Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.03.2018, Az.: 2 LB 1749/17
Risikoprofil; Sunnit; Syrien; UNHCR
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 14.03.2018
- Aktenzeichen
- 2 LB 1749/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 74456
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 03.03.2017 - AZ: 2 A 5786/16
Rechtsgrundlagen
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die pauschale, schlagwortartige Bezugnahme auf eines oder mehrere der vom UNHCR formulierten Risikoprofile (vgl. nunmehr International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic, Update V, vom November 2017) ohne hinreichend substantiierte Einzelfallbetrachtung kann die Annahme einer politischen Verfolgung syrischer Schutzsuchender nicht stützen und gibt dem Gericht keinen Anlass, seine bisher unter Auseinandersetzung mit den verfügbaren Quellen eingenommenen Standpunkte einer erneuten Prüfung zu unterziehen.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 2. Kammer (Einzelrichter) - vom 3. März 2017 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Kläger, nach eigenen Angaben syrische Staatsangehörige arabischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit aus E. (Eheleute mit einem am … 2013 geborenen Kind), die über subsidiären Schutz verfügen, begehren im Wege der Aufstockungsklage ihre Anerkennung als Flüchtling.
Bei ihren Anhörungen vor dem Bundesamt gaben die Kläger zu 1. und 2. im Wesentlichen an, sie hätten ihr Heimatland im November 2013 bzw. im Mai 2014 verlassen und dann zunächst in der Türkei gelebt. Nach einer Verletzung habe der Kläger zu 1. dort nicht mehr arbeiten können; wegen der schwierigen Lage seien sie im November 2015 über die Balkanroute nach Deutschland gereist. Der Kläger zu 1. habe seinen Wehrdienst von 2008 bis 2010 abgeleistet. Vor ihrer Ausreise hätten sie in E. direkt zwischen den Fronten des Regimes und der Freien Syrischen Armee gelebt. Sie hätten Bomben und Raketen gehört und der Kläger zu 1. habe seinen Arbeitsplatz in einem abgesperrten Gebiet nicht mehr aufsuchen können. Inzwischen herrsche dort, wo sie gelebt hätten, richtig Krieg. Im Fall einer Rückkehr fürchteten sie, dass der Kläger zu 1. als Reservist eingezogen werde.
Die Beklagte erkannte den Klägern mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. Oktober 2016 subsidiären Schutz zu, lehnte jedoch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab.
Dagegen haben die Kläger Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, sie seien vorverfolgt ausgereist. Als Sunniten und wegen einer drohenden Einziehung des Klägers zu 1. fielen sie unter die vom UNHCR definierten Risikoprofile. Dabei müsse der Kläger zu 1. bei einer Einziehung auch Kriegsverbrechen begehen. Darüber hinaus drohe schon bei Stellung eines Asylantrages für Rückkehrer aus dem westlichen Ausland politische Verfolgung.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 2 des Bescheides vom 19. Oktober 2016 zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen und den angefochtenen Bescheid aufgehoben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht. Zur Begründung hat es zusammenfassend ausgeführt: Nach Auswertung der vorliegenden Erkenntnismittel sei davon auszugehen, dass den Klägern bei Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung drohe. Der syrische Staat sehe bereits in der illegalen Ausreise, dem Asylantrag und dem längeren Aufenthalt im westlichen Ausland eine regimefeindliche Gesinnung mit der Folge, dass den Kläger bei Rückkehr beider obligatorischen Befragung durch Sicherheitskräfte mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung in Form menschrechtswidriger Behandlung bis zur Folter drohe. Hinzu komme, dass der Kläger zu 1. mit einer Einberufung zum Wehrdienst rechnen müsse und ihm in Anknüpfung daran wegen der Wehrdienstentziehung im Falle der Rückkehr Maßnahmen der politischen Verfolgung drohten. Selbst wenn er nicht inhaftiert und gefoltert, sondern eingezogen werde, liege darin eine Verfolgung; denn er wäre gezwungen, sich einer Armee einzufügen, aus der Reihen Kriegsverbrechen und Folter begangen würden. Dem Kläger zu 3. drohe deswegen darüber hinaus Verfolgung in Gestalt von „Sippenhaft“. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten. Diese führt im Wesentlichen aus: Da seit langem keine Rückführungen nach Syrien erfolgten, lägen belastbare Referenzfälle für ein politisches Verfolgungsgeschehen nicht vor. Eine zukunftsorientierte Aussage sei faktenbasiert kaum möglich. Bei einer insgesamt unklaren Tatsachenlage könne im Rahmen der gebotenen Prognoseentscheidung das Vorliegen einer Verfolgungsgefährdung aber nicht im Zweifelsfall (zugunsten des Asylsuchenden) unterstellt werden. Allgemeine Unsicherheiten bei Feststellung und Würdigung eines Sachverhalts müssten zu einer tendenziell zurückhaltenden Beurteilung der politischen Verfolgungsgefahr im gerichtlichen Verfahren führen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, trotz massiver Flüchtlingsströme werde jeder einzelne Rückkehrer als potentieller politischer Gegner angesehen, bewege sich im Reich der Vermutung. Angesichts der Vielzahl der zwischenzeitlich aus Syrien geflohenen Personen widerspreche es der Lebenserfahrung, dass der syrische Staat jede illegale Ausreise und Asylantragstellung mit Aufenthalt im westlichen Ausland als Ausdruck einer regimefeindlichen Gesinnung auffasse; denn auch dem syrischen Staat sei bekannt, dass seine Bürger vor allem wegen der Bürgerkriegssituation das Land verließen. Im Übrigen stellten sich die Übergriffe des syrischen Staates als willkürlich, also vom Zufall abhängend dar und erfüllten damit nicht den Maßstab der für die Annahme einer politischen Verfolgung erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Der Umstand, dass sich der Kläger zu 1. im wehrfähigen Alter befinde, könne die Bejahung der Flüchtlingseigenschaft nicht rechtfertigen, wie bereits das Oberverwaltungsgericht Koblenz zum Aktenzeichen 1 A 10922/16.OVG (juris) ausgeführt habe.
Die Beklagte beantragt,
das angegriffene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angegriffene Urteil, halten die von der Beklagten vorgelegte Berufungsbegründung für defizitär und betonen erneut, sie seien vorverfolgt ausgereist und fielen unter die vom UNHCR definierten Risikoprofile; die Klägerin zu 1. sei alleinstehende Frau.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Die vom Senat zugrunde gelegten Erkenntnismittel ergeben sich aus den übersandten Erkenntnismittellisten.
II.
Der Senat trifft diese Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss (§ 130a Satz 1 VwGO), weil er die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (zur Zulässigkeit einer Entscheidung nach § 130a VwGO vgl. Senatsbeschl. v. 5.9.2017 - 2 LB 186/17 -, juris).
Die Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Die Ablehnung der Zuerkennung im angegriffenen Bescheid ist rechtmäßig. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Die Beklagte hat den ihnen zustehenden Schutzstatus zu Recht der Vorschrift des § 4 AsylG entnommen.
Die grundlegenden Fallfragen - auch diejenige, welche Anforderungen an Berufungsschriften der Beklagten zu stellen sind - hat der Senat bereits mit Urteil vom 27. Juni 2017 (- 2 LB 91/17 -, juris) entschieden, nämlich Folgendes ausgeführt:
„Die Berufung der Beklagten ist zulässig (1) und begründet (2).
1. Die Berufung ist zulässig und insbesondere nach ihrer Zulassung durch den Senat formell ordnungsgemäß erhoben worden. Die Beklagte als Berufungsführerin hat sich für die Begründung der Berufung auf den angefochtenen Bescheid, den Zulassungsbeschluss des Senats und ihren „Antrag auf Zulassung der Berufung vom 1.2.2017“ berufen. Zwar datiert der von der Beklagten eingereichte Antrag auf Zulassung der Berufung vom 31.1.2017 bzw. 2.2.2017. Aufgrund der Vielzahl der von der Beklagten zu bearbeitenden Anträge ist insoweit jedoch lediglich von einem Flüchtigkeitsfehler auszugehen. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Berufung durch Verweis auf umfangreiche Darlegungen im Zulassungsverfahren begründet werden kann (BVerwG, Beschl. v. 3.8.2016 - 1 B 79.16 -, juris).
2. Die Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Die Ablehnung der Zuerkennung im angegriffenen Bescheid ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
a. Allerdings scheitert sein Begehren nicht schon an einem etwaig mangelnden Rechtsschutzinteresse. Gegenstand des Rechtsstreits ist die begehrte „Aufstockung“ des Schutzstatus vom gewährten subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) auf Flüchtlingsschutz (§ 3 AsylG). Diese beiden Statusvarianten, die zusammen die Bandbreite möglichen „internationalen Schutzes“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ausmachen, unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen im Gegensatz zu früher nicht mehr so signifikant (vgl. im Detail zu den verbliebenen Statusunterschieden: Ellerbrok/Hartmann, NVwZ 2017, 522, 526; Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 6. Aufl. § 5 C Rnr. 31 ff). Sie ergänzen sich gegenseitig insoweit, als der Flüchtlingsstatus individuelle Verfolgung, der subsidiäre Schutzstatus hingegen andere drohende ernsthafte Schäden zur Voraussetzung hat, wie sie z.B. aus einer Bürgerkriegssituation resultieren können. Die Anwendungsbereiche der fraglichen Regelungen haben unter diesen Umständen eine gemeinsame Schnittmenge, überlappen sich also; der subsidiäre Schutz ist hiernach nicht als geringwertige Schutzstufe gegenüber einer „Teilmenge“ von Personen mit Flüchtlingsstatus ausgeprägt, sondern steht gleichrangig neben dem Flüchtlingsstatus. Die verbreitete, möglicherweise schon durch die Benennung geförderte Auffassung, subsidiärer Schutz sei eine „mindere“ Schutzform, geht deshalb fehl. Gleichwohl führen die nach wie vor bestehenden Unterschiede (z. B. in der zeitlichen Befristung des Aufenthaltsrechts, § 26 Abs. 1 AufenthG, in den Vorgaben einerseits für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, § 26 Abs. 3 und 4 AufenthG, andererseits für den Familiennachzug, § 104 Abs. 13 AufenthG, in der Frage nach den Voraussetzungen eines Widerrufs der Rechtsstellung, dazu näher Ellerbrok/Hartmann, aaO. unter IV; vgl. auch die zumindest teilweise noch unterschiedlichen Formulierungen in Art. 24, 25 und 29 der RL 2011/95/EU bzw. in Art. 26, 27 und 34 des Entwurfs einer die Richtlinie ersetzenden Anerkennungsverordnung, abgedruckt in BR-DRS 499/16) zur Bejahung eines Rechtsschutzinteresses an der Aufstockungsklage.
b. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft kann der Kläger nicht mit Erfolg begehren.
