Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.09.2017, Az.: 2 LB 186/17
alleinstehende Frau; Flüchtlingsschutz; Risikoprofil; UNHCR
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 05.09.2017
- Aktenzeichen
- 2 LB 186/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2017, 54139
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 30.01.2017 - AZ: 2 A 6660/16
Rechtsgrundlagen
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine Syrerin, die bereits über subsidiären Schutz verfügt, kann nicht mit der pauschalen Erklärung zusätzlich Flüchtlingsschutz beanspruchen, sie unterfalle als alleinstehende Frau einem Risikoprofil im Sinne der UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen (4. aktualisierte Fassung November 2015).
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 2. Kammer (Einzelrichter) - vom 30. Januar 2017 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin, eine syrische Staatsangehörige aus Aleppo, die über subsidiären Schutz verfügt, begehrt im Wege der Aufstockungsklage ihre Anerkennung als Flüchtling.
Vor dem Bundesamt hat sie angegeben, sie sei vor dem Bürgerkrieg geflohen; ihr Vater sei in Aleppo durch eine Rakete ums Leben gekommen. Ihr Ehemann, ihr Bruder, ein Sohn und ihre Tochter lebten noch im Heimatland.
Die Beklagte erkannte ihr mit angegriffenen Bescheid vom 2. Dezember 2016 subsidiären Schutz zu, lehnte aber die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab.
Mit ihrer dagegen gerichteten, zusammen mit einem Sohn erhobenen Klage hat die Klägerin auf die anhaltenden Kampfhandlungen und Menschenrechtsverletzungen in Syrien hingewiesen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 2 des Bescheides vom 2. Dezember 2016 zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat nach Hinweis des Verwaltungsgerichts auf seine veröffentlichten Entscheidungen vom 18. November 2016 (- 2 A 5162/16 -) und vom 4. Januar 2017 (- 2 A 5738/16 -, beide juris) auf mündliche Verhandlung verzichtet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage hinsichtlich des Sohnes der Klägerin abgewiesen, der Klage der Klägerin selbst hingegen stattgeben, wobei es im Wesentlichen textgleich - soweit auf den Fall der Klägerin passend - die Begründungen der vorgenannten Entscheidungen fortgeführt hat.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten. Diese führt im Wesentlichen aus: Da seit langem keine Rückführungen nach Syrien erfolgten, lägen belastbare Referenzfälle für ein politisches Verfolgungsgeschehen nicht vor. Eine zukunftsorientierte Aussage sei faktenbasiert kaum möglich. Bei einer insgesamt unklaren Tatsachenlage könne im Rahmen der gebotenen Prognoseentscheidung das Vorliegen einer Verfolgungsgefährdung aber nicht im Zweifelsfall (zugunsten des Asylsuchenden) unterstellt werden. Allgemeine Unsicherheiten bei Feststellung und Würdigung eines Sachverhalts müssten zu einer tendenziell zurückhaltenden Beurteilung der politischen Verfolgungsgefahr im gerichtlichen Verfahren führen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, trotz massiver Flüchtlingsströme werde jeder einzelne Rückkehrer als potentieller politischer Gegner angesehen, bewege sich im Reich der Vermutung. Angesichts der Vielzahl der zwischenzeitlich aus Syrien geflohenen Personen widerspreche es der Lebenserfahrung, dass der syrische Staat jede illegale Ausreise und Asylantragstellung mit Aufenthalt im westlichen Ausland als Ausdruck einer regimefeindlichen Gesinnung auffasse; denn auch dem syrischen Staat sei bekannt, dass seine Bürger vor allem wegen der Bürgerkriegssituation das Land verließen. Im Übrigen stellten sich die Übergriffe des syrischen Staates als willkürlich, also vom Zufall abhängend dar und erfüllten damit nicht den Maßstab der für die Annahme einer politischen Verfolgung erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit.
Die Beklagte beantragt,
das angegriffene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Berufungsbegründung für unzureichend. Auf Anhörung zu einer Entscheidung nach § 130 a VwGO (mit der sie - anders als mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung - nicht einverstanden ist) hält sie hieran fest und verweist darauf, dass sie als alleinstehende Frau unter die vom UNHCR definierten Risikoprofile falle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen. Die von dem Senat zugrunde gelegten Erkenntnismittel ergeben sich aus der den Beteiligten übersandten Erkenntnismittelliste.
II.
Der Senat trifft diese Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss (§ 130a Satz 1 VwGO), weil er die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Zur Zulässigkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 130a VwGO in Fällen der vorliegenden Art hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. April 2017 (- 1 B 55.17 -, juris Rdnrn. 12 ff.) ausgeführt:
„2. Die Revision ist auch nicht wegen des geltend gemachten Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs oder der Amtsermittlungspflicht dadurch, dass das Berufungsgericht ohne mündliche Berufungsverhandlung durch Beschluss nach § 130a VwGO entschieden hat, ist schon nicht hinreichend dargelegt.
a) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet über eine Berufung grundsätzlich durch Urteil, das aufgrund mündlicher Verhandlung ergeht (§ 125 i.V.m. § 101 VwGO). Ist eine Berufung unzulässig, kann sie nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Beschluss verworfen werden (§ 125 Abs. 2 VwGO). Nach der Vorschrift des § 130a Satz 1 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht auch dann über die Berufung durch Beschluss entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Ist das sich auf die Begründetheit oder Unbegründetheit der Berufung beziehende Einstimmigkeitserfordernis (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 1998 - 3 B 1.98 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 19 S. 12) erfüllt, steht die Entscheidung, ob ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss befunden wird, im Ermessen des Gerichts. Die Vorschrift enthält keine expliziten materiellen Vorgaben für die richterliche Entscheidung, ob von der Durchführung der mündlichen Verhandlung abgesehen wird oder nicht.
Die Grenzen des dem Berufungsgerichts eingeräumten Ermessens sind weit gezogen. Das Revisionsgericht kann die Entscheidung für die Durchführung des vereinfachten Berufungsverfahrens nur darauf überprüfen, ob das Oberverwaltungsgericht von seinem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. März 1999 - 4 B 112.98 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 35 S. 5 m.w.N. und vom 25. September 2003 - 4 B 68.03 - NVwZ 2004, 108 <109>). Ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung ist seitens des Revisionsgerichts nur zu beanstanden, wenn es auf sachfremden Erwägungen oder einer groben Fehleinschätzung des Berufungsgerichts beruht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Februar 1999 - 4 B 4.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 33 S. 2 m.w.N.).
Auch wenn § 130a VwGO keine ausdrücklichen Einschränkungen enthält, hat das Berufungsgericht bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen, dass sich die Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung im System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes nach der Ausgestaltung des Prozessrechts als gesetzlicher Regelfall und Kernstück auch des Berufungsverfahrens erweist (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 1 VwGO).
Bei der Ermessensentscheidung gemäß § 130a Satz 1 VwGO dürfen die Funktionen der mündlichen Verhandlung und ihre daraus erwachsende Bedeutung für den Rechtsschutz nicht aus dem Blick geraten. Das Gebot, im Rahmen einer mündlichen Verhandlung die Rechtssache auch im Interesse der Ergebnisrichtigkeit mit den Beteiligten zu erörtern, wird umso stärker, je schwieriger die vom Gericht zu treffende Entscheidung ist. Mit dem Grad der Schwierigkeit der Rechtssache wächst daher zugleich auch das Gewicht der Gründe, die gegen die Anwendung des § 130a VwGO und für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sprechen (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 21. März 2000 - 9 C 39.99 - BVerwGE 111, 69 <74> und vom 30. Juni 2004 - 6 C 28.03 - BVerwGE 121, 211 <214>). Die Grenzen von § 130a Satz 1 VwGO sind erreicht, wenn im vereinfachten Berufungsverfahren ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, obwohl die Sache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht außergewöhnlich große Schwierigkeiten aufweist (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004 - 6 C 28.03 - BVerwGE 121, 211 <213>); abzustellen ist insoweit auf die Gesamtumstände des Einzelfalles (BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2010 - 10 C 13.09 - BVerwGE 138, 289).
b) Daran gemessen, ist schon nicht hinreichend dargelegt (§ 133 Abs. 3 VwGO), dass die Durchführung des vereinfachten Berufungsverfahrens hier fehlerhaft gewesen wäre.
Das Berufungsgericht hat die Beteiligten zu seiner Absicht, durch Beschluss nach § 130a VwGO zu entscheiden, vorab gehört und dabei auf seine Rechtsprechung zu der Rückkehrgefährdung syrischer Staatsangehöriger verwiesen, die illegal ausgereist sind, einen Schutzantrag gestellt haben und sich durch die illegale Ausreise auch einer bestehenden Wehrpflicht entzogen haben. Die Klägerseite hat daraufhin zwar die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt und dabei nicht die grundsätzliche Klärung der allgemeinen Rückkehrgefährdung angegriffen, sondern allein geltend gemacht, dass weder die Beklagte noch das Verwaltungsgericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu den individuellen Verfolgungsgründen ausreichend ermittelt habe. Das sei aber für eine sachgerechte Prüfung der Frage, ob Flüchtlingsschutz nach § 3 AsylG zu gewähren sei, unerlässlich, so dass über die Berufung nicht im schriftlichen Verfahren entschieden werden könne.
