Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.09.2017, Az.: 11 ME 330/17

Abstandsgebot; Auswahlverfahren; Berufsfreiheit; Gesetzesvorbehalt; glücksspielrechtliche Erlaubnis

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
04.09.2017
Aktenzeichen
11 ME 330/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 54128
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 29.06.2017 - AZ: 1 B 76/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Für das Auswahlverfahren zwischen aufgrund des Mindestabstandsgebots konkurrierenden Spielhallen bedarf es in Niedersachsen einer gesetzlichen Grundlage, die derzeit nicht vorhanden ist.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 1. Kammer - vom 29. Juni 2017 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.

Die Antragstellerin betreibt in der B.straße 3 im Stadtgebiet der Antragsgegnerin die im Verbund stehenden Spielhallen „I“ und „II“, für die ihr Erlaubnisse nach § 33 i Gewerbeordnung (GewO) erteilt worden sind. Im Abstand von 58,86 m befindet sich in der C.straße 1 die Spielhalle eines anderen Betreibers. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2012 beantragte die Antragstellerin für ihre Spielhallen eine Befreiung nach § 29 Abs. 4 Satz 4 Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV). Unter dem 11. Juli 2016 stellte sie Anträge auf Erteilung von glücksspielrechtlichen Erlaubnissen. Im Rahmen des von der Antragsgegnerin am 27. Juli 2016 durchgeführten und notariell beaufsichtigten Losverfahrens wurde die Spielhalle des anderen Betreibers gezogen, dem mit Bescheid vom 2. März 2017 eine glücksspielrechtliche Erlaubnis erteilt wurde. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2016 wiederholte die Antragstellerin ihre Befreiungsanträge. Die Antragsgegnerin lehnte mit Bescheid vom 24. April 2017 die Erteilung von glückspielrechtlichen Erlaubnissen und die Befreiungsanträge für die beiden Spielhallen der Antragstellerin mit der Begründung ab, dass das Mindestabstandsgebot der Erteilung entgegenstehe. Die Auswahlentscheidung habe sie mangels geeigneter sachlicher Unterscheidungskriterien im Losverfahren getroffen, wobei die Spielhalle des anderen Betreibers gezogen worden sei. Einen Härtefall könne sie nicht erkennen. Die Antragstellerin hat gegen diesen Bescheid am 26. Mai 2017 Klage erhoben (1 A 563/17), über die noch nicht entschieden worden ist. Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2017 hat die Antragstellerin ihre Klage auf die Anfechtung der dem anderen Betreiber erteilten glücksspielrechtlichen Erlaubnis vom 2. März 2017 erweitert. Auf ihren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vom 29. Juni 2017 hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Betrieb einer von der Antragstellerin auszuwählenden Spielhalle in der Burgstraße 3 in Lingen bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Hauptsacheverfahrens zu dulden. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den vorläufigen Rechtsschutzantrag der Antragstellerin abgelehnt.

Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat nur die Antragsgegnerin Beschwerde erhoben. Die von ihr vorgetragenen Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat als Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen nicht zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Duldung einer der beiden streitgegenständlichen Spielhallen bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren beanspruchen kann. Es ist nicht auszuschließen, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV für eine der von ihr betriebenen Spielhallen hat.

Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15. Dezember 2011 (Nds. GVBl. 2012, 190, 196) - GlüStV - bedürfen die Errichtung und der Betrieb einer Spielhalle einer Erlaubnis nach dem Glücksspielstaatsvertrag. Zwischen Spielhallen ist nach § 25 Abs. 1 GlüStV ein Mindestabstand einzuhalten (Verbot von Mehrfachkonzessionen), der gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes - NGlüSpG - in Niedersachsen mindestens 100 Meter betragen muss (Abstandsgebot). Die Erteilung einer Erlaubnis für eine Spielhalle, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen steht, insbesondere in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex untergebracht ist, ist gemäß § 25 Abs. 2 GlüStV ausgeschlossen (Verbundverbot). Spielhallen, für die bis zum 28. Oktober 2011 eine Erlaubnis nach § 33 i GewO erteilt worden ist, deren Geltungsdauer nicht innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages endet, gelten gemäß § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV bis zum Ablauf von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages - somit bis zum 30. Juni 2017 - als mit §§ 24 und 25 GlüStV vereinbar. Nach § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV können die für die Erteilung einer Erlaubnis nach § 24 GlüStV zuständigen Behörden nach Ablauf des in § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV bestimmten Zeitraums eine Befreiung von der Erfüllung einzelner Anforderungen des § 24 Abs. 2 sowie § 25 GlüStV für einen angemessenen Zeitraum zulassen, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich ist; hierbei sind der Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis gemäß § 33 i GewO sowie die Ziele des § 1 GlüStV zu berücksichtigen.