Unbestritten herrscht in großen Teilen Syriens ein „Bürgerkrieg“ (bewaffneter Konflikt). Daran beteiligt sind eskalierend seit 2011 neben einer sehr großen Anzahl kleinerer Gruppierungen nach derzeitigem Erkenntnisstand sechs größere Machtblöcke: der syrische Staat mit verschiedenen z.T. selbständig agierenden regierungsfreundlichen Milizen, eine salafistische Rebellenfront, die sog. „Nusra-Front", soweit erkennbar ein Al Qaida Ableger, der IS (Al-Dalla al-Islamiyya oder auch Daish), die Rebellenallianz der „Freien syrischen Armee“ (FSA), die allerdings zwischenzeitlich an Bedeutung verloren haben soll, sowie die Volksverteidigungseinheiten der kurdischen Partiya Yekitiya Demokrat (Partei der demokratischen Union, PYD). Diese Akteure stehen wieder in Allianzen mit anderen kleineren Verbänden. Die „Frontlinien“ sind nicht scharf abtrennbar, jede Gruppe verfolgt ihre eigenen Interessen, die sich teilweise mit denen anderer Gruppierungen überlappen können (vgl. Gerlach, „Was geschieht in Syrien“, Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte, 8/2016 S. 6 ff.).
Bürgerkriege sind nach aller geschichtlichen Erfahrung vielfach nicht weniger schrecklich als eine politische Verfolgung durch „gesetzte“ politische Systeme. Sie sind häufig gerade durch ein gegenseitiges „Zerfleischen“ von Bevölkerungsgruppen mit sich voneinander unterscheidenden Merkmalen geprägt. Der UNHCR (Relevante Herkunftslandinformationen zur Unterstützung der Anwendung des UNHCR - Länderleitfaden für Syrien; Feb. 2017, Deutsche Version April 2017, im Folg. UNHCR 4/2017) spricht u.a. davon, dass „Regierungskräfte und Isis … weiterhin Verbrechen gegen die Menschlichkeit (begehen). Es werden hemmungslose Kriegsverbrechen begangen“ (vgl. Fußn. 102). Letztlich unterscheidet sich die Mentalität der an den Konflikten beteiligten Gruppierungen kaum. Hinzu kommt, dass es eine homogene bürgerliche Zivilgesellschaft und ein Verständnis von Staat als Solidaritätsgemeinschaft im arabischen Raum eher nicht gibt. Im Vordergrund steht seit jeher der Zusammenhalt über den Clan/den Stamm. Besonders riskant ist diese Situation jeweils für diejenigen, die in ihrem Aufenthaltsbereich von Bevölkerungsgruppen mit anderen Merkmalen dominiert werden, und für diejenigen, die ohnehin im Verhältnis zu ihren Mitbürgern „schwach“ sind. Hinzu kommt, dass die Eingruppierung als Täter bzw. als Opfer in einer solchen Bürgerkriegssituation schwankend sein kann, je nachdem, in welchem Umfeld sich der Betreffende gerade behaupten muss. Zudem unterliegen die örtlichen Grenzverläufe einem ständigen Wandel (AA v. 2.1.2017 an VG Düsseldorf, Az.508-9-516.80/48808, DOI v. 22.2.2017 an VGH BW, v. 2.1.2017 an Hess. VGH). Dieser Situation trägt § 4 Abs. 1 AsylG Rechnung, wonach u.a. bei einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts sowie bei unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung „subsidiärer Schutz“ - wie im Falle des Klägers auch geschehen - zu gewähren ist.
Ein Flüchtling iSd. § 3 AsylG ist der Kläger dagegen nicht.
Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Verfolgungsgründen) außerhalb des Landes (Herkunftslands) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
Gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG gelten Handlungen als Verfolgung iSd. § 3 Abs. 1 AsylG, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Gemäß § 3c Nr. 1 und 2 AsylG sind Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, u. a. der Staat oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen.
Zwischen den Verfolgungsgründen und Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG). Dabei ist unerheblich, ob der Ausländer tatsächlich z.B. die religiösen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger nur zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG). Für den Bereich des Asylrechts hat das Bundesverfassungsgericht diese Verknüpfung von Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund dahingehend konkretisiert, dass es für eine politische Verfolgung ausreiche, wenn der Ausländer der Gegenseite oder dem persönlichen Umfeld einer anderen Person zugerechnet wird, die ihrerseits Objekt politischer Verfolgung ist. Unerheblich ist dabei, ob der Betreffende aufgrund der ihm zugeschriebenen Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung (überhaupt) tätig geworden ist (BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 22.11.1996 - 2 BvR 1753/96 -, juris, Rnr. 5; BVerwG, Beschl. v. 27.4.2017 - 1 B 63.17, 1 PKH 23.17 -, juris). Maßgebend ist im Sinne einer objektiven Gerichtetheit die Zielrichtung, die der Maßnahme unter den jeweiligen Umständen ihrem Charakter nach zukommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.1.2009 - 10 C 52.07 -, BVerwGE 133, 55, Rnr. 22, 24, Marx, AsylG, 2017, § 3a Rnr. 50 ff.).
Eine „begründete Furcht“ vor Verfolgung (vgl. auch Art. 1 GFK, Art. 2 RL 2011/95/EU) liegt vor, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d. h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67, Rnr. 19). Der danach maßgebliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Zu bewerten ist letztlich, ob aus Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Schutzsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in das Herkunftsland als unzumutbar erscheint; insoweit geht es also um die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr des Schutzsuchenden in seinen Heimatstaat (BVerwG, Urt. v. 6.3.1990 - 9 C 14.89 -, juris). Dabei entspricht die zunächst zum nationalen Recht entwickelte Rechtsdogmatik zur Frage der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ auch dem neueren europäischen Recht (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 -, BVerwGE 140, 22 = NVwZ 2011, 349; Berlit, ZAR 2017, 110, 117). Soweit zur Verdeutlichung des Prognosemaßstabs verschiedentlich unmittelbar auf die Formulierung „real risk“ in der englischen Sprachfassung z.B. von Art. 4 Nr. 4 und Art. 5 der RL 2011/95/EU hingewiesen worden ist, erbringt dies keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn. Die fraglichen Regelungen betreffen den „internationalen Schutz“, nicht aber speziell den Flüchtlingsschutz. Sie verwenden jeweils nebeneinander die Topoi der „well-founded fear of persecution“ und des „real risks of suffering serious harm“. Ersteres bezieht sich ersichtlich auf Verfolgung, mithin den Flüchtlingsschutz, während die Thematik des „ernsthaften Schadens“ im Sinne des § 4 AsylG die zweitgenannte Formel abbildet; die jeweiligen Formulierungen finden sich in gleicher Weise in Art. 10 und 16 wieder. Die Frage des Bestehens eines „real risks“ gibt - wenn sie auch für die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von Bedeutung gewesen ist (vgl. Urt. v. 1.3.2012 - 10 C 7.11 -, juris; vgl. auch Berlit, ZAR 2017, 110, 113 f., 120) - deshalb für den Anspruch auf Anerkennung von Flüchtlingsschutz nichts Zusätzliches her. Dass ein „real risk“ besteht, hat die Beklagte bereits mit der Anerkennung subsidiären Schutzes zugunsten der Klägerseite bejaht und daran die zutreffende Rechtsfolge geknüpft.
Bei der Bewertung, ob die im Einzelfall festgestellten Umstände eine die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz nach § 3 AsylG rechtfertigende Verfolgungsgefahr begründen, ist zwischen der Frage, ob dem Ausländer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungshandlung gemäß den §§ 3 Abs. 1, 3a AsylG droht, und der Frage einer ebenfalls beachtlich wahrscheinlichen Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund zu unterscheiden.
Beim Flüchtlingsschutz gilt für die Verfolgungsprognose ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Das gilt unabhängig von der Frage, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Die Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU, nicht (mehr) durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Nach dieser Vorschrift besteht eine tatsächliche Vermutung, dass sich eine frühere Verfolgung bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen wird. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung entkräften (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.6.2011 - 10 C 25.10 -, BVerwGE 140, 22, Rnr. 21 f.; vgl. z. Vorstehenden auch OVG NW v. 4.5.2017 Rnr. 15 ff., OVG d. Saarlandes, Urt. v. 11.3.2017 – 2 A 215/17 –, Rnr. 19 f, juris; Berlit, ZAR 2017, 110 ff.)
Hinsichtlich der Anforderungen an den Klägervortrag muss unterschieden werden zwischen den in die eigene Sphäre des Asylsuchenden (bzw. hier: des um Flüchtlingsschutz Nachsuchenden) fallenden Ereignissen, insbesondere seiner persönlichen Erlebnisse, und den in den allgemeinen Verhältnissen seines Herkunftslandes liegenden Umständen, die seine Furcht vor Verfolgung rechtfertigen sollen.