Die Klägerseite, die im erstinstanzlichen Verfahren auf mündliche Verhandlung verzichtet hatte (zur Zulässigkeit der Entscheidung nach § 130a VwGO in Fällen, in denen in erster Instanz eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat oder dem Berufungskläger jedenfalls eröffnet war, s. BVerwG, Urteil vom 14. März 2002 - 1 C 15.01 - BVerwGE 116, 123), hat indes weder in diesem Schriftsatz noch in vorangehenden Schriftsätzen auch nur ansatzweise mitgeteilt, in Bezug auf welche Aspekte die individuellen Fluchtgründe von der Beklagten unzureichend dokumentiert worden seien, in Bezug auf welche Ereignisse oder Geschehnisse der Sachverhalt nach dem Amtsermittlungsgrundsatz weiterer Aufklärung bedürfe oder aus welchen Gründen es der Klägerseite ungeachtet ihrer asylverfahrensrechtlichen (§ 15 AsylG) und verwaltungsprozessualen (§ 74 Abs. 2 AsylG; § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO) Mitwirkungsobliegenheiten nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sein könnte, ergänzend zu den individuellen Asylgründen vorzutragen. Auch ein Beweisantrag zu einer für erforderlich gehaltenen Sachverhaltsermittlung zu einer bestimmten Beweistatsache (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Oktober 2007 - 5 B 157.07) wurde weder gestellt noch angekündigt.“
An diesen Grundsätzen orientiert sich auch der Senat. Generell ist darauf hinzuweisen, dass es in den vor diesem Ausgangsgericht sehr gleichförmig geführten erstinstanzlichen Verfahren, von denen schon über 850 in die zweite Instanz gelangt sind, grundsätzlich im eigenen Risikobereich der Klägerseite liegt, wenn sie sich im Vertrauen auf eine ihr mitgeteilte Entscheidungspraxis des erstinstanzlichen Gerichts auf eine textbausteinartige Abwicklung des erstinstanzlichen Verfahrens einlässt, ohne die Möglichkeit einer abweichenden Anschauung des Berufungsgerichts in Rechnung zu stellen, und deshalb auf substantiierten Vortrag zu einem individuellen Verfolgungsschicksal im Wesentlichen verzichtet. Es ist dann nicht gesetzliche Aufgabe des Oberverwaltungsgerichts zu ergründen, ob der Klägervortrag durch Anhörung der Klägerseite in einer mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht überhaupt erst schlüssig gemacht werden könnte. Anders würde es sich nur verhalten, wenn die Klägerseite das Zulassungsverfahren, das Berufungsverfahren und die Anhörung zu einem Beschluss nach § 130 a VwGO zum Anlass nehmen würde bzw. genommen hätte, ihren Vortrag in einer Weise zu vertiefen, die Ansatzpunkte für eine darauf aufbauende Befragung der Klägerseite bieten würde.
Im hier zu entscheidenden Fall geht allerdings auch die Klägerin - im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem Senat - davon aus, dass eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Denn sie hat auf die Anhörung zwar erklärt, mit einer Entscheidung nach § 130 a VwGO nicht einverstanden zu sein, gleichzeitig aber ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Darüber hinaus sind in ihrer Stellungnahme zur Anhörung - wie nachfolgend auszuführen sein wird - keine Umstände hervorgetreten, die an der Einschätzung der fehlenden Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung etwas ändern würden.
Die Berufung ist zulässig und insbesondere nach ihrer Zulassung durch den Senat formell ordnungsgemäß erhoben worden. Die Beklagte als Berufungsführerin hat sich für die Begründung der Berufung auf den angefochtenen Bescheid, ihren Zulassungsantrag und den Zulassungsbeschluss des Senats berufen. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Berufung durch Verweis auf umfangreiche Darlegungen im Zulassungsverfahren begründet werden kann (BVerwG, Beschl. v. 3.8.2016 - 1 B 79.16 -, juris). Es sind zwar Fälle denkbar, in welchen zusätzliche Ausführungen unerlässlich sind, etwa wenn der Zulassungsbeschluss bereits ein bestimmtes Prüfprogramm für das Berufungsverfahren vorgibt, auf das sich die Beteiligten zuvor nicht eingelassen hatten. Ein solcher Fall liegt hier indessen nicht vor; insbesondere das Vorbringen der Klägerin im Zulassungsverfahren erforderte keine ergänzenden Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung.
Die grundlegenden Fallfragen hat der Senat bereits mit Urteil vom 27. Juni 2017 (- 2 LB 91/17 -, juris) entschieden.
Soweit er darin mit folgenden Ausführungen zum Rechtsschutzbedürfnis Stellung genommen hat
„a. Allerdings scheitert sein Begehren nicht schon an einem etwaig mangelnden Rechtsschutzinteresse. Gegenstand des Rechtsstreits ist die begehrte „Aufstockung“ des Schutzstatus vom gewährten subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) auf Flüchtlingsschutz (§ 3 AsylG). Diese beiden Statusvarianten, die zusammen die Bandbreite möglichen „internationalen Schutzes“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ausmachen, unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen im Gegensatz zu früher nicht mehr so signifikant (vgl. im Detail zu den verbliebenen Statusunterschieden: Ellerbrok/Hartmann, NVwZ 2017, 522, 526; Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 6. Aufl. § 5 C Rnr. 31 ff). Sie ergänzen sich gegenseitig insoweit, als der Flüchtlingsstatus individuelle Verfolgung, der subsidiäre Schutzstatus hingegen andere drohende ernsthafte Schäden zur Voraussetzung hat, wie sie z.B. aus einer Bürgerkriegssituation resultieren können. Die Anwendungsbereiche der fraglichen Regelungen haben unter diesen Umständen eine gemeinsame Schnittmenge, überlappen sich also; der subsidiäre Schutz ist hiernach nicht als geringwertige Schutzstufe gegenüber einer „Teilmenge“ von Personen mit Flüchtlingsstatus ausgeprägt, sondern steht gleichrangig neben dem Flüchtlingsstatus. Die verbreitete, möglicherweise schon durch die Benennung geförderte Auffassung, subsidiärer Schutz sei eine „mindere“ Schutzform, geht deshalb fehl. Gleichwohl führen die nach wie vor bestehenden Unterschiede (z. B. in der zeitlichen Befristung des Aufenthaltsrechts, § 26 Abs. 1 AufenthG, in den Vorgaben einerseits für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, § 26 Abs. 3 und 4 AufenthG, andererseits für den Familiennachzug, § 104 Abs. 13 AufenthG, in der Frage nach den Voraussetzungen eines Widerrufs der Rechtsstellung, dazu näher Ellerbrok/Hartmann, aaO. unter IV; vgl. auch die zumindest teilweise noch unterschiedlichen Formulierungen in Art. 24, 25 und 29 der RL 2011/95/EU bzw. in Art. 26, 27 und 34 des Entwurfs einer die Richtlinie ersetzenden Anerkennungsverordnung, abgedruckt in BR-DRS 499/16) zur Bejahung eines Rechtsschutzinteresses an der Aufstockungsklage.“
stellt sich die Frage nach dem Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses in Fällen der vorliegenden Art noch verschärft. In einer Vielzahl von hier anhängigen Verfahren hat die Klägerseite unter Berufung auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim 27. Februar 2017 (A 11 S 485/17 -, juris) jeweils geltend gemacht, die jeweilige Klägerin könne bereits als alleinstehende Frau Flüchtlingsschutz für sich beanspruchen. Die regelmäßig nur pauschal und stichwortartige Geltendmachung des „Alleinstehens“ wirft dann allerdings die Frage auf, welche noch nachzugsberechtigten Familienangehörigen in Syrien verblieben sind, für deren Nachzug die gewünschte Statusänderung benötigt würde. Ohne eine entsprechende Darlegung entfällt der gewichtigste Unterschied zwischen subsidiärem und Flüchtlingsschutz, der für eine Aufstockung sprechen könnte. Die verbleibenden Statusunterschiede wären insbesondere dann nur noch marginal, wenn eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 26 Abs. 1 Satz 3 AufenthG bereits erfolgt ist. Mit anderen Worten verfügt eine Klägerin angesichts einer nur pauschalen Behauptung, alleinstehend zu sein, regelmäßig bereits über einen auskömmlichen Schutzstatus; warum dann noch der Klageweg beschritten und die Ressourcen der Justiz in Anspruch genommen werden, ist unter solchen Umständen aus praktischer Sicht nicht nachvollziehbar.
Ob dies zu einer Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses führen kann, kann aber offen bleiben, weil die Klägerin - wie nachfolgend auszuführen ist - tatsächlich nicht alleinstehend ist.
Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Die Ablehnung der Zuerkennung im angegriffenen Bescheid ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Zur Begründung nimmt der Senat zunächst auf sein Urteil vom 27. Juni 2017 (- 2 LB 91/17 -, juris) Bezug, in dem er - soweit hier von Interesse - ausgeführt hat:
„b. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft kann der Kläger nicht mit Erfolg begehren.
