Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.09.2017, Az.: 1 OB 115/17
Beiladung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 06.09.2017
- Aktenzeichen
- 1 OB 115/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2017, 53960
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 21.07.2017 - AZ: 4 B 2346/17
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Auch dann, wenn die vom Bauherrn angefochtene bauaufsichtsbehördliche Verfügung auf die Initiative eines Dritten zurückgeht, ist es nicht in jedem Fall angezeigt, diesen Nachbarn zu dem Anfechtungs-/Eilverfahren beizuladen. Um einen Fall notwendiger Beiladung handelt es sich nicht.
Tenor:
Die Beschwerde von C. und C., C-Straße in A-Stadt (Beiladungsbewerber) gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 4. Kammer (Einzelrichterin) - vom 21. Juli 2017 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
Gründe
Die im Tenor genannten Personen möchten zum Verfahren 1 ME 112/17 beigeladen werden. Darin wendet sich der Antragsteller gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 4. Januar 2017. In deren Punkt 1 hatte sie ihm - unter nachträglicher Anordnung des Sofortvollzuges (B. v. 10.3.2017) - aufgegeben, das (einst) zweigeschossige (Neben-) Gebäude B vollständig abzureißen, das auf der Südostgrenze seines Grundstücks G. straße 45 in A-Stadt östlich neben dem Gebäude A (eingeschossiges ehemaliges Waschhaus) steht. Auf der Südgrenze dieses nordsüdlich angeordneten Grundstücks steht das Hinterhaus des Nachbargrundstücks, H. straße 3A. Das gehört den Beiladungsbewerbern. Diese meinen, der Echte Hausschwamm habe von den Gebäuden A und B auf ihr Hinterhaus übergegriffen, so dass die Wohnung in seinem ersten Obergeschoss nicht mehr genutzt werden könne. Die Gebäude A und B behinderten eine Sanierung. Sie erstreben daher im Beschwerdeverfahren 1 ME 117/17 die Verpflichtung der Antragsgegnerin, über das unter dem 4. Januar 2017 Angeordnete hinaus dem Antragsteller die sofortige und vollständige Beseitigung des Gebäudes A aufzugeben.
Der Antragsteller seinerseits möchte beide Nebengebäude erhalten und sieht sich hieran durch das Hinterhaus H. straße 3A gehindert; denn unter anderem von dessen Dach fielen Bauteile nach Norden.
Das Verwaltungsgericht hat durch Beschlüsse vom 21. Juli 2017 den Eilantrag des Antragstellers gegen Punkt 1 der Verfügung vom 4. Januar 2017 (4 B 2346/17, nachfolgendes Beschwerdeverfahren zum Az. 1 ME 112/17) und den Antrag der Beiladungsbewerbern abgelehnt, sie zu dem Verfahren beizuladen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Ein Fall notwendiger Beiladung liege nicht vor. Denn die Rechtmäßigkeit der Anordnung vom 4. Januar 2017 könne unabhängig davon beurteilt werden, ob den Beiladungsbewerbern durchsetzungsfähige Abwehrrechte gegen das Gebäude B zustünden. Eine einfache Beiladung erscheine nicht zur Wahrung ihrer Belange veranlasst. Selbst wenn ihre Belang im Sinne des § 65 Abs. 1 VwGO durch eine Entscheidung über den zum Aktenzeichen 4 B 2346/17 gestellten Eilantrag berührt würden, wäre die Beiladung nicht ermessensgerecht und zweckmäßig. Denn die Antragsgegnerin habe sich auf ihre Nachbarbeschwerden zum Eingreifen entschlossen. Prozessökonomisch sei die Beiladung auch nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angegriffenen Beschluss Bezug genommen.
Hiergegen führen die Beiladungsbewerber Beschwerde. Diese hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der Senat durch unanfechtbaren Beschluss vom heutigen Tage die Beschwerde des Antragstellers im Verfahren 1 ME 112/17 zurückgewiesen hat. Ein entscheidungsfähiges Eilverfahren, an dem die Beiladungsbewerber beteiligt werden könnten, besteht mithin nicht mehr.