Lediglich in Bezug auf erstere muss er eine Schilderung geben, die geeignet ist, seinen Anspruch lückenlos zu tragen. Dabei ist die besondere Beweisnot des nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsprozessrechts mit der materiellen Beweislast beschwerten Klägers zu berücksichtigen, dem häufig die üblichen Beweismittel fehlen. Insbesondere können in der Regel unmittelbare Beweise im Verfolgerland nicht erhoben werden. Daher kann den eigenen Erklärungen des Klägers größere Bedeutung beizumessen sein, als dies meist sonst in der Prozesspraxis bei Bekundungen einer Partei der Fall ist. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen des Klägers und dessen Würdigung gesteigerte Bedeutung zu. Zur Anerkennung kann schon allein sein Tatsachenvortrag führen, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne "glaubhaft" sind, dass sich das Tatsachengericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann. Dem Klagebegehren darf jedenfalls nicht mit der Begründung der Erfolg versagt werden, dass neben der Einlassung des Schutzsuchenden keine Beweismittel zur Verfügung stehen. Der Richter ist aus Rechtsgründen schon allgemein nicht daran gehindert, eine Parteibehauptung ohne Beweisaufnahme als wahr anzusehen; das gilt für Asylverfahren (bzw. wie hier in Verfahren auf Flüchtlingsanerkennung) mit seinen typischen Schwierigkeiten, für das individuelle Schicksal des Antragstellers auf andere Beweismittel zurückzugreifen, in besonderem Maße. Einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO wird der Richter hierdurch jedoch nicht enthoben. Das Fehlen von Beweismitteln mag die Meinungsbildung des Tatsachengerichts erschweren, entbindet es aber nicht davon, sich eine feste Überzeugung vom Vorhandensein des entscheidungserheblichen Sachverhalts zu bilden. Dies muss – wenn nicht anders möglich – in der Weise geschehen, dass sich der Richter schlüssig wird, ob er dem Kläger glaubt (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1981 - 9 C 251.81 -, juris, v. 22. 3.1983 – 9 C 68/81 –, Rnr. 5, juris, v. 16. 4. 1985 – 9 C 109/84 –, BVerwGE 71, 180, juris, mwN.; OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris Rnr. 32; Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2 Aufl. S. 289).
Hinsichtlich der allgemeinen politischen Verhältnisse im Herkunftsland - hier insbesondere zu den Bedingungen einer Rückkehr über den Flughafen Damaskus, ggfls. auch den Flughafen in Latakia (vgl. SFH v. 21.3.2017, Rückkehr) - reicht es hingegen wegen seiner zumeist auf einen engeren Lebenskreis beschränkten Erfahrungen und Kenntnisse aus, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, aus denen sich - ihre Wahrheit unterstellt - hinreichende Anhaltspunkte für eine nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung für den Fall einer Rückkehr in das Herkunftsland ergeben (BVerwG, Urt. v. 4.11.1981 - 9 C 251/81 -, juris, v. 22.3.1983 - 9 C 68.81 -, juris; Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl. S. 288 ff.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: 3/2017, B 1 Rnr. 255). Hier ist es Aufgabe der Beklagten und der Gerichte, unter vollständiger Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen, die Gegebenheiten im Herkunftsstaat aufzuklären und darauf aufbauend eine in besonderem Maße von Rationalität und Plausibilität getragene Prognose zu treffen (Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, aaO, S. 295 f.).
Da in „Asylverfahren“ (hier richtiger: Verfahren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft) in der Regel keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse zu dem betreffenden Herkunftsland vorliegen, sind die Gerichte darauf angewiesen, sich durch eine Vielzahl unterschiedlicher Erkenntnisse gleichsam mosaikartig ein Bild zu machen. Bei der Beurteilung der zahlreichen vorliegenden Berichte auf ihre Verwertbarkeit und Verlässlichkeit ist dabei stets das „gewachsene Wissen um Erkenntnisungenauigkeit und -verzerrungen“ (Berlit, NVwZ <richtig: ZAR> 2017, 119) zu berücksichtigen (vgl. auch Gerlach/ Metzger: „Wie unser Bild vom Krieg entsteht“ Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte 8/2013 S. 3). Das gilt umso mehr, wenn - was in Bezug auf Syrien nicht (mehr) in Frage steht - der „Bürgerkrieg“ auch von außen über (Groß)Mächte wie z.B. Russland, Türkei, Iran, Saudi-Arabien, USA mit im Einzelnen wiederum unterschiedlichen Interessenlagen „gesteuert“ wird (vgl. Gerlach, „Was in Syrien geschieht“, Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte 8/2016, S. 7, generell zu den Interessenlagen in Syrien: Asseburg: „Ziviler Protest, Aufstand, Bürgerkrieg und Zukunftsaussichten“ sowie Jaeger/Tophoven „Internationale Akteure, Interessen, Konfliktlinien“, jeweils Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte 8/2013,S.11, 23; Geranmayeh/Liik, “Echte Partner oder arrangierte Ehe?“, IP <Internationale Presse> v. 1.1.2017 S. 84, abgerufen über Internet am 11.6.2017). Bei der Erhebung und Bewertung von Fakten über die Verhältnisse in Syrien ist daher mit vielfältigen - innersyrischen wie internationalen - Bestrebungen zu rechnen, im jeweiligen Eigeninteresse die Wahrheit zu verfälschen und die Gegenseite in ein schlechtes Licht zu setzen. Dies ist bei der Auswertung jeglicher Erkenntnismittel zu bedenken. Gerade die sehr unterschiedliche Rechtsprechung zu Syrien weist - trotz der Vielzahl der nahezu allen Gerichten übereinstimmend vorliegenden Auskünfte und Stellungnahmen - auf eine letztlich unklare Auskunftslage hin. So ist es z.B. bislang nicht einmal möglich, die Verantwortlichkeit für Giftgaseinsätze zweifelsfrei zu klären und erweist sich z.B. die Berichterstattung über die Stadt Aleppo in einzelnen Erkenntnismitteln zumindest irritierend, weil nicht deutlich zwischen den Geschehnissen in Ost- und West-Aleppo differenziert wird (vgl. zu Aleppo: Schweizer Rundfunk und Fernsehen <SRF> v. 6.9.2016, Das kriegszerstörte Aleppo zwischen Elend und Luxus). Da wegen des im Hinblick auf die eskalierende Lage seit langem gewährten subsidiären Schutzes Abschiebungen seit Jahren nicht mehr erfolgen, hat die Prognose, ob bei Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung iSd. § 3 AsylG droht, - wie oben dargelegt - aufgrund einer wertenden Gesamtschau aller Umstände unter Beachtung von Rationalität und Plausibilität zu erfolgen.
Führt dies für sich genommen zu keinem für den Schutzsuchenden günstigen Ergebnis, verbleibt es bei allgemeinen Beweislastregeln. Allgemein gilt, dass die humanitäre Schutzrichtung des Asyl- und Flüchtlingsrechts weder eine Umkehr der objektiven Beweislast noch eine Folgenabwägung im Sinne eines „better safe than sorry“ gebietet (vgl. hierzu Ellerbrok/Hartmann, NVwZ 2017, 522, 523). Das gilt erst recht, wenn es - wie vorliegend - allein um die genaue Ausprägung des Schutzstatus, nicht aber um das Ob der Schutzgewährung geht. Eine denkbare gerichtliche Fehlbeurteilung bei der Frage der Einstufung oder der Aufstockung birgt kein persönliches Risiko für den Schutzsuchenden, weil er infolge des zuerkannten subsidiären Schutzes ohnehin nachhaltigen Schutz genießt und nicht einmal hypothetisch in Gefahr ist, in sein Heimatland zurückkehren zu müssen; erst Recht ist unter diesen Umständen nicht von einem wirklichen „real risk“ für „Aufstocker“ auszugehen. Die hypothetische Rückkehr ist in diesem Zusammenhang nichts mehr als ein Gedankenspiel, das der Sicherstellung eines einheitlichen Prüfungsmaßstabs geschuldet ist, aber keiner realen Gefährdung korrespondiert. Gefahrenperpetuierende Auswirkungen kann eine fehlerhafte Verneinung einer politischen Verfolgung allerdings für Angehörige des Schutzsuchenden haben, die befristet von einem Nachzug ausgeschlossen sind; das kann aber wiederum rechtlich nicht in Ansatz gebracht werden, weil Schutzansprüche asyl- und flüchtlingsrechtlich seit jeher nur denjenigen zuerkannt wurden, die das zum Schutz aufgeforderte Land bereits erreicht haben (vgl. EuGH, Urt. v. 7.3.2017 - C-638/16 PPU -, NJW 2017, 1293 und NVwZ 2017, 611 ).
Unbeschadet dessen haben hier bei einer zusammenfassenden Bewertung der Umstände ohnehin die gegen eine Verfolgungsgefahr iSd. § 3 AsylG sprechenden Umstände größeres Gewicht als die dafür sprechenden Gründe.
aa. Der Kläger ist nicht vorverfolgt ausgereist. Sein Vortrag, er sei vor der Ausreise von den syrischen Behörden gesucht worden, um zum Wehrdienst eingezogen zu werden, ist - unabhängig davon, ob eine Wehrdienstverweigerung überhaupt eine Verfolgungsfurcht begründen kann (vgl. dazu unten) - als gesteigert und damit nicht glaubhaft zu werten. Sollte der Kläger, der nach dem von ihm vorgelegten Militärheft - dessen Echtheit unterstellt - nur bis „Schuljahr 2013/2015“ zurückgestellt worden war, danach tatsächlich konkret aufgefordert worden sein, den Wehrdienst anzutreten und sollte er sich deswegen versteckt haben, hätte nämlich nichts näher gelegen, als dieses bereits gegenüber dem Bundesamt in der Anhörung deutlich zu machen. Die Wehrdienstproblematik ist jedoch erstmals über seine Prozessbevollmächtigte gegenüber dem Verwaltungsgericht in das Verfahren eingeführt worden. Der Hinweis des Klägers, er habe die Fragen des Bundesamtes nur knapp beantworten sollen, außerdem sei er nicht ausdrücklich nach einer Wehrdiensteinziehung befragt worden, sondern lediglich dazu, ob er bereits Wehrdienst geleistet habe, vermögen sein Schweigen nicht zu erklären, zumal ihm die (mögliche) Bedeutung dieses Umstandes deutlich vor Augen stehen musste. Sonstige individuelle Vorverfolgungsgründe sind nicht vorgetragen.
bb. Auch aus den Ereignissen, die nach Verlassen Syriens eingetreten sind, folgt keine begründete Furcht vor Verfolgung.
