Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.07.2011, Az.: 1 ME 57/11

Nachbarschutz im Falle eines Dachausbaus zu einer weiteren Wohneinheit mit Dachterrasse bei einem Nachbarhaus; Annahme einer geschlossenen Blockrandbebauung bei kleineren Lücken; Beschränkung der abstandsrechtlichen Betrachtung auf hinzutretende Gebäudeteile beim Anausbau und Innenausbau

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.07.2011
Aktenzeichen
1 ME 57/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 20885
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2011:0721.1ME57.11.0A

Fundstellen

  • BauR 2011, 1858
  • DVBl 2011, 1181
  • NdsVBl 2011, 320-322

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zur Frage, wann bei An- und Innenausbau die abstandsrechtliche Betrachtung auf die hinzutretenden Gebäudeteile zu beschränken ist.

  2. 2.

    Kleinere Lücken hindern die Annahme nicht, es handele sich um geschlossene Blockrandbebauung.

Gründe

1

Der Antragsteller wendet sich insbesondere aus abstandsrechtlichen Gründen, aber auch weil er mit dem Vorhaben unzumutbare Einsichtsmöglichkeiten verbunden sieht, gegen den Dachausbau seines nördlichen Nachbarhauses zu einer weiteren Wohneinheit mit Dachterrasse, den damit verbundenen Ausbau des separaten Treppenhauses, die Anfügung einer Balkonanlage im Knie zwischen gemeinsamer Grundstücksgrenze und Treppenhaus/Gebäuderückwand sowie Anbringung einer 16 cm starken Wärmedämmung.

2

Die Grundstücke der Beteiligten liegen im unverplanten Straßenkarree, welches im Süden von der E. -, im Westen von der F. -, im Norden von der G. - und im Osten - wo die Grundstücke der Beteiligten liegen - von der H. straße begrenzt wird. Über die Frage, ob die dort im Wesentlichen straßenseitig stehende Bebauung als faktisch geschlossene anzusehen ist, besteht zwischen den Beteiligten Streit. Das Baugrundstück ist - wie im umgekehrten Uhrzeigersinn betrachtet etwa auf Dreiviertel der straßenbegleitenden Flächen der Fall - mit einem traufenständigen, viergeschossigen Gebäude mit Satteldach bebaut. Etwa in der Mitte der West-, d.h. der Rückwand schließt das etwa 3,40 m tiefe Treppenhaus an. Die verputzte, fensterlose Südwand des Gebäudes steht auf der Grenze zum Grundstück des Antragstellers. Dieses ist dort unbebaut, seitdem in den 1980er Jahren eine dort stehende ältere Tankstelle, deren Überdachung bis an die Grundstücksgrenze(n) gereicht hatte, abgebrochen worden war. Auf seiner rückwärtigen Grundstücksgrenze steht ein "abgetreppt L-förmiges" mehrgeschossiges Wohngebäude, zugleich auf der nördlichen Grundstücksgrenze (westlicher Nachbar des Beigeladenen) als auch auf der südlichen (zur E. straße ...).

3

Das Verwaltungsgericht hat den nach Beginn der Bauarbeiten gestellten Eilantrag mit dem angegriffenen Beschluss, auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, und im Wesentlichen folgender Begründung abgelehnt:

4

Das in seiner Nutzung zu Wohnzwecken geänderte Dachgeschoss und die Dachterrasse brauchten keinen Abstand zu halten. Es handele sich um einen Bereich, in dem aus städtebaulichen Gründen zwingend auf die Grenze gebaut werden müssten. Außer dem Antragstellerareal sei in diesem (vom Verwaltungsgericht unzutreffend bezeichneten) Karree zwar noch ein weiteres Grundstück (E. straße ../...) straßenseitig nicht vollständig von einer Grundstücksgrenze zur anderen bebaut. Das führe jedoch nicht zur Annahme, hier dürfe nicht auf die Grenze gebaut werden. Denn die Betrachtung sei auf das Wesentliche zurückzuführen; daher seien diese beiden Grundstücksbebauungen als Fremdkörper aus der Betrachtung auszuscheiden. Die übrige Bebauung stehe geschlossen an den Straßenfronten. Die Balkonanlage genieße das Abstandsprivileg des § 7b Abs. 3 NBauO. Dass sie über die faktische hintere Baugrenze hinausreiche, sei nach der Rechtsprechung des Senats (B. v. 29.12.2000 - 1 M 4235/00 -, BRS 63 Nr. 143 = BauR 2001, 937 = NdsVBl 2001, 145) unschädlich. Die Nutzungsänderungen im Treppenhaus und die Anbringung der Wärmedämmung seien nach § 13 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 NBauO abstandsrechtlich privilegiert. Das Vorhaben sei nicht zu Lasten des Antragstellers rücksichtslos. Weitergehende Einsichtsmöglichkeiten, als sie die umstehende Bebauung ohnedies ermöglichten, würden durch das angegriffene Vorhaben nicht geschaffen.