Diese Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrags und die hier maßgeblichen glücksspielrechtlichen Regelungen im Landesrecht sind verfassungsgemäß. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat zur weiteren Begründung auf seine Ausführungen in dem Beschluss vom 4. September 2017 im Verfahren 11 ME 206/17 (juris).

Der die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis ablehnende Bescheid der Antragsgegnerin ist voraussichtlich teilweise rechtswidrig. Die Spielhallen der Antragstellerin und die des konkurrierenden Betreibers befinden sich in einer Entfernung von unter 100 m zueinander, so dass zwischen den Standorten eine Auswahl durch die Antragsgegnerin zu treffen war. Die Antragstellerin kann die mittels eines Losverfahrens zugunsten des anderen Betreibers getroffene Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin gerichtlich überprüfen lassen, weil sie gegen die dem anderen Betreiber erteilte glücksspielrechtliche Erlaubnis rechtzeitig Klage erhoben hat.

Die von der Antragsgegnerin getroffene Auswahlentscheidung zwischen den aufgrund des Mindestabstandsgebots in Konkurrenz stehenden Spielhallen der Antragstellerin und der Spielhalle des anderen Betreibers mittels eines Losverfahrens ist rechtswidrig zustande gekommen.

Der durch die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin bewirkte Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Antragstellerin ist wegen der Verletzung des Grundsatzes des Gesetzesvorbehalts rechtswidrig.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erschöpft sich der Vorbehalt des Gesetzes nicht in der Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage für Grundrechtseingriffe. Er verlangt vielmehr auch, dass alle wesentlichen Fragen vom Gesetzgeber selbst entschieden und nicht anderen Normgebern überlassen werden, soweit sie gesetzlicher Regelung zugänglich sind. Wie weit der Gesetzgeber die für den jeweils geschützten Lebensbereich wesentlichen Leitlinien selbst bestimmen muss, lässt sich dabei nur mit Blick auf den Sachbereich und die Eigenart des Regelungsgegenstandes beurteilen. Bei Auswahlentscheidungen muss der Gesetzgeber selbst die Voraussetzungen bestimmen, unter denen der Zugang zu eröffnen oder zu versagen ist, und er muss ein rechtsstaatliches Verfahren bereitstellen, in dem hierüber zu entscheiden ist. Aus der Zusammenschau mit dem Bestimmtheitsgrundsatz ergibt sich, dass die gesetzliche Regelung desto detaillierter ausfallen muss, je intensiver die Auswirkungen auf die Grundrechtsausübung der Betroffenen sind. Die erforderlichen Vorgaben müssen sich dabei nicht ohne Weiteres aus dem Wortlaut des Gesetzes ergeben; vielmehr genügt es, dass sie sich mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Vorgeschichte der Regelung (BVerfG, Beschl. v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. -, juris, Rn. 182 m.w.N.).

Der Niedersächsische Landesgesetzgeber hat für das Auswahlverfahren zwischen aufgrund des Mindestabstandsgebots konkurrierenden Spielhallen keine gesetzliche Grundlage geschaffen. Eine solche ist auch nicht entbehrlich, weil sich weder den §§ 24, 25 und 29 GlüStV noch den Regelungen im NGlüSpG hinreichende Kriterien oder Maßstäbe dafür entnehmen lassen, auf welche Weise die Auswahl zwischen konkurrierenden Spielhallen zu treffen ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 7. März 2017 (- 1 BvR 1314/12 u.a. -, juris, Rn. 183 und 184) zum Saarländischen Spielhallengesetz - SSpielhG - den Gesetzesvorbehalt als gewahrt angesehen und dazu Folgendes ausgeführt:

