Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.11.2024, Az.: 2 LB 103/23

Ausreise ohne Erlaubnis; Herkunft; Lehrer; Rebellenhochburg; Reservistenliste; Staatsbediensteter; Syrien; unerlaubte Ausreise; Wehrdienst; Wehrdienstentziehung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.11.2024
Aktenzeichen
2 LB 103/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 25939
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:1112.2LB103.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 09.08.2018 - AZ: 7 A 328/16

Amtlicher Leitsatz

Keine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit für syrische Staatsbedienstete, die Syrien ohne die erforderliche Erlaubnis der zuständigen Beschäftigungsstelle verlassen haben (Fortführung der Rechtsprechung).

  1. 1.

    Syrischen Staatsbediensteten - hier Lehrer für die arabische Sprache im Syrischen Bildungsministerium -, die das Land ohne die erforderliche Erlaubnis ihrer zuständigen Beschäftigungsstelle verlassen haben, droht in der Gesamtbetrachtung ohne Hinzutreten besonderer gefahrerhöhender Umstände im Falle einer Rückkehr nach Syrien keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung (§ 3a AsylG) seitens des Syrischen Regimes (Fortführung der Rechtsprechung).

  2. 2.

    Selbst wenn im Einzelfall syrischen Staatsbediensteten, die das Land unerlaubt verlassen haben, eine (schwerere) Strafe drohen sollte, geht der Senat nach der Erkenntnislage nur bei Vorliegen besonderer gefahrerhöhender Umstände davon aus, dass diese Strafe an eine vermeintliche oppositionelle Gesinnung des Betroffenen anknüpft (Fortführung der Rechtsprechung).

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - Einzelrichter der 7. Kammer - vom 9. August 2018 geändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Beschlusses vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger, der den Status des subsidiär Schutzberechtigten hat, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Der im ... 1979 in C. geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit und islamischen Glaubens. Nach eigenen Angaben reiste er Ende September 2015 illegal aus Syrien aus und Mitte Oktober 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Hier stellte er einen Asylantrag, den er bei seiner persönlichen Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 25. Juli 2016 auf die Zuerkennung internationalen Schutzes (subsidiärer Schutz und Flüchtlingseigenschaft) beschränkte. Zu seinen persönlichen Verhältnissen und den Gründen für seine Ausreise aus Syrien gab der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung im Wesentlichen an, er habe sich gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern die letzten 14 Tage vor seiner Ausreise in der Stadt D. im Umkreis von Idlib aufgehalten. Zuvor habe er mit seiner Familie etwa ein Jahr an verschiedenen Orten im Gouvernement Rif Damaskus gelebt. Ursprünglich stamme er jedoch aus der Stadt Rastan im Gouvernement Homs. Rastan habe er mit seiner Familie 2012 wegen des Krieges und der dortigen Bombardierungen verlassen. Im September 2012 sei ihr Haus in Rastan bei einem Raketenangriff zerstört worden. Deshalb und weil er in Damaskus gearbeitet habe, sei die Familie in das Gouvernement Rif Damaskus gezogen. Zuletzt habe er mit seiner Familie in Daraya/Rif Damaskus gelebt. Es habe zwar auch im Gouvernement Rif Damaskus keine sichere Gegend mehr gegeben, dort sei es aber etwas besser gewesen. Seinen Wehrdienst habe er bereits in der Zeit von 1998 bis 2000 geleistet. Als Reservist habe er in Syrien auch ein Wehrheft besessen. Von 2004 bis 2010 habe er als Lehrer für die arabische Sprache gearbeitet. Anschließend habe er bis August 2015 in Damaskus für das Bildungsministerium ebenfalls als Lehrer für die arabische Sprache gearbeitet. Zu den Gründen für seine Ausreise aus Syrien gab er im Wesentlichen an, wegen seiner Herkunft aus Rastan sei er - auch in Rif Damaskus - an Kontrollpunkten von den Leuten des Regimes wiederholt beleidigt und beschimpft worden. Vor seiner Haustür habe er auch öfter Briefe, mit Beschimpfungen und Bedrohungen wie "Wir bringen dich und deine Familie um" gefunden. Einmal sei auch eine Kugel in einem Brief gewesen. Von wem die Briefe gekommen seien, wisse er nicht. Außerdem habe er versucht, seinen vermissten Bruder zu finden. Sein Bruder sei im August 2013 spurlos verschwunden. Sie hätten dann einen Anwalt beauftragt, und dieser habe in Erfahrung gebracht, dass sein Bruder im Gefängnis nach Misshandlung und Folter gestorben sei. Die Frage, ob der Kläger seinerseits jemals Probleme mit der syrischen Polizei, der syrischen Armee oder anderen staatlichen Behörden in Syrien gehabt habe, verneinte er, ebenso wie die Frage, ob er Kontakt oder persönliche Probleme mit nichtstaatlichen oppositionellen Gruppierungen gehabt habe. Der Auslöser für seine Ausreise aus Syrien sei gewesen, dass er im August 2015 von seinem Vorgesetzten im Ministerium erfahren habe, dass sein Name auf einer Liste von Reservisten der syrischen Armee stehe. Er habe deshalb befürchtet, erneut zum Wehrdienst eingezogen zu werden. Deswegen sei er illegal aus Syrien ausgereist. Seiner Ehefrau und seinen Kindern, die versucht hätten, Syrien legal zu verlassen, sei es nicht gelungen auszureisen, weil die Türkei die Grenze zu Syrien geschlossen habe. Deswegen sei es auch ihm nicht möglich gewesen, zu seiner Familie nach Syrien zurückzukehren. Im Zuge des Asylverfahrens hat der Kläger einen ihm Ende September 2014 in Damaskus ausgestellten Reisepass vorgelegt.