5

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, welcher die übrigen Verfahrensbeteiligten entgegen treten.

6

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die rechtzeitig (der 18. April 2011 war ein Montag) geltend gemachten Beschwerdegründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen eine Beschwerdestattgabe nicht.

7

Wie vom Verwaltungsgericht eingangs seiner materiellen Erwägungen zutreffend angedeutet, kann ein Nachbareilantrag nach ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. namentlich B. v. 25. Januar 2007 - 1 ME 177/06 -, BauR 2007, 1394) nur dann Erfolg haben, wenn Überwiegendes für die Annahme spricht, das angegriffene Vorhaben verletze Nachbarrechte des Antragstellers. Das ist nicht der Fall. Zu den Beschwerdeangriffen ist auszuführen:

8

Entgegen der Annahme des Antragstellers wird die Anwendung von § 8 Abs. 1 NBauO aller Voraussicht nach nicht zu beanstanden sein. Danach ist § 7 NBauO nicht anzuwenden, soweit ein Gebäude nach städtebaulichem Planungsrecht ohne Grenzabstand errichtet werden muss. Das ist nicht nur anzunehmen, wenn ein (wirksamer) Bebauungsplan das anordnet. Auch im hier gegebenen Fall, dass§ 34 BauGB die Bebaubarkeit des Grundstücks in städtebaurechtlicher Hinsicht regelt, kann das in Betracht kommen. Voraussetzung ist, dass die vorhandene Bebauung eindeutig von geschlossener Bebauung geprägt ist. Die dabei maßgeblichen Grundsätze hatte der Senat in seinem Urteil vom 25. Januar 1978 (- I A 103/76 -, BauR 1978, 460 = BRS 33 Nr. 53) entwickelt und in seinem Beschluss vom 20. August 1999 (- 1 L 1515/99 -, [...] und OVG-Datenbank) wie folgt zusammen gefasst und angewandt:

"In historisch gewachsenen Baugebieten stehen Gebäude verschiedentlich nicht unmittelbar aneinander gefügt, sondern in geringeren Abständen zur Grenze. Diese Abstände rechtfertigen die Annahme offener Bauweise dann nicht, wenn dies zu unangemessenen Konsequenzen bei der Bebauung des Nachbargrundstückes führte. Die (Un-) Angemessenheit ist dabei an dem Sinn und Zweck der gegenwärtig geltenden Grenzabstandsvorschriften zu messen, erst durch Erfüllung der jeden der beiden Grundstücksnachbarn treffenden Pflicht, Abstand zu halten, eine ausreichende Belüftung und Belichtung sowie Besonnung beider Nachbargrundstücke sicherzustellen. Das ist nach den gegenwärtig geltenden Regeln ein Abstand von mindestens (2 m x 3 m =) 6 m. Je mehr das eine der in Rede stehenden Gebäude den Abstand von (1/2 von 6 m =) 3 m unterschreitet, desto eher kann es dem Nachbarn nicht zugemutet werden, zur Erreichung der in offener Bauweise zu erreichenden gesunden Wohnverhältnisse auf seinem Grundstück zum Vorteil des anderen einen über 3 m hinausreichenden Abstand zu wahren. Desto eher sind - nach heutigen Begriffen beurteilt - gesunde Wohnverhältnisse dann dadurch herzustellen, dass beide Grundstücksnachbarn ihre Grundstücke bis unmittelbar an die Grenze bebauen. Unzumutbar für den bislang einen (geringeren) Abstand haltenden Nachbarn ist dies nicht. Denn auch er wird durch diese Maßnahme in Stand gesetzt, sein Grundstück bis unmittelbar zur Grundstücksgrenze hin baulich auszunutzen.