(1) Das gilt zunächst, soweit es um die illegale Ausreise und/oder die Asylantragstellung und/oder den längeren Aufenthalt im westlichen Ausland, aber auch soweit es um die Religionszugehörigkeit oder den Herkunftsort geht (ebenso mit im einzelnen verschiedenen Schwerpunkten: OVG Schleswig, Urt. v. 23.11.2016 - 3 LB 17/16 -, VGH München, Urt. v. 12.12.2016 - 21 B 16.30371 -, OVG Koblenz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16.OVG. -, OVG d. Saarl., Urt. v. 2.2.2017 - 2 A 515/16 -, v. 18.5.2017 - 2 A 176/17 -, OVG NW, Urt. v. 21.2.2017 - 14 A 2316/16.A -, alle juris, aA. OVG Sachsen-Anh., Urt. v. 18.7.2012 - 3 L 147/12-, vgl. nunmehr aber Beschl. v. 29.3.2017 - 3 L 249/16 -, jeweils juris, wonach aufgrund geänderter Tatsachen die damalige Entscheidung als überholt anzusehen ist, VGH Bad.-Württb., Beschl. v.19.6.2013 - A 11 S 927/13 -, (die nachfolgenden Entscheidungen vom 14.6.2017 - A 11 S 511/17 - u. v. 2.5.2017 - A 11 S 562/17 -, jeweils juris betreffen nur den Wehrdienst), offen gelassen: Hess. VGH, Urt. v. 6.6.2017 - 3 A 3040/16 -, juris).
(a) Dass Rückkehrer (gegenwärtig nur aus dem arabischen Raum, zu dem noch Flugverbindungen bestehen) am Flughafen von Damaskus, ggfls. Latakia intensiven Kontrollen ausgesetzt werden und dass Personen, bei denen der Verdacht auf besondere oppositionelle Aktivitäten besteht (oder die für die Ableistung des Kriegsdienstes gesucht werden, vgl. dazu unten), den Flughafen nicht wie beabsichtigt wieder verlassen können, wird allgemein angenommen und dürfte hinreichend gesichert sein. Es ist aber zweifelhaft, ob unter den genannten Aspekten bei Rückkehr nach Syrien eine (Verfolgungs-)Handlung iSd. § 3a AsylG - hier: Befragung mit der konkreten Gefahr einer Verhaftung und/oder einer schwerwiegenden Misshandlung bis hin zur Folter und willkürlichen Tötung - beachtlich wahrscheinlich droht (die Gefahr einer Verfolgungshandlung mit beachtlichen Gründen verneinend: OVG NW, Urt. v. 21.2.2017 - 14 A 2316/16, juris, Rnr. 35-44, zweifelnd, aber offenlassend: OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016, aaO., Rnr. 48 ff., OVG d. Saarl., Urt. v. 2.2.2017 - 2 A 515/16 -, v. 11.3.2017 - 2 A 215/27 -, jeweils juris). Zweifel ergeben sich angesichts der ständig gestiegenen Zahl der in den letzten Jahren aus Syrien Geflohenen (Ende 2011: 19.900; Ende 2012: rund 728.000; Ende 2015: rund 4.800.000, <zitiert nach OVG NW, Urt. v. 21.2.2017, aaO., Rnr. 61>, also rd. ein Viertel der Bevölkerung von rd. 22 Mio., davon ca. 1 Mio. in die EU-Länder, davon wiederum nach der Statistik des Bundesamtes ca. 600.000 in dem Zeitraum 2013 - 2016 einschl. in das Bundesgebiet). Angesichts dieser Zahlen kann bei realitätsnaher Betrachtung nicht von einem bei jedem Rückkehrer bestehenden in gleicher Weise realen Risiko von Inhaftierung, Misshandlung oder Folter ausgegangen werden; denn auch dem syrischen Regime muss sich bei der großen, sich ständig steigernden Zahl der Flüchtlinge aufdrängen, dass es sich weit überwiegend um Bürgerkriegsflüchtlinge handelt. Bei der Betrachtung der Rückkehrfälle ist zudem an den o.a. Prognosemaßstab anzuknüpfen, der auf eine hypothetische Rückkehr abstellt. Es wäre daher nicht systemgerecht und verfehlt, nur die Rückkehr einzelner Kläger oder kleinerer Gruppen zu unterstellen; denn es befinden sich nahezu alle subsidiär schutzberechtigten Syrer in der gleichen Lage, so dass deshalb die Rückkehr aller auf diese Weise Betroffenen in die Hypothese einfließen müsste. Die Betreffenden wären also Teil einer Rückkehrwelle von beträchtlicher Größe.
Auch der aktuellen Stellungnahme des UNHCR 4/2017 - da in der genannten Zusammenstellung des UNHCR ein großer Teil des Materials verarbeitet ist, das bisher schon Gerichtsentscheidungen als Erkenntnismittel zugrunde gelegen hat, geht der Senat auf die verschiedenen älteren Berichte nur noch in wenigen Punkten ein - lassen sich derartige (Verfolgungs)Handlungen nicht mit der gebotenen Deutlichkeit entnehmen.
UNHCR 4/2017 weist vielmehr darauf hin, dass „kaum konkrete Informationen über die Behandlung von Rückkehrern nach Syrien vorliegen (S. 5). Anzumerken ist, dass in der 4. aktualisierten Fassung der „UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen“, die Gruppe der im Ausland um Asyl nachsuchenden Personen (noch) nicht als eigenständige Risikogruppe benannt worden war.
Dem Auswärtigen Amt liegen ebenfalls keine Erkenntnisse darüber vor, dass unverfolgt Ausgereiste nach Rückkehr systematisch befragt werden (AA v. 2.1.2017 an VG Düsseldorf, 508-9-516/8048840, v. 7.11.2016 an das OVG S-H). Im Gegenteil sind dem Auswärtigen Amt vielmehr Fälle bekannt, in denen syrische Staatsangehörige nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus dem Bundesgebiet für mehrere Monate nach Syrien zurückgekehrt sind (AA v. 2.1.2017 an VG Düsseldorf Az. 508-9-516.80/48840). Die zudem vielfach beobachtete Land-Einreise über die Staatsgrenzen (u.a. aus Jordanien, Irak, Türkei) lässt zwar keine zwingenden Rückschlüsse auf die Umstände einer Einreise über den für Rückkehrer derzeit vor allem in Betracht zu ziehenden Flughafen Damaskus, ggfls. auch den Flughafen Latakia (vgl. SFH v. 21.3.2017, Rückkehr) zu, stellt aber ein Indiz dafür dar, dass die Rückkehrer selbst nicht umfängliche Verhöre und Folter befürchten. So sollen im August 2015 mehrere tausend Personen über die syrisch-jordanische Grenze zurückgekehrt sein und im Juli 2015 rd. 2300 aus dem Irak (vgl. SFH 21.3.2017: Syrien, Rückkehr, DOI v. 22.2.2017 an VGH Bad.- Württb., DOI v. 1.2.2017 an Hess. VGH).
Kurz vor der mündlichen Verhandlung war bereits berichtet worden, dass nach UN-Angaben immer mehr Menschen in die vom Krieg teilweise völlig zerstörten Stadtviertel von Ost-Aleppo zurückkehrten; mehr als 200.000 Menschen hätten sich bereits registriert (WELT-Newsticker vom 25.6.2017, nicht in der Erkenntnismittelliste). Wenige Tage später hat der UNHCR ebenfalls unter Erwähnung von Aleppo und anderen Orten verlautbart (UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: UNHCR seeing significant returns of internally displaced amid Syria's continuing conflict, 30. Juni 2017, nicht in der Erkenntnismittelliste), dass mehr als 440.000 „Binnenvertriebene“ zu ihrem Zuhause zurückgekehrt seien und mehr als 31.000 Flüchtlinge aus benachbarten Ländern. Seit 2015 sollen danach etwa 260.000 Flüchtlinge zurückgekehrt sein. Daraus folgt zwar nicht, dass zuträgliche Verhältnisse eingekehrt sind; das Hauptmotiv für die Rückkehr wird vielmehr die Sorge um Familienangehörige und um das zurückgelassene Hab und Gut gewesen sein. Gleichwohl fällt auf, dass diese Entwicklung in starkem Kontrast zu Lageschilderungen in gängigen Erkenntnismitteln, aber auch solchen Lageschilderungen steht, wie sie der Senat am gleichen Tage in einer anderen mündlichen Verhandlung erlebt hat. Das hat der Senat bei seiner Entscheidung zwar nicht berücksichtigt, erhellt aber gleichwohl die bereits oben beschriebenen besonderen Schwierigkeiten der „Wissensgenerierung im Verwaltungsprozess“ (vgl. dazu Guckelberger, DVBl. 2017, 222 und VerwArch 2017, 143“) für den Bereich des Asyl- und Flüchtlingsrechts.
Soweit Erkenntnismittel auf die große Anzahl verschwundener und in der Regel unter Misshandlungen getöteter Syrer verweisen (z.B. AA, Ad hoc-Bericht v. 17.2.2012 erwähnt eine präzedenzlose Verhaftungswelle anlässlich der Protestbewegung von März 2011, Menschenrechtler hätten die Zahl der Verschwundenen und Verhafteten damals auf rd. 40.000 geschätzt, die syrische Plattform Violations Documentation Centre, VDC, habe damals namentlich ca. 19.400 Haftfälle belegt, soweit Menschenrechtsverteidiger darüber hinaus von rd. 20.000 Verschwundenen ausgegangen seien, sei diese Zahl nicht verifizierbar gewesen; die Recherchen von AI ergaben zwischen März 2011 und August 2015 rd. 58.000 verschwundene Zivilisten <v. 11/2015 „Between Prison and Grave“> sowie ca. 17.700 in der Haft zwischen März 2011 und Dezember 2015 Getöteten <v. 8/2016 „It breaks the human“, v. 2/2017 „Human Slaughterhouse“>), lässt sich den Erkenntnissen nicht entnehmen, dass darunter in nennenswerter Zahl auch rückkehrende Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem westlichen Ausland waren.