Unbestritten herrscht in großen Teilen Syriens ein „Bürgerkrieg“ (bewaffneter Konflikt). Daran beteiligt sind eskalierend seit 2011 neben einer sehr großen Anzahl kleinerer Gruppierungen nach derzeitigem Erkenntnisstand sechs größere Machtblöcke: der syrische Staat mit verschiedenen z.T. selbständig agierenden regierungsfreundlichen Milizen, eine salafistische Rebellenfront, die sog. „Nusra-Front", soweit erkennbar ein Al Qaida Ableger, der IS (Al-Dalla al-Islamiyya oder auch Daish), die Rebellenallianz der „Freien syrischen Armee“ (FSA), die allerdings zwischenzeitlich an Bedeutung verloren haben soll, sowie die Volksverteidigungseinheiten der kurdischen Partiya Yekitiya Demokrat (Partei der demokratischen Union, PYD). Diese Akteure stehen wieder in Allianzen mit anderen kleineren Verbänden. Die „Frontlinien“ sind nicht scharf abtrennbar, jede Gruppe verfolgt ihre eigenen Interessen, die sich teilweise mit denen anderer Gruppierungen überlappen können (vgl. Gerlach, „Was geschieht in Syrien“, Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte, 8/2016 S. 6 ff.).
Bürgerkriege sind nach aller geschichtlichen Erfahrung vielfach nicht weniger schrecklich als eine politische Verfolgung durch „gesetzte“ politische Systeme. Sie sind häufig gerade durch ein gegenseitiges „Zerfleischen“ von Bevölkerungsgruppen mit sich voneinander unterscheidenden Merkmalen geprägt. Der UNHCR (Relevante Herkunftslandinformationen zur Unterstützung der Anwendung des UNHCR - Länderleitfaden für Syrien; Feb. 2017, Deutsche Version April 2017, im Folg. UNHCR 4/2017) spricht u.a. davon, dass „Regierungskräfte und Isis … weiterhin Verbrechen gegen die Menschlichkeit (begehen). Es werden hemmungslose Kriegsverbrechen begangen“ (vgl. Fußn. 102). Letztlich unterscheidet sich die Mentalität der an den Konflikten beteiligten Gruppierungen kaum. Hinzu kommt, dass es eine homogene bürgerliche Zivilgesellschaft und ein Verständnis von Staat als Solidaritätsgemeinschaft im arabischen Raum eher nicht gibt. Im Vordergrund steht seit jeher der Zusammenhalt über den Clan/den Stamm. Besonders riskant ist diese Situation jeweils für diejenigen, die in ihrem Aufenthaltsbereich von Bevölkerungsgruppen mit anderen Merkmalen dominiert werden, und für diejenigen, die ohnehin im Verhältnis zu ihren Mitbürgern „schwach“ sind. Hinzu kommt, dass die Eingruppierung als Täter bzw. als Opfer in einer solchen Bürgerkriegssituation schwankend sein kann, je nachdem, in welchem Umfeld sich der Betreffende gerade behaupten muss. Zudem unterliegen die örtlichen Grenzverläufe einem ständigen Wandel (AA v. 2.1.2017 an VG Düsseldorf, Az.508-9-516.80/48808, DOI v. 22.2.2017 an VGH BW, v. 2.1.2017 an Hess. VGH). Dieser Situation trägt § 4 Abs. 1 AsylG Rechnung, wonach u.a. bei einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts sowie bei unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung „subsidiärer Schutz“ - wie im Falle des Klägers auch geschehen - zu gewähren ist.
Ein Flüchtling iSd. § 3 AsylG ist der Kläger dagegen nicht.
Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Verfolgungsgründen) außerhalb des Landes (Herkunftslands) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
Gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG gelten Handlungen als Verfolgung iSd. § 3 Abs. 1 AsylG, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Gemäß § 3c Nr. 1 und 2 AsylG sind Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, u. a. der Staat oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen.
Zwischen den Verfolgungsgründen und Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG). Dabei ist unerheblich, ob der Ausländer tatsächlich z.B. die religiösen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger nur zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG). Für den Bereich des Asylrechts hat das Bundesverfassungsgericht diese Verknüpfung von Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund dahingehend konkretisiert, dass es für eine politische Verfolgung ausreiche, wenn der Ausländer der Gegenseite oder dem persönlichen Umfeld einer anderen Person zugerechnet wird, die ihrerseits Objekt politischer Verfolgung ist. Unerheblich ist dabei, ob der Betreffende aufgrund der ihm zugeschriebenen Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung (überhaupt) tätig geworden ist (BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 22.11.1996 - 2 BvR 1753/96 -, juris, Rnr. 5; BVerwG, Beschl. v. 27.4.2017 - 1 B 63.17, 1 PKH 23.17 -, juris). Maßgebend ist im Sinne einer objektiven Gerichtetheit die Zielrichtung, die der Maßnahme unter den jeweiligen Umständen ihrem Charakter nach zukommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.1.2009 - 10 C 52.07 -, BVerwGE 133, 55, Rnr. 22, 24, Marx, AsylG, 2017, § 3a Rnr. 50 ff.).
Eine „begründete Furcht“ vor Verfolgung (vgl. auch Art. 1 GFK, Art. 2 RL 2011/95/EU) liegt vor, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d. h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67, Rnr. 19). Der danach maßgebliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Zu bewerten ist letztlich, ob aus Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Schutzsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in das Herkunftsland als unzumutbar erscheint; insoweit geht es also um die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr des Schutzsuchenden in seinen Heimatstaat (BVerwG, Urt. v. 6.3.1990 - 9 C 14.89 -, juris). Dabei entspricht die zunächst zum nationalen Recht entwickelte Rechtsdogmatik zur Frage der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ auch dem neueren europäischen Recht (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 -, BVerwGE 140, 22 = NVwZ 2011, 349; Berlit, ZAR 2017, 110, 117). Soweit zur Verdeutlichung des Prognosemaßstabs verschiedentlich unmittelbar auf die Formulierung „real risk“ in der englischen Sprachfassung z.B. von Art. 4 Nr. 4 und Art. 5 der RL 2011/95/EU hingewiesen worden ist, erbringt dies keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn. Die fraglichen Regelungen betreffen den „internationalen Schutz“, nicht aber speziell den Flüchtlingsschutz. Sie verwenden jeweils nebeneinander die Topoi der „well-founded fear of persecution“ und des „real risks of suffering serious harm“. Ersteres bezieht sich ersichtlich auf Verfolgung, mithin den Flüchtlingsschutz, während die Thematik des „ernsthaften Schadens“ im Sinne des § 4 AsylG die zweitgenannte Formel abbildet; die jeweiligen Formulierungen finden sich in gleicher Weise in Art. 10 und 16 wieder. Die Frage des Bestehens eines „real risks“ gibt - wenn sie auch für die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von Bedeutung gewesen ist (vgl. Urt. v. 1.3.2012 - 10 C 7.11 -, juris; vgl. auch Berlit, ZAR 2017, 110, 113 f., 120) - deshalb für den Anspruch auf Anerkennung von Flüchtlingsschutz nichts Zusätzliches her. Dass ein „real risk“ besteht, hat die Beklagte bereits mit der Anerkennung subsidiären Schutzes zugunsten der Klägerseite bejaht und daran die zutreffende Rechtsfolge geknüpft.
Bei der Bewertung, ob die im Einzelfall festgestellten Umstände eine die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz nach § 3 AsylG rechtfertigende Verfolgungsgefahr begründen, ist zwischen der Frage, ob dem Ausländer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungshandlung gemäß den §§ 3 Abs. 1, 3a AsylG droht, und der Frage einer ebenfalls beachtlich wahrscheinlichen Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund zu unterscheiden.
Beim Flüchtlingsschutz gilt für die Verfolgungsprognose ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Das gilt unabhängig von der Frage, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Die Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU, nicht (mehr) durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Nach dieser Vorschrift besteht eine tatsächliche Vermutung, dass sich eine frühere Verfolgung bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen wird. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung entkräften (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.6.2011 - 10 C 25.10 -, BVerwGE 140, 22, Rnr. 21 f.; vgl. z. Vorstehenden auch OVG NW v. 4.5.2017 Rnr. 15 ff., OVG d. Saarlandes, Urt. v. 11.3.2017 – 2 A 215/17 –, Rnr. 19 f, juris; Berlit, ZAR 2017, 110 ff.)
Hinsichtlich der Anforderungen an den Klägervortrag muss unterschieden werden zwischen den in die eigene Sphäre des Asylsuchenden (bzw. hier: des um Flüchtlingsschutz Nachsuchenden) fallenden Ereignissen, insbesondere seiner persönlichen Erlebnisse, und den in den allgemeinen Verhältnissen seines Herkunftslandes liegenden Umständen, die seine Furcht vor Verfolgung rechtfertigen sollen.