Wendet man diese Grundsätze hier an, sind nicht nur die 0,5 m bis 0,6 m für die Annahme offener Bauweise zu gering, welche der Kläger zur Grenze zum Grundstück der Beigeladenen einhält. Vielmehr reichen auch die 1,20 m nicht aus, welche das Haus Nr. 22 zu seiner nördlichen Grundstücksgrenze einhält. Denn auch dieser Abstand erlegte den Beigeladenen bei Anwendung offener Bauweise auf, zur Herstellung ausreichender Besonnung, Belüftung und Belichtung insgesamt (6 m - 1,20 m =) 4,80 m Abstand einzuhalten. Es ist unzumutbar, einem der Grundstückseigentümer anzusinnen, über 3/4 des erforderlichen Abstandes eines Nachbargebäudes zu Lasten der eigenen Grundstücksflächen einzuhalten. Es kommt hinzu: Zuzüglich der (6 m - 0,6 m =) 5,40 m, welche der Kläger bei Annahme offener Bauweise von seiner Grundstücksgrenze Grenzabstand verlangen könnte, blieben den Beigeladenen daher nur (13 m - (4,80 m + 5,40 m) =) 2,80 m und damit praktisch keine zur adäquaten Bebauung ausreichende Fläche übrig, wenn man mit dem Kläger die Annahme offener Bauweise teilte."

9

Entscheidend ist mithin, ob die vorhandene ("historische") Bebauung es erlaubt, zumindest in Teilen des maßgeblichen Straßenkarrees substantiell die Funktionen wahrzunehmen, welche die Abstandsvorschriften erfüllen sollen (Zuführung von Licht, Luft und Sonne). Halten die vorhandenen Gebäude die gegenwärtig geltenden Abstandsvorschriften nicht uneingeschränkt ein, führt dies nicht automatisch zur Anwendung des § 8 Abs. 1 NBauO. Denn auch ältere, unter der Ägide älteren Abstandsrechts errichtete Gebäude können so weit auseinander stehen, dass die Abstände noch immer substantiell, wenngleich eingeschränkt die genannten Funktionen erfüllen. Je weniger allerdings das der Fall ist, desto eher kommt die Anwendung des § 8 NBauO in Betracht.

10

Hier ist in Blick zu nehmen das oben genannte Straßengeviert E. -, F. -, G. - und H. straße. Namentlich dieses ist ausschlaggebend. Dieses Karree hatte auch das Verwaltungsgericht gewürdigt; die Verwechslung von E. - mit I. straße ist, wie die Beschreibung der Baulichkeiten im Übrigen zeigt, ersichtlich ein lapsus linguae.

11

Auch wenn dieses Karree keine vollständig durchgehende Blockrandbebauung aufweist und diese gerade auf dem straßenseitigen Grundstücksbereich des Antragstellers durch eine Lücke unterbrochen ist, ist eine Anwendung des § 8 Abs. 1 NBauO angezeigt. Diese Lücke wird von zwei unmittelbar grenzständig stehenden Gebäuden gesäumt. Jenseits davon setzt sich durchweg geschlossene Bebauung fort; der Durchgang zwischen den Gebäuden E. straße .. und .... ist mit nur 2 m deutlich zu schmal, um auch nur annähernd die oben genannten Funktionen des Grenzabstandsrechts substantiell erfüllen zu können. Das zeigen die vorliegenden Lagepläne sowie die Luftfotos aus "BING". Der vordere Grundstücksteil des Antragstellers stellt mithin eine Art "Zahnlücke" dar, welche von zu geringer Ausdehnung ist, um das im übrigen nahezu durchgängige Bild der Blockwandbebauung substantiell in Frage zu stellen. Es ist vielmehr umgekehrt so: Wollte man sein Grundstück in den Genuss der offenen Bauweise kommen lassen, müssten zumindest die beiden flankierenden Gebäude abgetragen werden; es ist gerade Sinn des § 8 Abs. 1 NBauO, es dazu nicht kommen zu lassen. Damit ist - umgekehrte Blickrichtung - keine einseitige Belastung des Antragstellers verbunden. Dessen vorderer Grundstücksteil muss nicht - mit der Folge seiner Unbebaubarkeit - dazu herhalten, den nördlich und südlich benachbarten Grundstücken die Vorteile offener Bauweise zu vermitteln. Beide Gebäude legen, salopp ausgedrückt, darauf gerade keinen Wert. Namentlich das Gebäude des Beigeladenen weist zum Grundstück des Antragstellers eine fensterlose, verputzte Giebelwand auf, welche regelrecht zum Anbau einlädt. Entsprechend einem der Hauptzwecke des Abstandsrechts, zum Vorteil aller Nachbarn eine ausgewogene Regelung zu treffen, steht dem Antragsteller zum Ausgleich grundsätzlich das Recht zu, diese Lücke ebenfalls mit einem Bauwerk zu schließen. Hinsichtlich der Grundstücke auf der Ostseite der H. straße könnte dies sogar durch § 13 Abs. 1 Nr. 3 NBauO begünstigt sein. Ob dies mit Rücksicht auf das vorhandene, im rückwärtigen Grundstücksbereich stehende Wohngebäude an Gesichtspunkten des Feuerschutzes oder an § 10 NBauO scheitern kann, ist hier nicht zu entscheiden. Grundsätzlich jedenfalls steht dem Antragsteller - korrespondierend zum Anspruch (unter anderem) des Beigeladenen, auf der Grenze zu bauen, das Recht zu, dies ebenfalls zu tun.