Bei der Beurteilung der beachtlichen Wahrscheinlichkeit von Verfolgungshandlungen kann zudem nicht außer Betracht bleiben, dass die (hypothetisch) aus dem westlichen Ausland Rückkehrenden zu einem großen Teil namentlich bekannt sein und unter Beobachtung der rückführenden Staaten und/oder humanitärer Organisationen stehen werden, was für das auf seine Reputation bedachte syrische Regime Anlass für ein mäßigendes Verhalten sein dürfte und daher ebenfalls gegen die Gefahr einer Verfolgungshandlung spricht.
(b) Selbst wenn man die beachtliche Wahrscheinlichkeit von Handlungen iSd. § 3a AsylG bei Rückkehr bejahte, fehlt es für die Annahme politischer Verfolgung an der nach § 3a Abs. 3 AsylG erforderlichen Verknüpfung mit einem Verfolgungsgrund iSd §§ 3 Abs. 1, 3b AsylG.
(aa) Der Senat kann nach Auswertung der Erkenntnismittel keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür erkennen, dass der syrische Staat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Rückkehrer wegen ihrer illegalen Ausreise und/oder der Asylantragstellung und/oder dem längeren Aufenthalt im westlichen Ausland eine abweichende politische Gesinnung zuschreiben wird. Vielmehr ist auch an diesem Prüfungspunkt darauf hinzuweisen, dass dem syrischen Staat gegenwärtig sein muss, dass es sich angesichts der großen Vielzahl der Flüchtenden mehrheitlich nicht um Oppositionelle, sondern um „schlichte“ Bürgerkriegsflüchtlinge handelt, die gerade den militärischen Konflikten in ihrem Heimatland ausweichen wollten.
Der vom UNHCR 4/2017 gezogenen Folgerung, sein Bericht belege eine politische Verfolgung durch staatliche Kräfte bei Rückkehr nach Syrien (vgl. S. 30 unter 5. mit Fußn. 146), vermag der Senat nicht zu folgen. Belastbare Erkenntnisse, dass die syrischen Sicherheitsbehörden dem Grunde nach diesen Rückkehrern eine oppositionelle Haltung zuschreiben, sind dem Bericht nicht zu entnehmen. Zum einen beruhen die vom UNHCR 4/2017 wiedergegebenen - teilweise lediglich telefonisch (vgl. hierzu IRB Canada v. 19.1.2016) erfolgten - Einschätzungen nur auf Berichten/ Wertungen einzelner Personen und dabei wiederum vor allem auf „Hörensagen“, nicht aber auf zurechenbaren Äußerungen von Personen, die aus eigener Erfahrung Mitteilung über verschiedene Einzelfälle machen können; Einzelschicksale sind danach nicht nachprüfbar. So wird - unter Hinweis auf das Immigration and Refugee Board of Canada (IRB Canada v. 19.1.2016) - eine emeritierte Professorin für Anthropologie und erzwungener Migration an der Oxford Universität, vormals Leiterin des Refugee Studies Centre in Oxford erwähnt, die ihre Einschätzung wiedergibt, aber keine konkreten Fälle benennt. Auch der Executive Direktor des Syria Justice and Accountability Center benennt keine konkreten, nachprüfbaren Einzelfälle, sondern teilt seine Bewertung der Lage mit, wobei er einerseits darauf hinweist, ein rückkehrender Asylantragsteller gelte als regierungsfeindlich, was als Zuschreibung eines Verfolgungsgrundes zu bewerten wäre, andererseits aber auch ausführt, Rückkehrer würden gefoltert, weil der Staat über andere Asylbewerber/Oppositionelle Informationen gewinnen wolle - was auf ein lediglich wahllos routiniertes Zugreifen mit dem Ziel, möglicherweise verwertbaren Informationen über regimegegnerische Bestrebungen überhaupt erst zu erlangen („fischen“) weist und als solches keine auf einen Verfolgungsgrund „gerichtete“ Maßnahme darstellen würde (vgl. dazu unten). Die dritte genannte Quelle, ein Gastwissenschaftler des Kings College London, der Spezialist für Syrien sei und Sachverständigenaussagen in Asylverfahren von Syrern in Großbritannien gemacht haben soll, trägt die Folgerung des UNHCR schon deswegen nicht, weil diese Quelle lediglich erklärt hat, ein rückkehrender Asylbewerber könne festgenommen werden, dies geschehe aber nicht automatisch; einige Regierungsmitarbeiter betrachteten Rückkehrer als Regierungskritiker, andere Regierungsmitarbeiter würden dagegen anerkennen, dass es auch andere Gründe gebe, das Land zu verlassen (vgl. Fußn. 146). Hinsichtlich der weiteren Ausführungen des IRB Canada (v. 19.1.2016) hat bereits das OVG NW (Urt. v. 21.2.2016 - 14 A 2316/16 -, juris Rnr. 51 ff) festgehalten, dass der dort unter Nr. 3 geschilderten Fall eines aus Australien rückkehrenden Asylbewerbers besonders liege, weil dieser wegen des mitgeführten Geldes in den Verdacht eines Revolutionsfinanciers gekommen war (vgl. auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16.OVG Rnr. 91) und weiter zutreffend ausgeführt:
„Weitere Meldungen über Festnahmen bei Einreise (die Rede ist in der genannten Antwort von etwa 35 nach Ägypten geflohenen Palästinensern) lassen mangels Kenntnis der Einzelumstände keinen Rückschluss auf den Anlass der Festnahmen zu. Das Immigration and Refugee Board of Canada zitiert im Weiteren lediglich die Meinung eines Oxford-Professors, eines Forschers am Londoner King's College und eines Funktionärs einer Menschenrechtsorganisation (Syria Justice and Accountability Centre, vgl. die Selbstdarstellung im Internet unter https://syriaaccountability.org/about/), dass abgelehnte Asylbewerber wegen ihres Asylantrags verfolgt würden, ohne dass dafür tatsächliche Anhaltspunkte aufgezeigt würden. Daher kann dies nicht als relevante tatsächliche Erkenntnis, sondern als nicht weiter begründete Meinung gewertet werden.“
Das vom UNHCR 4/2017 weiter zitierte US Departement of State führt in seinem „Country Report on Human Rights Practices for 2015“ für Syrien (S. 34, ebenso Country Report on Human Rights Practices for 2016, S. 36) zwar aus, dass Personen, die erfolglos Asyl in anderen Ländern beantragt hätten, verfolgt worden seien, jedoch ohne Nennung konkreter Vorfälle. Zudem verweist der Bericht auf ein Gesetz, dass denjenigen mit Verfolgung bedroht, der in einem anderen Land Zuflucht sucht, um einer Strafe in Syrien zu entgehen. Auch aus dieser Fundstelle kann daher nicht die Erkenntnis gewonnen werden, dass dem Grunde nach jeder rückkehrende Asylbewerber als vermeintlicher Oppositioneller vom syrischen Staat Verfolgungshandlungen zu befürchten hat (so zutreffend OVG NW, Urt. v. 21.2.2017, aaO., Rnr 54 f).
Soweit UNHCR 4/2017 (Fußnote146) zum anderen auf Quellen aus der Zeit vor 2011 verweist, die die Gleichstellung einer illegalen Ausreise und Asylantragstellung mit einer regimefeindlichen Gesinnung belegten (vgl. dazu OVG Sachsen-Anh., Urt. v. 18.7.2012 - 3 L 147/12 -, juris; kritisch zu dieser Einschätzung Bay. VGH, Urt. v. 12.12.2016 - 21 B 16.30371 -, juris, OVG Rheinl-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris), kann auf diese Einschätzungen aus jener Zeit schon aufgrund der gravierenden Veränderung der politischen Situation und des infolgedessen - ohne die rd. 6,6 Mio. Binnenflüchtlinge (vgl. AI, Report 2016/2017, Syrien) - auf rd. 4,8 Mio. angewachsenen Flüchtlingsstroms (Ende 2011 waren es lediglich rd. 19.900, s.o.) nicht mehr zurückgegriffen werden (vgl. nunmehr auch OVG Sachsen-Anh., Beschl. v. 29.3.2017 - 3 L 249/16 -, juris).
Der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH v. 21.3.2017 Syrien: Rückkehr) sind ebenfalls keine konkreten individualisierbaren Einzelfälle zur Behandlung von Rückkehrern zu entnehmen. Die SFH verweist vielmehr ihrerseits u.a. auf das IRB Canada (v. 19.1.2016) und auf die darin erwähnten Informationen sowie auf die Stellungnahme des US Department of State (s.o.). Letztlich beziehen sich mithin eine Vielzahl von Quellen aufeinander, ohne den Erkenntnishorizont durch neue belastbare Erkenntnisse erweitern zu können.
Ein erhebliches Indiz dafür, dass Rückkehrer vom syrischen Staat nicht ohne weiteres als Regimegegner eingeschätzt werden, ergibt sich für den Senat aus der genannten Stellungnahme des IRB Canada unter Nr. 1 „Overwiew“, wonach Hunderttausende Flüchtlinge aus den Anrainerstaaten jedes Jahr nach Syrien einreisen sollen, um dort persönliche Angelegenheiten zu regeln, meistens um nach ihrem Hab und Gut zu schauen, Dokumente einzuholen oder zu erneuern oder um Familienmitgliedern und Freunden lebenswichtige Hilfe zu geben, bevor sie wieder in die benachbarten Länder zurückkehren. Eine solche umfangreiche Reisetätigkeit zeigt, dass die in die benachbarten Ländern Geflohenen trotz des (extrem) repressiven Charakters des syrischen Staates davon ausgehen, im Rahmen der Grenzübergänge zu Syrien keiner gravierenden Gefährdung ausgesetzt zu sein (vgl. auch OVG NW, Urt. 21.2.2017, aaO., Rnr. 53, Bay VGH, Urt. v. 12.12.2016, aaO, Rnr. 78).