Mit Bescheid vom 29. Juli 2016 erkannte das Bundesamt dem Kläger den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Ziffer 1.), lehnte aber seinen weitergehenden Asylantrag ab (Ziffer 2.).

Mit der dagegen erhobenen Klage hat der Kläger geltend macht, ihm stehe entgegen der Ansicht des Bundesamtes ein Anspruch auf seine Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu. Er sei Reservist und habe einem erneuten Einberufungsbefehl des syrischen Regimes nicht Folge geleistet, sondern Syrien stattdessen unerlaubt verlassen. Als Beamter habe er zudem seine Arbeitsstelle im Bildungsministerium unerlaubt verlassen. Dieses Verhalten werte das syrische Regime als Ausdruck einer illoyalen und regimekritischen Gesinnung, und deshalb drohe ihm im Falle einer Rückkehr nach Syrien Verfolgung und Misshandlung. Unabhängig davon drohe ihm auch deshalb Verfolgung, weil er Syrien illegal verlassen, im Ausland einen Asylantrag gestellt und sich länger im Ausland aufgehalten habe. Aus der Sicht des syrischen Regimes sei auch dieses Verhalten Ausdruck einer politisch missliebigen Gesinnung, mit der Folge, dass ihm auch deshalb flüchtlingsrechtlich beachtliche Verfolgungshandlungen drohten. Weil er aus Rastan, einer Hochburg der Oppositionellen stamme; drohe ihm auch wegen seiner Herkunft und einer ihm deshalb unterstellten regimefeindlichen Gesinnung politische Verfolgung.

Der Kläger hat beantragt,

  1. 1.

    die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29.07.2016 zu verpflichten, festzustellen, dass er über den anerkannten subsidiären Schutzstatus hinaus Asylberechtigter ist und in seiner Person die weiteren Voraussetzungen des §§ 2, 3 AsylG (Flüchtling) erfüllt,

  2. 2.

    hilfsweise,

    festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2, 3, 4, 5 und 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 9. August 2018 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und die Klage im Übrigen, soweit der Kläger die Anerkennung als Asylberechtigter begehrt hat, abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht zusammenfassend ausgeführt, dem Kläger drohe bei einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Syrischen Staatsangehörigen, die sich - wie der Kläger - aus der Sicht des syrischen Regimes der Wehrpflicht, sei es der erstmaligen Einberufung oder der erneuten Heranziehung zum Kriegsdienst, entzögen, drohe flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung, weil sie bei ihrer Rückkehr konkret von übermäßiger Strafverfolgung oder Bestrafung lebensgefährdenden Ausmaßes bedroht seien; zumindest aber mit menschenrechtswidriger Behandlung oder Folter bei Verhören bzw. Befragungen durch den syrischen Staat rechnen müssten, wenn sie einer jederzeit möglichen Einberufung nicht Folge leisteten und sich dem Militärdienst entziehen wollten. Im Falle des Klägers sei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass das syrische Regime ihn der Wehrdienstentziehung bezichtigen und ihm wegen fehlender Loyalität eine regimekritische politische Überzeugung zuschreiben würde, was den Sicherheitskräften Anlass zu Verfolgungshandlungen gebe. Der Umstand, dass der Kläger als Lehrer im Bildungsministerium tätig gewesen sei, begründe dagegen für sich genommen nicht die Gefahr einer politischen Verfolgung. Der Kläger habe nicht vorgetragen, dass er im Ministerium mit gehobenen Aufgaben in der Weise betraut gewesen sei, dass allein dies dazu führen könnte, dass das Verlassen des Landes durch das Regime als Ausdruck oppositioneller Haltung aufgefasst werden könnte; dies sei auch sonst nicht ersichtlich. Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit ergebe sich auch nicht aus den Schilderungen des Klägers zu dem Schicksal seines Bruders. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das syrische Regime dem Kläger selbst in diesem Zusammenhang eine oppositionelle Haltung unterstelle oder ihm unter dem Aspekt der Sippenhaft Verfolgung drohe, seien nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

