Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.07.2011, Az.: 4 LA 171/10
Beweiskraft eines von einer mit dem Rundfunkteilnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebenden Person unterzeichneten Anmeldeformulars
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 08.07.2011
- Aktenzeichen
- 4 LA 171/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 20689
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2011:0708.4LA171.10.0A
Rechtsgrundlage
- § 4 Abs. 5 S. 2 RGebStV
Fundstellen
- DÖV 2011, 779
- NVwZ-RR 2011, 848
Amtlicher Leitsatz
Auch ein von einer mit dem Rundfunkteilnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebenden Person unterzeichnetes Formular zur Anmeldung von Rundfunkempfangsgeräten liefert vor dem Hintergrund der Auskunftspflicht nach § 4 Abs. 5 Satz 2 RGebStV ein im Vergleich zu der vom Rundfunkteilnehmer selbst unterschriebenen Erklärung allerdings schwächeres Indiz für die inhaltliche Richtigkeit der beurkundeten Erklärung.
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses seine gegen die Rundfunkgebührenbescheide des Beklagten gerichtete Klage abgewiesen hat, hat keinen Erfolg.
Die von dem Kläger benannten Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegen nicht vor bzw. sind nicht hinreichend dargelegt worden.
Aus dem Vorbringen des Klägers zur Begründung seines Zulassungsantrags ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils.
Denn entgegen der Auffassung des Klägers kann aus der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Frage der inhaltlichen Richtigkeit einer Erklärung zur Anmeldung von Rundfunkempfangsgeräten im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu klären sei, keineswegs geschlossen werden, dass das Verwaltungsgericht übersehen hat, dass das Anmeldeformular nicht von dem Kläger selbst, sondern von einer dritten Person - seiner Lebensgefährtin - unterschrieben worden ist. Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Verwaltungsgericht von einer Beweislastumkehr zu Lasten des Klägers ausgegangen ist. Diese ergeben sich insbesondere nicht aus den von dem Kläger wieder gegebenen Urteilsgründen, nach denen das Verwaltungsgericht "insgesamt gesehen" zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Aussage der in der mündlichen Verhandlung als Zeugin vernommenen Lebensgefährtin bei Würdigung aller Umstände als nicht ausreichend zuverlässig erscheine, um darauf eine dem Kläger günstige Entscheidung zu stützen und die Indizwirkung der von der Zeugin unterschriebenen Anmeldeerklärung als widerlegt anzusehen; greifbare Anhaltspunkte dafür, dass diese Erklärung nicht zutreffend sei, seien nicht vorhanden. Denn danach ist das Verwaltungsgericht nicht von einer Beweislastumkehr zu Lasten des Klägers ausgegangen, sondern hat der von der Zeugin unterschriebenen Anmeldeerklärung lediglich eine Indizwirkung hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit der beurkundeten Erklärung beigemessen, die zwar widerlegt werden kann, hier aber nach der Einschätzung des Verwaltungsgerichts aufgrund einer Würdigung der Aussage der Zeugin und aller übrigen Umstände nicht widerlegt worden ist. Die insoweit vom Verwaltungsgericht angewandten rechtlichen Maßstäbe stimmen mit der Rechtsprechung des Senats zur Bewertung solcher Anmeldeerklärungen überein.
Denn nach der Rechtsprechung des Senats (u.a. Beschluss vom 1.7.2009 - 4 LA 16/08 -) erbringt ein unterzeichnetes Formular zur Anmeldung von Rundfunkempfangsgeräten - unabhängig von der Frage, ob es sich um eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 98 VwGO i.V.m. § 415 Abs. 1 ZPO oder um eine Privaturkunde im Sinne von § 98 VwGO i.V.m. § 416 ZPO handelt - den vollen Beweis nur darüber, dass die in ihm enthaltenen Erklärungen abgegeben worden sind. Ihre Beweiskraft erstreckt sich demgegenüber nicht auf die inhaltliche Richtigkeit der beurkundeten Erklärungen (Nds. OVG, Beschluss vom 30.11.2005 - 10 PA 118/05 -; OVG NRW, Beschluss vom 9.9.2004 - 19 A 2556/03 -, NJW 2004, 3505). Die inhaltliche Richtigkeit einer solchen bloßen Wissenserklärung unterliegt vielmehr der freien Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 VwGO. Dabei gibt die beurkundete Erklärung vor dem Hintergrund der Auskunftspflicht nach § 4 Abs. 5 Satz 2 RGebStV und der Schriftform auch dann ein - allerdings im Vergleich zu der vom Rundfunkteilnehmer selbst unterschriebenen Erklärung schwächeres - Indiz für die inhaltliche Richtigkeit, wenn sie, wie hier, von einer mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Person gemäß § 4 Abs. 5 RGebStV abgegeben wurde (Senatsbeschlüsse vom 1.7. 2009 - 4 LA 16/08 - und 6.4.2009 - 4 LA 96/09 -). Bestehen aber Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit, kann der Inhalt der Erklärung entkräftet werden.
