Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.07.2011, Az.: 8 LA 123/11
Stützung eines Antrags auf Zulassung der Berufung allein auf Kritik und Einwände gegen das Ergebnis der erstinstanzlichen Entscheidung ohne konkrete Bezeichnung einer Tatsachen- oder Rechtsfrage; Anforderungen an die Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente in satzungsmäßiger Höhe
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 21.07.2011
- Aktenzeichen
- 8 LA 123/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 20647
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2011:0721.8LA123.11.0A
Rechtsgrundlagen
- § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO
- § 124a Abs. 4 S. 4 VwGO
Gründe
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses die Klage auf Verpflichtung des Beklagten, der Klägerin eine Berufsunfähigkeitsrente in satzungsmäßiger Höhe zu bewilligen, abgewiesen hat, bleibt ohne Erfolg.
Die Klägerin hat ihren Zulassungsantrag nur auf den Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gestützt. Das Vorliegen dieses Zulassungsgrundes hat die Klägerin aber bereits nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt.
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind nur dann anzunehmen, wenn die Beantwortung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage oder die Klärung einer entscheidungserheblichen Tatsache in qualitativer Hinsicht mit überdurchschnittlichen Schwierigkeiten verbunden ist (vgl. Senatsbeschl. v. 26.1.2011 - 8 LA 103/10 -, [...] Rn. 44). Daher erfordert die ordnungsgemäße Darlegung dieses Zulassungsgrundes eine konkrete Bezeichnung der Rechts- oder Tatsachenfrage, in Bezug auf die sich solche Schwierigkeiten stellen, und Erläuterungen dazu, worin diese besonderen Schwierigkeiten bestehen (vgl. Senatsbeschl. v. 11.10.2010 -8 LA 65/10 -, [...] Rn. 17; Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 124a Rn. 53).
Mit ihrem Zulassungsvorbringen hat die Klägerin lediglich Kritik an der erstinstanzlichen Entscheidung geübt, aber weder eine Tatsachen- oder Rechtsfrage konkret bezeichnet noch erläutert, warum deren Beantwortung im vorliegenden Fall mit besonderen Schwierigkeiten verbunden sein könnte.
Darin, dass die Klägerin Kritik an und Einwände gegen das Ergebnis der erstinstanzlichen Entscheidung erhoben hat, liegt auch keine Darlegung des weiteren Berufungszulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel, die den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügen könnte (vgl. Senatsbeschl. v. 15.3.2010 - 8 LA 32/10 -; Hamburgisches OVG, Beschl. v. 24.4.1998 - Bf V 97/97 -, NordÖR 1998, 305, 306). Denn es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Gerichts, das Vorbringen der Klägerin den möglicherweise in Betracht kommenden Zulassungsgründen zuzuordnen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.8.2010 - 1 BvR 2309/09 -, [...] Rn. 12).
Im Übrigen bestehen nach dem Zulassungsvorbringen der Klägerin auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten (vgl. Senatsbeschl. v. 11.2.2011 - 8 LA 259/10 -, [...] Rn. 3). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, 542, 543). Hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützt, kann ein Berufungszulassungsantrag daher nur dann Erfolg haben, wenn für jedes der die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts selbstständig tragenden Begründungselemente ein Zulassungsgrund dargelegt worden ist und vorliegt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 1.2.1990 - 7 OB 19.90 -, Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 22).
Die Klägerin wendet gegen die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ein, das Verwaltungsgericht habe die Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente zu Unrecht von der tatsächlichen Zahlung der Versorgungsbeiträge abhängig gemacht. Die Klägerin sei bei dem Beklagten Pflichtmitglied. Dieser Pflichtmitgliedschaft könne sie sich nicht entziehen. Die Nichtzahlung der Versorgungsbeiträge habe ihre Ursache allein darin, dass der Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin keine Versorgungsbeiträge an den Beklagten abgeführt habe. Unabhängig davon stehe der Klägerin aber jedenfalls auf der Grundlage der Schreiben des Beklagten vom 27. Juli 2009 und vom 15. Dezember 2009 ein Berufsunfähigkeitsrentenanspruch zu. Denn in diesen Schreiben werde der Klägerin eine individuelle Rente(-nanwartschaft) zugesichert, auf deren Bestand die Klägerin vertrauen dürfe. Dass die Schreiben nicht von den in § 31 Abs. 5 Satz 2 Satzung für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenensicherung der Zahnärztekammer Niedersachsen genannten Organen des Beklagten unterzeichnet worden seien, könne auf die Wirksamkeit der abgegebenen Zusicherung keinen Einfluss haben. Denn es sei üblich, dass derartige Schreiben maschinell unterzeichnet oder ohne Unterschrift versandt würden.