Lediglich in Bezug auf erstere muss er eine Schilderung geben, die geeignet ist, seinen Anspruch lückenlos zu tragen. Dabei ist die besondere Beweisnot des nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsprozessrechts mit der materiellen Beweislast beschwerten Klägers zu berücksichtigen, dem häufig die üblichen Beweismittel fehlen. Insbesondere können in der Regel unmittelbare Beweise im Verfolgerland nicht erhoben werden. Daher kann den eigenen Erklärungen des Klägers größere Bedeutung beizumessen sein, als dies meist sonst in der Prozesspraxis bei Bekundungen einer Partei der Fall ist. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen des Klägers und dessen Würdigung gesteigerte Bedeutung zu. Zur Anerkennung kann schon allein sein Tatsachenvortrag führen, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne "glaubhaft" sind, dass sich das Tatsachengericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann. Dem Klagebegehren darf jedenfalls nicht mit der Begründung der Erfolg versagt werden, dass neben der Einlassung des Schutzsuchenden keine Beweismittel zur Verfügung stehen. Der Richter ist aus Rechtsgründen schon allgemein nicht daran gehindert, eine Parteibehauptung ohne Beweisaufnahme als wahr anzusehen; das gilt für Asylverfahren (bzw. wie hier in Verfahren auf Flüchtlingsanerkennung) mit seinen typischen Schwierigkeiten, für das individuelle Schicksal des Antragstellers auf andere Beweismittel zurückzugreifen, in besonderem Maße. Einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO wird der Richter hierdurch jedoch nicht enthoben. Das Fehlen von Beweismitteln mag die Meinungsbildung des Tatsachengerichts erschweren, entbindet es aber nicht davon, sich eine feste Überzeugung vom Vorhandensein des entscheidungserheblichen Sachverhalts zu bilden. Dies muss – wenn nicht anders möglich – in der Weise geschehen, dass sich der Richter schlüssig wird, ob er dem Kläger glaubt (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1981 - 9 C 251.81 -, juris, v. 22. 3.1983 – 9 C 68/81 –, Rnr. 5, juris, v. 16. 4. 1985 – 9 C 109/84 –, BVerwGE 71, 180, juris, mwN.; OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris Rnr. 32; Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2 Aufl. S. 289).
Hinsichtlich der allgemeinen politischen Verhältnisse im Herkunftsland - hier insbesondere zu den Bedingungen einer Rückkehr über den Flughafen Damaskus, ggfls. auch den Flughafen in Latakia (vgl. SFH v. 21.3.2017, Rückkehr) - reicht es hingegen wegen seiner zumeist auf einen engeren Lebenskreis beschränkten Erfahrungen und Kenntnisse aus, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, aus denen sich - ihre Wahrheit unterstellt - hinreichende Anhaltspunkte für eine nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung für den Fall einer Rückkehr in das Herkunftsland ergeben (BVerwG, Urt. v. 4.11.1981 - 9 C 251/81 -, juris, v. 22.3.1983 - 9 C 68.81 -, juris; Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl. S. 288 ff.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: 3/2017, B 1 Rnr. 255). Hier ist es Aufgabe der Beklagten und der Gerichte, unter vollständiger Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen, die Gegebenheiten im Herkunftsstaat aufzuklären und darauf aufbauend eine in besonderem Maße von Rationalität und Plausibilität getragene Prognose zu treffen (Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, aaO, S. 295 f.).
Da in „Asylverfahren“ (hier richtiger: Verfahren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft) in der Regel keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse zu dem betreffenden Herkunftsland vorliegen, sind die Gerichte darauf angewiesen, sich durch eine Vielzahl unterschiedlicher Erkenntnisse gleichsam mosaikartig ein Bild zu machen. Bei der Beurteilung der zahlreichen vorliegenden Berichte auf ihre Verwertbarkeit und Verlässlichkeit ist dabei stets das „gewachsene Wissen um Erkenntnisungenauigkeit und -verzerrungen“ (Berlit, NVwZ 2017, 119 [BVerwG 09.02.2017 - BVerwG 7 A 2.15 (7 A 14.12)]) zu berücksichtigen (vgl. auch Gerlach/Metzger: „Wie unser Bild vom Krieg entsteht“ Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte 8/2013 S. 3). Das gilt umso mehr, wenn - was in Bezug auf Syrien nicht (mehr) in Frage steht - der „Bürgerkrieg“ auch von außen über (Groß)Mächte wie z.B. Russland, Türkei, Iran, Saudi-Arabien, USA mit im Einzelnen wiederum unterschiedlichen Interessenlagen „gesteuert“ wird (vgl. Gerlach, „Was in Syrien geschieht“, Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte 8/2016, S. 7, generell zu den Interessenlagen in Syrien: Asseburg: „Ziviler Protest, Aufstand, Bürgerkrieg und Zukunftsaussichten“ sowie Jaeger/Tophoven „Internationale Akteure, Interessen, Konfliktlinien“, jeweils Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte 8/2013,S.11, 23; Geranmayeh/Liik, “Echte Partner oder arrangierte Ehe?“, IP <Internationale Presse> v. 1.1.2017 S. 84, abgerufen über Internet am 11.6.2017). Bei der Erhebung und Bewertung von Fakten über die Verhältnisse in Syrien ist daher mit vielfältigen - innersyrischen wie internationalen - Bestrebungen zu rechnen, im jeweiligen Eigeninteresse die Wahrheit zu verfälschen und die Gegenseite in ein schlechtes Licht zu setzen. Dies ist bei der Auswertung jeglicher Erkenntnismittel zu bedenken. Gerade die sehr unterschiedliche Rechtsprechung zu Syrien weist - trotz der Vielzahl der nahezu allen Gerichten übereinstimmend vorliegenden Auskünfte und Stellungnahmen - auf eine letztlich unklare Auskunftslage hin. So ist es z.B. bislang nicht einmal möglich, die Verantwortlichkeit für Giftgaseinsätze zweifelsfrei zu klären und erweist sich z.B. die Berichterstattung über die Stadt Aleppo in einzelnen Erkenntnismitteln zumindest irritierend, weil nicht deutlich zwischen den Geschehnissen in Ost- und West-Aleppo differenziert wird (vgl. zu Aleppo: Schweizer Rundfunk und Fernsehen <SRF> v. 6.9.2016, Das kriegszerstörte Aleppo zwischen Elend und Luxus). Da wegen des im Hinblick auf die eskalierende Lage seit langem gewährten subsidiären Schutzes Abschiebungen seit Jahren nicht mehr erfolgen, hat die Prognose, ob bei Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung iSd. § 3 AsylG droht, - wie oben dargelegt - aufgrund einer wertenden Gesamtschau aller Umstände unter Beachtung von Rationalität und Plausibilität zu erfolgen.
Führt dies für sich genommen zu keinem für den Schutzsuchenden günstigen Ergebnis, verbleibt es bei allgemeinen Beweislastregeln. Allgemein gilt, dass die humanitäre Schutzrichtung des Asyl- und Flüchtlingsrechts weder eine Umkehr der objektiven Beweislast noch eine Folgenabwägung im Sinne eines „better safe than sorry“ gebietet (vgl. hierzu Ellerbrok/Hartmann, NVwZ 2017, 522, 523). Das gilt erst recht, wenn es - wie vorliegend - allein um die genaue Ausprägung des Schutzstatusses, nicht aber um das Ob der Schutzgewährung geht. Eine denkbare gerichtliche Fehlbeurteilung bei der Frage der Einstufung oder der Aufstockung birgt kein persönliches Risiko für den Schutzsuchenden, weil er infolge des zuerkannten subsidiären Schutzes ohnehin nachhaltigen Schutz genießt und nicht einmal hypothetisch in Gefahr ist, in sein Heimatland zurückkehren zu müssen; erst Recht ist unter diesen Umständen nicht von einem wirklichen „real risk“ für „Aufstocker“ auszugehen. Die hypothetische Rückkehr ist in diesem Zusammenhang nichts mehr als ein Gedankenspiel, das der Sicherstellung eines einheitlichen Prüfungsmaßstabs geschuldet ist, aber keiner realen Gefährdung korrespondiert. Gefahrenperpetuierende Auswirkungen kann eine fehlerhafte Verneinung einer politischen Verfolgung allerdings für Angehörige des Schutzsuchenden haben, die befristet von einem Nachzug ausgeschlossen sind; das kann aber wiederum rechtlich nicht in Ansatz gebracht werden, weil Schutzansprüche asyl- und flüchtlingsrechtlich seit jeher nur denjenigen zuerkannt wurden, die das zum Schutz aufgeforderte Land bereits erreicht haben (vgl. EuGH, Urt. v. 7.3.2017 - C-638/16 PPU -, NJW 2017, 1293 und NVwZ 2017, 611 ).
Unbeschadet dessen haben hier bei einer zusammenfassenden Bewertung der Umstände ohnehin die gegen eine Verfolgungsgefahr iSd. § 3 AsylG sprechenden Umstände größeres Gewicht als die dafür sprechenden Gründe.
aa. …
bb. Auch aus den Ereignissen, die nach Verlassen Syriens eingetreten sind, folgt keine begründete Furcht vor Verfolgung.
(1) Das gilt zunächst, soweit es um die illegale Ausreise und/oder die Asylantragstellung und/oder den längeren Aufenthalt im westlichen Ausland, aber auch soweit es um die Religionszugehörigkeit oder den Herkunftsort geht (ebenso mit im einzelnen verschiedenen Schwerpunkten: OVG Schleswig, Urt. v. 23.11.2016 - 3 LB 17/16 -, VGH München, Urt. v. 12.12.2016 - 21 B 16.30371 -, OVG Koblenz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16.OVG. -, OVG d. Saarl., Urt. v. 2.2.2017 - 2 A 515/16 -, v. 18.5.2017 - 2 A 176/17 -, OVG NW, Urt. v. 21.2.2017 - 14 A 2316/16.A -, alle juris, aA. OVG Sachsen-Anh., Urt. v. 18.7.2012 - 3 L 147/12-, vgl. nunmehr aber Beschl. v. 29.3.2017 - 3 L 249/16 -, jeweils juris, wonach aufgrund geänderter Tatsachen die damalige Entscheidung als überholt anzusehen ist, VGH Bad.-Württb., Beschl. v.19.6.2013 - A 11 S 927/13 -, (die nachfolgenden Entscheidungen vom 14.6.2017 - A 11 S 511/17 - u. v. 2.5.2017 - A 11 S 562/17 -, jeweils juris betreffen nur den Wehrdienst), offen gelassen: Hess. VGH, Urt. v. 6.6.2017 - 3 A 3040/16 -, juris).