Gegen das stattgebende Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten. Sie greift die Auffassung des Verwaltungsgerichts an und ist der Ansicht, der Umstand, dass sich der Kläger im wehrpflichtigen Alter befinde, begründe keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft; eine politische Verfolgung durch das syrische Regime sei ohne Hinzutreten weiterer individueller risikoerhöhender Umstände nicht zu befürchten.

Die Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen zur beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit von Rückkehrern, die infolge ihrer (illegalen) Ausreise aus Syrien und/oder ihrer Herkunft aus einem oppositionellen Gebiet vom syrischen Staat als mutmaßliche Oppositionelle betrachtet werden, sowie von Rückkehrern, die infolge ihrer Entziehung vom Wehrdienst als Regimegegner betrachtet werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakte Bezug genommen. Die der Entscheidung vom Senat zugrunde gelegten Erkenntnismittel ergeben sich aus der dem Kläger mit der Anhörung zu einer Entscheidung im Wege des Beschlusses nach § 130a VwGO übersandten Erkenntnismitteliste.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130a Satz 1 VwGO durch Beschluss. Er hält die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung - auch unter Berücksichtigung seines Vortrags im Rahmen der Anhörung zu einer Entscheidung im Wege des Beschlussverfahrens nach § 130a VwGO - nicht für erforderlich (vgl. zu den Voraussetzungen der Durchführung des vereinfachten Berufungsverfahrens und den Grenzen der Ermessensentscheidung gemäß § 130a Satz 1 VwGO Senatsbeschl. v. 5.9.2017 - 2 LB 186/17 -, juris Rn. 18 ff. sowie aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts z.B. BVerwG, Beschl. v. 21.1.2020 - 1 B 2.20 -, juris Rn. 4 ff. und Beschl. v. 17.1.2022 - 1 B 95.21 -, juris Rn. 11 ff. - nachgehend zu Senatsbeschl. v. 3.11.2021 - 2 LB 139/21 -, V.n.v.). Die aufgeworfenen rechtlichen und tatsächlichen Fragen sind in der Senatsrechtsprechung seit längerem geklärt (vgl. Senatsurt. v. 27.6.2017 - 2 LB 91/17 - u. v. 22.4.2021 - 2 LB 147/18 u. 2 LB 408/20 -, jeweils veröffentlicht in juris). Der Kläger hat - auch im Zuge der Anhörung zu einer Entscheidung im Wege des Beschlusses (§§ 130a Satz 2, 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO) - letztlich keine Gesichtspunkte vorgetragen, die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung geboten erscheinen lassen.

Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klage ist unter entsprechender Änderung des angegriffenen Urteils insgesamt abzuweisen, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG.

Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 25. Oktober 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 332). Unionsrechtlich entscheidend sind die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung) - ABl. L 337 S. 9, ber. ABl. 2017 L 167 S. 58 (weiter zitiert: RL 2011/95/EU) und die Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung) - ABl. L 180 S. 60 (weiter zitiert: RL 2013/32/EU).

Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Verfolgungsgründe) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG gelten Handlungen als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). In § 3a Abs. 2 Nrn. 1 bis 6 AsylG werden einzelne Beispiele für Verfolgungshandlungen genannt, unter anderem die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt (Nr. 1), eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung (Nr. 3) oder eine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (Nr. 5). Gemäß § 3c AsylG sind Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, u. a. der Staat oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen.

Zwischen den in § 3 Abs. 1 AsylG genannten und in § 3b Abs. 1 AsylG jeweils näher erläuterten Verfolgungsgründen sowie den in § 3a Abs. 1 und 2 AsylG beschriebenen Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG). Dabei ist unerheblich, ob der Ausländer tatsächlich z. B. die religiösen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger nur zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG). Für den Bereich des Asylrechts hat das Bundesverfassungsgericht diese Verknüpfung von Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund dahingehend konkretisiert, dass es für eine politische Verfolgung ausreicht, wenn der Ausländer der Gegenseite oder dem persönlichen Umfeld einer anderen Person zugerechnet wird, die ihrerseits Objekt politischer Verfolgung ist. Unerheblich ist dabei, ob der Betreffende aufgrund der ihm zugeschriebenen Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung (überhaupt) tätig geworden ist (BVerfG, Beschl. v. 22.11.1996 - 2 BvR 1753/96 -, juris Rn. 5; Senatsurt. v. 27.6.2017 - 2 LB 91/17 -, juris Rn. 31). Die Maßnahme muss darauf gerichtet sein, den von ihr Betroffenen gerade in Anknüpfung an einen oder mehrere Verfolgungsgründe zu treffen (vgl. näher zu den Voraussetzungen Senatsurt. v. 22.4.2021 - 2 LB 147/18 und 2 LB 408/20 -, juris Rn. 21 bzw. 20).