Die Annahme, erfolglose Asylbewerber aus dem westlichen Ausland würden - im Gegensatz zu den in die Anrainerstaaten Syriens Geflüchteten - deshalb (unterschiedslos) als Oppositionelle betrachtet, weil die syrische Regierung eine von außen organisierte und finanzierte Verschwörung gegen das Land für den Ursprung des Bürgerkriegs verantwortlich mache, ist eine bloße Vermutung, die angesichts der hohen Zahl in das westliche Ausland geflüchteter und hypothetisch zurückkehrender Syrer dem Senat nicht plausibel erscheint. Mag es bei einer überschaubaren Anzahl von Flüchtlingen wie vor 2011 noch nachvollziehbar gewesen sein, dass diese vom syrischen Regime durchweg als potentielle Gegner angesehen werden könnten, kann dies nicht mehr bei den heutigen Zahlen gelten. Im Gegensatz zur damaligen Lage ist die Zahl derer, die Syrien verlassen haben, heute nicht mehr relativ gering. Zudem ist es mittlerweile nicht mehr erforderlich, eine etwaige von außen organisierte Verschwörung aufzudecken. Die Beteiligung zahlreicher anderer (Groß-)Mächte an den Auseinandersetzungen, die jeweils eigene unterschiedliche Ziele verfolgen, steht vielmehr fest (vgl. oben).
Den Verfassungsschutzberichten (zitiert bei OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris Rnr. 121) lässt sich eine systematische Beobachtung aller mittlerweile im Bundesgebiet lebenden Syrer ebenfalls nicht entnehmen. Ihre Beobachtung gilt in erster Linie oppositionellen Tätigkeiten. Eine umfassende Beobachtung wäre angesichts der großen Zahl hier aufhältiger Personen aus Syrien schon faktisch ausgeschlossen (vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 - juris, Rnr. 121).
Die generell nicht auszuschließende Anwendung von Misshandlung oder Folter bei Rückkehr stellt als solche schließlich kein wesentliches Indiz für eine politische Motiviertheit der Verfolgung dar; denn es ist zu bedenken, dass dieses Verhalten nicht erst anlässlich der aktuellen bürgerkriegsähnlichen Situation seit 2011 entstanden ist, sondern in Syrien die Sicherheitsdienste aufgrund des seit 1963 bestehenden Ausnahmezustandes in der Praxis immer schon weder parlamentarischen noch gerichtlichen Kontrollmechanismen unterworfen und auch in der Vergangenheit verantwortlich für willkürliche Verhaftungen, Folter und Isolationshaft waren. Polizei, Justizvollzugsorgane und Sicherheitsdienste hatten schon in der Vergangenheit systematisch Gewalt angewandt, ohne dass die Möglichkeit effektiver strafrechtlicher Abwehr bestand. Schon unter Hafis al-Assad wurde jegliche Opposition brutal unterdrückt und es verschwanden Personen, so sollen seit 1980 bis 2010 rd. 17.000 Personen verschwunden sein (AA, Lagebericht v. 27.9.2010; allg. vgl. Lange „Ein historischer Überblick“, Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte, 8/2013 S. 37, 42 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 - juris, Rnr. 154; zur langjährigen Praxis von Misshandlungen und Folter vgl. auch VGH Bad.-Württb., Urt. v. 2.5.2017 - A 11 S 562/17 -, juris Rnr. 48).
Soweit Rückkehrer unter Drangsalierungen bis hin zur Folter befragt werden sollten, würde sich dies daher in Anlehnung an die Ausführungen des OVG Rheinland-Pfalz auch nach Auffassung des Senats um ein willkürliches, von keiner irgendwie gearteten Gerichtetheit bestimmtes Verhalten der in rechtsfreien Räumen agierenden verschiedenen Sicherheitskräfte handeln, möglicherweise auch um ein wahllos-routiniertes Fischen nach Informationen, wodurch einen konkreten Verdacht überhaupt erst begründende Hinweise gewonnen werden sollen, aufgrund derer sodann eine Zuschreibung von Verfolgungsgründen erfolgen könnte (vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016, aaO. Rnr. 121, vgl. auch OVG d. Saarl. v. 11.3.2017 - 2 A 215/17 -, juris).
Schon das Auswärtige Amt (Ad-hoc-Bericht v. 17.2.2012) hat auf willkürliche Verhaftungen und darauf hingewiesen, dass die Sicherheitskräfte im Zuge der Bekämpfung der Opposition von dem syrischen Regime eine „carte blanche“ erhalten hätten, jeder agiere für sich im rechtsfreien Raum.
Dieses willkürlich-wahllose Verhalten bei etwaigen Rückkehrer-Befragungen wird auch durch den UNHCR-Bericht 4/2017 selbst deutlich. So heißt es dort, dass Personen „ohne bestimmten Grund entsprechend der weit verbreiteten Willkür und des Machtmissbrauchs durch Sicherheitsbeamte inhaftiert und misshandelt“ werden (S. 6), das System sei „äußerst unvorhersehbar“, es seien „alle Personen“ einem Misshandlungsrisiko durch Grenzbehörden ausgesetzt (Fußnote 32), die einzelnen regierungstreuen Sicherheitsbereiche hätte gleichsam freie Hand erhalten, es erfolgten Übergriffe auf Einwohner Syriens, die tatsächliche oder vermeintliche regierungskritische politische Ansichten „im weitesten Sinn“ verträten, es seien „zahlreiche Protesteilnehmer, Aktivisten, Wehrdienstentzieher, Deserteure, Laienjournalisten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Ärzte und andere Personen, denen regierungsfeindliche Haltungen zugeschrieben wurden, willkürlich verhaftet worden“. Ein unterschiedsloses Vorgehen belegt auch der Hinweis, dass die International Crisis Group (ICG) den Einsatz von Luftschlägen durch die syrische Regierung als „Teil einer Strategie der verbrannten Erde und der kollektiven Bestrafung“ bezeichnet habe (S. 18).
Die SFH sprich in ihrer Stellungnahme ebenfalls von „Willkür“ (vgl. Überschrift Punkt 5.2) und weist unter Bezugnahme auf AI (Between Prison and the Grave, v. 5.11.2015) auf den „verbreiteten Opportunismus der syrischen Sicherheitsbeamten (hin), die entweder aus Profitgier oder aus persönlicher Rache Menschen verhaften und verschwinden lassen“. Der Verweis auf die Möglichkeit, sich mit Hilfe von Bestechung zu arrangieren (im Korruptionswahrnehmungsindex steht Syrien an 173. Stelle von 176 untersuchten Ländern, UNHCR Fußnote 9), bestätigt die Annahme rein willkürlichen/wahllosen Verhaltens.
Gleiches ergibt sich aus dem vom IRB (v. 19.1.2016, S. 5) zitierten OHCHR-Report 2014, der zwar zunächst verschiedene, möglicherweise noch unterscheidbare in das Blickfeld des syrischen Staates geratene Gruppierungen nennt (u.a. activists, students, humanitarian workers), letztlich aber die Bedrohung unterschiedslos ausdehnt auf „those who were in the wrong place at the wrong time“.
Erfolgen etwaige Übergriffe aber unterschiedslos, so geschehen sie letztlich wahllos, mithin ohne Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund (vgl. hierzu, BVerwG, Beschl. v. 27.4.2017 - 1 B 63.17 -, juris, vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris, OVG d. Saarl., Urt. v. 11.3.2017 - 2 A 215/17 -, juris).
(bb) Die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung aus einem der Gründe des § 3 AsylG ergibt sich auch nicht aus der sunnitischen Religionszugehörigkeit.
Soweit UNHCR 4/2017 der Auffassung ist, Mitglieder religiöser Gruppen wie der Sunniten erfüllten ein Risikoprofil, folgt daraus keine beachtliche Wahrscheinlichkeit relevanter Verfolgung iSd. § 3 AsylG durch den syrischen Staat. Zureichende konkrete Fälle sind auch insoweit nicht benannt. Im Übrigen gehört die syrische Regierungselite zwar den Alawiten an, Sunniten sind aber sowohl im Regime als auch in den Streitkräften vertreten (Gerlach, „Was in Syrien geschieht“, Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte 8/2016, S. 10, 13.). Schon unter Hafis-al Assad waren weite Kreise der sunnitischen Mittelschicht eingebunden und gehörten Sunniten teilweise der Wirtschaftselite an (vgl. Lange „Ein historischer Überblick“ und Said „Gesellschaftliche und sozioökonomische Entwicklung Syriens“, beide jeweils in Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte, 8/2013 S. 37, 42 f. und S. 49, 53). Da UNHCR 4/2017 im Übrigen als religiöse Risikogruppen Sunniten, Alawiten, Ismailis, Zwölfer-Schiiten, Drusen, Christen, Jesiden aufzählt und damit nahezu alle Einwohner Syriens erfasst, schwächt er die Aussagekraft seines Berichtes bzw. zeigt die Darstellung der Risikogruppen nur die Risikoverteilung in einem in seiner Art historisch keineswegs singulären Bürgerkrieg auf, trägt aber nichts dazu bei, einen Verfolgungsgrund im Sinne des § 3 AsylG zu beleuchten. Soweit sich die Ausführungen darauf beziehen sollten, dass einzelne religiös-fundamentalistische Rebellengruppen in ihrem Herrschaftsgebiet Angehörige bestimmter anderer Religionen verfolgen, kann daraus für das vorliegende Verfahren nichts gewonnen werden, da eine hypothetische Rückführung nur in vom syrischen Staat beherrschte Gebiete erfolgen könnte (vgl. OVG NW, Urt. v. 21.2.2017 - 14 A 2316/16 -, juris Rnr. 81).
(cc) Die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung aus einem der Gründe des § 3 AsylG ergibt sich weiter nicht aus der - nach eigenen Angaben - Herkunft aus der Umgebung von Idlib.
Zwar führt der UNHCR 4/2017 im Rahmen der von ihm genannten, aus seiner Sicht Flüchtlingsschutz begründenden Risikoprofile auch die Herkunft aus regierungsfeindlichen Gebieten auf („Personen mit Wohnort oder Herkunftsort in Gebieten, die sich derzeit oder vormals unter der Kontrolle von regierungsfeindlichen bewaffneten Gruppen befinden bzw. befanden“, S. 15.). Zum einen aber spricht die Lebenserfahrung dafür, dass diejenigen, die vor den Auseinandersetzungen in ihrer Region in das Ausland geflohen sind, sich also dem Konflikt gerade entzogen haben, auch aus Sicht des syrischen Regimes nicht als Bedrohung aufgefasst werden (vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris Rnr. 160 ff.). Zum andern hat der Kläger erklärt, sein Dorf sei durch die syrische Regierung kontrolliert worden.
