Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.12.2018, Az.: 10 LB 201/18
anerkannte Schutzberechtigte; Italien; systemische Mängel
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 21.12.2018
- Aktenzeichen
- 10 LB 201/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 74390
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 06.03.2018 - AZ: 4 A 8102/17
Rechtsgrundlagen
- § 29 Abs 1 Nr 2 AsylVfG
- § 36 Abs 1 AsylVfG
- § 37 Abs 1 AsylVfG
- § 38 Abs 1 AsylVfG
- Art 3 MRK
- Art 4 EUGrdRCh
- § 130a S 1 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die Aufnahmebedingungen für in Italien bereits anerkannte Schutzberechtigte weisen keine systemischen Mängel auf, die die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK bei ihrer Rücküberstellung nach Italien begründen (Festhalten an Senatsurteil vom 6. April 2018 - 10 LB 109/18 -, juris).
2. Es ist nicht zu erkennen, dass sich die Situation von anerkannten Schutzberechtigten
in Italien seit dem Urteil des Senats vom 6. April 2018 (- 10 LB 109/18 -, juris) in entscheidungserheblicher Weise verändert hätte.
3. Setzt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG - entgegen § 36 Abs. 1 AsylG - eine Ausreisefrist von 30 Tagen statt von einer Woche, verletzt dies den betreffenden Asylantragsteller nicht in seinen Rechten. Denn mit der Fristverlängerung sind unmittelbar lediglich rechtliche Vorteile (Verlängerung der Frist und aufschiebende Wirkung der Klage) verbunden. Die in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung teilweise angeführten mittelbaren "Nachteile" (Wegfall der Rechtsfolgen des § 37 Abs. 1 AsylG) sind völlig ungewiss, nämlich vom Ausgang des betreffenden gerichtlichen Eilverfahrens abhängig, falls der Asylantragsteller im Falle der Frist nach § 36 Abs. 1 AsylG einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt hätte.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - Einzelrichterin der 4. Kammer - vom 6. März 2018 geändert.
Die Klage wird vollumfänglich abgewiesen.
Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Beschluss ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Beschlusses vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in der Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger, dem in Italien der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig sowie die Androhung seiner Abschiebung nach Italien und begehrt die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in Bezug auf Italien.
Der Kläger, der Personalpapiere seines Heimatlands nicht vorgelegt hat, ist somalischer Staatsangehöriger und wurde nach seinen Angaben im vorliegenden Verfahren 1990 in C. geboren. Der Kläger reiste am 27. Februar 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wobei er in Begleitung einer ebenfalls somalischen Staatsangehörigen war, die er während seines Aufenthaltes in den Niederlanden kennengelernt und dort traditionell geheiratet hatte. Das Paar meldete sich am selben Tag als asylsuchend. Am 18. August 2015 wies der Landkreis Diepholz, dem der Kläger und seine Partnerin zugewiesen worden waren, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) darauf hin, dass noch kein Asylantrag aufgenommen worden sei. Am 25. April 2016 konnte das Paar beim Bundesamt einen Asylantrag stellen. Der Kläger gab in dem dort geführten persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens an, sein Heimatland im Jahr 2013 verlassen zu haben und über verschiedene afrikanische Staaten zunächst nach Libyen gereist zu sein. Im Mai 2014 sei er über Sizilien nach Italien eingereist, wo er sich etwa sieben Monate in Rom aufgehalten habe. Er habe weder in einem anderen Mitgliedstaat internationalen Schutz beantragt oder zuerkannt bekommen noch seien ihm in einem anderen Mitgliedstaat Fingerabdrücke abgenommen worden.
Eine Anfrage vom selben Tag ergab für den Kläger drei Eurodac-Treffer, einen für Italien (Sassari auf Sardinien 7. Juni 2011) und zwei für die Niederlande (Ter Apel 20. Juni 2012 sowie 23. Juni 2014).
Bei seiner erneuten Befragung am 26. Mai 2016 erklärte der Kläger, nicht nach Italien überstellt werden zu wollen. Er sei dort ein Jahr gewesen. Er habe bei jedem Wetter draußen geschlafen. Er habe dort nichts erhalten. Er habe dort weder zur Schule noch arbeiten gehen können. Die Situation würde bei seiner Rückkehr genauso sein. Er habe in Italien ein Interview gehabt und sei auch anerkannt worden. Anschließend habe er von den Behörden nichts mehr gehört. Sie hätten ihm keine Unterstützung, keine Arbeit, nichts gegeben. Er habe in Italien durch Betteln und einmaliges tägliches Essen bei der Kirche gelebt. Das sei kein Leben. Er habe sich in einer Schlange anstellen müssen. Arbeit habe er in Italien nicht gefunden, obwohl er überall angeklopft habe. Seine beiden in den Niederlanden gestellten Asylanträge seien abgelehnt worden, mit welcher Begründung, wisse er nicht. In den Niederlanden sei es noch schlimmer gewesen. Es sei kalt gewesen, sie hätten auf dem kalten Boden schlafen müssen. Er sei 2012 in den Niederlanden gewesen und habe dort Asyl beantragt. Nach einem Monat habe er die Antwort bekommen, dass er die Niederlande verlassen müsse, sonst würde er mit Polizeigewalt nach Italien überstellt. Er habe dann dort zwei Jahre auf der Straße gelebt. 2014 sei er erneut abgelehnt worden. Man habe ihn bedroht und er habe die Flucht ergriffen. Er wolle noch sagen, dass er aus seiner Heimat geflohen und seit sechs Jahren in Europa nur am Durchhängen sei. Ein Land schmeiße ihn in das nächste. Er wolle, dass ihm Deutschland eine Chance gebe. Er bitte darum, dass er sein Leben in Würde organisieren, dass er hier lernen und arbeiten könne. Der Kläger führte bei seiner Anhörung auch noch an, eine Schilddrüsenunterfunktion zu haben, die in Deutschland medikamentös eingestellt worden sei. Schon in Somalia habe er psychische Probleme gehabt, gegen die er in Italien Beruhigungstabletten bekommen habe. Seitdem es ihm mit seiner Schilddrüse bessergehe, nehme er keine Medikamente gegen psychische Beschwerden mehr ein. Er habe allerdings noch Magenprobleme. So bekomme er bei Stress Magenschmerzen und nach dem Essen Durchfall.
Auf ein an Italien gerichtetes Wiederaufnahmegesuch teilten die dortigen Asylbehörden mit Schreiben vom 17. Juni 2016 mit, dass dem Kläger unter Aliaspersonalien und mit dem angegebenen Geburtsjahr 1993 am 22. Juli 2014 der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt und eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden sei.
Nach Abtrennung des Asylverfahrens der Partnerin des Klägers lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 5. September 2017 (Gesch.-Z.: 5924962-273) dessen Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass in seinem Falle Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2), drohte ihm für den Fall der Nichteinhaltung einer auf 30 Tage festgelegten Ausreisefrist die Abschiebung nach Italien oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat an (Ziffer 3 Sätze 1 bis 3), stellte hinsichtlich Somalias ein Abschiebungsverbot fest (Ziffer 3 Satz 4) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4). Auf die Begründung des Bescheides wird Bezug genommen.