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Der Ausbau des Dachgeschosses ist grundsätzlich zulässig. § 34 Abs. 1 BauGB lässt den Dachgeschossausbau zu, solange die Kubatur und das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes nicht wesentlich verändert wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.3.1994 - 4 C 18.92 -, BVerwGE 95, 277 = BRS 56 Nr. 63; bekräftigt im B. v. 21.6.1996 - 4 B 84.96 -, BauR 1996, 823 = BRS 58 Nr. 83). Wesentliche äußere Veränderungen werden durch die angegriffene Maßnahme nicht bewirkt. Das Dach erhält einige Dachflächenfenster. Der Einbau der Loggia/Dachterrasse verändert die westliche Dachseite nicht wesentlich. Das zeigen die zur Genehmigung eingereichten Zeichnungen (vorderer teil der unpaginierten Beiakte B).

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Es ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht seine abstandsrechtliche Prüfung auf die Teilumnutzung von Treppenhaus und Dachboden sowie die Anfügung der Balkonanlage beschränkt, d.h. nicht das gesamte Gebäude einer abstandsrechtlichen Prüfung unterworfen hat. Erst dann, wenn Aufstockungen und Umbaumaßnahmen eine Neuberechnung der Statik erforderlich machen, ist die vom Antragsteller favorisierte Gesamtbetrachtung angezeigt (vgl. Senatsb. v. 5.9.2002 - 1 ME 138/02 -, BauR 2003, 77 = BRS 65 Nr. 117; Urt. v. 10.11.2009 - 1 LC 236/05 -, BauR 2010, 210 unter Hinweis auf Senatsb. v. 6.12.2004 - 1 ME 256/04 -, ZfBR 2005, 281 = NordÖR 2005, 167 [OVG Niedersachsen 06.12.2004 - 1 ME 256/04] = NdsVBl 2005, 132 = BauR 2005, 975 = BRS 67 Nr. 64). Die in Rede stehenden Baumaßnahmen sind weit davon entfernt, eine Neuberechnung der Statik des Gesamtgebäudes erforderlich zu machen. Dementsprechend kommt es darauf an, ob für jeden hinzutretenden Gebäudeteil eines der in den § 7a ff. NBauO geregeltes abstandsrechtliches Privileg eingreift. Das ist der Fall.

14

Das Verwaltungsgericht hatte (auf Seite 6 u. BA) im Ausgangspunkt zwar zutreffend angenommen, das Gebot zur Grenzbebauung gelte nach § 8 Abs. 1 NBauO ("soweit") nur in dem Bereich, d.h. der Grundstückstiefe, der/die von der geschlossenen Bauweise geprägt wird. Diesen Bereich hat das Verwaltungsgericht indes - tendenziell zum Vorteil des Antragstellers - zu kurz bemessen. Der Senat hatte zu dieser Frage in seinem oben zitierten Beschluss vom 20. August 1999 (- 1 L 1515/99 -, a.a.O.) ausgeführt:

"§ 8 Abs. 1 NBauO darf - trotz der Einleitung mit dem Wort "soweit" - nicht dahin angewandt werden, dass nur einander nach Art und Maß entsprechende Gebäude an der Grenze aufeinander treffen dürfen. Dies ist eine Voraussetzung, welche § 8 Abs. 3 Satz 1 letzter Halbs. NBauO ungeachtet des Umstandes zusätzlich erhebt, dass (auch) dieser Absatz mit dem Wort "soweit" eingeleitet wird. Für § 8 Abs. 1 NBauO kann dies nur bedeuten, dass Gebäude an der Grenze so weit in den straßenabgewandten Teil vorrücken dürfen, wie nach städtebaulichem Planungsrecht die geschlossene Bauweise reicht. In Fällen eines Bebauungsplanes wirft das keine Schwierigkeiten auf. Im hier gegebenen Fall der unverplanten Innenbereichslage ist der Rahmen maßgeblich, in den das streitige Vorhaben gestellt ist.

Insoweit fällt hier zum Vorteil der Beigeladenen ins Gewicht, dass die rückwärtige Bebauung im oben beschriebenen Rahmen ausgesprochen breit gestreute Tiefen aufweist und dementsprechend breit gestreut auch die Möglichkeit zu zwingender Grenzbebauung ist. Das gilt namentlich bei der Betrachtung des Verhältnisses der Gebäude S.-Straße 4 zur S.-Straße 6; das letztgenannte Gebäude weist an seiner Nordseite einen Flügel auf, der fast bis zur Rückfront des Nebengebäudes der Nr. 4 reicht und damit die auf dem nördlichen Grundstück an der gemeinsamen Grundstücksgrenze erreichte Bebauungstiefe von Wohnhäusern um das Anderthalbfache überschreitet. Dasselbe gilt südöstlich des Grundstückes beider Beteiligten im Verhältnis der Grundstücke S.-Straße Nrn. 30 und 32 sowie 34 und 36. Auch hier reicht die Grenzbebauung der mittleren Gebäude (Nrn. 32 und 34) deutlich hinter die Rückfront der straßenseitig stehenden Wohngebäude auf den Nachbargrundstücken. Berücksichtigt man schließlich noch, bis zu welcher Tiefe die Grenzbebauung auf dem Grundstück S.-Sstraße 16 reicht, so ist es - noch - nicht zu beanstanden, dass das streitige Vorhaben eine Bebauungstiefe erreichen soll, welche sogar noch über die südwestliche Flucht des Nachbargebäudes S.-Straße 22 hinausreicht. Allerdings werden die Beigeladenen bei Verwirklichung ihres Vorhabens zu gewärtigen haben, dass damit auch dem Kläger zumindest in entsprechendem Umfang die Möglichkeit zur Grenzbebauung gegeben wird."

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Daraus ergibt sich hier:

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Das Treppenhaus des Beigeladenen weist zu massiv in den straßenabgewandten Bereich hinein, als dass es bei der auf der Grundlage von § 34 Abs. 1 BauGB anzustellenden Betrachtung, wie weit die geschlossene Bauweise nach dem tatsächlich Vorhandenen reicht, vernachlässigt werden könnte. Das südliche Nachbargrundstück des Antragstellers (Flurstück 2/37) ist mit dem Gebäude E. straße .... ebenfalls in einer Tiefe bebaut, welche über die Flucht hinausreicht, welche das Verwaltungsgericht mit der "um das Treppenhaus bereinigten" Rückwand des Gebäudes H. straße .. meinte anlegen zu sollen. Bedenkt man zudem, dass der Maßstab bei§ 34 Abs. 1 BauGB notwendigerweise "grober", d.h. nicht so zentimetergenau sein kann, wie dies bei einer Festsetzung der überbaubaren Fläche möglich ist, ergibt sich, dass die geschlossene Bauweise (zumindest) bis zur Westwand des Treppenhauses reicht.

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Das hat nicht nur zur Folge, dass der Dachausbau und die Dachterrasse vom Privileg des § 8 Abs. 1 NBauO profitieren. Dieses gilt dann vielmehr auch für die Teilumnutzung des Treppenhauses und die Balkonanlage. Insoweit bedarf es eines Rückgriffs auf § 13 Abs. 1 Nr. 4 NBauO oder auf § 7b Abs. 3 NBauO nicht.