(a) Dass Rückkehrer (gegenwärtig nur aus dem arabischen Raum, zu dem noch Flugverbindungen bestehen) am Flughafen von Damaskus, ggfls. Latakia intensiven Kontrollen ausgesetzt werden und dass Personen, bei denen der Verdacht auf besondere oppositionelle Aktivitäten besteht (oder die für die Ableistung des Kriegsdienstes gesucht werden, vgl. dazu unten), den Flughafen nicht wie beabsichtigt wieder verlassen können, wird allgemein angenommen und dürfte hinreichend gesichert sein. Es ist aber zweifelhaft, ob unter den genannten Aspekten bei Rückkehr nach Syrien eine (Verfolgungs-)Handlung iSd. § 3a AsylG - hier: Befragung mit der konkreten Gefahr einer Verhaftung und/oder einer schwerwiegenden Misshandlung bis hin zur Folter und willkürlichen Tötung - beachtlich wahrscheinlich droht (die Gefahr einer Verfolgungshandlung mit beachtlichen Gründen verneinend: OVG NW, Urt. v. 21.2.2017 - 14 A 2316/16, juris, Rnr. 35-44, zweifelnd, aber offenlassend: OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016, aaO., Rnr. 48 ff., OVG d. Saarl., Urt. v. 2.2.2017 - 2 A 515/16 -, v. 11.3.2017 - 2 A 215/27 -, jeweils juris). Zweifel ergeben sich angesichts der ständig gestiegenen Zahl der in den letzten Jahren aus Syrien Geflohenen (Ende 2011: 19.900; Ende 2012: rund 728.000; Ende 2015: rund 4.800.000, <zitiert nach OVG NW, Urt. v. 21.2.2017, aaO., Rnr. 61>, also rd. ein Viertel der Bevölkerung von rd. 22 Mio., davon ca. 1 Mio. in die EU-Länder, davon wiederum nach der Statistik des Bundesamtes ca. 600.000 in dem Zeitraum 2013 - 2016 einschl. in das Bundesgebiet). Angesichts dieser Zahlen kann bei realitätsnaher Betrachtung nicht von einem bei jedem Rückkehrer bestehenden in gleicher Weise realen Risiko von Inhaftierung, Misshandlung oder Folter ausgegangen werden; denn auch dem syrischen Regime muss sich bei der großen, sich ständig steigernden Zahl der Flüchtlinge aufdrängen, dass es sich weit überwiegend um Bürgerkriegsflüchtlinge handelt. Bei der Betrachtung der Rückkehrfälle ist zudem an den o.a. Prognosemaßstab anzuknüpfen, der auf eine hypothetische Rückkehr abstellt. Es wäre daher nicht systemgerecht und verfehlt, nur die Rückkehr einzelner Kläger oder kleinerer Gruppen zu unterstellen; denn es befinden sich nahezu alle subsidiär schutzberechtigten Syrer in der gleichen Lage, so dass deshalb die Rückkehr aller auf diese Weise Betroffenen in die Hypothese einfließen müsste. Die Betreffenden wären also Teil einer Rückkehrwelle von beträchtlicher Größe.
Auch der aktuellen Stellungnahme des UNHCR 4/2017 - da in der genannten Zusammenstellung des UNHCR ein großer Teil des Materials verarbeitet ist, das bisher schon Gerichtsentscheidungen als Erkenntnismittel zugrunde gelegen hat, geht der Senat auf die verschiedenen älteren Berichte nur noch in wenigen Punkten ein - lassen sich derartige (Verfolgungs)Handlungen nicht mit der gebotenen Deutlichkeit entnehmen.
UNHCR 4/2017 weist vielmehr darauf hin, dass „kaum konkrete Informationen über die Behandlung von Rückkehrern nach Syrien vorliegen (S. 5). Anzumerken ist, dass in der 4. aktualisierten Fassung der „UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen“, die Gruppe der im Ausland um Asyl nachsuchenden Personen (noch) nicht als eigenständige Risikogruppe benannt worden war.
Dem Auswärtigen Amt liegen ebenfalls keine Erkenntnisse darüber vor, dass unverfolgt Ausgereiste nach Rückkehr systematisch befragt werden (AA v. 2.1.2017 an VG Düsseldorf, 508-9-516/8048840, v. 7.11.2016 an das OVG S-H). Im Gegenteil sind dem Auswärtigen Amt vielmehr Fälle bekannt, in denen syrische Staatsangehörige nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus dem Bundesgebiet für mehrere Monate nach Syrien zurückgekehrt sind (AA v. 2.1.2017 an VG Düsseldorf Az. 508-9-516.80/48840). Die zudem vielfach beobachtete Land-Einreise über die Staatsgrenzen (u.a. aus Jordanien, Irak, Türkei) lässt zwar keine zwingenden Rückschlüsse auf die Umstände einer Einreise über den für Rückkehrer derzeit vor allem in Betracht zu ziehenden Flughafen Damaskus, ggfls. auch den Flughafen Latakia (vgl. SFH v. 21.3.2017, Rückkehr) zu, stellt aber ein Indiz dafür dar, dass die Rückkehrer selbst nicht umfängliche Verhöre und Folter befürchten. So sollen im August 2015 mehrere tausend Personen über die syrisch-jordanische Grenze zurückgekehrt sein und im Juli 2015 rd. 2300 aus dem Irak (vgl. SFH 21.3.2017: Syrien, Rückkehr, DOI v. 22.2.2017 an VGH Bad.- Württb., DOI v. 1.2.2017 an Hess. VGH).
Kurz vor der mündlichen Verhandlung war bereits berichtet worden, dass nach UN-Angaben immer mehr Menschen in die vom Krieg teilweise völlig zerstörten Stadtviertel von Ost-Aleppo zurückkehrten; mehr als 200.000 Menschen hätten sich bereits registriert (WELT-Newsticker vom 25.6.2017, nicht in der Erkenntnismittelliste). Wenige Tage später hat der UNHCR ebenfalls unter Erwähnung von Aleppo und anderen Orten verlautbart (UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: UNHCR seeing significant returns of internally displaced amid Syria's continuing conflict, 30. Juni 2017, nicht in der Erkenntnismittelliste), dass mehr als 440.000 „Binnenvertriebene“ zu ihrem Zuhause zurückgekehrt seien und mehr als 31.000 Flüchtlinge aus benachbarten Ländern. Seit 2015 sollen danach etwa 260.000 Flüchtlinge zurückgekehrt sein. Daraus folgt zwar nicht, dass zuträgliche Verhältnisse eingekehrt sind; das Hauptmotiv für die Rückkehr wird vielmehr die Sorge um Familienangehörige und um das zurückgelassene Hab und Gut gewesen sein. Gleichwohl fällt auf, dass diese Entwicklung in starkem Kontrast zu Lageschilderungen in gängigen Erkenntnismitteln, aber auch solchen Lageschilderungen steht, wie sie der Senat am gleichen Tage in einer anderen mündlichen Verhandlung erlebt hat. Das hat der Senat bei seiner Entscheidung zwar nicht berücksichtigt, erhellt aber gleichwohl die bereits oben beschriebenen besonderen Schwierigkeiten der „Wissensgenerierung im Verwaltungsprozess“ (vgl. dazu Guckelberger, DVBl. 2017, 222 und VerwArch 2017, 143“) für den Bereich des Asyl- und Flüchtlingsrechts.
Soweit Erkenntnismittel auf die große Anzahl verschwundener und in der Regel unter Misshandlungen getöteter Syrer verweisen (z.B. AA, Ad hoc-Bericht v. 17.2.2012 erwähnt eine präzedenzlose Verhaftungswelle anlässlich der Protestbewegung von März 2011, Menschenrechtler hätten die Zahl der Verschwundenen und Verhafteten damals auf rd. 40.000 geschätzt, die syrische Plattform Violations Documentation Centre, VDC, habe damals namentlich ca. 19.400 Haftfälle belegt, soweit Menschenrechtsverteidiger darüber hinaus von rd. 20.000 Verschwundenen ausgegangen seien, sei diese Zahl nicht verifizierbar gewesen; die Recherchen von AI ergaben zwischen März 2011 und August 2015 rd. 58.000 verschwundene Zivilisten <v. 11/2015 „Between Prison and Grave“> sowie ca. 17.700 in der Haft zwischen März 2011 und Dezember 2015 Getöteten <v. 8/2016 „It breaks the human“, v. 2/2017 „Human Slaughterhouse“>), lässt sich den Erkenntnissen nicht entnehmen, dass darunter in nennenswerter Zahl auch rückkehrende Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem westlichen Ausland waren.
Bei der Beurteilung der beachtlichen Wahrscheinlichkeit von Verfolgungshandlungen kann zudem nicht außer Betracht bleiben, dass die (hypothetisch) aus dem westlichen Ausland Rückkehrenden zu einem großen Teil namentlich bekannt sein und unter Beobachtung der rückführenden Staaten und/oder humanitärer Organisationen stehen werden, was für das auf seine Reputation bedachte syrische Regime Anlass für ein mäßigendes Verhalten sein dürfte und daher ebenfalls gegen die Gefahr einer Verfolgungshandlung spricht.