Am 8. September 2017 hat der Kläger Klage erhoben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne ein vor dem 20. Juli 2015 gestellter Asylantrag nicht allein deswegen als unzulässig behandelt werden, weil dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits subsidiärer Schutz gewährt worden sei (BVerwG, Beschluss vom 23.10.2015 - 1 B 41.15 -, juris Leitsatz 1 und Rn. 11 f.). Er, der Kläger, habe noch vor dem Stichtag sein Asylgesuch geäußert. Auf die formelle Antragstellung am 25. April 2016 komme es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht an (EuGH, Urteil vom 26.07.2017 - C-670/16 -, juris Leitsatz 3 und Rn. 75 ff.). Auch sei ihm in Italien nur der subsidiäre Schutz zuerkannt worden. Die Anerkennung als Flüchtling könne er daher weiterhin begehren. Darüber hinaus drohe ihm im Fall seiner Rückführung nach Italien dort eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (im Folgenden: EMRK) sowie ernsthafte und konkrete Gefahren für Leib und Leben. Wie er bereits beim Bundesamt angeführt habe, habe ihm nach der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus keinerlei sozialrechtliche Absicherung mehr zugestanden. Dies entspräche den allgemeinen Erkenntnissen über das italienische Aufnahmesystem. Zumindest sei die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu dem Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2017 im Verfahren 1 C 26.16 (BVerwG, Vorlagebeschluss vom 27.06.2017 - 1 C 26/16 -, juris) abzuwarten. Der Kläger hat zudem ein Ärztliches Attest einer hausärztlichen Praxis vom 3. Juni 2016 vorgelegt, nach dem er sich dort seit April 2015 aufgrund einer chronischen Schilddrüsenerkrankung in Behandlung befand. Bescheinigt wird, dass der Kläger regelmäßige Blutkontrollen und die dauerhafte Einnahme von Schilddrüsenmedikamenten benötige.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 5. September 2017 (Gesch.-Z.: 5924962-273) bis auf dessen Ziffer 3 Satz 4 aufzuheben,
2. festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthaltG vorliegen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Durch Urteil vom 6. März 2018 (4 A 8102/17), das im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, hat das Verwaltungsgericht Hannover - Einzelrichterin der 4. Kammer - die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 2, 3 Sätze 1 bis 3 und 4 des Bundesamtsbescheids vom 5. September 2017 verpflichtet festzustellen, dass für den Kläger hinsichtlich Italiens ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Den Asylantrag des Klägers habe das Bundesamt auf der Grundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zu Recht als unzulässig abgelehnt. Der Kläger habe seinen Asylantrag erst nach dem Stichtag 20. Juli 2015 gestellt. Der Kläger habe jedoch hinsichtlich Italiens einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Daher erweise sich auch die auf §§ 34, 35, 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestützte Abschiebungsandrohung als rechtswidrig. Die Abschiebung des Klägers nach Italien verstoße gegen Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden dürfe. Eine solche Behandlung drohe dem Kläger im Falle seiner Überstellung nach Italien aufgrund der dortigen Lebensverhältnisse für Personen, denen in Italien internationaler Schutz gewährt worden sei und die vollständig auf staatliche Hilfe angewiesen seien, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
Auf Antrag der Beklagten hat der Senat durch Beschluss vom 24. April 2018 (10 LA 173/18) die Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil wegen (nachträglicher) Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) zugelassen, soweit der Klage stattgegeben worden ist. Denn der Senat hatte mit - zwischenzeitlich rechtskräftigem - Grundsatzurteil vom 6. April 2018 entschieden, dass die Aufnahmebedingungen für in Italien bereits anerkannte Schutzberechtigte keine systemischen Mängel aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) und Art. 3 EMRK bei ihrer Rücküberstellung nach Italien begründen (Senatsurteil vom 06.04.2018 - 10 LB 109/18 -, juris Leitsatz und Rn. 25 ff.).
Mit Schriftsatz vom 26. April 2018, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat die Beklagte die Berufung begründet.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 6. März 2018 (Az.: 4 A 8102/17) zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Rechtsprechung des Senats könne nicht in allen Punkten gefolgt werden. Zudem habe er - anders als der Kläger in dem Verfahren 10 LB 109/18 - schon zu seiner Zeit in Italien keinen Zugang mehr zu sozialer Absicherung gehabt, weil er den ihm zugestandenen Zeitraum in der Unterkunft überschritten habe.
Der Kläger hat zudem am 18. Mai 2018 Anschlussberufung gegen den klageabweisenden Teil des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 6. März 2018 (Az.: 4 A 8102/17) eingelegt. Die erkennende Einzelrichterin habe verkannt, dass die Beklagte deswegen an der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig gehindert sein könnte, weil die Ausgestaltung des internationalen Schutzes, namentlich die Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge in Italien, den Anforderungen der Art. 20 ff. der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (im Folgenden: Qualifikationsrichtlinie) nicht genüge, ohne bereits gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK zu verstoßen. Es sei bisher höchstrichterlich nicht geklärt, ob die sozialrechtliche Ausgestaltung der Lebensbedingungen in Italien der Ablehnung des Asylantrags eines dort anerkannten Flüchtlings entgegenstehe. Insoweit werde nochmals auf das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2017 im Verfahren 1 C 26.16 (a.a.O.) hingewiesen. Auch habe das Bundesverwaltungsgericht dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob ein Antrag als unzulässig abgelehnt werden könne, obwohl in dem anderen Mitgliedstaat aufgrund fehlender Integrationsprogramme allenfalls eine formale Inländergleichbehandlung bestehe und die Rechte aus der Qualifikationsrichtlinie daher faktisch nicht gewährleistet würden (BVerwG, Vorlagebeschluss vom 02.08.2017 - 1 C 2/17 -, juris).
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 5. September 2017 aufzuheben und das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben, soweit es dem entgegensteht.
Die Beklagte hat zu der ihr am 30. Mai 2018 zugestellten Anschlussberufung des Klägers keine Stellungnahme abgegeben.
Mit Schreiben vom 14. November 2018 ist den Beteiligten unter Verweis auf das Senatsurteil vom 6. April 2018 (10 LB 109/18, a.a.O.) angekündigt worden, dass der Senat beabsichtige, sowohl über die Berufung der Beklagten als auch über die Anschlussberufung des Klägers durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO zu entscheiden. Im Falle des Klägers abweichende Besonderheiten seien nicht ersichtlich. Die von ihm angeführten Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2017 (1 C 26.16, a.a.O.) und 2. August 2018 (1 C 2/17, a.a.O.) seien nicht einschlägig.
Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2018 hat der Kläger geltend gemacht, bei der Entscheidung sei noch zu berücksichtigen, dass die italienische Regierung ihrem Unwillen, Geflüchtete adäquat zu versorgen, nunmehr auch durch das - zwischenzeitlich Gesetz gewordene - so genannte Salvini-Dekret (Dekret n. 113 vom 4. Oktober 2018) Ausdruck verliehen habe. Das Dekret habe insbesondere massive Einschränkungen beim Zugang zu einer Unterbringung (v.a. für anerkannte Schutzberechtigte) zur Folge. Nach alledem könne nicht mehr von der Einhaltung der Garantien aus der Qualifikationsrichtlinie die Rede sein. Zumindest bleibe die Bewertung der Lage durch den Europäischen Gerichtshof abzuwarten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen.
II.
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg (I.); die Anschlussberufung des Klägers bleibt erfolglos (II.).
Der Senat trifft diese Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss (§ 130a Satz 1 VwGO), weil er die Berufung einstimmig für begründet und die Anschlussberufung einstimmig für unbegründet und jeweils eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Hierzu sind die Beteiligten - wie von § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO gefordert - vorher gehört worden. Die Beklagte hat sich schriftsätzlich mit dem angekündigten Vorgehen ausdrücklich einverstanden erklärt. Der Kläger hat nur in der Sache vorgetragen. Dass er eine mündliche Verhandlung für erforderlich hält, hat er in dem Schriftsatz vom 16. Dezember 2018 nicht geltend gemacht. Einer Entscheidung des Senats nach § 130a Satz 1 VwGO steht auch nicht entgegen, dass schon vor dem Verwaltungsgericht keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begründen weder Art. 103 Abs. 1 GG noch § 108 Abs. 2 VwGO einen Anspruch darauf, dass das rechtliche Gehör gerade in der mündlichen Verhandlung gewährt werden muss. Allerdings ergibt sich aus den Vorschriften zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid (§ 84 Abs. 2 und 3 VwGO), dass der Gesetzgeber dem Rechtssuchenden im Verwaltungsprozess einen mit wenigstens einer mündlichen Verhandlung versehenen Rechtszug gewährleisten wollte. Dies kann zu einer Einschränkung des dem Berufungsgericht im Rahmen von § 130a VwGO zustehenden Ermessens in der Weise führen, dass es u.a. dann von der Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss absehen muss, wenn das Verwaltungsgericht verfahrensfehlerhaft ohne mündliche Verhandlung entschieden hat. Haben die Beteiligten dagegen in der ersten Instanz freiwillig und ausdrücklich auf eine mündliche Verhandlung verzichtet (§ 101 Abs. 2 VwGO), steht dem Berufungsgericht die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 130a VwGO offen (BVerwG, Beschluss vom 12.09.2018 - 1 B 50.18 u.a., juris Rn. 24 m.w.N.). Dies war hier der Fall. Kläger und Beklagte hatten auf eine entsprechende Anfrage der Berichterstatterin erstinstanzlich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts nach § 101 Abs. 2 VwGO erklärt.