(2) Eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgung droht auch nicht unter dem Aspekt der Wehrdienstentziehung unabhängig davon, ob der Betreffende erstmals oder als Reservist einberufen wird bzw. mit einer Einberufung konkret rechnen muss. Fragen zur Desertion sind anlässlich des vorliegenden Falles nicht zu erörtern.
In Syrien besteht grundsätzlich für alle syrischen Männer Militärdienstpflicht. Die Registrierung erfolgt im Alter von 18 Jahren. Es werden zwischenzeitlich aber auch jüngere eingezogen (SFH v. 23.3.2017, Dt. Botschaft Beirut, Auskunft v. 3.2.2016). Die Wehrpflicht dauerte in der Vergangenheit bis zum Alter von 42 Jahren. Auch diese Altersgrenze wird mittlerweile überschritten (Finnish Immigration Service v. 23.8.2016, Syria: Military Service, National Defense Forces, Armed Groups Supporting Syrian Regime and Armed Opposition). Gediente Wehrpflichtige müssen nach Beendigung des Wehrdienstes als Reservisten mit ihrer Einberufung rechnen (AA v. 2.1.2017 an VG Düsseldorf, 508-9-516.80/48808), und zwar unter Umständen im Alter bis zu 50 oder 60 Jahren (SFH v. 23.3.2017). Es besteht keine Möglichkeit, den Wehrdienst zu verweigern bzw. zivilen Ersatzdienst zu leisten (UNHCR 4/2017, AA v. 2.1.2017 an VG Düsseldorf 508-9-516.80/48808, SFH v. 30.7.2014). Entlassungen aus dem Militärdienst sind eher zur Ausnahme geworden; viele Wehrpflichtige sind über Jahre hinweg in der Armee tätig und oftmals wäre Desertion die einzige Möglichkeit, den Militärdienst zu beenden (SFH v. 28.3.2015, Finnish Immigration Service v. 23.8.2016).
Jegliche Arten einer Wehrdienstentziehung stehen unter Strafandrohung. Entziehung durch Verlassen des Wohnortes ohne Angabe der Adresse führt zur Geldbuße oder drei Monaten bis zwei Jahren Haft. Bei Wehrdienstentziehung in Friedenszeiten droht Haft zwischen ein und sechs Monaten, in Kriegszeiten bis zu fünf Jahren. Für Desertion drohen fünf Jahre Haft. Wer als Deserteur das Land verlässt, muss mit Haft zwischen fünf und zehn Jahren rechnen. Wer im Angesicht des Feindes desertiert/zum Feind überläuft, dem droht die Todesstrafe (AA v. 2.1.2017 an VG Düsseldorf, 508-9-516.80/48808).
Zudem ist die Ausreisemöglichkeit von Wehrdienstpflichtigen eingeschränkt. Bereits seit Ausbruch des Krieges verlangen syrische Behörden bei einer Ausreise von Männern im Alter zwischen 18 und 42 Jahren eine Bewilligung der Armee. Seit Oktober 2014 besteht darüber hinaus für zwischen 1985 und 1991 geborene Männern ein generelles Ausreiseverbot (SFH v. 23.3.2017). Seit Herbst 2014 hat das syrische Regime die Mobilisierungsmaßnahmen für Rekruten und Reservisten und die Suche nach Wehrdienstentziehern und Deserteuren intensiviert und dieses Vorgehen seit Januar 2016 nochmals gesteigert. Es erfolgen örtliche Generalmobilmachungen und intensive Razzien im öffentlichen und privaten Bereich. An den Checkpoints der syrischen Armee gibt es Listen mit Namen von einzuziehenden Reservisten/erstmals wehrdienstpflichtiger junger Männer, die bei Aufgreifen verhaftet werden (SFH v. 23.3.2017, v. 28.3.2015, Mobilisierung in die syrische Armee).
(a) Der Senat ist nicht der Auffassung, dass bereits das grundsätzliche Unterworfensein von syrischen Männern unter eine nicht verlässlich eingrenzbare Dienstpflicht flüchtlingsrechtlich (hier nach § 3a Abs. 2 Nr. 1 - 3 AsylG) relevant ist (so Bay. VGH, Urt. v. 14.2.2017 - 21 B 16.31001 -, v. 12.12.2016 - 21 B 16.30372 -, jeweils juris, VGH Bad.-Württb., Urt v. 14.6.2017 - A 11 S 511/17 -, v. 2.5.2017 - A 11 S 562/17 -, jeweils juris, Hess. VGH, Urt. v. 6.6.2017 - 3 A 3040/16 -, juris, wobei in jenem Verfahren die Herkunft aus einer regierungsfeindlichen Zone mit berücksichtigt wurde).
Allerdings läuft der 1995 geborene Kläger, der ohne Genehmigung der Militärbehörden Syrien verlassen hat, Gefahr, bei (hypothetischer) Rückkehr nach Syrien wegen Wehrdienstentziehung bestraft und/oder der Armee zugeführt zu werden; denn bei Einreise des Klägers über staatlich kontrollierte Flughäfen - in Betracht kommt in erster Linie Damaskus - wird über Datenbanken und Kontrolllisten abgeglichen, ob der Betreffende der Wehrüberwachung unterliegt (AA v. 2.1.2017 an VG Düsseldorf, SFH v. 28.3.2015, Mobilisierung in die syrische Armee).
Von welchen rechtlichen Maßstäben insoweit auszugehen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 24. April 2017 (- 1 B 22.17 -) zusammengefasst:
„Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellen die an eine Wehrdienstentziehung geknüpften Sanktionen, selbst wenn sie von totalitären Staaten ausgehen, nur dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgung dar, wenn sie nicht nur der Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht dienen, sondern darüber hinaus den Betroffenen auch wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen Merkmals treffen sollen (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. August 1986 - 9 C 322.85 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 54 = DVBl 1987, 47, vom 6. Dezember 1988 - 9 C 22.88 - BVerwGE 81, 41 <44> und vom 25. Juni 1991 - 9 C 131.90 - Buchholz 402.25 § 2 AsylVfG Nr. 21 <S. 63> = InfAuslR 1991, 310 <313>; allgemein zur Anknüpfung an die politische Überzeugung als Grundlage eines zielgerichteten Eingriffs in ein flüchtlingsrechtlich geschütztes Rechtsgut s.a. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 - BVerfGE 80, 315 <335>; BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2009 - 10 C 52.07 - BVerwGE 133, 55 <60 f.>). Auch für andere Fallgestaltungen wurde eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung dann verneint, wenn die verhängte Sanktion an eine alle Staatsbürger gleichermaßen treffende Pflicht anknüpft. So hat das Bundesverwaltungsgericht die Ausbürgerung eines türkischen Staatsangehörigen, der der Aufforderung zur Ableistung des Wehrdienstes nicht nachgekommen war, als nicht asylerheblich gewertet (BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 1995 - 9 C 3.95 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 180 S. 63 f.). Es hat sich dabei auf eine Vorschrift des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes gestützt, wonach der Ministerrat denjenigen die türkische Staatsangehörigkeit aberkennen kann, die sich im Ausland aufhalten und ohne triftigen Grund drei Monate lang der amtlichen Einberufung zur Ableistung des Militärdienstes nicht nachkommen. Diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung bestätigt und konkretisiert, in der es um eine Ausbürgerung aufgrund der fehlenden Registrierung in einer ehemaligen Sowjetrepublik ging. Auch hier wurde hervorgehoben, dass eine ordnungsrechtliche Sanktion für die Verletzung einer alle Staatsbürger gleichermaßen treffenden Pflicht nicht als flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung angesehen werden kann (BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2009 - 10 C 50.07 - BVerwGE 133, 203 Rnr. 24).“
(aa) Unter Beachtung dieser Vorgaben liegen nach Auswertung der Erkenntnismittel schon keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die zu erwartende Maßnahme des syrischen Regimes die Intensität einer Verfolgungshandlung erreicht.
So stellt die dem Kläger bei hypothetischer Rückkehr bevorstehende Heranziehung zum Wehrdienst als solche keine Verfolgungshandlung dar, sondern ist Ausfluss einer allgemeinen staatsbürgerlichen Pflicht, die grundsätzlich auch totalitäre Staaten von ihren Staatsbürgern einfordern können (ebenso zutreffend OVG NW, Urt. v. 4.5.2017 - 14 A 2023/16 -, Rnr. 49, OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris Rnr. 140). Auch der Umstand, dass sog. Zwangsrekrutierungen erfolgen (z.B. UNHCR 4/2017 S. 26), ist in einer kriegerischen Auseinandersetzung, in der der Staat auf eine Vielzahl von Soldaten angewiesen ist, als solche keine Verfolgungshandlung, vielmehr in der Staatenpraxis üblich. Dass die Ausbildungszeit oft nur kurz ist (DOI v. 1.2.2017 an Hess. VGH) und die Betreffenden häufig unverzüglich an die Front geschickt werden (vgl. UNHCR 4/2017 S. 25 f.), ist durch militärische Notwendigkeiten bedingt, da die Streitkräfte des syrischen Regimes in weiten Teilen des Landes im Kampfeinsatz sind (DOI v. 1.2.2017 an Hess. VGH) und kann daher - zumindest nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit - einer Verfolgungshandlung gleichgestellt werden.