(b) Selbst wenn man die beachtliche Wahrscheinlichkeit von Handlungen iSd. § 3a AsylG bei Rückkehr bejahte, fehlt es für die Annahme politischer Verfolgung an der nach § 3a Abs. 3 AsylG erforderlichen Verknüpfung mit einem Verfolgungsgrund iSd §§ 3 Abs. 1, 3b AsylG.
(aa) Der Senat kann nach Auswertung der Erkenntnismittel keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür erkennen, dass der syrische Staat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Rückkehrer wegen ihrer illegalen Ausreise und/oder der Asylantragstellung und/oder dem längeren Aufenthalt im westlichen Ausland eine abweichende politische Gesinnung zuschreiben wird. Vielmehr ist auch an diesem Prüfungspunkt darauf hinzuweisen, dass dem syrischen Staat gegenwärtig sein muss, dass es sich angesichts der großen Vielzahl der Flüchtenden mehrheitlich nicht um Oppositionelle, sondern um „schlichte“ Bürgerkriegsflüchtlinge handelt, die gerade den militärischen Konflikten in ihrem Heimatland ausweichen wollten.
Der vom UNHCR 4/2017 gezogenen Folgerung, sein Bericht belege eine politische Verfolgung durch staatliche Kräfte bei Rückkehr nach Syrien (vgl. S. 30 unter 5. mit Fußn. 146), vermag der Senat nicht zu folgen. Belastbare Erkenntnisse, dass die syrischen Sicherheitsbehörden dem Grunde nach diesen Rückkehrern eine oppositionelle Haltung zuschreiben, sind dem Bericht nicht zu entnehmen. Zum einen beruhen die vom UNHCR 4/2017 wiedergegebenen - teilweise lediglich telefonisch (vgl. hierzu IRB Canada v. 19.1.2016) erfolgten - Einschätzungen nur auf Berichten/ Wertungen einzelner Personen und dabei wiederum vor allem auf „Hörensagen“, nicht aber auf zurechenbaren Äußerungen von Personen, die aus eigener Erfahrung Mitteilung über verschiedene Einzelfälle machen können; Einzelschicksale sind danach nicht nachprüfbar. So wird - unter Hinweis auf das Immigration and Refugee Board of Canada (IRB Canada v. 19.1.2016) - eine emeritierte Professorin für Anthropologie und erzwungener Migration an der Oxford Universität, vormals Leiterin des Refugee Studies Centre in Oxford erwähnt, die ihre Einschätzung wiedergibt, aber keine konkreten Fälle benennt. Auch der Executive Direktor des Syria Justice and Accountability Center benennt keine konkreten, nachprüfbaren Einzelfälle, sondern teilt seine Bewertung der Lage mit, wobei er einerseits darauf hinweist, ein rückkehrender Asylantragsteller gelte als regierungsfeindlich, was als Zuschreibung eines Verfolgungsgrundes zu bewerten wäre, andererseits aber auch ausführt, Rückkehrer würden gefoltert, weil der Staat über andere Asylbewerber/Oppositionelle Informationen gewinnen wolle - was auf ein lediglich wahllos routiniertes Zugreifen mit dem Ziel, möglicherweise verwertbaren Informationen über regimegegnerische Bestrebungen überhaupt erst zu erlangen („fischen“) weist und als solches keine auf einen Verfolgungsgrund „gerichtete“ Maßnahme darstellen würde (vgl. dazu unten). Die dritte genannte Quelle, ein Gastwissenschaftler des Kings College London, der Spezialist für Syrien sei und Sachverständigenaussagen in Asylverfahren von Syrern in Großbritannien gemacht haben soll, trägt die Folgerung des UNHCR schon deswegen nicht, weil diese Quelle lediglich erklärt hat, ein rückkehrender Asylbewerber könne festgenommen werden, dies geschehe aber nicht automatisch; einige Regierungsmitarbeiter betrachteten Rückkehrer als Regierungskritiker, andere Regierungsmitarbeiter würden dagegen anerkennen, dass es auch andere Gründe gebe, das Land zu verlassen (vgl. Fußn. 146). Hinsichtlich der weiteren Ausführungen des IRB Canada (v. 19.1.2016) hat bereits das OVG NW (Urt. v. 21.2.2016 - 14 A 2316/16 -, juris Rnr. 51 ff) festgehalten, dass der dort unter Nr. 3 geschilderten Fall eines aus Australien rückkehrenden Asylbewerbers besonders liege, weil dieser wegen des mitgeführten Geldes in den Verdacht eines Revolutionsfinanciers gekommen war (vgl. auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16.OVG Rnr. 91) und weiter zutreffend ausgeführt:
„Weitere Meldungen über Festnahmen bei Einreise (die Rede ist in der genannten Antwort von etwa 35 nach Ägypten geflohenen Palästinensern) lassen mangels Kenntnis der Einzelumstände keinen Rückschluss auf den Anlass der Festnahmen zu. Das Immigration and Refugee Board of Canada zitiert im Weiteren lediglich die Meinung eines Oxford-Professors, eines Forschers am Londoner King's College und eines Funktionärs einer Menschenrechtsorganisation (Syria Justice and Accountability Centre, vgl. die Selbstdarstellung im Internet unter https://syriaaccountability.org/about/), dass abgelehnte Asylbewerber wegen ihres Asylantrags verfolgt würden, ohne dass dafür tatsächliche Anhaltspunkte aufgezeigt würden. Daher kann dies nicht als relevante tatsächliche Erkenntnis, sondern als nicht weiter begründete Meinung gewertet werden.“
Das vom UNHCR 4/2017 weiter zitierte US Departement of State führt in seinem „Country Report on Human Rights Practices for 2015“ für Syrien (S. 34, ebenso Country Report on Human Rights Practices for 2016, S. 36) zwar aus, dass Personen, die erfolglos Asyl in anderen Ländern beantragt hätten, verfolgt worden seien, jedoch ohne Nennung konkreter Vorfälle. Zudem verweist der Bericht auf ein Gesetz, dass denjenigen mit Verfolgung bedroht, der in einem anderen Land Zuflucht sucht, um einer Strafe in Syrien zu entgehen. Auch aus dieser Fundstelle kann daher nicht die Erkenntnis gewonnen werden, dass dem Grunde nach jeder rückkehrende Asylbewerber als vermeintlicher Oppositioneller vom syrischen Staat Verfolgungshandlungen zu befürchten hat (so zutreffend OVG NW, Urt. v. 21.2.2017, aaO., Rnr 54 f).
Soweit UNHCR 4/2017 (Fußnote146) zum anderen auf Quellen aus der Zeit vor 2011 verweist, die die Gleichstellung einer illegalen Ausreise und Asylantragstellung mit einer regimefeindlichen Gesinnung belegten (vgl. dazu OVG Sachsen-Anh., Urt. v. 18.7.2012 - 3 L 147/12 -, juris; kritisch zu dieser Einschätzung Bay. VGH, Urt. v. 12.12.2016 - 21 B 16.30371 -, juris, OVG Rheinl-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris), kann auf diese Einschätzungen aus jener Zeit schon aufgrund der gravierenden Veränderung der politischen Situation und des infolgedessen - ohne die rd. 6,6 Mio. Binnenflüchtlinge (vgl. AI, Report 2016/2017, Syrien) - auf rd. 4,8 Mio. angewachsenen Flüchtlingsstroms (Ende 2011 waren es lediglich rd. 19.900, s.o.) nicht mehr zurückgegriffen werden (vgl. nunmehr auch OVG Sachsen-Anh., Beschl. v. 29.3.2017 - 3 L 249/16 -, juris).
Der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH v. 21.3.2017 Syrien: Rückkehr) sind ebenfalls keine konkreten individualisierbaren Einzelfälle zur Behandlung von Rückkehrern zu entnehmen. Die SFH verweist vielmehr ihrerseits u.a. auf das IRB Canada (v. 19.1.2016) und auf die darin erwähnten Informationen sowie auf die Stellungnahme des US Department of State (s.o.). Letztlich beziehen sich mithin eine Vielzahl von Quellen aufeinander, ohne den Erkenntnishorizont durch neue belastbare Erkenntnisse erweitern zu können.
Ein erhebliches Indiz dafür, dass Rückkehrer vom syrischen Staat nicht ohne weiteres als Regimegegner eingeschätzt werden, ergibt sich für den Senat aus der genannten Stellungnahme des IRB Canada unter Nr. 1 „Overwiew“, wonach Hunderttausende Flüchtlinge aus den Anrainerstaaten jedes Jahr nach Syrien einreisen sollen, um dort persönliche Angelegenheiten zu regeln, meistens um nach ihrem Hab und Gut zu schauen, Dokumente einzuholen oder zu erneuern oder um Familienmitgliedern und Freunden lebenswichtige Hilfe zu geben, bevor sie wieder in die benachbarten Länder zurückkehren. Eine solche umfangreiche Reisetätigkeit zeigt, dass die in die benachbarten Ländern Geflohenen trotz des (extrem) repressiven Charakters des syrischen Staates davon ausgehen, im Rahmen der Grenzübergänge zu Syrien keiner gravierenden Gefährdung ausgesetzt zu sein (vgl. auch OVG NW, Urt. 21.2.2017, aaO., Rnr. 53, Bay VGH, Urt. v. 12.12.2016, aaO, Rnr. 78).