Es kommt hinzu, dass die Beschwerde in der Sache keinen Erfolg hätte haben können. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht zur Auffassung gelangt, dass kein Fall notwendiger Beiladung (§ 65 Abs. 2 VwGO) vorliegt. Das ist erst dann der Fall, wenn die anstehende Entscheidung gegenüber beiden Nachbarn nur einheitlich ergehen kann; dann soll ihre Rechtskraftwirkung auch beide ergreifen. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Selbst dann, wenn der Antragsteller im Verfahren 1 ME 112/17 Erfolg gehabt hätte, würden dadurch „Rechte“ der Beiladungsbewerber nicht im eigentlichen Sinne verbindlich und unmittelbar geregelt/gestaltet. Diesen stünde vielmehr auch in diesem Fall unverändert die Möglichkeit offen, eine Durchsetzung ihres behaupteten Anspruchs zu versuchen, gegen den Antragsteller einzuschreiten. Es dürfte zwar zutreffen, dass die Antragsgegnerin ganz wesentlich aufgrund der Mitteilungen/Anzeigen der Antragsteller gegen den Beigeladenen vorgegangen ist. Das bedeutet aber nicht, dass sie mit dem Bescheid vom 4. Januar 2017 den von den Beiladungsbewerbern reklamierten Anspruch hatte erfüllen wollen, gegen den Antragsteller einzuschreiten. Es ist häufig, dass die Bauaufsichtsbehörde erst durch Nachbarn auf ein möglicherweise baurechtswidriges Geschehen aufmerksam wird. Diese erfüllen damit faktisch die Aufgaben eines Baukontrolleurs. Wird die Bauaufsichtsbehörde daraufhin tätig, heißt das zunächst einmal nur, dass sie im öffentlichen, d. h. dem Interesse einschreitet, das öffentliche Baurecht zu wahren. Nur dann, wenn sie erkennen lässt, damit zumindest auch den behaupteten Anspruch des Nachbarn zu erfüllen, kann eine andere Einschätzung veranlasst sein. Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Der Text der Ordnungsverfügung vom 4. Januar 2017 lässt nicht erkennen, nicht nur Anlass, sondern sogar eigentliches Motiv einzuschreiten seien im Wesentlichen die Nachbarinteressen der Antragsteller. Vielmehr wird auf deren Äußerungen (beispielsweise auf Seite 5 der Verfügung) nur Bezug genommen, deren Position aber gerade nicht uneingeschränkt übernommen, etwa hinsichtlich der Annahme, der Befall mit Hausschwamm habe das benachbarte Wohnhaus „infiziert“. Namentlich die Ausführungen zum Entschließungsermessen lassen nicht erkennen, wesentliches Anliegen der Antragsgegnerin sei, die Belange der Antragsteller zu schützen.
Selbst bei der nachträglichen Anordnung des Sofortvollzuges hinsichtlich des Punktes 1 der Verfügung vom 10. März 2017 (Gebäude B) wird nicht deutlich, es seien ganz wesentlich die für das Grundstück der Antragsteller drohenden Folgen gewesen, welche die Antragsgegnerin bewogen hätten, einem unkontrollierten Einsturz des Gebäudes B zuvorzukommen.