Diese Einwände begründen nach dem eingangs dargestellten Maßstab keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass der Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin eine Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren, und der dies ablehnende Bescheid des Beklagten vom 11. Mai 2010 rechtmäßig ist.
Unter den in § 17 Satzung für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenensicherung der Zahnärztekammer Niedersachsen - Satzung ABH - vom 2. August 2007 (ZKN-Mitteilungen 2007, S. 483), zuletzt geändert durch Satzung vom 2. Dezember 2009 (ZKN-Mitteilungen 2009, S. 800), genannten Voraussetzungen gewährt der Beklagte bei Vorliegen völliger Berufsunfähigkeit eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe der Altersrente gemäß § 15 Abs. 3 Satzung ABH. Diese Leistung wird nach § 27 Abs. 4 Satz 1 Satzung ABH gekürzt, wenn bis zum Versorgungsfall nicht alle Beiträge eintreibbar sind oder die Durchführung eines Verwaltungsvollstreckungsverfahrens keinen Erfolg verspricht. Gemäß § 27 Abs. 4 Satz 2 Satzung ABH findet insoweit unter anderem § 25 Abs. 1 Satzung ABH entsprechende Anwendung. Danach werden die Versorgungsleistungen bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 27 Abs. 4 Satz 1 Satzung ABH im gleichen Verhältnis gekürzt, wie Versorgungsbeiträge nicht eintreibbar sind oder die Durchführung eines Verwaltungsvollstreckungsverfahrens keinen Erfolg verspricht.
Hier war die Klägerin im Zeitraum vom 1. April 1999 bis zum 31. März 2003 Pflichtmitglied des Beklagten. In diesem Zeitraum hat die Klägerin tatsächlich keinerlei Versorgungsbeiträge an den Beklagten entrichtet. Mit bestandskräftigen Bescheiden vom 12. Juli 2002, 12. Dezember 2003, 28. August 2006 und 29. August 2006 hat der Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 27 Abs. 4 Satz 1 Satzung ABH (bzw. des vorausgehenden inhaltsgleichen § 24 Abs. 5 Alterssicherungsordnung) festgestellt und die Klägerin zugleich, wie von § 27 Abs. 4 Satz 3 Satzung ABH gefordert, auf die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen hingewiesen. Da die Klägerin während ihrer Pflichtmitgliedschaft keinerlei Versorgungsbeiträge an den Beklagten gezahlt und der Beklagte deren Nichteintreibbarkeit bestandskräftig festgestellt hat, werden etwaige Ansprüche auf Versorgungsleistungen, hier nach § 17 Satzung ABH, vollständig gekürzt mit der Folge, dass die Klägerin vom Beklagten die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente nicht beanspruchen kann.
Demgegenüber kann sich die Klägerin auch nicht erfolgreich auf die wirksame Zusicherung einer Rente(-nanwartschaft) in den Schreiben des Beklagten vom 27. Juli 2009 und vom 15. Dezember 2009 berufen. Diese Schreiben enthalten bereits keine verbindliche Selbstverpflichtung des Beklagten, wie sie für eine Zusicherung kennzeichnend ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl., § 38 Rn. 7 ff.). In beiden Schreiben wird vielmehr ausdrücklich auf deren bloßen "Informationscharakter" hingewiesen (vgl. hierzu auch Senatsbeschl. v. 21.10.2009 - 8 LC 13/09 -, [...] Rn. 32, 39 und 46). Darüber hinaus erfüllen die Schreiben die an eine wirksame Zusicherung zu stellenden formellen Anforderungen des § 31 Abs. 5 Satz 2 Satzung ABH nicht. Eine dem § 37 Abs. 5 VwVfG vergleichbare Regelung, wonach unter den dort genannten Voraussetzungen bei einem schriftlichen Verwaltungsakt das Fehlen von Unterschrift und Namenswiedergabe dessen Formwirksamkeit nicht entgegen steht, findet sich in der Satzung ABH nicht.