Die Annahme, erfolglose Asylbewerber aus dem westlichen Ausland würden - im Gegensatz zu den in die Anrainerstaaten Syriens Geflüchteten - deshalb (unterschiedslos) als Oppositionelle betrachtet, weil die syrische Regierung eine von außen organisierte und finanzierte Verschwörung gegen das Land für den Ursprung des Bürgerkriegs verantwortlich mache, ist eine bloße Vermutung, die angesichts der hohen Zahl in das westliche Ausland geflüchteter und hypothetisch zurückkehrender Syrer dem Senat nicht plausibel erscheint. Mag es bei einer überschaubaren Anzahl von Flüchtlingen wie vor 2011 noch nachvollziehbar gewesen sein, dass diese vom syrischen Regime durchweg als potentielle Gegner angesehen werden könnten, kann dies nicht mehr bei den heutigen Zahlen gelten. Im Gegensatz zur damaligen Lage ist die Zahl derer, die Syrien verlassen haben, heute nicht mehr relativ gering. Zudem ist es mittlerweile nicht mehr erforderlich, eine etwaige von außen organisierte Verschwörung aufzudecken. Die Beteiligung zahlreicher anderer (Groß-)Mächte an den Auseinandersetzungen, die jeweils eigene unterschiedliche Ziele verfolgen, steht vielmehr fest (vgl. oben).
Den Verfassungsschutzberichten (zitiert bei OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris Rnr. 121) lässt sich eine systematische Beobachtung aller mittlerweile im Bundesgebiet lebenden Syrer ebenfalls nicht entnehmen. Ihre Beobachtung gilt in erster Linie oppositionellen Tätigkeiten. Eine umfassende Beobachtung wäre angesichts der großen Zahl hier aufhältiger Personen aus Syrien schon faktisch ausgeschlossen (vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 - juris, Rnr. 121).
Die generell nicht auszuschließende Anwendung von Misshandlung oder Folter bei Rückkehr stellt als solche schließlich kein wesentliches Indiz für eine politische Motiviertheit der Verfolgung dar; denn es ist zu bedenken, dass dieses Verhalten nicht erst anlässlich der aktuellen bürgerkriegsähnlichen Situation seit 2011 entstanden ist, sondern in Syrien die Sicherheitsdienste aufgrund des seit 1963 bestehenden Ausnahmezustandes in der Praxis immer schon weder parlamentarischen noch gerichtlichen Kontrollmechanismen unterworfen und auch in der Vergangenheit verantwortlich für willkürliche Verhaftungen, Folter und Isolationshaft waren. Polizei, Justizvollzugsorgane und Sicherheitsdienste hatten schon in der Vergangenheit systematisch Gewalt angewandt, ohne dass die Möglichkeit effektiver strafrechtlicher Abwehr bestand. Schon unter Hafis al-Assad wurde jegliche Opposition brutal unterdrückt und es verschwanden Personen, so sollen seit 1980 bis 2010 rd. 17.000 Personen verschwunden sein (AA, Lagebericht v. 27.9.2010; allg. vgl. Lange „Ein historischer Überblick“, Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte, 8/2013 S. 37, 42 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 - juris, Rnr. 154; zur langjährigen Praxis von Misshandlungen und Folter vgl. auch VGH Bad.-Württb., Urt. v. 2.5.2017 - A 11 S 562/17 -, juris Rnr. 48).
Soweit Rückkehrer unter Drangsalierungen bis hin zur Folter befragt werden sollten, würde sich dies daher in Anlehnung an die Ausführungen des OVG Rheinland-Pfalz auch nach Auffassung des Senats um ein willkürliches, von keiner irgendwie gearteten Gerichtetheit bestimmtes Verhalten der in rechtsfreien Räumen agierenden verschiedenen Sicherheitskräfte handeln, möglicherweise auch um ein wahllos-routiniertes Fischen nach Informationen, wodurch einen konkreten Verdacht überhaupt erst begründende Hinweise gewonnen werden sollen, aufgrund derer sodann eine Zuschreibung von Verfolgungsgründen erfolgen könnte (vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016, aaO. Rnr. 121, vgl. auch OVG d. Saarl. v. 11.3.2017 - 2 A 215/17 -, juris).
Schon das Auswärtige Amt (Ad-hoc-Bericht v. 17.2.2012) hat auf willkürliche Verhaftungen und darauf hingewiesen, dass die Sicherheitskräfte im Zuge der Bekämpfung der Opposition von dem syrischen Regime eine „carte blanche“ erhalten hätten, jeder agiere für sich im rechtsfreien Raum.
Dieses willkürlich-wahllose Verhalten bei etwaigen Rückkehrer-Befragungen wird auch durch den UNHCR-Bericht 4/2017 selbst deutlich. So heißt es dort, dass Personen „ohne bestimmten Grund entsprechend der weit verbreiteten Willkür und des Machtmissbrauchs durch Sicherheitsbeamte inhaftiert und misshandelt“ werden (S. 6), das System sei „äußerst unvorhersehbar“, es seien „alle Personen“ einem Misshandlungsrisiko durch Grenzbehörden ausgesetzt (Fußnote 32), die einzelnen regierungstreuen Sicherheitsbereiche hätte gleichsam freie Hand erhalten, es erfolgten Übergriffe auf Einwohner Syriens, die tatsächliche oder vermeintliche regierungskritische politische Ansichten „im weitesten Sinn“ verträten, es seien „zahlreiche Protesteilnehmer, Aktivisten, Wehrdienstentzieher, Deserteure, Laienjournalisten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Ärzte und andere Personen, denen regierungsfeindliche Haltungen zugeschrieben wurden, willkürlich verhaftet worden“. Ein unterschiedsloses Vorgehen belegt auch der Hinweis, dass die International Crisis Group (ICG) den Einsatz von Luftschlägen durch die syrische Regierung als „Teil einer Strategie der verbrannten Erde und der kollektiven Bestrafung“ bezeichnet habe (S. 18).
Die SFH sprich in ihrer Stellungnahme ebenfalls von „Willkür“ (vgl. Überschrift Punkt 5.2) und weist unter Bezugnahme auf AI (Between Prison and the Grave, v. 5.11.2015) auf den „verbreiteten Opportunismus der syrischen Sicherheitsbeamten (hin), die entweder aus Profitgier oder aus persönlicher Rache Menschen verhaften und verschwinden lassen“. Der Verweis auf die Möglichkeit, sich mit Hilfe von Bestechung zu arrangieren (im Korruptionswahrnehmungsindex steht Syrien an 173. Stelle von 176 untersuchten Ländern, UNHCR Fußnote 9), bestätigt die Annahme rein willkürlichen/wahllosen Verhaltens.
Gleiches ergibt sich aus dem vom IRB (v. 19.1.2016, S. 5) zitierten OHCHR-Report 2014, der zwar zunächst verschiedene, möglicherweise noch unterscheidbare in das Blickfeld des syrischen Staates geratene Gruppierungen nennt (u.a. activists, students, humanitarian workers), letztlich aber die Bedrohung unterschiedslos ausdehnt auf „those who were in the wrong place at the wrong time“.
Erfolgen etwaige Übergriffe aber unterschiedslos, so geschehen sie letztlich wahllos, mithin ohne Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund (vgl. hierzu, BVerwG, Beschl. v. 27.4.2017 - 1 B 63.17 -, juris, vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris, OVG d. Saarl., Urt. v. 11.3.2017 - 2 A 215/17 -, juris).“
Daran hält der Senat fest; die zwischenzeitlichen Äußerungen in Rechtsprechung und Literatur geben keinen Anlass, von diesem Standpunkt abzuweichen.
Weder die inzwischen veröffentlichte Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Juni 2017 (- 3 A 3040/16.A -, juris Rdnr. 48) noch die neueren Urteile des Oberverwaltungsgerichts Saarlouis vom 22. August 2017 (- 2 A 263/17 -, juris) und des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim vom 9. August 2017 (- A 11 S 710/17 -, juris) vertreten in dem hier interessierenden Zusammenhang eine andere Auffassung als der Senat.
Soweit in der Literatur entgegen der Senatsauffassung (vgl. Urt. v. 27. Juni 2017 - 2 LB 91/17 -, Rdnr. 39) die Meinung vertreten wird, es hätte sich in jüngst vom Oberverwaltungsgericht Münster entschiedenen Fällen eine Umkehr der Beweislast angeboten („Im Zweifel zu Gunsten des Geflüchteten“), jedenfalls aber eine stärkere Berücksichtigung der typischen Beweisnot der Geflüchteten sowie der humanitären Zielsetzungen des Flüchtlingsrechts (so Putzer, NVwZ 2017, 1176 unter Bezugnahme auf VGH Mannheim, Urt. v. 2.5.2017 - A 11 S 562/17 -), gibt dies dem unzutreffenden Eindruck Vorschub, bei Abweisung der Aufstockungsklage müssten die Betroffenen in ihr Heimatland zurückkehren, während sie tatsächlich über einen bereits auskömmlichen Schutzstatus verfügen, und verliert im Übrigen die anerkannten beweisrechtlichen Rechtsgrundlagen aus den Augen. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 11. Juli 2017 (- 1 B 116.17 -) ausgeführt:
„Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage zeigt der Kläger nicht auf. Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,
"wie verfassungskonform zu entscheiden ist, wenn eine Gefährdung des Asylantragstellers bei seiner Rückkehr nach Syrien zwar letzten Endes schlüssig und belastbar nicht zu beweisen ist, aber auch nicht auszuschließen ist".