Auch wenn es darauf nicht mehr ankommt:
Die Beiladungsbewerber wären zudem durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen, die sie im Verfahren 4 B 6858/16 abgegeben hatten, voraussichtlich nicht gehindert gewesen, hinsichtlich des Gebäudes B ihre behaupteten Rechte neuerlich zu verfolgen. Denn die Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen bedeutet nur, dass die Rechtshängigkeit entfällt. Da die Stellung von Eilanträgen nicht fristgebunden ist, können sie neuerlich gestellt werden. Ein pactum de non petendo läge in der Abgabe der Erledigungserklärung jedenfalls hier nicht; denn es war deutlich, dass die Beiladungsbewerber mit der Abgabe der Erledigungserklärung nicht auf ihren behaupteten Anspruch hatten verzichten wollen, die Antragsgegnerin schon im Wege einstweiligen Rechtsschutzes verpflichten zu können, für die Beseitigung beider Nebengebäude A und B zu sorgen. Widersprüchlich wäre das Verhalten der Antragsteller im Falle neuerlicher Eilantragstellung damit gerade nicht gewesen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Kopp/Schenke, VwGO, Komm., 22. Aufl. 2016, § 161 Rdnr. 19; zutr. daher OVG Berlin, Urt. v. 5.9.1986 - 2 A 1.85 -, BRS 46 Nr. 27 = ZfBR 1986, 290).
Eine einfache Beiladung (§ 65 Abs. 1 VwGO) war hier nicht veranlasst. Zwar ist der Senat nicht darauf beschränkt, die Ermessenserwägungen nachzuprüfen, welche das Verwaltungsgericht hierzu angestellt hatte (vgl. OVG Münster, B. v. 4.2.2013 - 10 E 1265/12 -, NVwZ-RR 2013, 295 = BauR 2013. 755 = BRS 81 Nr. 200, JURIS-Rdnr. 5 mwN in Rdnr. 6). Die vom Verwaltungsgericht angestellten Betrachtungen treffen aber zu; der Senat verweist deshalb gem. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf sie. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat zwar in dem soeben zitierten Beschluss vom 4. Februar 2013 (JURIS-Rdnr. 8) in Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung angenommen, ein Bewerber sei auf seinen Antrag in der Regel zu einem Verfahren beizuladen, in dem sich sein Nachbar gegen bauaufsichtsbehördliche Maßnahmen wendet, die auf seine Initiative zurückgehen und es zumindest auch um Verstöße gegen Vorschriften geht, die seinen Interessen dienen. Diese Beiladung sei prozessökonomisch, weil so ein Nachfolgeprozess des Dritten/Beiladungsbewerbers vermieden werden könne.
Der Senat lässt offen, ob er diesen Grundsatz teilt. Hier liegt jedenfalls eine Sachlage vor, die auch dann eine Ablehnung des Beiladungsbegehrens rechtfertigte, wenn man dem OVG Münster im Ausgangspunkte folgte. Die Antragsteller hatten schon im Jahr 2016 Untätigkeitsklage erhoben gerichtet auf die vollständige Beseitigung beider Nebengebäude A und B. Prozessökonomische Gründe rechtfertigen es daher nicht, ihnen neben der unverändert bestehenden Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz auch im Hinblick auf das Nebengebäude B zu erlangen, im Verfahren 1 ME 112/17 eine zweite Möglichkeit Einfluss zu nehmen zu eröffnen. Ob der Antragsteller, wie die Beiladungsbewerber meinen, diese Nebengebäude allein in Schädigungsabsicht stehen lässt, ist für die Entscheidung ohne Interesse.
Die Gewährung von Einsicht in die Akten 1 ME 112/17 scheidet damit mangels Beteiligtenstellung aus.
Weitere Ausführungen zur Beschwerde sind nicht veranlasst.
Die Nebenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als im oben zitierten Verfahren des OVG Münster (B. v. 4.2.2013, aaO, JURIS-Rdnr. 12) war die Beschwerde hier nicht erfolgreich. Die Beschwerde stellt kostenrechtlich ein selbständiges Verfahren dar (vgl. BayVGH, B. v. 9.7.2001 - 1 C 01.970 -, NVwZ-RR 2002, 156 = BayVBl. 2002, 443, JURIS-Rdnr. 12; s. a. Bader-v.Albedyll, VwGO, Komm., 6. Aufl. 2014, § 65 Rdnr. 31).
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen Nr. 5502 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz nicht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.