Maßgebliche Frage im vorliegenden Berufungsverfahren ist, wie auch schon im Verfahren der ersten Instanz, ob in Italien systemische Mängel vorliegen, die einer Abschiebung des Klägers dorthin entgegenstehen. Der Senat hat in dem bereits angeführten Verfahren 10 LB 109/18 aufgrund der dortigen mündlichen Verhandlung vom 6. April 2018 mit in juris veröffentlichtem Urteil vom selben Tag grundsätzlich entschieden, dass dies für anerkannte Schutzberechtigte ohne wesentliche gesundheitliche Einschränkungen - wie den Kläger - nicht der Fall ist. Wegen der Grundsatzentscheidung des Senats ist vorliegend bereits durch Beschluss vom 24. April 2018 (10 LA 173/18) die Berufung zugelassen worden. Zuletzt wurde der Kläger mit der Anhörung gemäß § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf sie hingewiesen.
Der Kläger hat keine Rechtsfragen aufgeworfen oder Tatsachen benannt, die eine Erörterung, seine persönliche Anhörung oder gar eine Beweisaufnahme in einer mündlichen Verhandlung erforderlich machen würden. Die allgemeine Lage für zurückkehrende anerkannte Schutzberechtigte in Italien hat der Senat mit seiner Entscheidung vom 6. April 2018 festgestellt. Zwar vertritt der Kläger im Berufungsverfahren die Auffassung, der Rechtsprechung des Senats könne nicht in allen Punkten gefolgt werden. Er hat aber - wie noch näher dargelegt werden wird - keine in dem Senatsurteil nicht bereits berücksichtigten relevanten Umstände oder entscheidungserhebliche individuelle Gesichtspunkte vorgetragen. Soweit der Kläger eigene Erfahrungen in Italien geschildert hat, kann aus diesen bereits nicht auf die Gesamtsituation in Italien für zurückkehrende anerkannte Schutzberechtigte geschlossen werden, so dass sie nicht geeignet sind, die grundsätzliche Beurteilung des Senats zur Lage in Italien in Frage zu stellen. Die Glaubhaftigkeit der Ausführungen des Klägers kann daher dahingestellt bleiben, wenngleich anzumerken ist, dass sich der Kläger, der nach seinen Angaben bei seiner zweiten Anhörung vor dem Bundesamt am 26. Mai 2016 bereits sechs Jahre zuvor nach Europa gekommen sein will und im Juni 2012 seinen ersten Asylantrag in den Niederlanden gestellt hat, insgesamt erheblich länger als ein Jahr in Italien aufgehalten haben muss. Auch ist nicht ersichtlich - wie ebenfalls noch ausgeführt werden wird -, dass sich die Umstände in Italien seit dem Urteil des Senats vom 6. April 2018 in entscheidungserheblicher Weise verändert hätten (vgl. bereits Senatsbeschlüsse vom 06.08.2018 - 10 LA 320/18 -, juris Leitsatz und Rn. 6 f. - zu Dublin-Rückkehrern -, und vom 12.09.2018 - 10 LA 345/18 -, nicht veröffentlicht, Urteilsabdruck Seite 4/5 - zu anerkannten Schutzberechtigten -). Eine sachgerechte Entscheidung des Streitfalls ist dem Senat daher aufgrund der Aktenlage und der vorhandenen Erkenntnismittel möglich (vgl. dazu auch BVerwG, Beschluss vom 03.12.2012 - 2 B 32.12 -, juris Rn. 6, und Urteil vom 09.12.2010 - 10 C 13.09 -, juris Rn. 23).
I. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht unter Aufhebung der Ziffern 2, 3 Sätze 1 bis 3 und 4 des Bescheids des Bundesamts vom 5. September 2017 verpflichtet, für den Kläger hinsichtlich Italiens das Vorliegen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG festzustellen. Der angefochtene Bescheid verletzt den Kläger (auch) bezüglich seiner Ziffern 2, 3 Sätze 1 bis 3 und 4 nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5, Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insbesondere ist die Feststellung, dass im Falle des Klägers Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, auch in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats rechtmäßig. Insoweit ist Folgendes auszuführen:
1. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dem Kläger stehe ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zur Seite, weil seine Abschiebung nach Italien gegen Art. 3 EMRK verstoße, überzeugt nicht. Denn es sind keine hinreichenden Gründe für die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC bzw. dem übereinstimmenden Art. 3 EMRK bei Rückkehr nach Italien feststellbar. Hierzu hat der Senat in seinem Urteil vom 6. April 2018 (10 LB 109/18, a.a.O., Rn. 27 ff.) ausgeführt:
„Bei der Prüfung, ob Italien hinsichtlich der Behandlung von rücküberstellten Schutzberechtigten gegen Art. 3 EMRK verstößt, ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 –, juris Rn. 28). Denn Italien unterliegt als Mitgliedstaat der Europäischen Union deren Recht und ist den Grundsätzen einer gemeinsamen Asylpolitik sowie den Mindeststandards des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems verpflichtet. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden. Daraus hat der Europäische Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 –, Rn. 80). Diese Vermutung ist zwar nicht unwiderleglich. Eine Widerlegung der Vermutung hat der Europäische Gerichtshof aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU (Abl. 2013, L 180/96), die Qualifikationsrichtlinie oder die Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU (Abl. 2013, L 180/60) genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bzw. anerkannte Schutzberechtigte im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Personen im Sinne von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 – 10 B 6.14 –, juris Rn. 6).
Für das in Deutschland – im Unterschied zu anderen Rechtssystemen – durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 – 10 C 5.09 –, BVerwGE 136, 377, Rn. 22 m.w.N.) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Dies entspricht dem Maßstab des „real risk“ in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28.02.2008 – Nr. 37201/06, Saadi –, NVwZ 2008, 1330, Rn. 129; BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 – 10 C 23/12 –, juris Rn. 32). Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 –, Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der oben genannten Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 – 10 B 6.14 –, juris Rn. 9).
Das erfordert eine aktuelle Gesamtwürdigung der zur jeweiligen Situation vorliegenden Berichte und Stellungnahmen, wobei regelmäßigen und übereinstimmenden Berichten von internationalen Nichtregierungsorganisationen besondere Bedeutung zukommt (BVerfG, Beschluss vom 21.04.2016 – 2 BvR 273/16 –, juris Rn. 11; vgl. auch EuGH, Urteil vom 21.12.2011, – C-411/10 und C-493/10 –, juris Rn. 90 f.). Das gilt insbesondere für die Stellungnahmen des UNHCR angesichts der Rolle, die diesem in Hinblick auf die Überwachung der Einhaltung der GFK (vgl. dort Art. 35) übertragen worden ist (vgl. EuGH, Urteil vom 30.05.2013 – C-528/11 –, juris Rn. 44).
Zur Bestimmung der wesentlichen Kriterien für das Vorliegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ist auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu dem mit Art. 4 EUGrCh übereinstimmenden Art. 3 EMRK zurückzugreifen (Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 –, juris Rn. 31; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 25.06.2015 – 11 LB 248/14 –, juris Rn. 43; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 – 1 A 21/12.A –, juris Rn. 112). Eine Behandlung ist unmenschlich, wenn sie absichtlich über Stunden erfolgt und entweder tatsächliche körperliche Verletzungen oder schwere körperliche oder psychische Leiden verursacht. Als erniedrigend ist eine Behandlung dann anzusehen, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert oder wenn sie Gefühle der Furcht, Angst oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder psychischen Widerstand der Person zu brechen (EGMR, Urteil vom 21.01.2011 – 30696/09 –, M.S.S./Belgium and Greece, NVwZ 2011, 413, Rn. 220). Die Behandlung bzw. Misshandlung muss dabei, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen, einen Mindestgrad an Schwere erreichen. Dessen Beurteilung ist allerdings relativ, hängt also von den Umständen des Falles ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung und ihren physischen und psychischen Auswirkungen sowie mitunter auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers (EGMR, Urteil vom 21.01.2011, a.a.O., Rn. 219).