Die Furcht vor Verfolgung ist im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, das heißt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ("real risk") drohen (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 -, juris Rn. 19, 32; Beschl. v. 15.8.2017 - 1 B 120.17 -, juris Rn. 8). Für die anzustellende Verfolgungsprognose gilt - unabhängig von der Frage, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht - ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU, nicht (mehr) durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Nach dieser Vorschrift besteht eine tatsächliche Vermutung, dass sich eine frühere Verfolgung bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen wird. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung entkräften (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 -, juris Rn. 21 f.; Senatsurt. v. 27.6.2017 - 2 LB 91/17 -, juris Rn. 34). Eine Verfolgung ist beachtlich wahrscheinlich, wenn einem besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Ausländers nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Herkunftsstaat als unzumutbar erscheint (vgl. hierzu sowie zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt und den Maßgaben der richterlichen Überzeugungsbildung im Einzelnen Senatsurt. v. 22.4.2021 - 2 LB 147/18 - und - 2 LB 408/20 -, juris Rn. 22 ff. bzw. 21 ff.).

Nach diesen Maßgaben besteht für den Kläger bei einer - hypothetischen - Rückkehr nach Syrien zur Überzeugung des Senats keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung aus den in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Gründen.

1. Der Kläger ist nicht vorverfolgt ausgereist, sodass ihm die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU nicht zugutekommt.

Eine Vorverfolgung ergibt sich - auch unter Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 19. November 2020 (- C-238/19 -, juris) - nicht im Hinblick darauf, dass sich der Kläger bereits zum Zeitpunkt seiner Ausreise dem Wehrdienst auf Seiten des syrischen Staats entzogen haben könnte. Dies gilt auch im Hinblick auf eine mögliche Verfolgungshandlung gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG, das heißt eine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen der Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG (Art. 9 Abs. 2 Buchst. e RL 2011/95 EU). Strafverfolgung in diesem Sinne erfasst das Handeln der mit der Aufklärung von Straftaten und der Anklagevorbereitung befassten Strafverfolgungsorgane des Staates oder einer staatsähnlichen Organisation, d.h. der Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft, Polizei). Der Begriff der "Strafverfolgung" umfasst alle strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.1.2023 - 1 C 22.21 -, juris Rn. 28). Demgegenüber erfasst der Begriff der "Bestrafung" das Urteil des Strafgerichts selbst und dessen Vollstreckung durch die Strafvollstreckungsorgane. Ein weiteres, über derartige strafrechtliche Maßnahmen hinausgehendes, auch eine Zwangsrekrutierung mit anschließendem Fronteinsatz ohne hinreichende militärische Ausbildung umfassendes Begriffsverständnis kommt der Regelung des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG (Art. 9 Abs. 2 Buchst. e RL 2011/95 EU) nicht zu (BVerwG, Urt. v. 19.1.2023 - 1 C 22.21 -, juris Rn. 28 f.).

Der Kläger hat vor seiner Ausreise aus Syrien entsprechende Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG nicht erlitten.

Die Annahme einer bei der Ausreise unmittelbar drohenden Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes i. S. d. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG (Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU) kann nach der Senatsrechtsprechung nur dann in Betracht kommen, wenn sich ein im militärdienstpflichtigen Alter befindlicher Mann aus Sicht des syrischen Staates bereits vor dem Moment seiner Ausreise erkennbar dem Militärdienst entzogen hatte und er gerade aus diesem Grund der beachtlich wahrscheinlichen Gefahr unterlag, Verfolgungsmaßnahmen erleiden zu müssen (vgl. im Einzelnen Senatsurt. v. 22.4.2021 - 2 LB 147/18 und 2 LB 408/20 -, juris Rn. 32 ff. bzw. 31 ff.).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar hat der Kläger erklärt, dass sein Name auf einer Liste von Reservisten der syrischen Armee geführt worden sei, und er habe - wie er im erstinstanzlichen Verfahren ergänzend vorgetragen hat - auch einen erneuten Einberufungsbefehl erhalten und sei diesem nicht gefolgt, sondern aus Syrien ausgereist. Es ist aber nicht ersichtlich, dass er in diesem Zusammenhang vor seiner Ausreise bereits ein Verhalten gezeigt hat, das sich aus Sicht des syrischen Regimes erkennbar als Wehrdienstentziehung dargestellt hat, und dass er eben aus diesem Grund zum Zeitpunkt seiner Ausreise als vermeintlicher Regimegegner verfolgt wurde. Gegen eine Vorverfolgung des Klägers spricht zudem, dass er mit seiner Familie noch bis zu seiner Ausreise im September 2015 unbehelligt in Damaskus gelebt hat, dort noch bis August 2015 ungehindert seiner regulären Arbeit nachgegangen ist und ihm die syrischen Behörden im September 2014 einen neuen syrischen Reisepass ausgestellt haben. Wäre der Kläger tatsächlich als Wehrdienstentzieher und Regimegegner in den Fokus des syrischen Regimes geraten, wäre dies nicht möglich gewesen.

