Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.07.2011, Az.: 1 LA 239/10
Bedeutung der "Beseitigung" i.S.d. § 89 Abs. 1 Nr. 4 NBauO als die vollständige Entfernung der baulichen Anlage bzw. Wiedereinebnung des Bauplatzes
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 28.07.2011
- Aktenzeichen
- 1 LA 239/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 20884
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2011:0728.1LA239.10.0A
Rechtsgrundlage
- § 89 Abs. 1 Nr. 4 NBauO
Fundstellen
- AUR 2011, 409-410
- BauR 2012, 687
- DÖV 2011, 822
- FStNds 2011, 611-612
- NdsVBl 2012, 54-55
- NordÖR 2011, 467
- UPR 2011, 460
Amtlicher Leitsatz
"Beseitigung" im Sinne des § 89 Abs. 1 Nr. 4 NBauO bedeutet die vollständige Entfernung der baulichen Anlage einschließlich der durch den Abbruch entstehenden Substanzen von dem Grundstück und ggf. die Verfüllung verbliebener Bodenvertiefungen, d.h. eine Wiedereinebnung des "Bauplatzes".
Gründe
Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung und Androhung von Zwangsgeldern.
Der Beklagte gab ihm mit Verfügung vom 13. November 2002 auf, eine für einen anderen Standort genehmigte Güllelagune abzubrechen und den dabei entstehenden Bauschutt restlos vom Grundstück zu entfernen, sodann das Grundstück zu rekultivieren und mit standortgerechten Gehölzen aufzuforsten. Für den Fall, dass der Kläger dieser Anordnung nicht oder nur teilweise nachkomme, drohte er die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.500 EUR an. Die dagegen nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 16. Dezember 2005 (- 2 A 141/03 -) ab.
Mit Verfügung vom 23. Mai 2007 setzte der Beklagte das angedrohte Zwangsgeld fest, forderte den Kläger nochmals auf, bis zum 15. Juli 2007 den Abbruch durchzuführen und das Grundstück zu rekultivieren und drohte ihm für den Fall, dass der Kläger dieser Verfügung nicht oder nur teilweise nachkomme, ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000 EUR an.
Die dagegen wiederum nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Grundverfügung sei nach dem dazu ergangenen rechtskräftigen Urteil unanfechtbar. Deshalb könne ihr auch nicht mehr entgegengehalten werden, dass sie nicht dem Bestimmtheitserfordernis entspreche. Hinsichtlich der Androhung des weiteren Zwangsgelds könnten insoweit zwar Bedenken bestehen, weil sich die angegriffene Verfügung zwar auf die unanfechtbare Ausgangsverfügung bezogen, aber auch eine Pflicht zur Rekultivierung des Grundstücks angeführt habe. Das sei aber durch die unmissverständliche Beschränkung im Widerspruchsbescheid auf die Beseitigung des Gülle-Erdbeckens und die Entfernung des dabei anfallenden Bauschutts ausgeräumt worden.
Mit seinem dagegen gerichteten Zulassungsantrag macht der Kläger geltend, das angegriffene Urteil weiche von der Senatsentscheidung vom 21. Januar 1999 (1 L 2065/96 -) ab. Danach dürfe nicht ein einheitliches Zwangsgeld für mehrere unterschiedliche Anordnungen angedroht werden. Hier gehe es um vier Anordnungen, nämlich
das Gülle-Becken abzubrechen
den Bauschutt vom Grundstück zu entfernen
das Grundstück zu rekultivieren
das Grundstück mit standortgerechten Gehölzen aufzuforsten.
Für jede dieser Maßnahmen habe daher ein eigenständiges Zwangsgeld angedroht werden müssen.
Der Widerspruchsbescheid gebe dafür, dass es eine Beschränkung auf die ersten beiden Anordnungen gegeben habe, nichts her. Hinsichtlich der Rekultivierung und Wiederaufforstung sei die Verfügung auch nicht auf andere Weise aufgehoben worden.
Zudem bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils, weil das Grundstück im Eigentum seiner Mutter stehe. Eine Duldungsanordnung sei ihr gegenüber nicht ergangen.
Der Beklagte tritt dem entgegen.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht erst vor, wenn der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als sein Misserfolg, sondern bereits dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, NVwZ 2010, 634; Beschl. d. 2. K. v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 -, NVwZ 2011, 546; vgl. Gaier, NVwZ 2011, 385, 388 ff.). Das ist dem Kläger nicht gelungen.
Der Umstand, dass der Adressat einer Beseitigungsanordnung nicht zugleich Eigentümer des betroffenen Grundstücks ist, kann zwar im Zwangsmittelverfahren Bedeutung erlangen. Der Kläger hat entsprechende Eigentumsverhältnisse jedoch nicht mit hinreichender Substanz vorgetragen. Zwar ergeben sich aus den Bauakten Anhaltspunkte dafür, dass jedenfalls im Jahr 1999 die Mutter des Klägers Grundstückseigentümerin gewesen sein könnte (Beiakte A, Reiter Überprüfung, Bl. 6). Nach dem aktuellen Liegenschaftskataster, auf das der Senat elektronischen Zugriff hat, ist jedoch der Kläger selbst Eigentümer des Grundstücks. Auf entsprechenden Hinweis hat er nicht reagiert. Von der Richtigkeit seiner im Zulassungsantrag aufgestellten Behauptung kann deshalb nicht ausgegangen werden.