Im Hinblick auf die Situation rücküberstellter Schutzberechtigter ist ferner zu beachten, dass Art. 3 EMRK die Vertragsstaaten nicht aus sich heraus dazu verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen und Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Art. 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch den Vertragsstaat zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Personen auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen. Anerkannte Schutzberechtigte müssen sich deshalb auf den für alle italienischen Staatsangehörigen vorhandenen Lebensstandard verweisen lassen (vgl. Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 –, juris Rn. 32; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.08.2016 – 3 L 94/16 –, juris Rn. 9 und 11). Durch Missstände im sozialen Bereich wird die Eingriffsschwelle von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EUGrCh mithin nur unter strengen Voraussetzungen überschritten (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 10.03.2017 – 2 ME 63/17 –). Es ist aber jedenfalls mit Art. 3 EMRK unvereinbar, wenn sich ein Asylbewerber, der von staatlicher Unterstützung vollständig abhängig ist und sich in einer gravierenden Mangel- oder Notsituation befindet, staatlicher Gleichgültigkeit ausgesetzt sieht (vgl. EGMR, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 53). Die Verpflichtung zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung kann sich ferner aus europarechtlichen Verpflichtungen wie der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) ergeben (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011, a.a.O., Rn. 249-250; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 15.11.2016 – 8 LB 92/15 –, juris, und Beschluss vom 20.12.2016 – 8 LB 184/15 –, juris Rn. 57 m.w.N.). Die Qualifikationsrichtlinie garantiert anerkannten Flüchtlingen den Zugang zu Sozialhilfeleistungen und zu medizinischer Versorgung zu denselben Bedingungen wie Staatsangehörigen des aufnehmenden Staats (Art. 29 Abs. 1 und 30 Abs. 1) sowie den Zugang zu Wohnraum zu gleichwertigen Bedingungen wie sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörigen (Art. 32 Abs. 1).
Zusammenfassend liegt eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK (insbesondere) vor, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung mit Blick auf das Gewicht und das Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass der Betroffene in dem Mitgliedstaat, in den er überstellt werden soll, wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) - im Unterschied zu den Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats - nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 –, juris Rn. 32 und 34; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 20.12.2016 – 8 LB 184/15 –, juris Rn. 36) und der betreffende Mitgliedstaat dem mit Gleichgültigkeit begegnet, weil er auf die gravierende Mangel- und Notsituation nicht mit (geeigneten) Maßnahmen reagiert (Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 32 und 40).
Nach diesen strengen Maßstäben bestehen in Italien keine grundlegenden Defizite im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen für anerkannte Schutzberechtigte, da diese in ihrer Gesamtheit zur Überzeugung des Senats nicht die Annahme rechtfertigen, dass anerkannten Schutzberechtigten – wie dem Kläger – bei einer Abschiebung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK droht (ebenfalls eine drohende Verletzung von Art. 3 EMRK für rücküberstellte anerkannte Schutzberechtigte verneinend: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.08.2016 – 13 A 63/16. A –, juris Rn. 51 ff; VG Braunschweig, Urteil vom 26.09.2017 – 7 A 338/16 –, juris Rn. 57 ff.).
Für Dublin-Rückkehrer, die in Italien noch keinen Schutzstatus erhalten haben, hat der Senat in seinem Urteil vom 4. April 2018 (- 10 LB 96/17 -, juris) systemische Mängel in den Aufnahmebedingungen und die beachtliche Wahrscheinlichkeit von Verstößen gegen Art. 4 EUGrCh und Art. 3 EMRK ebenfalls verneint. Anerkannte Schutzberechtigte befinden sich nach ihrer Rückkehr nach Italien hinsichtlich des Zugangs zu Wohnraum und zu den Leistungen zum Lebensunterhalt zwar in einer schwierigeren Situation als Dublin-Rückkehrer, die noch keinen Schutzstatus erhalten haben, doch auch in ihrem Fall können systemische Mängel in den Aufnahmebedingungen, die eine Verletzung von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK begründen, nicht festgestellt werden. Auch die Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie sind für diesen Personenkreis erfüllt. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Anerkannte Schutzberechtigte erhalten eine Aufenthaltsbewilligung, die 5 Jahre gültig ist, bei Ablauf in der Regel automatisch verlängert wird (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, Seite 31, und Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 34) und Zugang zum Arbeitsmarkt bzw. zu einer Berufsausbildung verschafft (BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, Seite 3). Sie können mit dieser Aufenthaltsbewilligung ein- und ausreisen und sich in Italien ohne Einschränkungen bewegen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 33).
Sie sind bezüglich der sozialen Rechte und dem Zugang zu Sozialleistungen den italienischen Staatsangehörigen völlig gleichgestellt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 35, und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 3). Angesichts dessen, dass das italienische Sozialsystem nicht dem deutschen Sozialsystem vergleichbar ausgestaltet ist und sowohl für anerkannte Flüchtlinge als auch für italienische Staatsangehörige gleichermaßen deutlich weniger Fürsorgeleistungen vorhält, bedeutet dies aber auch, dass von ihnen grundsätzlich erwartet wird, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seiten 35 und 49, und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 1). Soweit es danach im Bereich der Versorgung mit einer Unterkunft und mit den Leistungen zum Lebensunterhalt – wie im Folgenden dargestellt wird – zu Problemen kommen kann, ergeben sich daraus keine systemischen Mängel in den Aufnahmebedingungen für anerkannte Schutzberechtigte, die eine Verletzung von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK begründen (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.08.2016 – 13 A 63/16. A –, juris Rn. 55 ff.). Denn Art. 3 EMRK ist nach dem oben dargestellten Maßstab im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Verhalten eines Staates, der mit Gleichgültigkeit auf eine gravierende Mangel- und Notsituation reagiert, und begründet beispielsweise keinen individuellen Anspruch auf Versorgung mit einer Wohnung oder die allgemeine Verpflichtung, Flüchtlinge finanziell zu unterstützen. Anerkannte Schutzberechtigte müssen sich insbesondere auf die für alle italienischen Staatsangehörigen geltenden Voraussetzungen und Einschränkungen hinsichtlich des Empfangs von Sozialleistungen verweisen lassen (sogenannte Inländergleichbehandlung).
Höhere Anforderungen an die Versorgung von anerkannten Flüchtlingen ergeben sich auch nicht aus der Qualifikationsrichtlinie. Denn nach deren Art. 29 Abs. 1 tragen die Mitgliedstaaten “nur“ dafür Sorge, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, in dem Mitgliedstaat, der diesen Schutz gewährt hat, die notwendige Sozialhilfe – wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats – erhalten. Nach Art. 30 Abs. 1 der Richtlinie tragen die Mitgliedstaaten ferner dafür Sorge, dass diese Personen zu denselben Bedingungen – wie Staatsangehörige des ihren Schutz gewährenden Mitgliedstaats – Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Schließlich muss nach Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie auch der Zugang zu Wohnraum “nur“ unter den Bedingungen gewährleistet werden, die den Bedingungen gleichwertig sind, die für andere Drittstaatsangehörige gelten, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufhalten. Da Italien anerkannte Schutzberechtigte im Hinblick auf die Sozialleistungen genauso behandelt wie seine eigenen Staatsangehörigen, scheidet deshalb auch ein Verstoß gegen die Qualifikationsrichtlinie von vornherein aus (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.08.2016 – 13 A 63/16. A –, juris Rn. 58).
Demgegenüber kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass Flüchtlinge, die die Landessprache oft nur unzureichend beherrschen, über kein familiäres Netzwerk in Italien verfügen, das sie bei fehlenden staatlichen Leistungen auffangen könnte, und sie insofern faktisch schlechter gestellt sind als die italienischen Staatsangehörigen. Denn dies ändert nichts daran, dass sie den Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie entsprechend dieselben rechtlichen und tatsächlichen Zugangsmöglichkeiten zu den Sozialleistungen haben wie italienische Staatsangehörige. Im Unterschied beispielsweise zu der Lage in Bulgarien (siehe hierzu Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 36 ff, 45 ff. und 49 ff.) werden sie nämlich nicht durch die rechtliche und tatsächliche Ausgestaltung des Zugangs zu den Sozialleistungen von diesen ausgeschlossen.