Es bestehen daher keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts, soweit dieses der von der Lebensgefährtin des Klägers unterschriebenen Anmeldeerklärung eine Indizwirkung hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit der beurkundeten Erklärung beigemessen und diese Indizwirkung auch nicht durch die Aussage der Lebensgefährtin als Zeugin, wonach die von ihr unterschriebene Erklärung inhaltlich nicht zutreffend sein soll, als entkräftet angesehen hat, weil diese Aussage nach der ausführlich begründeten Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts unglaubhaft ist.
Den ferner von dem Kläger angeführten Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat er nicht hinreichend dargelegt.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine höchstrichterlich oder obergerichtlich noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang ungeklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8.10.2009 - 4 LA 234/09 - und 24.2.2009 - 4 LA 798/07 -; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 124 Rn. 30 ff. m.w.N.). Daher ist die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nur dann im Sinne des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum diese Frage im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 124 a Rn. 103 ff. m.w.N.).
Hier genügen die Ausführungen des Klägers zur Begründung dieses Zulassungsgrundes schon deshalb nicht den genannten Darlegungserfordernissen, weil er insoweit lediglich angeführt hat, dass "die Frage der Beweislastverteilung in derartigen Fällen" grundsätzliche Bedeutung habe, und damit eine allgemein klärungsbedürftige Frage im oben bezeichneten Sinne bereits nicht hinreichend konkret bezeichnet hat.
Der Zulassungsgrund der Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist von dem Kläger ebenfalls nicht hinreichend dargelegt worden und liegt auch nicht vor.
Der Zulassungsgrund der Divergenz ist nur dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht seinem Urteil einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit einem in einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten, dieselbe Rechtsfrage betreffenden und die Entscheidung tragenden Rechtssatz nicht übereinstimmt (Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 124 Rn. 36 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, § 124 Rn. 11, § 132 Rn. 14 ff.; vgl. auch BVerwG, Beschlüsse vom 6.12.1995 - 4 B 187.95 - und 19.8.1997 - 7 B 261/97 -, NJW 1997 S. 3328 m.w.N). Dabei muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied deutlich werden, weil die bloße unrichtige oder unterbliebene Anwendung eines obergerichtlich oder höchstrichterlich aufgestellten Rechtssatzes den Zulassungsgrund der Divergenz nicht erfüllt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20.8.1997 - 9 B 89.97 - und 19.8.1997 - 7 B 261.97 -, a.a.O.). Die Darlegung der Divergenz, die § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO verlangt, erfordert daher u.a. die Angabe des obergerichtlich oder höchstrichterlich entwickelten Rechtssatzes, die Bezeichnung des Rechtssatzes, mit dem das Verwaltungsgericht von dem obergerichtlich oder höchstrichterlich gebildeten Rechtssatz abgewichen sein soll, und Erläuterungen dazu, worin die Abweichung konkret besteht (Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 124 a Rn. 106 ff.; BVerwG, Beschluss vom 19.8.1997 - 7 B 261.97 -, a.a.O.).
Hier genügt das Vorbringen des Klägers zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts weiche von dem Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 30. November 2005 (- 10 PA 118/05 -) insoweit ab, als das Oberverwaltungsgericht offensichtlich davon ausgegangen sei, dass nur dann von dem Kläger der Gegenbeweis zu führen sei, wenn er selbst die unrichtige Anmeldung unterzeichnet habe, in keiner Weise den genannten Darlegungserfordernissen. Eine Divergenz ist insofern aber auch nicht ersichtlich, weil der von dem Kläger angeführten Entscheidung des 10. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ein anderer Sachverhalt, nämlich eine von dem Rundfunkteilnehmer selbst unterschriebene Anmeldeerklärung, zu Grunde gelegen und der 10. Senat entgegen der Annahme des Klägers keine Aussage zu dem vorliegenden Fall getroffen hat und diese Entscheidung im Übrigen durch die oben wiedergegebene Rechtsprechung des nunmehr für das Rundfunkgebührenrecht zuständigen Senats überholt wäre.