Ein revisionsgerichtlicher Klärungsbedarf hinsichtlich dieser Frage ist jedoch weder dargelegt noch ersichtlich. Die im Asylverfahren anzuwendenden Prognosemaßstäbe und Beweislastgrundsätze ergeben sich z.T. bereits aus der Richtlinie 2011/95/EU und sind jedenfalls in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 5. November 1991 - 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162 <169>; vom 1. Juni 2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22 Rn. 22 und vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 32). Danach gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit bzw. des "real risk". Vorverfolgten - zu denen der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht gehört - kommt die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU zugute. Kann nicht festgestellt werden, dass einem Asylbewerber Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, kommt eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht in Betracht. Weitergehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde mit dem bloßen Hinweis auf den grundgesetzlichen Schutz von Menschenwürde und körperlicher Unversehrtheit nicht auf.“
Der Senat sieht dies als Bestätigung der von ihm selbst vertretenen Auffassung an.
Soweit die Klägerin das angegriffene Urteil mit der Argumentation verteidigt, sie unterfalle als alleinstehende Frau einem Risikoprofil im Sinne der UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen (4. aktualisierte Fassung November 2015), folgt der Senat dem aus zwei Gründen nicht, die beide die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht erfordern:
Zunächst ist die Klägerin tatsächlich keine alleinstehende Frau. Offenbar geht sie von der unzutreffenden Annahme aus, maßgeblich für diese Eigenschaft sei ihre derzeitige reale Situation im Gastland, wo sie tatsächlich nur mit ihrem Kind zusammenlebt. Nach Sinn und Zweck der Äußerung des UNHCR ist indes darauf abzustellen, wie sich die Familienverhältnisse bei - hypothetischer - Rückkehr (ihrer selbst und von Familienangehörigen in vergleichbarer Lage) in das Heimatland darstellten. In den Akten des Bundesamtes ist der Familienstand der Klägerin verschiedentlich mit „verheiratet“ vermerkt. Bei der Anhörung vom 4. Oktober 2016 hat sie auf die Frage, ob noch Verwandte im Heimatland lebten, angegeben: „Bruder, Ehemann, Sohn, Tochter“. Unter das Risikoprofil fällt sie mithin nicht.
Darüber hinaus kann aus den genannten UNHCR-Erwägungen die von der Klägerin gewünschte Folgerung auch bei Unterstellung von „Alleinstehen“ nicht gezogen werden. Soweit in einer Vielzahl anhängiger Verfahren insoweit auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim 27. Februar 2017 (- A 11 S 485/17 -, juris) Bezug genommen wird, verhält sich dieser nur zu zulassungsrechtlichen Fragen. Es heißt dort:
„Ausgehend hiervon ist die grundsätzliche Bedeutung der Frage,
"ob die Klägerin wegen ihrer Stellung als alleinstehende Frau des Flüchtlingsschutzes nach § 3 Abs. 1 AsylG bedarf"
nicht hinreichend dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat ausgehend von seiner - mit der Grundsatzrüge insoweit an sich durchgreifend angegriffenen - Auffassung entschieden, dass bei der Klägerin individuelle gefahrerhöhende Umstände hinzuträten. Es ist nämlich auf der Grundlage der Auffassung des UNHCR in dessen "International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic" zu dem Ergebnis gelangt, dass Frauen, insbesondere ohne Schutz durch Männer, gefährdet seien. Die Klägerin gehöre als Frau einer der vom UNHCR ausdrücklich benannten besonders gefährdeten sozialen Gruppe an. Die Beklagte setzt sich mit den Erwägungen nur unzureichend auseinander, indem sie darstellt, dass sie diese Frage verneint und behauptet, dass die Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht geeignet seien, um die angenommene Notwendigkeit "eines politischen Schutzes" zu belegen. Dieses Zulassungsvorbringen ist jedenfalls deswegen vor dem Darlegungsgebot des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG unzureichend, weil das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf die Auffassung des UNHCR stützt, diese trotz mangelnder Bindungswirkung regelmäßig in Betracht zu ziehen und zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12.03.2008 - 2 BvR 378/05 -, InfAuslR 2008, 263 sowie etwa Art. 10 Abs. 3 lit b) Richtlinie 2013/32 vom 26. Juni 2013 und Art. 8 Abs. 2 Richtlinie 2011/95 vom 13. Dezember 2011) und die Beklagte außer der Aussage, dass sie die Tatsachenfrage anders bewerte und die Argumentation des Verwaltungsgerichts sie nicht überzeuge, nichts dafür aufzeigt, weshalb es zur Klärung der aufgeworfenen Grundsatzfrage einer Berufungsentscheidung bedürfte.“
Eine inhaltliche Position des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim ergibt sich hieraus nicht.
Die dort angeführten UNHCR-Erwägungen selbst sind von einer gewissen begrifflichen Unschärfe geprägt, wenn es dort (im englischen Originaltext) unter Randnummer 38 heißt: „in need of international protection in the sense of the 1951 Convention“. Der Begriff der „international protection“ findet sich in der Genfer Konvention selbst nicht. Was gemeint ist, ergibt sich aus den Randnummern 36 und 37:
“36 … UNHCR considers that most Syrians seeking international protection are likely to fulfil the requirements of the refugee definition contained in Article 1A(2) of the 1951 Convention, since they will have a well-founded fear of persecution linked to one of the Convention grounds. For many civilians who have fled Syria, the nexus to a 1951 Convention ground will lie in the direct or indirect, real or perceived association with one of the parties to the conflict.162 In order for an individual to meet the refugee criteria there is no requirement of having been individually targeted in the sense of having been “singled out” for persecution, or being at risk thereof. Syrians and habitual residents of Syria who have fled may, for example, be at risk of persecution for reason of an imputed political opinion on the basis of their perceived association with a particular party to the conflict, because of their religion, their ethnicity, or because control over the neighbourhood or village where they used to live was exercised by a particular party to the conflict. In this regard, UNHCR welcomes the increased granting of refugee status to asylum-seekers from Syria by EU Member States in 2014 and 2015, in comparison to 2013, when most EU Member States predominantly granted subsidiary protection to Syrians.163
37. In exceptional cases in which the 1951 Convention inclusion criteria may not be met, consideration needs to be given to broader refugee criteria elaborated in regional refugee instruments,164 or other forms of international protection, including subsidiary protection,165 or protection from refoulement derived from universal or regional human rights norms,166 or based on national legislative standards.”
Gemeint ist also nicht der weitere Begriff des Internationalen Schutzes im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, sondern Flüchtlingsschutz im engeren Sinne, dessen Flankierung durch subsidiären Schutz der UNHCR nur ergänzend erwähnt, wobei er im folgenden seine „Risikoprofile“ der Sache nach allerdings ohne Rücksicht auf einen politischen Verfolgungszusammenhang allein auf reale Gefährdungen stützt.
Bei diesem unpräzisen Begriffsverständnis leiden die genannten UNHCR-Erwägungen indes an nicht hinnehmbaren methodischen Mängeln, die ihre „Berücksichtigung“ in dem vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zitierten Sinne nicht einschränkungslos zulassen. Sollten sie das Erfordernis von Flüchtlingsschutz indizieren können, müssten die Risikoprofile im einfachrechtlichen Sinne des § 3 a Abs. 3 AsylG eine Verknüpfung von Verfolgungsgründen und Verfolgungshandlungen voraussetzen. Das ist jedoch nicht der Fall. Insbesondere der Unterpunkt „Frauen“, hier mit der Qualifizierung „Frauen ohne Schutz durch Männer“, hat auch bei Einbeziehung der unter Randnummer 18 angeführten Erwägungen nicht a priori einen Verfolgungsbezug, sondern beschreibt die typischen Gefahren einer Bürgerkriegssituation; ihm ist deshalb mit der Zuerkennung von subsidiärem Schutz Genüge getan.
Auch im Übrigen genügt das undifferenzierte Aneinanderreihen unterschiedlichster Risikosituationen nicht einmal ansatzweise den methodischen Anforderungen, die an eine Handreichung für die Beurteilung zu stellen sind, ob gerade eine politische Verfolgung anzunehmen ist (kritisch auch OVG Münster, Urt. v. 4.5.2017 - 14 A 2023/16.A -, juris Rdnrn. 58 f, und Urt. v. 21.2.2017 - 14 A 2316/16.A -, juris Rdnrn. 71 f).
Zwar mögen die Risikoprofile als Orientierungshilfe für das Drohen „ernsthaften Schadens“ im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG herangezogen werden, auch dies aber nur unter Beachtung der jeweiligen Begründungen für die einzelnen Risikoprofile und deren Inbezugsetzung zur individuellen Situation der Schutzsuchenden. Das gilt namentlich für eine Zuschreibung politischer Verfolgung allein aufgrund einer bestimmten Religionszugehörigkeit, weil damit Opfer und Täter des Bürgerkriegs gleichermaßen erfasst würden und die Täter unter den Ankömmlingen bei den Anhörungen durch das Bundesamt kaum als solche identifiziert werden können (vgl. jüngst: „Schlächter von Tabka“, SPIEGEL 36/17, S. 31). Auch unabhängig hiervon vermag der Senat nicht zu erkennen, weshalb eine bestimmte Religionszugehörigkeit Aussagekraft haben soll, wenn der Betreffende aus einer Region stammt, in der gerade diese Religion eine dominante Rolle spielt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.