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger Syrien aus anderen Gründen vorverfolgt verlassen hat, sind nicht ersichtlich.

2. Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit begründende Ereignisse, die eingetreten sind, nachdem der Kläger sein Herkunftsland verlassen hat (§ 28 Abs. 1a AsylG), liegen ebenfalls nicht vor.

Syrische Staatsangehörige unterliegen nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats (vgl. Urt. v. 27.6.2017 - 2 LB 91/17 - u. v. 22.4.2021 - 2 LB 147/18 und 2 LB 408/20 -, juris) allein aufgrund einer (illegalen) Ausreise, einer Asylantragstellung und einem längeren Aufenthalt im westlichen Ausland, der Herkunft aus einem (ehemals) von der Opposition beherrschten Gebiet und wegen des Umstandes, dass sie sich durch ihre Ausreise oder ihren längeren Aufenthalt im Ausland dem Wehrdienst entzogen haben, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG.

Es fehlt jedenfalls an der gemäß § 3a Abs. 3 AsylG erforderlichen Verknüpfung zwischen einer etwaigen Verfolgungshandlung und einem Verfolgungsgrund i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3b AsylG. Die dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel lassen weiterhin nicht den Schluss, dass Rückkehrern ohne besonderes Profil von Seiten des syrischen Staates regelhaft eine oppositionelle Gesinnung zugeschrieben wird. Das gilt auch bei (einfacher) Wehrdienstentziehung. Nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellen die an eine Wehrdienstentziehung geknüpften Sanktionen, selbst wenn sie von totalitären Staaten ausgehen, nur dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgung dar, wenn sie nicht nur der Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht dienen, sondern darüber hinaus den Betroffenen auch wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen Merkmals treffen sollen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.4.2017 - 1 B 22.17 -, juris Rn. 14). An einer solchen Verknüpfung zwischen der Bestrafung von Rückkehrern wegen einer Wehrdienstentziehung und einem Verfolgungsgrund im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b AsylG fehlt es.

Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung wegen einer Wehrdienstentziehung liegt auch unter Berücksichtigung des in § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG aufgenommenen Regelbeispiels einer Verfolgungshandlung i. S. d. § 3a Abs. 1 AsylG nicht vor. Die dort genannten Voraussetzungen sind in zweifacher Hinsicht nicht erfüllt. Zum einen geht der Senat nicht davon aus, dass der Wehr- oder Reservedienst in der syrischen Armee Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen. Zum anderen fehlt auch hier die erforderliche Verknüpfung der Strafverfolgung oder Bestrafung wegen der Verweigerung des Militärdienstes mit einem Verfolgungsgrund. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf die vom UNHCR definierten Risikoprofile verweist, ist festzustellen, dass die Zugehörigkeit zu den dort benannten Risikogruppen zwar nach der Einschätzung des UNHCR die Wahrscheinlichkeit indiziert, dass die betroffene Person Internationalen Flüchtlingsschutz benötigt; dies wird jedoch durchweg durch die Worte relativiert: "je nach den Umständen des Einzelfalles bzw. "depending on the individual circumstances of the case". Mit anderen Worten ist es danach nicht angängig, die Annahme einer politischen Verfolgung allein und pauschal auf die Zuordnung zu einem oder mehreren der Risikoprofile zu stützen, zumal ohne Rücksicht auf die Frage, in welches Umfeld der Betroffene hypothetisch zurückkehren müsste (Senatsbeschl. v. 22.2.2018 - 2 LB 1789/17 -, juris Rn. 130). Diese Einschätzung findet sich auch in der 6. aktualisierten Fassung des UNHCR Berichts "Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen" vom März 2021 (ebenso BayVGH, Urt. v. 23.6.2021 - 21 B 19.33586 -, juris Rn. 82 ff. (zur Herkunft aus Idlib), ThürOVG, Urt. v. 16.6.2022 - 3 KO 178/21 -, juris Rn. 113).