Davon abgesehen dürften auch viele italienische Staatsangehörige in der heutigen Zeit über kein ausreichendes familiäres Netzwerk mehr verfügen, das sie im Falle der Bedürftigkeit auffängt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass gerade auch anerkannte Flüchtlinge Zugang zu den Hilfeleistungen kommunaler und karitativer Einrichtungen sowie der Nichtregierungsorganisationen (NGO’s) haben, die das fehlende familiäre Netzwerk zumindest teilweise ausgleichen. Denn diese versorgen sie nicht nur mit Lebensmitteln und Unterkunftsplätzen (Auswärtiges Amt, Anfragebeantwortung an OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.02.2016 zum Az. 13 A 516/14.A, Seite 5; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 80), sondern bieten auch andere, speziell auf anerkannte Flüchtlinge zugeschnittene und durch staatliche sowie europäische Mittel geförderte Hilfen wie Jobtrainings, Praktika und Sprachkurse (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 53; BAMF, Länderinformation: Italien, Mai 2017, Seite 3) und auch Projekte an, die beim Übergang zur Selbstständigkeit nach der Beendigung der Unterbringung in einem SPRAR-Zentrum unterstützen sollen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 51).
Über die Hilfen durch kommunale und karitative Einrichtungen sowie NGO’s hinaus sind rücküberstellte anerkannte Schutzberechtigte aber auch im Hinblick auf staatliche Hilfen keineswegs gänzlich auf sich selbst gestellt. Unabhängig von dem oben genannten Gesichtspunkt der sogenannten Inländergleichbehandlung kann deshalb auch aus diesem Grund eine Verletzung der Rechte aus Art. 4 EUGrCh und Art. 3 EMRK nicht festgestellt werden, zumal der italienische Staat auf die Situation anerkannter Flüchtlinge nicht mit Gleichgültigkeit reagiert.
Anerkannte Flüchtlinge haben im Rahmen der bestehenden Kapazitäten und sofern die maximale Aufenthaltsdauer von 6 Monaten, die unter bestimmten Voraussetzungen (bei Gesundheitsproblemen oder im Hinblick auf bestimmte Integrationsziele) um weitere 6 Monate verlängert werden kann, noch nicht ausgeschöpft ist, Zugang zum Zweitaufnahmesystem SPRAR, das zurzeit über 31.313 Plätze verfügt. (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 1, Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 1, und Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seiten 29, 35 f. und 39; BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, Seite 3). Bei den SPRAR handelt es sich um eine dezentrale auf lokaler Ebene organisierte (Zweit-)Unterbringung, die aus einem Netzwerk von Unterkünften und überwiegend aus Wohnungen besteht, auf einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Gemeinden und verschiedenen NGO‘s basiert und die Teilhabe am kommunalen Leben fördern soll. Die Unterbringung wird von Unterstützungs- und Integrationsmaßnahmen (Rechtsberatung, Sprachkurse, psychosoziale Unterstützung, Jobtrainings, Praktika, Unterstützung bei der Suche einer Stelle auf dem Arbeitsmarkt) begleitet (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seiten 35 f. und 53, und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 6; BAMF, Länderinformation: Italien, Mai 2017, Seiten 1 und 2). Neben Lebensmitteln erhalten die Bewohner auch ein Taschengeld je nach SPRAR-Projekt zwischen 1,50 Euro/Tag und 3 Euro/Tag (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 50, und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 3; BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, Seiten 1 und 2).
Soweit (in der Vergangenheit) die Plätze in den SPRAR-Einrichtungen (wie möglicherweise auch in anderen Einrichtungen) nicht ausreichend (gewesen) sein sollten, ergibt sich daraus schon deshalb keine Verletzung der Rechte aus Art. 4 EUGrCh und Art. 3 EMRK, weil diese Rechte die Staaten weder verpflichten, eine absolut bestimmbare Mindestanzahl von Unterkünften zur Verfügung zu stellen, noch dazu, rein vorsorglich Unterkunftskapazitäten im Umfang einer "Spitzenbelastung" vorzuhalten (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.07.2016 – 13 A 2302/15.A –, juris Rn. 90).
Deshalb und weil von dem Einzelfall des Klägers ausgehend nicht auf die gesamte Unterkunftssituation in Italien geschlossen werden kann, führt auch der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass während seines 15-tägigen Aufenthalts in Italien im Jahr 2014 in den Unterkunftszentren, in denen er untergebracht gewesen sei, katastrophale Zustände geherrscht hätten, zu keiner anderen Beurteilung der gegenwärtigen Unterkunftssituation in Italien, zumal der italienische Staat die Unterkunftskapazitäten in den letzten Jahren erheblich ausgebaut hat. Denn Ende Februar 2015 waren lediglich 67.128 Plätze vorhanden, davon 9.504 im Erstaufnahmesystem, 20.596 im SPRAR-System und 37.028 in den Notfallzentren (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 23.04.2015, Anfragebeantwortung an VG Schwerin, Seite 2; Auswärtiges Amt vom 25.03.2015, Anfragebeantwortung an VG Schwerin, Seite 2), nunmehr bestehen 183.225 Plätze im Unterkunftssystem (siehe hierzu ausführlich das Senatsurteil vom 04.04.2018 – 10 LB 96/17 -, juris), davon 31.313 Plätze im SPRAR-System (SFH, Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 2).
Allerdings haben anerkannte Schutzberechtigte in der Regel keinen Zugang zum SPRAR-System mehr, wenn sie einmal in einer SPRAR- Unterkunft aufgenommen worden sind und diese wieder verlassen haben. Von dieser Regel kann nur abgewichen werden, wenn die betroffene Person einen Antrag beim Innenministerium einreicht und neue “Verletzlichkeiten“ vorbringt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 36, und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 1). In diesem Fall ebenso wie in dem Fall, dass die maximale Aufenthaltsdauer in einer SPRAR-Einrichtung abgelaufen ist, haben die betroffenen Personen, sofern sie nicht in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen und eine Wohnung zu mieten, und auch keinen Unterkunftsplatz in den bereits erwähnten kommunalen und karitativen Einrichtungen oder mit Hilfe der NGO’s erhalten, ebenso wie italienische Staatsangehörige in vergleichbarer Situation nur Zugang zu Notschlafstellen und zu Unterkünften in besetzten Häusern (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 2). Daraus ergibt sich aber kein systemisches Versagen bezüglich der Aufnahmebedingungen für rücküberstellte anerkannte Schutzberechtigte und keine Verletzung von Art. 3 EMRK und Art. 4 EUGrCh. Denn auch nach diesen rechtlichen Maßgaben ist der italienische Staat nicht gehindert, den Zugang zu den SPRAR-Einrichtungen von bestimmten - von den Schutzberechtigten erfüllbaren - Voraussetzungen abhängig zu machen und den Anspruch auf Unterkunft in einer solchen Einrichtung entfallen zu lassen, wenn der Schutzberechtigte die Unterkunft “eigenmächtig“ verlässt (vgl. Art 20 Abs. 1 a) der Aufnahmerichtlinie, wonach einem Antragsteller die gewährten materiellen Leistungen entzogen werden können, wenn dieser den von der zuständigen Behörde bestimmten Aufenthaltsort eigenmächtig verlässt), bzw. die Aufenthaltsdauer in einer solchen Einrichtung zu begrenzen. Aus diesem Verhalten des italienischen Staates kann deshalb auch nicht auf dessen Gleichgültigkeit gegenüber anerkannten Schutzberechtigten geschlossen werden.
Abgesehen davon sind anerkannte Flüchtlinge, sofern sie weder in einer staatlichen noch in einer kommunalen oder karitativen Einrichtung einen Unterkunftsplatz finden, genauso gestellt wie italienische Staatsangehörige in vergleichbarer Situation. Schon aus diesem Grund folgen – wie oben ausgeführt – aus den dargestellten Schwierigkeiten keine systemischen Mängel in den Aufnahmebedingungen für anerkannte Schutzberechtigte, die eine Verletzung von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK begründen.