„Zwar ist der Entzug der Gewerbeerlaubnis wegen des drohenden völligen oder teilweisen Verlusts der beruflichen Betätigungsmöglichkeit von erheblichem Gewicht. Allerdings ist die Belastung des Eingriffs in die Berufsfreiheit in zweifacher Weise durch die Regelung im Saarländischen Spielhallengesetz abgemildert, und zwar durch die fünfjährige Übergangsfrist und die Möglichkeit einer Härtefallbefreiung bei der Entscheidung über die Wiedererteilung nach Fristablauf (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 1 SSpielhG; …). Zudem geht es nur um eine Überleitungsregelung für eine bestimmbare Anzahl von Bestandsspielhallen, nicht um die grundsätzliche und allgemeine Zuordnung unterschiedlicher Grundrechtspositionen für eine unbestimmte Vielzahl von zukünftigen Auswahlentscheidungen.

Vor diesem Hintergrund lassen sich die wesentlichen Parameter der Auswahlentscheidung in Konkurrenzsituationen zwischen Bestandsspielhallen dem Saarländischen Spielhallengesetz in hinreichendem Maße entnehmen. Insbesondere kann zur Konturierung der Auswahlkriterien zunächst auf die Regelung zur Härtefallbefreiung nach § 12 Abs. 2 SSpielhG zurückgegriffen werden, so dass im Rahmen der Auswahlentscheidung etwa auch die Amortisierbarkeit von Investitionen berücksichtigt werden kann. Auch ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung, dass bei der Auswahlentscheidung die mit der Neuregelung verfolgten und in § 1 Abs. 1 SSpielhG niedergelegten Ziele zu beachten sind.“

Diese Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts lassen sich auf die Gesetzeslage in Niedersachsen nur teilweise übertragen. Zwar wird auch in Niedersachsen die Belastung des Eingriffs in die Berufsfreiheit wie im Saarland durch die fünfjährige Übergangsfrist und die Möglichkeit einer Härtefallbefreiung bei der Entscheidung über die Erteilung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis nach Fristablauf abgemildert (§ 29 Abs. 4 Sätze 2 und 4 GlüStV). Zudem geht es in Niedersachsen ebenfalls nur um eine Überleitungsregelung für eine bestimmbare Anzahl von Bestandsspielhallen und nicht um die grundsätzliche und allgemeine Zuordnung unterschiedlicher Grundrechtspositionen für eine unbestimmte Vielzahl von zukünftigen Auswahlentscheidungen.

Maßgebend ist jedoch, dass sich in Niedersachsen im Unterschied zu der vom Bundesverfassungsgericht beurteilten landesgesetzlichen Regelung im Saarland die wesentlichen Parameter der Auswahlentscheidung in Konkurrenzsituationen zwischen Bestandsspielhallen nicht in hinreichendem Maße dem Gesetz entnehmen lassen. Der niedersächsische Landesgesetzgeber hat - anders als andere Landesgesetzgeber - auf die durch § 29 Abs. 4 Satz 5 GlüStV eröffnete Möglichkeit verzichtet, in seinen Durchführungsbestimmungen Einzelheiten zur Handhabung bzw. Ausgestaltung des Befreiungstatbestandes zu regeln. Dies ist nicht zu beanstanden. Die Länder sind befugt, innerhalb des Rahmens, der ihnen durch den Glücksspielstaatsvertrag vorgegeben wird, zu bestimmen, mit welchen ordnungsrechtlichen Mitteln sie die Ziele des § 1 GlüStV erreichen wollen. Da Niedersachsen den Anwendungsbereich der Härtefallklausel in seinen Durchführungsbestimmungen nicht näher konkretisiert hat, verbleibt es bei der auf der Grundlage des Glücksspielstaatsvertrages gebotenen engen Auslegung (vgl. dazu im Einzelnen Senatsbeschluss v. 4.9.2017 - 11 ME 206/17 -, juris). Daraus folgt aber auch, dass sich Kriterien für das Vorliegen einer unbilligen Härte, die nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gleichermaßen für die Auflösung einer Konkurrenzsituation zwischen mehreren Bestandsspielhallen maßgeblich sein können, im NGlüSpG nicht finden. Dass nach § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV bei der Härtefallentscheidung der Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis gemäß § 33 i GewO und die Ziele des § 1 GlüStV zu berücksichtigen sind, genügt ohne weitere Konkretisierung durch den Landesgesetzgeber, wie der nachstehende Vergleich mit dem saarländischen Spielhallengesetz zeigt, den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Gesetzesvorbehalt nicht.