Zur näheren Begründung seiner Einschätzung nimmt der Senat im Übrigen vollumfänglich Bezug auf seine Urteile vom 27. Juni 2017 - 2 LB 91/17 - und vom 22. April 2021 - 2 LB 147/18 und 2 LB 408/20 - (veröffentlicht in juris) (zur Zulässigkeit einer solchen Bezugnahme vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.4.1990 - 9 CB 5.90 -, juris Rn. 6, v. 22.11.1994 - 5 PKH 64.94 -, juris Rn. 4, u. v. 3.12.2008 - 4 BN 25.08 -, juris Rn. 9; Lambiris in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, 58. Ed. 2020, § 117 Rn. 19a; Kilian/Hissnauer in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 117 Rn. 85).

Neuere Erkenntnisse, die darauf schließen lassen, dass die Situation von Rückkehrern aus Europa anders zu beurteilen wäre, liegen nicht vor. Auch die übrige obergerichtliche Rechtsprechung verneint in den genannten Fällen ganz überwiegend eine politische Verfolgung (OVG NRW, Beschl. v. 25.1.2021 - 14 A 822/19.A -, juris; VGH BW, Urt. v. 4.5.2021 - A 4 S 468/21 - u. Urt. v. 18.8.2021 - A 3 S 271/19 -, juris; OVG MV, Urt. v. 26.5.2021 - 4 L 238/13 -, juris; BayVGH, Urt. v. 23.6.2021 - 21 B 19.33586 -, juris; OVG LSA, Urt. v. 1.7.2021 - 3 L 154/18 -, juris; SächsOVG, Urt. v. 22.9.2021 - 5 A 855/19.A -, juris; Hess VGH, Urt. v. 23.8.2021 - 8 A 1992/18.A -, juris; ThürOVG, Urt. v. 16.6.2022 - 3 KO 178/21 -, juris Rn. 144 f.; OVG NRW, Urt. v. 23.8.2022 - 14 A 3716/18.A -, juris Rn. 109 ff. und SächsOVG, Beschl. v. 23.11.2022 - 5 A 366/22.A -, juris Rn. 6 ff.). Der abweichenden Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg (z.B. Urt. v. 29.1.2021 - 3 B 68.18 -, juris) ist das Bundesverwaltungsgericht mit seinen Urteilen vom 19. Januar 2023 (z.B. 1 C 1.22, juris) entgegengetreten. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass (zwar) bei der Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG (Art. 9 Abs. 2 Buchst. e RL 2011/95 EU) im Anschluss an die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof), eine starke Vermutung dafür spricht, dass die Verweigerung des Militärdienstes mit einem der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründe in Zusammenhang steht, dass es (aber) Sache der zuständigen nationalen Behörden und Gerichte ist, in Anbetracht sämtlicher in Rede stehender Umstände die Plausibilität dieser Verknüpfung zu prüfen. Dem genüge es nicht, wenn die Voraussetzungen des Flüchtlingsschutzes auf einer diffusen Tatsachengrundlage und unter Unterschreitung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) bejaht würden (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.1.2023 - 1 C 22.21 -, juris Rn. 46 ff.). Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht auch (nochmals) klargestellt, dass sich dem Unionsrecht und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht - schon gar nicht unabhängig von einer auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse sich ergebenden Veränderung der tatsächlichen Verfolgungslage - entnehmen lasse, dass Personen, die den Militärdienst verweigerten, allein deswegen bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung zu befürchten hätten. Der Gerichtshof habe vielmehr lediglich die rechtlichen Maßstäbe entfaltet, nach denen die Gefahr von Verfolgungshandlungen sowie die Verknüpfung mit flüchtlingsrechtlich erheblichen Verfolgungsgründen zu prüfen und zu beurteilen seien (BVerwG, Urt. v. 19.1.2023 - 1 C 22.21 -, juris Rn. 49).

Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit, folgt auch nicht aus der früheren Tätigkeit des Klägers als Lehrer für die arabische Sprache im syrischen Bildungsministerium. Nach dem syrischen Gesetz für Staatsbedienstete sind syrische Staatsbedienstete zwar in ihrer Reisefreiheit eingeschränkt; sie dürfen das Land nur mit der Erlaubnis ihrer Beschäftigungsstelle bzw. des Ministeriums verlassen, bei dem sie beschäftigt sind (vgl. z.B. BAMF, Länderinformationen Syrien, Stand Mai 2024, S. 1 m.w.N.). Diese Erlaubnis wird nach einigen Erkenntnisquellen nur höherrangigen staatlichen Bediensteten verweigert; nach anderer Einschätzung wird die Erlaubnis auch anderen staatlich Beschäftigten nur selten erteilt (vgl. hierzu Danish Refugee Council v. August 2017, S. 20). Je nach Rang oder Position kann die Erlaubnis auch an bestimmte Auflagen geknüpft sein. Zudem stellt Artikel 364 des syrischen Strafgesetzbuchs das unerlaubte Fernbleiben vom Arbeitsplatz für im öffentlichen Dienst Beschäftigte unter Strafe. Das Strafgesetzbuch sieht ein Bußgeld in Höhe von mindestens einem Monatsgehalt und die Rückzahlung etwaiger Sonderzahlungen vor. Zudem kann eine Gefängnisstrafe von drei bis fünf Jahren drohen (vgl. BAMF, Länderinformationen Syrien, Stand Mai 2024, S. 1 m.w.N.).