Schließlich ergibt sich aus den verfügbaren Erkenntnisquellen auch nicht, dass tatsächlich der größte Teil der anerkannten Schutzberechtigten über einen längeren Zeitraum obdachlos ist. Denn danach ist ein im Verhältnis zu ihrer Gesamtzahl eher kleiner Teil der Migranten tatsächlich obdachlos bzw. lebt in besetzten Häusern. Nach Schätzung der MÈDECINS SANS FRONTIÈRES (= Ärzte ohne Grenzen) gibt es nämlich “nur“ ungefähr 10.000 obdachlose Menschen unter den Asylsuchenden und Schutzgenehmigungsinhabern (MSF, „OUT of sight“ – Second edition, Stand: 08.02.2018).
Einen Anspruch auf staatliche Sozialhilfe, die mit der in Deutschland gewährten Sozialhilfe vergleichbar ist, haben außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen lebende und mangels hinreichender Chancen auf dem regulären Arbeitsmarkt oft auf Schwarzarbeit (beispielsweise in der Landwirtschaft) angewiesene Schutzberechtigte (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 52) ebenso wenig wie italienische Staatsangehörige (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 49). Es gibt ein Arbeitslosengeld, wenn jemand seine (legale) Arbeit verloren hat. Personen mit sehr geringem oder keinem Einkommen – wie viele anerkannte Schutzberechtigte – haben ferner die Möglichkeit, sich für einen “finanziellen Beitrag“ zu bewerben, dessen Höhe je nach Region bzw. Gemeinde sehr unterschiedlich ist (beispielsweise in Rom bis zu 500 Euro im Jahr, in Mailand 250 Euro pro Monat für einen Zeitraum von 6 Monaten) und dessen Gewährung von der Anzahl der Anfragen und dem verfügbaren Budget abhängt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seiten 49 f., und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 4). Da der italienische Staat die anerkannten Schutzberechtigten demnach auch in dieser Hinsicht genauso behandelt wie seine eigenen Staatsangehörigen, können auch insoweit systemische Mängel in den Aufnahmebedingungen, die eine Verletzung von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK begründen, nicht festgestellt werden.
Sowohl die innerhalb eines Unterkunftszentrums als auch die außerhalb einer solchen Einrichtung lebenden Schutzberechtigten haben schließlich einen Anspruch auf eine den Anforderungen aus Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK jedenfalls genügenden kostenfreien Grund- und Notfallversorgung bei Krankheit oder Unfall sowie auf eine Präventivbehandlung zur Wahrung der individuellen und öffentlichen Gesundheit (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 54, und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 4). Das beinhaltet einen in der Regel kostenlosen Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen wie Arzt, Zahnarzt und Krankenhaus (Auswärtiges Amt, Anfragebeantwortung an OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.02.2016, zum Az. 13 A 516/14.A, Seite 6). Sie haben in Bezug auf die medizinische Versorgung dieselben Rechte und Pflichten wie italienische Staatsbürger (BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, Seite 3).
Hinsichtlich des aufgrund Art. 4 EUGrCh und Art. 3 EMRK nicht zu fordernden Zugangs zu dem weiterführenden medizinischen Leistungsangebot in Italien hat der Senat in seinem Urteil vom 4. April 2018 (- 10 LB 96/17 -, juris) ausgeführt:
„Um von einem weiterführenden Leistungsangebot profitieren zu können müssen sich Schutzsuchende in den SSN („Servizio Sanitario Nazionale) einschreiben. Nach der Einschreibung in den SSN erhalten Schutzsuchende - und damit auch Dublin-Rückkehrer wie der Kläger - dieselbe medizinische Behandlung wie (arbeitslose) italienische Staatsbürger (vgl. dazu Aida, Country Report: Italy, 2016 Update, S. 79, 80 und SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 54).
In der praktischen Umsetzung bestehen Hürden und Einschränkungen dieses Rechts auf medizinische Behandlung, insbesondere für anerkannte Schutzberechtigte mit Aufenthaltserlaubnis als auch andere Migranten in informellen Unterkünften und Obdachlose. MSF gibt mit Verweis auf bürokratische Hürden an, dass diese Personengruppen reduzierte Möglichkeiten beim Zugang zum Gesundheitssystem hätten, was Allgemeinmedizin einschließe. Die Notaufnahme der Krankenhäuser sei häufig die einzige Zugangsmöglichkeit zum Italian National Healthcare Service (SSN) (MSF, Stand: 08.02.2018, „OUT of sight“ – Second edition). MSF hat deshalb in den Jahren 2016 und 2017 sein Engagement in Italien insbesondere für Migranten in informellen Unterkünften erhöht und unterhält in Como und Ventimiglia psychologische Notfallbehandlung und in Ventimiglia gynäkologische Behandlungen. In Rom wird primäre Gesundheitsversorgung und psychologische Unterstützung geleistet. In Bari und Turin half MSF bei der Kontaktherstellung zum SSN. Dabei kritisiert MSF, dass ehrenamtliche Nothilfe mitunter unter Verweis auf das Verbot der Unterstützung illegaler Einreise und Aufenthalts kriminalisiert werde (MSF, Stand: 08.02.2018, „OUT of sight“ – Second edition). Weitere NGOs, die vor allem auch Asylsuchende und Schutzberechtigte in besetzten Häusern und auf der Straße unterstützen, sind MEDU, Cittadini del Mondo und Naga (SFH, Länderinformation Italien, August 2016, S. 57 f.).
AIDA erklärt, dass Asylsuchende zwar theoretisch denselben Zugang zum Gesundheitssystem haben sollten wie Italiener, dies aber de facto erst geschehe, wenn die jeweilige Questura den Asylantrag formalisiert habe. Dies verzögere sich teilweise um mehrere Monate. In dieser Zeit hätten Asylsuchende jedoch Zugang zur Notfallversorgung. Eine große praktische Hürde sei die Sprachbarriere (AIDA, 02/2017, S. 79 f.). Problematisch sei auch das Vorgehen bei der Beantragung einer Gesundheitskarte. Hierfür würden ein Ausweis und ein dauerhafter Wohnsitz verlangt. Es gebe einen Selbstbehalt, der in vielen Fällen von den Patienten getragen werden müsse und der das Budget Asylsuchender und von Personen mit Schutzstatus oft übersteige (SFH, Länderinformation Italien, August 2016, S. 55-57).
Erkenntnisse darüber, dass kranken Dublin-Rückkehrern die erforderliche Behandlung vorenthalten worden ist und sie deshalb ernsthafte Schäden an Leib oder Leben erlitten haben, liegen dem Senat nicht vor. Folglich sind auch die dargestellten Mängel und Defizite im Bereich der medizinischen Versorgung für Asylbewerber weder für sich genommen noch insgesamt als so gravierend zu bewerten, dass ein grundlegendes systemisches Versagen des Mitgliedstaates festgestellt werden kann, welches für einen Dublin-Rückkehrer nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Artikel 3 EMRK oder Artikel 4 EUGrCh mit dem dafür notwendigen Schwergrad zur Folge hätte.“
Können demnach schon aus den oben genannten Gründen systemische Mängel in den Aufnahmebedingungen für anerkannte Schutzberechtigte, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK oder Art. 4 EUGrCh begründen könnten, weder im Hinblick auf deren Unterkunftssituation noch bezüglich der medizinischen Versorgung und der Bereitstellung der übrigen materiellen Leistungen festgestellt werden, ist eine Verletzung dieser Rechte bzw. die Annahme systemischer Mängel auch deshalb zu verneinen, weil der italienische Staat auf die Situation der anerkannten Schutzberechtigten keineswegs mit Gleichgültigkeit reagiert.
Denn zum einen hat er nach den obigen Feststellungen die Unterkunftskapazitäten insgesamt nahezu verdreifacht und auch die Zahl der Unterkunftsplätze im SPRAR-System erheblich um 10.000 Plätze auf nunmehr 31.313 Plätze erhöht (SFH, Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 2).