Eine Abweichung von einer Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor. Nach dem vom Kläger angeführten Senatsurteil vom 21. Januar 1999 (- 1 L 2065/96 -, BauR 1999, 882) darf zwar ein einheitliches Zwangsgeld nicht für mehrere unterschiedliche Anordnungen angedroht werden. Eine solche Situation liegt hier jedoch nicht vor. Der Kläger macht zu Unrecht gelten, hier sollten (noch) vier verschiedene Einzelmaßnahmen durchgesetzt werden. Zunächst ist die ursprüngliche Wiederaufforstungsanordnung nicht mehr Verfahrensgegenstand. Bereits in der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2005 haben die Beteiligten der Niederschrift zufolge erklärt, sie seien sich darin einig, dass die angefochtene Verfügung vom 13. November 2002 kein Wiederaufforstungsgebot enthalte. Das hat der Kläger auf rechtlichen Hinweis nicht mehr in Abrede genommen. Wie auch immer eine solche Erklärung rechtlich einzuordnen war, ist damit die Frage einer Wiederaufforstung außer Streit gestellt worden. Das Verwaltungsgericht hat sich seinerzeit folgerichtig auch nur noch mit der "Rückbauanordnung" befasst. Die jetzt angegriffene Verfügung vom 23. Mai 2007 referiert zwar eingangs ihres Textes die ursprüngliche Verfügung vollen Umfangs, also auch hinsichtlich der Wiederaufforstungsanordnung, stellt ohne weitere Differenzierungen fest, dass der Kläger dieser Aufforderung nicht nachgekommen sei, und setzt eine neue Frist für den Abbruch und die "Rekultivierung". Das Verwaltungsgericht geht aber zu Recht davon aus, dass der Widerspruchsbescheid vom 7. November 2007 dies jedenfalls konkludent wieder korrigiert hat. Er befasst sich ausschließlich noch mit dem Abbruch und der Entfernung des Bauschutts vom Grundstück. Jedenfalls vor dem Hintergrund des Inhalts der Niederschrift vom 13. November 2002 ist damit der Umfang des dem Kläger abverlangten Tätigwerdens endgültig und zweifelsfrei beschränkt worden. Infolgedessen bedarf es auch keiner Klärung mehr, was in diesem Zusammenhang unter "Rekultivierung" zu verstehen war.
Bei dieser einschränkenden Auslegung des dem Kläger aktuell noch Abverlangten geht es hier nicht mehr um "unterschiedliche Anordnungen", sondern um eine einheitliche Anordnung. Wie der sechste Senat dieses Gerichts bereits mit Urteil vom 14. November 1997 (- 6 L 6340/95 -, NdsVBl. 1998, 141) ausgeführt hat, beschränkt sich eine "Beseitigung" im Sinne des § 89 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 NBauO nicht auf den fachgerechten Abbau der baulichen Anlage und die fachgerechte Lagerung der Baumaterialien auf dem Grundstück, sondern bedeutet die vollständige Entfernung der baulichen Anlage einschließlich der durch den Abbruch entstehenden Substanzen von dem Grundstück (vgl. auch OVG Weimar, Urt. v. 20.8.2008 - 1 B 186/07 -, BauR 2009, 970). Zu ergänzen ist mit Blick auf den vorliegenden Fall, dass (wie auch bei der Beseitigung eines unterkellerten Hauses) die Verfüllung verbliebener Bodenvertiefungen, d.h. eine Wiedereinebnung des "Bauplatzes" ebenfalls regelmäßig mit zur "Beseitigung" gehört. Insoweit mag es begriffliche Überschneidungen mit der hier zunächst noch geforderten "Rekultivierung" geben. Der begriffliche Umfang der "Beseitigung" im Sinne des § 89 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 NBauO ergibt sich jedoch aus der Auslegung des Gesetzes selbst; er ist grundsätzlich nicht abhängig davon, ob die Behörde das Verlangte noch einmal präzisierend zu umschreiben versucht, wenn sie nicht ausdrücklich Einschränkungen vornimmt.
Für eine Beseitigung in diesem Sinne darf die Behörde mithin auch ein einheitliches Zwangsgeld androhen und festsetzen; sie muss nicht nach einzelnen Phasen der Beseitigung differenzieren. Hier ist das Zwangsgeld zwar noch in einer bestimmten Höhe für insgesamt weitergehende Maßnahmen bis hin zur Wiederaufforstung festgesetzt worden. Das Verwaltungsgericht ist jedoch bereits in seinem Urteil über die Grundverfügung von einer Beschränkung des Streitstoffs auf die "Rückbauanordnung" ausgegangen und hat auf dieser Grundlage die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes nicht beanstandet. Eine entsprechend hohe Festsetzung kann nicht mehr mit Argumenten angegriffen werden, die ihren Platz in jenem Klageverfahren gehabt hätten. Wie bereits der Widerspruchsbescheid unter Bezugnahme auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg vom 8. Februar 2006 (- 2 M 211/05 -, [...]) zutreffend ausgeführt hat, ist bei der Festsetzung des in bestimmter Höhe angedrohten Zwangsgelds hinsichtlich der Höhe des Zwangsgelds im Regelfall keine (erneute) Ermessensausübung geboten. Angesichts der vergleichsweise geringen Höhe des angedrohten Betrages gilt dies hier erst recht, zumal eine Ersatzvornahme, die zur Durchsetzung von Beseitigungsanordnungen im Regelfall anzudrohen ist (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 2.8.2001 - 1 O 3654/00 -, www.dbovg.niedersachsen.de und [...]), für den Kläger insgesamt durchaus noch teurer hätte werden können.
Die neuerliche Androhung von Zwangsgeld in doppelter Höhe hat der Widerspruchsbescheid unter stillschweigender Korrektur der Ausgangsverfügung (nur noch) auf den Abbruch der Anlage und die Beseitigung des Bauschutts bezogen. Dass dieser Betrag übersetzt wäre, ist weder vom Antragsteller substantiiert vorgetragen worden noch drängt es sich auf.