Allein aus dieser Sachlage kann indes nicht auf eine flüchtlingsrechtlich relevante Gefährdung dieses Personenkreises geschlossen werden. Es gibt insoweit keine validen Erkenntnisse, dass Staatsbediensteten eine oppositionelle Gesinnung allein deshalb zugeschrieben wird, weil sie Syrien unerlaubt verlassen haben (ebenso OVG NRW, Urt. v. 10.9.2024 - 14 A 3506/19.A -, juris Rn 76). Gegen eine solche generelle Verdächtigung spricht zudem der Umstand, dass Staatsbedienstete, die dem Dienst unerlaubt ferngeblieben sind, aber innerhalb von drei Monaten nach Erhebung einer Anklage vor Gericht in den Dienst zurückkehren, von den genannten Strafen ausgenommen sind (vgl. Danish Immigration Service (DIS) Syria, Consequences of leaving a public sector position without notice, April 2021, S. 5 f.); BAMF, Länderkurzinformationen Syrien, Stand Mai 2024, S. 2 m.w.N.). Neuere Erkenntnismittel führen die Beschäftigung im Staatsdienst für sich genommen zudem nicht (mehr) als risikoerhöhenden Faktor für eine Einstufung bzw. Verdächtigung des Betroffenen als Regimegegner auf (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Factsheet Syrien, Mai 2023, S. 1 unter weiterem Verweis auf die Leitlinien der Asylagentur der Europäischen Union, euaa, Country Guidiance: Syria February 2023, S. 62 - 66; DIS, Syria. Treatment uopn return, Mai 2022, Annex 1, Nr. 6; UNHCR, Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 6. aktualisierte Fassung, 03/2021, S. 101 ff.;). Anderen Quellen zufolge hängen die Konsequenzen dagegen (nach wie vor) von der jeweiligen Position des Betreffenden im Staatsdienst ab, weil hochrangige Staatsbedienstete, namentlich Richterinnen und Richter, Vorstandsvorsitzende staatlicher Unternehmen, Lehrende an Universitäten, Ministerinnen und Minister etc. als politisch besonders sensibel gelten (vgl. BAMF, Länderkurzinformationen Syrien, Stand Mai 2024, S. 3; DIS, Syria, Consequences of leaving a public sector position without notice, April 2021, S. 8).

Aufgrund einer Gesamtbetrachtung ist danach nicht beachtlich wahrscheinlich, dass syrischen Staatsbediensteten, die Syrien unerlaubt verlassen haben, ohne Hinzutreten besonderer gefahrerhöhender Umstände im Falle einer Rückkehr nach Syrien flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlungen (§ 3a AsylG) seitens des Syrischen Regimes drohen.

Selbst wenn im Einzelfall syrischen Staatsbediensteten, die Syrien unerlaubt verlassen haben, eine (schwerere) Strafe drohen sollte, geht der Senat nach der Erkenntnislage nur bei Vorliegen besonderer gefahrerhöhender Umstände davon aus, dass diese Strafe an eine vermeintliche oppositionelle Gesinnung des Betroffenen anknüpft. Solche gefahrerhöhenden Umstände können sich daraus ergeben, dass der Betroffene eine deutlich hervorgehobene Position im Staatsdienst innehatte, deren Übertragung in diktatorischen Herrschaftssystemen wie dem syrischen mit der Erwartung eines besonders loyalen Verhaltens gegenüber der Beschäftigungsstelle und staatlichen Führung verbunden ist, weshalb das unerlaubte Verlassen dieser Position beachtlich wahrscheinlich als Bruch der Loyalitätspflicht und damit einhergehend als Ausdruck einer Regimegegnerschaft gewertet wird (vgl. Senatsbeschl. v. 22.1.2019 - 2 LB 811/18 -, juris Rn. 36; OVG SH, Urt. v. 27.9.2018 - 2 LB 71/18 - juris, Rn. 44 ff. und Urt. v. 8.11.2018 - 2 LB 50/18 -, juris Rn. 77 f.; OVG NRW, Urt. v. 7.12.2018 - 14 A 997/18.A -, juris Rn. 38 ff.; OVG Bremen, Urt. v. 24.1.2018 - 2 LB 194/17 -, juris Rn. 60 f.; OVG Rh.-Pf., Urt. v. 12.4.2018 - 1 A 10988/16 -, juris Rn. 45 ff.; Urt. v. 20.9.2018 - 1 A 10215/17.OVG -, juris; OVG SL, Urt. v. 14.11.2018 - 1 A 609/17 -, juris Rn. 48 ff.; ähnlich HessVGH, Urt. v. 25.9.2019 - 8 A 638/17.A -, juris Rn. 124 f.).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger solche gefahrerhöhenden Umstände nicht vorgetragen, und solche sind auch in der Gesamtschau nicht ersichtlich. Als Lehrer für die arabische Sprache hatte der Kläger im Bildungsministerium weder eine herausgehobene Stellung inne, noch liegen sonstige Besonderheiten vor, infolge derer sein Verhalten aus der Sicht der syrischen Sicherheitskräfte beachtlich wahrscheinlich als Ausdruck einer oppositionellen und regimekritischen Haltung gewertet werden könnte.

Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger aus anderen Gründen im Falle einer Rückkehr nach Syrien flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht, bestehen nicht. Solche ergeben sich auch nicht aus seinen Schilderungen zu dem Tod seines Bruders. Insoweit ist bereits nicht ersichtlich, dass sein verstorbener Bruder verhaftet und getötet wurde, weil dieser ein Gegner des syrischen Regimes war bzw. als solcher betrachtet wurde. Gleichermaßen ist nicht ersichtlich, dass der Kläger selbst deswegen ebenfalls als Regimegegner in den Fokus des syrischen Staats geraten sein und verfolgt werden könnte. Dagegen spricht auch, dass er in Syrien bis zuletzt mit seiner Familie unbehelligt von syrischen Sicherheitskräften gelebt und gearbeitet hat, und zudem mit Hilfe eines Rechtsanwalts ungehindert Ermittlungen zum Verbleib seines Bruders und dessen Tod anstellen konnte, ohne selbst in irgendeiner Weise in Bedrängnis zu geraten.

Soweit der Kläger zudem geschildert hat, er und seine Familie seien in (anonymen) Briefen beleidigt und mit dem Tod bedroht worden, ist nicht ersichtlich, dass diese Handlungen dem syrischen Regime oder einem anderen relevanten Verfolgungsakteur (§ 3c AsylG) zugeschrieben werden können. Der Kläger hat dazu erklärt, dass er nicht wisse, von wem die Briefe gekommen seien. Die geschilderten Gesamtumstände legen zudem den Schluss nahe, dass es sich bei den Ereignissen, ebenso wie bei der geschilderten Furcht des Klägers vor einer Entführung seiner Ehefrau, um willkürliche kriminelle Handlungen einzelner Personen und/oder Gruppen handelte, die den Bürgerkrieg in Syrien prägen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Auch eine Zulassung der Revision nach § 78 Abs. 8 Satz 1 AsylG ist nicht veranlasst (ebenso OVG NRW, Beschl. v. 13.6.2023 - 14 A 156/19.A -, juris Rn. 115; Senatsbeschl. v. 22.1.2024 - 2 LB 28/23 V.n.v.). Die hier in Frage stehende potentiell fallübergreifende allgemeine asylrelevante Lage von Männern, die sich dem Wehrdienst in Syrien entziehen, wird von der ganz überwiegenden Mehrheit der Oberverwaltungsgerichte dahingehend beurteilt, dass Wehrdienstentziehern in Syrien keine politische Verfolgung droht. Die abweichenden Beurteilungen der Oberverwaltungsgerichte Berlin-Brandenburg (z.B. Urt. v. 29.1.2021 - OVG 3 B 108.18 -, juris) und der Freien Hansestadt Bremen (vgl. Urt. v. 23.3.2022 - 1 LB 484/21 -, juris) zur Situation von Männern, die sich dem Wehrdienst in Syrien entzogen haben, geben dem Senat in Anbetracht der nahezu einheitlichen obergerichtlichen Rechtsprechung keine Veranlassung, die Revision gleichwohl zuzulassen, zudem eine Zulassung der Revision in dieser Situation der mit dem Asylbeschleunigungsgesetz bzw. der Einfügung des § 78 Abs. 8 AsylG verfolgten Effektivierung der Asylgerichtsverfahren zuwiderliefe (vgl. Gesetzesentwurf und amtliche Begründung, BT Drs 20/4327, S. 1 ff (43 f.) zu Nr. 19 (§ 78 Abs. 8), Senatsbeschluss v. 22.1.2024 - 2 LB 28/23 -, V.n.v.).