Der saarländische Landesgesetzgeber hat in § 12 Abs. 2 SSpielhG eine Regelung zur Härtefallklausel getroffen, auf die nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Konturierung der Auswahlkriterien zurückgegriffen werden kann. Nach § 12 Abs. 2 SSpielhG kann die Erlaubnisbehörde in begründeten Einzelfällen eine Befreiung von dem Abstandsgebot für einen angemessenen Zeitraum aussprechen, wenn u.a. der Erlaubnisinhaber auf den Bestand der ursprünglichen Erlaubnis vertrauen durfte und dieses Vertrauen unter Abwägung öffentlicher Interessen und der Ziele des § 1 Abs. 1 SSpielhG schutzwürdig ist. Danach kann somit auch bei der Auswahlentscheidung berücksichtigt werden, ob sich im Vertrauen auf den Bestand der aufgrund der bisherigen Rechtslage erteilten gewerberechtlichen Erlaubnis getätigte Investitionen amortisiert haben.

Entsprechendes gilt beispielsweise für die Rechtslage in Baden-Württemberg. Wie der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg mit Urteil vom 17. Juni 2014 (- 15/13 -, juris,   Rn. 357 und 358) entschieden hat, lassen sich dem in Baden-Württemberg geltenden Landesglücksspielgesetz (LGlüG) den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügende Maßstäbe durch Auslegung entnehmen. Danach werden in § 51 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 und Satz 4 LGlüG für das Vorliegen einer unbilligen Härte Kriterien genannt, die auch für die Entscheidung über die Lösung einer Konkurrenz zwischen mehreren Spielhallenbetreibern maßgeblich sein können. Dort ist bestimmt, dass der Schutzzweck des Gesetzes und der Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis zu berücksichtigen sind. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, ob eine Anpassung des Betriebes an die gesetzlichen Anforderungen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich oder mit einer wirtschaftlichen Betriebsführung nicht vereinbar ist und Investitionen, die im Vertrauen auf den Bestand der nach Maßgabe des bisher geltenden Rechts erteilten Erlaubnis getätigt wurden, nicht abgeschrieben werden konnten (so ausdrücklich § 51 Abs. 5 Satz 4 LGlüG).

Da in Niedersachsen vergleichbare Regelungen nicht vorhanden sind, fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage, so dass die durch Losentscheid zu Lasten der Antragstellerin getroffene Auswahlentscheidung schon aus diesem Grund rechtswidrig und eine erneute Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis zu treffen ist.

Der Hinweis auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschl. v. 8.6.2017 - 4 B 307/17 -, juris, Rn. 50) führt nicht weiter. In Nordrhein-Westfalen besteht zusätzlich die Befugnis der Erlaubnisbehörde, unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standortes und der Lage des Einzelfalls von dem Erfordernis eines Mindestabstands von 350 m Luftlinie zu einer anderen Spielhalle abzuweichen (vgl. § 16 Abs. 3 Satz 3, Satz 1 Halbs. 2 AG GlüStV NRW).     Außerdem gibt es dort detaillierte Anwendungshinweise des  Innenministeriums vom 10. Mai 2016 zum Vorliegen eines Härtefalls.

Eine gesetzliche Grundlage ist auch nicht im Hinblick auf die Rechtsprechung zur Marktzulassung durch Losentscheid nach § 70 GewO entbehrlich (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 16.7.2005 - 7 LC 201/03 -, NVwZ-RR 2006, 177, juris, Rn. 31 f.). Nach § 70 Abs. 3 GewO kann der Veranstalter aus sachlich gerechtfertigten Gründen, insbesondere wenn der zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht, einzelne Aussteller, Anbieter oder Besucher von der Teilnahme ausschließen. § 70 GewO stellt somit eine gesetzliche Grundlage für eine Auswahlentscheidung dar und benennt die maßgeblichen Auswahlkriterien dem Grunde nach. An einer vergleichbaren Regelung fehlt es hier gerade. Insofern führt auch die Bezugnahme auf die Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (Entscheidung v. 28.6.2013 - Vf. 10-VII-12 u.a. -, juris, Rn. 89) und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschl. v. 15.4.2015 - 7 ME 121/13 -, juris, Rn. 58) nicht weiter, in denen zur Rechtfertigung der Entbehrlichkeit einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage für die Auswahlentscheidung bei einer Konkurrenzsituation zwischen Bestandsspielhallen auf § 70 Abs. 3 GewO verwiesen wird.