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Nur ergänzend ist daher anzuführen, dass es auf das Merkmal der Unterordnung für die Balkonanlage wohl nicht ankommen dürfte. Balkone sind in § 7b Abs. 1 Satz 1 NBauO als Bauteile aufgeführt, welche der Gesetzgeber eo ipso als untergeordnet ansieht und welche ohne zusätzliche Prüfung ihrer Unterordnung die in § 7 NBauO bestimmten Abstände in einem bestimmten Umfang unterschreiten dürfen. Das zeigt sich unter anderem daran, dass § 7b Abs. 1 Satz 1 NBauO - anders als die Korrespondenzvorschrift der Urfassung der Niedersächsischen Bauordnung (GVBl. 1973, S.259, s. dort § 7 Abs. 7 Satz 1; geänd. wohl durch Art. I Nr. 7 des 5. NBauOÄndG vom 11.4.1986, GVBl. S. 103) keine Beschränkung auf 5,00 m Breite mehr enthält (dazu krit. Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO 8. Aufl., § 7b Rdnr. 5). Auf die Unterordnung kommt es erst bei den in § 7b Abs. 1 Satz 2 NBauO genanntenn Gebäudeteile an. § 7b Abs. 3 NBauO verweist uneingeschränkt auf § 7 Abs. 1 NBauO und übernimmt damit die dort enthaltene Wertung des Gesetzgebers, die in Satz 1 genannten Gebäudeteile seien eo ipso untergeordnet.

19

Es kommt hinzu, dass die Balkonanlage voraussichtlich als untergeordnet würde angesehen werden können. Sie ordnet sich funktionell der Wohnnutzung unter und schmiegt sich in einen Gebäudewinkel ein, ohne das Gesamtbild des Gebäudes wesentlich zu verändern oder zu vergrößern. Das wird aus der zur Genehmigung eingereichten Zeichnung der Gebäuderückwand (vorderer Teil der unpaginierten BA B) ebenso weiteres ersichtlich wie bei Betrachtung der Fotografie, welche der Antragsteller als Anlage zu seiner Beschwerdebegründung eingereicht hat (Bl. 169 GA).

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Rücksichtslos ist die Anbringung der Balkonanlage nicht. Das Lichtprofil wird nicht zu Lasten des Antragstellers eingeschränkt. Soweit die Sonne von Westen und Süden scheint, liegt dies auf der Hand; das Wohnhaus des Antragstellers steht westlich des Vorhabens von der H. straße abgerückt. Scheint sie von Osten, wird die Balkonanlage durch die vorhandene Gebäudesubstanz abgedeckt.

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Gleiches gilt für die als Dachloggia ausgebildete Dachterrasse. Das Satteldach entfaltet dieselben abschirmenden Wirkungen.

22

Schutz vor Einsichtnahme kann der Antragsteller nicht reklamieren. Der Stadtteil J. -Nord gehört - wie etwa die List - zu den verdichteten Quartieren Hannovers. In solchen Lagen kann Schutz vor fremder Einsicht nicht beansprucht werden (vgl. unveröffentlichten Senatsb. v. 22.6.2010 - 1 ME 87/10 - unter Hinweis auf Senatsb. v. 18.2.2009 - 1 ME 282/08 -, BauR 2009, 954; OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007 - 2 Bs 188/02 -, NordÖR 2008, 73 [OVG Hamburg 26.09.2007 - 2 Bs 188/07]; OVG Münster, Beschl. v. 1.6.2007 - 7 A 3852/06 -, BRS 71, 127). Zudem würde schon von den Fenstern, die auf dem vom Antragsteller eingereichten Foto (Anlage zum Schriftsatz vom 18.4.2011, Bl. 169 GA) zu erkennen sind, schon jetzt der befürchtete Einblick genommen werden können. Gesichtspunkte "sozialer Kontrolle" lassen es sogar als unwahrscheinlich erscheinen, von der Balkonanlage würde besonders unverhohlen das Gebäude des Antragstellers betrachtet. Dies lässt sich von einem Punkt "hinter der Scheibe" weit "wirkungsvoller" tun.

23

Es sprechen schließlich die besseren Gründe für die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Wärmedämmplatten seien durch § 13 Abs. 1 Nr. 5 NBauO abstandsrechtlich privilegiert. Gesunde Wohnverhältnisse im Wohngebäude des Antragstellers werden aus den oben genannten Gründen (Himmelsrichtungen, Sonnenstand) sowie wegen des Abstandes zwischen beiden Gebäuden nicht annähernd in Frage gestellt.

24

Weitere Ausführungen zur Beschwerde sind nicht veranlasst.