn. 9 (Widerruf der Anwaltszulassung); OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 4.5.2011, a.a.O., Rn. 6; vgl. zur unzureichenden Abstimmung berufsregelnder Gesetze mit der Insolvenzordnung und zu sich hieraus ergebenden negativen Auswirkungen auf die Gläubigerbefriedigung im Insolvenzverfahren: Jaeger, InsO, § 35 Rn. 17 ff. m.w.N.)
Auch für einen (weitergehenden) Ausnahmefall, dass die Interessen der Allgemeinheit und der Auftraggeber des Antragstellers trotz des bestehenden Vermögensverfalls nicht gefährdet wären, ist nichts ersichtlich.
Ob sich darüber hinaus aus der im rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts Soltau vom 30. März 2010 gegenüber dem Antragsteller ausgesprochenen Verwarnung mit Strafvorbehalt wegen des Vorenthaltens von Arbeitnehmeranteilen zur Gesamtsozialversicherung auch eine persönliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers ergibt, bedarf jedenfalls im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes keiner weiteren Prüfung durch den Senat.
2.
Der Feststellung, dass der Sofortvollzug des voraussichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakts schon vor rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2003, a.a.O., S. 3619 (Widerruf der Approbation als Apotheker); Senatsbeschl. v. 26.10.2010, a.a.O. (Widerruf einer Heilpraktikererlaubnis); Senatsbeschl. v. 27.11.2009, a.a.O. (Widerruf einer Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Logopäde) jeweils m.w.N.), bedarf es im vorliegenden Fall nicht. Denn die sofortige Vollziehung der hier verfügten Streichung aus der Architektenliste bewirkt kein in das Grundrecht des Antragstellers aus Art. 12 Abs. 1 GG schwerwiegend eingreifendes vorläufiges Berufsverbot.
Der in § 1 Abs. 1 NArchtG enthaltene landesgesetzliche Eintragungsvorbehalt für die Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung "Architekt" stellt lediglich einen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung dar. Er ist im Wesentlichen darauf gerichtet, einen Titelschutz zu gewährleisten (vgl. Niedersächsisches Landesministerium, Entwurf eines Gesetzes über den Schutz der Berufsbezeichnung "Architekt" und die Errichtung einer Architektenkammer (Architektengesetz), LT-Drs. 6/537, S. 12 f.). Der Eintragung kommt aber weder Bedeutung für den Zugang zu einem Architektenberuf noch für die Art und Weise der beruflichen Betätigungsmöglichkeiten zu (vgl.BVerfG, Beschl. v. 24.5.1996 - 1 BvR 1691/91 -, NJW-RR 1997, 50).
Die Streichung aus der Architektenliste erfordert daher nicht den Nachweis einer konkreten Gefährdung fremder (Vermögens-)Interessen. Vielmehr rechtfertigt schon der hier vorliegende abstrakte Gefährdungstatbestand des Vermögensverfalls grundsätzlich die Streichung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.9.2005, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, 4.5.2011, a.a.O., Rn. 18).
3.
Schließlich erweist sich der Sofortvollzug der Streichung aus der Architektenliste auch nicht als unverhältnismäßig. Die bei einem Aufschub des Vollzugs eintretenden Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter überwiegen die den Antragsteller treffenden Folgen der sofortigen Vollziehung.
Wird hier die vom Antragsteller begehrte aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Streichung aus der Architektenliste wiederhergestellt, darf der Antragsteller weiter unter der Berufsbezeichnung "Architekt" arbeiten. Realisiert sich währenddessen die mit dem Vermögensverfall verbundene Gefahr, werden insbesondere (Vermögens-)Interessen der Allgemeinheit und der Auftraggeber des Antragstellers beeinträchtigt, wobei eine solche Beeinträchtigung angesichts der finanziellen Verhältnisse des Antragstellers regelmäßig irreversible Folgen haben dürfte.
Bleibt die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufrecht erhalten und erweist sich die Streichung aus der Architektenliste im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig, sind die dargestellten Gefahren der Beeinträchtigung von Vermögensinteressen vermieden worden. Der Antragsteller durfte aber für die Dauer des Hauptsacheverfahrens nicht unter der Berufsbezeichnung "Architekt" arbeiten. Die hiermit für den Antragsteller verbundenen Nachteile sind indes nicht so gravierend, dass sie nicht hingenommen werden könnten. Wie ausgeführt beschränkt sich der gesetzliche Eintragungsvorbehalt in erster Linie auf einen Titelschutz. Dem Antragsteller ist es daher verwehrt, sich im Rechts- und Geschäftsverkehr als Architekt zu bezeichnen. Bedeutung für den Zugang zum eigentlichen Architektenberuf oder für die Art und Weise der beruflichen Betätigungsmöglichkeiten als Architekt hat die Eintragung hingegen grundsätzlich nicht. Der Antragsteller ist durch die Streichung aus der Architektenliste insbesondere nicht gezwungen, seine selbständige Tätigkeit aufzugeben oder in signifikanter Weise zu beschränken. Zutreffend weist der Antragsteller zwar darauf hin, dass an die Eintragung in die Architektenliste die Bauvorlageberechtigung nach § 58 NBauO anknüpft. Nach dem Vortrag der Antragsgegnerin beschäftigt der Antragsteller in seinem Büro aber mit Herrn Dipl.-Ing. D. einen in die Architektenliste der Antragsgegnerin unter EL 8413 eingetragenen und damit bauvorlageberechtigten Architekten. Wenn der Antragsteller gleichwohl behauptet, "angesichts der Konkurrenz- und Marktsituation (liege) der Eintritt von schwerwiegenden, nicht wiedergutzumachenden Nachteilen ... auf der Hand" (Schriftsatz des Antragstellers v. 16.3.2011, dort S. 4), hat er diese konkreten Nachteile bereits nicht hinreichend dargelegt. Sie sind für den Senat auch nicht offensichtlich. Dem Antragsteller bleibt es weiterhin möglich, durch seine selbständige Tätigkeit seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt seiner Mitarbeiter zu sichern und zugleich Beträge zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger an die Insolvenzmasse abzuführen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Streichung aus der Architektenliste voraussichtlich nur für einen überschaubaren Zeitraum Bestand haben wird. Denn sobald für den Antragsteller aufgrund des Fortgangs seines mittlerweile fast zwei Jahre laufenden Insolvenzverfahrens die begründete Erwartung besteht, er werde in absehbarer Zeit seine finanziellen Verhältnisse wieder geordnet und seine finanziellen Verpflichtungen erfüllt haben oder erfüllen können, kann er die (Wieder-)Eintragung in die Architektenliste beantragen. Die damit auf Seiten des Antragstellers entstehenden Nachteile vermögen das dargestellte öffentliche Interesse an der Abwehr von Gefahren für die Interessen der Allgemeinheit und der Auftraggeber des Antragstellers nicht zu überwiegen und begründen daher keine Unverhältnismäßigkeit des von der Antragsgegnerin angeordneten Sofortvollzuges.