Im Hinblick auf den vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes (Nds. LT-Drs. 17/7942), mit dem durch Art. 1 Nr. 2 b und Art. 2 Satz 2  dem Losverfahren rückwirkend eine gesetzliche Grundlage gegeben werden soll, sieht sich der Senat zu folgenden Hinweisen veranlasst:

Dem Gesetzgeber steht ein weiter Spielraum bei der Beurteilung der Frage zu, anhand welcher Kriterien und Maßstäbe eine Konkurrenzsituation bei Bestandsspielhallen aufgelöst werden soll und wie detailliert die Regelungen im Einzelnen ausfallen. Verfassungsrechtlich erforderlich ist nach dem Beschluss  des Bundesverfassungsgerichts vom 7. März 2017 (- 1 BvR 1314/12 - u.a., juris) lediglich, dass sich die wesentlichen Parameter der Auswahlentscheidung dem Gesetz entnehmen lassen. Allerdings bestehen erhebliche Zweifel daran, dass die im Gesetzesentwurf  zur Änderung des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes in § 10 Abs. 3 für Auswahlentscheidungen vorgesehene generelle Durchführung eines Losverfahrens den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG genügt.

Bei der Auswahlentscheidung zwischen konkurrierenden Spielhallenbetreibern handelt es sich um eine komplexe Abwägungsentscheidung, bei der die Ziele des Glücksspielstaatsvertrages und die grundrechtlichen Positionen der Spielhallenbetreiber in Einklang zu bringen sind. Das Bundesverfassungsgericht hat als wesentlichen Auswahlgrundsatz herausgestellt, dass die Auswahl anhand sachgerechter Kriterien vorzunehmen ist (Beschl. v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. -, juris, Rn. 185). Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht es nicht, die Auswahl zwischen konkurrierenden Spielhallenbetreibern ausschließlich zufallsbezogen durch Losentscheid herbeizuführen. Die Durchführung eines Losverfahrens kommt vielmehr erst dann in Frage, wenn sich mehrere Spielhallen nach Festlegung von sachbezogenen Auswahlkriterien und deren Anwendung auf den konkreten Einzelfall als gleichrangig erweisen. Dabei bleibt es dem Landesgesetzgeber überlassen, wie detailliert er im Wege der Gesetz- oder Verordnungsgebung oder auch mittels Verwaltungsvorschriften den zuständigen Behörden sachbezogene Auswahlkriterien für die Bewältigung von Konkurrenzsituationen an die Hand gibt (BVerfG, Beschl. v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. -, juris, Rn. 185). Dass sich, wie in der Begründung des Gesetzentwurfs angeführt wird, keine für eine Auswahl unter konkurrierenden Spielhallen geeigneten Sachkriterien entwickeln lassen und deshalb das Losverfahren anzuwenden ist, ist schon angesichts der Regelungen anderer Landesgesetzgeber nicht nachvollziehbar. Zudem nennt das Bundesverfassungsgericht selbst als Auswahlmaßstab, dass die zuständigen Behörden sich wegen der geforderten Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Positionen der Spielhallenbetreiber eines Verteilmechanismus bedienen, der die bestmögliche Ausschöpfung der bei Beachtung der Mindestabstände verbleibenden Standortkapazität in dem relevanten Gebiet ermöglicht (Beschl. v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12  u.a. -, juris, Rn. 185).  Als mögliches Auswahlkriterium verweist das Bundesverfassungsgericht außerdem auf die im Rahmen der Auswahlentscheidung heranzuziehende Regelung zur Härtefallbefreiung nach § 12 Abs. 2 SSpielhG, nach der etwa die Amortisierbarkeit von Investitionen berücksichtigt werden kann (Beschl. v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. -, juris, Rn. 184).