Zum anderen hat er im Oktober 2017 einen Nationalen Integrationsplan erlassen, der insbesondere Hilfen für anerkannte Schutzberechtigte enthält. Der Plan wird durch EU-Gelder finanziert und wurde mithilfe lokaler Regierungen und NGOs entwickelt (The Local, „Italy launches forst official migrant integration plan: Five Things you need to know“, 27.09.2017).
Er beinhaltet eine Verpflichtung anerkannter Schutzberechtigter zu italienischen Werten (Verfassung), Rechten und zum Erlernen der italienischen Sprache. Er sieht spezielle Hilfen für Analphabeten, die Aufnahme anerkannter Schutzberechtigter in regionale Notfallunterkünfte nach Verlassen der Aufnahmezentren sowie die Unterstützung bei der Arbeitssuche und eine Bekräftigung des Rechts auf Zugang zum Gesundheitssystem vor. Nach diesem Plan ist Italien bestrebt, das CAS-System weitestgehend in das SPRAR-System zu überführen, um effektive nationale Integration zu ermöglichen (Nationaler Integrationsplan, „FOR PERSONS ENTITLED TO INTERNATIONAL PROTECTION, October 2017, http://www.interno.gov.it/sites/default/files/piano_nazionale_integrazione_eng.pdf, Seite 17). Ferner möchte Italien laut dem Nationalen Integrationsplan eine vollständige Umsetzung der Übereinkunft zwischen der Zentralregierung und den Regionen zur Gesundheit von Migranten von 2012 erreichen, wobei der Zugang zum nationalen Gesundheitsdienst verbessert werden und eine Überwachung auf nationaler und regionaler Ebene erfolgen soll, ob die Vereinbarung von 2012 umgesetzt wird. Im Übrigen ist geplant, die Organisationen und das Angebot im Bereich der Gesundheitsversorgung zu stärken, indem spezifische Wege für jede Krankheit aufgezeigt werden, besonders auch für psychiatrische Fälle und PTBS. Die Zahl kostenloser Dienste soll angepasst und Präventionsprogramme mit Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen und für die Gesundheit von Mutter und Kind sollen gestärkt werden (Nationaler Integrationsplan, „FOR PERSONS ENTITLED TO INTERNATIONAL PROTECTION, October 2017, Seite 25). Des Weiteren will Italien Anreize für Sprachkurse schaffen, die außerhalb der Unterbringungseinrichtungen angeboten werden. Zu diesem Zweck sollen Sprachkurse mit Lehrern angeboten werden, die spezialisiert sind und interaktive und experimentelle Methoden nutzen (Nationaler Integrationsplan, „FOR PERSONS ENTITLED TO INTERNATIONAL PROTECTION, October 2017, Seite 22). Ziel ist es, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um Zugang zu sekundärer und höherer Bildung zu ermöglichen und die Anerkennung vorheriger Kompetenzen und Abschlüsse zu garantieren (Nationaler Integrationsplan, „FOR PERSONS ENTITLED TO INTERNATIONAL PROTECTION, October 2017, Seite 23).
In diesen gerade auf die Situation anerkannter Schutzberechtigter reagierenden Hilfebemühungen und in den bereits tatsächlich umgesetzten Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Lage (Erhöhung der Zahl der Unterkunftsplätze im SPRAR-System um 10.000 Plätze) liegt auch ein wesentlicher Unterschied zu der Situation anerkannter Schutzberechtigter in Bulgarien, die sich dort letztlich staatlicher Gleichgültigkeit ausgesetzt sehen (Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 –, juris Rn. 40). Außerdem besteht ein maßgeblicher Unterschied darin, dass der bulgarische Staat seinen Staatsangehörigen soziale Leistungen anbietet, zu denen anerkannte Schutzberechtigte jedoch keinen Zugang haben (Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 36 ff., 46 f. und 50), während der italienische Staat anerkannte Schutzberechtigte in jeder Hinsicht gleich behandelt mit italienischen Staatsangehörigen.“
Diese Ausführungen gelten in vollem Umfang auch für den Kläger. Abweichende Besonderheiten sind entgegen seiner Auffassung insofern nicht ersichtlich. Auch im Berufungsverfahren 10 LB 109/18 war klägerseits geltend gemacht worden, dass anerkannte Schutzberechtigte lediglich die Möglichkeit einer auf sechs Monate befristeten Aufnahme im sogenannten SPRAR-System hätten (a.a.O., Rn. 14). Von einer grundsätzlich maximalen Aufenthaltsdauer von sechs Monaten ist der Senat auch ausgegangen (a.a.O., Rn. 41, 44), hat aber trotzdem ein systemisches Versagen bezüglich der Aufnahmebedingungen für rücküberstellte anerkannte Schutzberechtigte verneint (a.a.O., Rn. 44 ff.). Auch die weitere im Berufungsverfahren geäußerte Kritik des Klägers an dem Senatsurteil vom 6. April 2018 greift nicht durch. Darin ist sehr wohl ausgeführt, warum der Senat zu dem Schluss kommt, dass „der italienische Staat auf die Situation der anerkannten Schutzberechtigten keineswegs mit Gleichgültigkeit reagiert“ (a.a.O.; Rn. 54 ff.). Ebenso wird die Annahme des Senats, dass rücküberstellte anerkannte Schutzberechtigte auch im Hinblick auf staatliche Hilfen keineswegs gänzlich auf sich allein gestellt sind, entgegen der Ansicht des Klägers, nämlich in den nachfolgenden Absätzen (a.a.O., Rn. 40 ff.) erläutert. Dem Einwand des Klägers, der Senat habe die tatsächliche Umsetzung des im Oktober 2017 erlassenen Nationalen Integrationsplans nicht überprüft, die Erfahrungen mit Bulgarien zeigten, dass ein Plan allein nicht dazu führe, dass bestimmte Maßnahmen auch umgesetzt würden, ist entgegenzuhalten, dass Erkenntnisse zur Nicht-umsetzung des Integrationsplans, der durch EU-Gelder finanziert wird, nicht vorlagen und auch in diesem Verfahren weder vom Kläger benannt noch sonst ersichtlich sind.
Auch ist nicht zu erkennen, dass sich die Umstände in Italien seit dem Urteil des Senats vom 6. April 2018 in entscheidungserheblicher Weise verändert hätten. Dies hat der Senat bereits in zwei Nichtzulassungsbeschlüssen aus August bzw. September 2018 entschieden, in denen zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG insbesondere Äußerungen des zum 1. Juni 2018 ernannten Ministerpräsidenten Italiens Giuseppe Conte und des neuen italienischen Innenministers Matteo Salvini angeführt worden waren. Ob es tatsächlich zu einer Kürzung der Leistungen für Asylbewerber bzw. der Mittel für die Flüchtlingsbetreuung komme und ob sich daraus systemische Mängel ergeben würden, sei derzeit noch nicht absehbar (Senatsbeschlüsse vom 06.08.2018 - 10 LA 320/18 -, juris Leitsatz und Rn. 6 f. - zu Dublin-Rückkehrern -, und vom 12.09.2018 - 10 LA 345/18 -, nicht veröffentlicht, Urteilsabdruck Seite 5 - zu anerkannten Schutzberechtigten -). Eine maßgebende Veränderung ergibt sich auch nicht aus dem im Schriftsatz des Klägers vom 16. Dezember 2018 in Bezug genommenen so genannten Salvini-Dekret (Dekret n. 113 vom 4. Oktober 2018). Das nicht näher konkretisierte Vorbringen des Klägers, das Dekret habe insbesondere massive Einschränkungen beim Zugang zu einer Unterbringung (v.a. für anerkannte Schutzberechtigte) zur Folge, findet schon keine Bestätigung. Die mit dem Dekret verbundene Verschärfung des Asylrechts in Italien betrifft den Kläger als bereits anerkannten Schutzberechtigten nicht. Richtig ist, dass es eine Neuorganisation der Verteilung und Unterbringung von Asylbewerbern geben soll. Die meisten von ihnen sollen in großen Auffangzentren untergebracht werden. Gerade aber anerkannte Flüchtlinge (und ledige unbegleitete Minderjährige) sollen auf kleinere Unterkünfte verteilt werden, um ihre Integration zu erleichtern (https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-09/italien-migrationspolitik-aslyrecht-verschaerfung-matteo-salvini). Für diesen Personenkreis sollen die SPRAR erhalten bleiben (https://www.borderline-europe.de/sites/default/files/projekte_files/2018_09_25_Italien-Salvinis%20Dekret%20der%20Asylrechtsverschärfungen_JIAN_0.pdf). Ungeachtet dessen hat der Senat seiner Entscheidung vom 6. April 2018 ohnehin zugrunde gelegt, dass grundsätzlich die maximale Aufenthaltsdauer in einer SPRAR-Einrichtung nur sechs Monate beträgt (a.a.O., Rn. 44).
Der Kläger gehört schließlich auch nicht zu einem besonders schutzbedürftigen Personenkreis, bei dem nach dem Urteil des EGMR vom 4. November 2014 im Verfahren Tarakhel ./. Schweiz (Az. 29217/12, NVwZ 2015, 127 ff.) eine Abschiebung nach Italien nur zulässig ist, wenn zuvor besondere Garantien von den italienischen Behörden eingeholt worden sind. Der EGMR hat in diesem Verfahren entschieden, dass die Schweizer Behörden die Abschiebung einer Familie nach Italien nicht vornehmen dürfen, ohne vorher individuelle Garantien von den italienischen Behörden erhalten zu haben, dass die Antragsteller in Italien in einer dem Alter der Kinder adäquaten Art und Weise behandelt werden und die Familie zusammenbleiben darf. Dieses Urteil enthält demnach lediglich eine Einschränkung für die Abschiebung von Familien nach Italien und keine Aussage zu systemischen Mängeln in Italien, die der EGMR auch nicht in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2015 im Verfahren A.M.E./. Niederlande (Az. 51428/10) festgestellt hat. Nach letzterer Entscheidung sind vielmehr die Struktur und die Gesamtsituation des italienischen Flüchtlings- und Asylbewerberaufnahmesystems kein genereller Grund dafür, eine Überstellung im Zuge des sogenannten Dublin-Verfahrens zu verbieten. Die Situation des Klägers ist mit derjenigen, die der Entscheidung des EGMR vom 4. November 2014 zugrunde gelegen hat, nicht vergleichbar. Mit der ihn bei seiner Einreise in das Bundesgebiet am 27. Februar 2015 begleitenden somalischen Staatsangehörigen ist der Kläger nach eigenen Angaben nur traditionell verheiratet. Dass aus der Beziehung zwischenzeitlich Kinder hervorgegangen sind, ist nicht dargetan. Auch bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger unter gesundheitlichen Einschränkungen leidet, die ihn als besonders schutzbedürftig erscheinen lassen. Selbst wenn man von der Fortgeltung des erstinstanzlich vorgelegten Ärztlichen Attestes vom 3. Juni 2016 ausgeht, bedarf der Kläger wegen seiner chronischen Schilddrüsenerkrankung nur regelmäßiger Blutkontrollen und der Einnahme von Schilddrüsenmedikamenten. Dass hierdurch seine Fähigkeiten, seine Rechte in Italien wahrzunehmen und dort für sich selbst zu sorgen, in erheblicher Weise eingeschränkt wären, ist weder geltend gemacht noch ersichtlich. |
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2. Die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG, die das Verwaltungsgericht wegen der Anerkennung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht mehr zu prüfen hatte, sind ebenfalls nicht gegeben. Nach Satz 1 dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG allerdings nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vor. Für eine derart schwerwiegende Erkrankung fehlen im Falle des Klägers jegliche Anhaltspunkte.
3. Das Bundesamt hat in seinem Bescheid vom 5. September 2017 auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angedroht. Denn gemäß § 35 AsylG droht das Bundesamt dem Ausländer die Abschiebung in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG an, also in den Fällen, in denen ein anderer Mitgliedsstaat dem Ausländer - wie hier dem Kläger - bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Eine Abschiebungsandrohung gemäß § 35 AsylG kann nur unter den Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG erlassen werden. Sie setzt also unter anderem voraus, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen. Da hier Abschiebungsverbote nach diesen Vorschriften in Bezug auf den Zielstaat der Abschiebung (Italien) nicht vorliegen, ist die Abschiebungsandrohung rechtmäßig.
Dass das Bundesamt die dem Kläger gesetzte Ausreisefrist entgegen § 36 Abs. 1 AsylG an der Auffangregelung des § 38 Abs. 1 AsylG orientiert und damit von einer Woche auf 30 Tage verlängert hat, vermag den Kläger nicht in seinen Rechten zu verletzen, da mit der Fristverlängerung unmittelbar lediglich rechtliche Vorteile (Verlängerung der Frist und aufschiebende Wirkung der Klage) verbunden sind und die in der Rechtsprechung (u.a. VG Bayreuth, Urteil vom 01.12.2017 - B 3 K 17.33153 -, juris) teilweise angeführten mittelbaren „Nachteile“ (Wegfall der Rechtsfolgen nach § 37 Abs. 1 AsylG) völlig ungewiss, nämlich vom für den Kläger positiven Ausgang des betreffenden gerichtlichen Eilverfahrens abhängig sind, falls der Kläger im Falle der Frist nach § 36 Abs. 1 AsylG einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt hätte (vgl. hierzu ausführlich VG Göttingen, Urteil vom 15.10.2018 - 3 A 745/17 -, juris Leitsatz 1 und 2 sowie Rn. 40 ff.). Schließlich begegnet auch die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 AufenthG keinen rechtlichen Bedenken. Auch der Kläger selbst hat gegen die in dem angefochtenen Bundesamtsbescheid vom 5. September 2017 angenommene Angemessenheit einer 30monatigen Frist keine Einwände erhoben.
II. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Klage des Klägers gegen Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamts vom 5. September 2017 abgewiesen. Der angefochtene Bundesamtsbescheid ist auch insoweit rechtmäßig. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG hat die erkennende Einzelrichterin zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden, zumal der Kläger seine Auffassung, er habe seinen Asylantrag bereits vor dem Stichtag 20. Juli 2015 gestellt, im Anschlussberufungsverfahren nicht mehr wiederholt hat. Mit seinem zur Begründung der Anschlussberufung erfolgten Vorbringen vermag der Kläger aber ebenfalls nicht durchzudringen.
Auf die Vorlagefragen des zum Drittstaat Bulgarien ergangenen Vorabentscheidungsersuchens des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. August 2017 (1 C 2/17, juris) kommt es entgegen seiner Auffassung nicht an. Die Frage, ob ein Mitgliedstaat unionsrechtlich gehindert ist, einen Antrag auf internationalen Schutz wegen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Mitgliedstaat in Umsetzung der Ermächtigung in Art. 33 Abs. 2 Buchst, a Richtlinie 2013/32/EU bzw. der Vorgängerregelung in Art. 25 Abs. 2 Buchst, a Richtlinie 2005/85/EG als unzulässig abzulehnen, wenn die Ausgestaltung des internationalen Schutzes, namentlich die Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge, in dem anderen Mitgliedstaat, der dem Antragsteller bereits internationalen Schutz gewährt hat, a) nicht den Anforderungen der Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU entspricht und/oder b) gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK verstößt, stellt sich vorliegend nicht. Denn in seinem Urteil vom 6. April 2018 ist der Senat nicht nur zu dem Ergebnis gekommen, dass die Aufnahmebedingungen für in Italien bereits anerkannte Schutzberechtigte keine systemischen Mängel aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4: GRC und Art. 3 EMRK bei ihrer Rücküberstellung nach Italien begründen. Er hat darüber hinaus ausdrücklich festgestellt, dass auch die Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie für diesen Personenkreis eingehalten werden (a.a.O., Rn. 34). Hiernach ist auch der zum Drittstaat Italien ergangene Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2017 (1 C 26/16, juris) nicht einschlägig. Denn die mit ihm zur Vorabentscheidung gestellte Frage 1 legt ebenfalls zugrunde, dass die Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge, in dem anderen Mitgliedstaat, der dem Antragsteller bereits internationalen Schutz gewährt hat, den Anforderungen der Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU nicht genügt.
III. Nach alledem ist der Berufung stattzugeben und ist die Anschlussberufung zurückzuweisen mit der Folge, dass das erstinstanzliche Urteil zu ändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung in dem nach § 83b AsylG gerichtskostenfreien Verfahren folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.