Sollte es zur Strafverfolgung kommen, stellen die oben genannten Strafrahmen als solche eine von ihrer Höhe nicht zu beanstandende ordnungsrechtliche Sanktion für die Verletzung einer alle Staatsbürger gleichermaßen treffenden Pflicht dar. Zureichende Anhaltspunkte, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit darüberhinausgehende Drangsalierungen bis hin zur Folter beachtlich wahrscheinlich sind, liegen nach der Überzeugungsbildung des Senats nicht vor. Als wesentlich ist nämlich in die Überlegungen mit einzubeziehen, dass das syrische Regime den bestehenden Konflikt für sich entscheiden will und daher einen erheblichen Bedarf an einsatzbereiten Soldaten hat. Sowohl aus der Stellungnahme des UNHCR 4/2017 als auch aus den Auskünften des Finnish Immigration Service (v. 23.8.2016, Syria: Military Service, National Defense Forces, Armed Groups Supporting Syrian Regime and Armed Opposition) und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (v. 23.3.2017) ergibt sich übereinstimmend, dass die staatliche syrische Armee seit Ausbruch des Bürgerkrieges 2011 aufgrund der großen Zahl der Flüchtlinge deutlich verringert worden ist. Während sie ursprünglich über 300.000 Militärangehörige verfügt haben soll, sollen es nur noch 125.000 bis 175.000 (Finnish Immigration Service v. 23.8.2016) bzw. sogar nur noch ca. 50.000 Soldaten (SFH v. 23.3.2017) sein. Der syrische Staat ist mithin dringend darauf angewiesen, diese Lücken zu schließen. Entsprechend versucht die Regierung, mit Amnestien (UNHCR 4/2017 S. 27) und Erhöhung des Soldes Anreize für den Eintritt in den Militärdienst zu schaffen und rekrutiert auch jenseits der offiziellen Altersgrenzen. Unter den ins Ausland geflohenen befindet sich bekanntermaßen eine große Anzahl Wehrpflichtiger. Würde das syrische Regime dem Grunde nach diejenigen, die es vorgezogen haben, sich nicht an Kampfeinsätzen zu beteiligen, einer menschenrechtswidrigen Behandlung bis hin zur Folter aussetzen, würde es sein eigenes Potential nicht unerheblich schmälern (zu diesem Aspekt vgl. OVG Saarland, Urt. v. 6.6.2017 - 2 A 283/17 -, v. 18.5.2017 - 2 A 176/17 -, jeweils juris, OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016, aaO., Rnr. 156). Dies stände allerdings im Widerspruch zu seinem vorrangigen, bislang mit großer Härte verfolgten Ziel, das Herrschaftsmonopol auf dem gesamten Territorium wieder zu errichten (vgl. Gerlach „Was in Syrien geschieht“, Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte, 8/2016 S. 6).
Eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungshandlung lässt sich auch nicht den Ausführungen wie z.B. des DOI (v. 7.11.2016 an OVG S-H, wonach bei Wehrdienstentziehung eine harte Strafe bis hin zu Folter und Tod drohe), der Dt. Botschaft Beirut (v. 3.2.2016, wonach im Zusammenhang mit einem nicht abgeleisteten Militärdienst Fälle von Haft oder dauerndem Verschwinden bekannt geworden seien), des IRB Canada (v. 19.1.2016, wonach Wehrdienstpflichtige eine sehr vulnerable Gruppe darstellen), des Danish Immigration Service (v. 9/2015 S. 18, wonach das Syrische Regime bei Wehrdienstentziehung mit Einberufung nach Arrest, Einsatz an der Front, Bestrafung, Misshandlung reagiert) und der SFH (v. 28.3.2015, wonach es bei ergriffenen Wehrdienstverweigerern in der Haft zu Folter komme) entnehmen. Zum einen fehlen belastbare Angaben, um in Anbetracht der hypothetisch großen Rückkehrwelle den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit ausfüllen zu können, zum anderen bleiben die Einschätzungen im Allgemeinen und setzen sich insbesondere nicht mit dem gegenläufigen Interesse des syrischen Regimes an einer Aufstockung seiner Soldaten auseinander.
(bb) Und selbst wenn Verfolgungshandlungen als beachtlich wahrscheinlich angesehen werden, fehlt es an der Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund, hier einer an die Wehrdienstentziehung anknüpfenden vermuteten politischen Opposition zum syrischen Regime.
Die syrische Armee rekrutiert grundsätzlich unabhängig von ethnischen oder religiösen Hintergründen (SFH v. 28.3.2015, Mobilisierung in die syrische Armee). Bei der Einberufung, die auf Grundlage des Kriegsrechts innerhalb weniger Tage erfolgen kann, wird zudem keine Unterscheidung zwischen Anhängern bzw. Unterstützern des Regimes und potentiellen Oppositionellen gemacht (SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee vom 30.07.2014). Dies zeigt sich daran, dass bei Kapitulationsverhandlungen über Gebiete, die von der Opposition besetzt waren, verlangt wird, dass die jungen Männer der Region in die syrische Armee eintreten (SFH v. 23.3.2017, HRC, Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic v. 2.2.2017 S. 18 zu Ost-Aleppo).
Zudem ist davon auszugehen, dass die Furcht Wehrpflichtiger vor den Gefahren eines Kriegseinsatzes ein mächtiges unpolitisches Motiv für eine Flucht darstellt, gerade auch in Anbetracht der erbitterten kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den zahlreichen beteiligten Mächten/Gruppierungen in Syrien. Dies muss bei lebensnaher Betrachtung aber auch den syrischen Behörden vor Augen stehen (so aus Sicht des Senats zu Recht OVG NW, Urt. v. 4.5.2017 - 14 A 2023/16 -, Rnr.61 ff., OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, Rnr. 159).
Soweit es - entgegen den Ausführungen unter (a) unterstellt - zu erheblichen Misshandlungen kommen sollte, führte dies hinsichtlich der Frage nach einem Verfolgungsgrund nicht weiter. Dass Misshandlung bis hin zur Folter angesichts der seit Jahrzehnten in Syrien herrschenden Brutalität und Willkür nicht bereits für sich auf einen Verfolgungsgrund hindeuten, wurde bereits oben ausgeführt. Insoweit hat das OVG Rheinland-Pfalz zutreffend darauf verwiesen, dass die Lasten und Beschränkungen, die ein autoritäres System seinem Volk auferlegt, für sich allein nicht bereits eine politische Verfolgung zu begründen vermögen (Urt. v. 16.12.2016, aaO., Rnr 152 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 17.5.1983 - 9 C 36.83 -, BVerwGE 67, 184). Es spricht vielmehr bei der gebotenen rationalen/plausiblen Betrachtung Überwiegendes dafür, dass der Maßnahme - ausgehend von dem oben dargelegten Ziel, wieder eine umfassende Gebietsherrschaft zu erlangen - die Absicht des syrischen Regimes zugrunde läge, Wehrdienstentziehung im Interesse der Aufrechterhaltung der militärischen Streitmacht umgehend und deutlich zu bekämpfen (vgl. OVG NW, Urt. v. 4.5.2017 - 14 A 2023/16 -, juris Rnr. 58). Bei der Umsetzung dieser Absicht weisen die Erkenntnisquellen erneut auf ein schon weiter oben beschriebenes willkürlich-wahlloses und damit ohne Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund erfolgendes Verhalten der Sicherheitskräfte/der syrischen Armee hin. So wird berichtet, dass die Bestrafung häufig von der Position und dem Rang des Betreffenden, aber auch dem Bedarf an der Front abhängen (SFH v. 23.3.2017, S. 10). Weiter wird ausgeführt, dass einige der Verhafteten zwar zu Haftstrafen verurteilt und dann eingezogen würden, andere aber lediglich verwarnt und direkt in den Militärdienst geschickt würden (SFH v. 28.3.2015, Mobilisierung in die syrische Armee, Danish Immigration Service v. 9/2015 S. 18). Den Erkenntnismitteln ist weiter zu entnehmen, dass sich die Betroffenen durch Geldzahlungen nach wie vor von ihrer Verpflichtung freikaufen können (SFH v. 23.3.2017).
Nach diesen Erkenntnissen kann der Kläger eine Flüchtlingsanerkennung unter Hinweis auf eine Wehrdienstentziehung nicht begehren.
(b) Der Kläger kann sich auch nicht auf § 3 a Abs. 2 Nr. 5 AsylG berufen. Danach kann die „Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen“, eine Verfolgungshandlung sein. § 3 Abs. 2 AsylG wiederum erfasst Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Ein Verbrechen gegen den Frieden wird definiert als Planung, Vorbereitung und Einleitung oder Durchführung eines Angriffskrieges oder eines Krieges unter Verletzung internationaler Verträge oder sonstiger Abkommen. Angesichts der Natur dieses Verbrechens kann es nur von Personen verübt werden, die eine hohe Stellung in der Machtstruktur innehaben und einen Staat oder ein staatenähnliches Gebilde vertreten. Verbrechen gegen die Menschlichkeit schließen Handlungen wie Völkermord, Mord, Vergewaltigung und Folter ein und sind dadurch charakterisiert, dass sie Teil eines groß angelegten oder systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung sein müssen. Kriegsverbrechen ist in einer Reihe von internationalen Vertragswerken definiert. Solche Verbrechen umfassen schwerwiegende Verstöße gegen die Regeln des humanitären Völkerrechts, durch die Personen, die nicht oder nicht mehr an Feindseligkeiten beteiligt sind, geschützt und die eingesetzten Methoden und Mittel der Kriegsführung beschränkt werden sollen. Es ist anerkannt, dass vorsätzliche Tötung und Folterung von Zivilpersonen als Kriegsverbrechen zu qualifizieren sind (vgl. hierzu Schlussantrag der Generalanwältin im Verfahren C-472/13, juris, Shepherd, Rnr. 42 ff). Es ist unbestritten, dass in Syrien alle Konfliktparteien schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts begehen (vgl. dazu z.B. HRC v. 10.3.2017, Human rights abuses and international humanitarian law violations in the Syrian Arab Republic, 21 July 2016 - 28 February 2017; vgl. auch BGH, Beschl. v. 11 8.2016 - AK 43/16 -, juris).
Hintergrund der Vorschrift des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG ist, dass sich eine Reihe von Mitgliedsstaaten gegen jeden Versuch gewandt hatte, die Ablehnung des Militärdienstes aus subjektiven Erwägungen oder Überzeugungen flüchtlingsrechtlich zu privilegieren. Ein Recht auf Wehrdienst- oder Kriegsdienstverweigerung sollte vielmehr nach wie vor nicht generell anerkannt werden. Es wurde daher vorgeschlagen, stattdessen im Einklang mit der Staatenpraxis als objektives Kriterium den Zwang zur Teilnahme an völkerrechtswidrigen Militäraktionen in bewaffneten Konflikten als Grund für eine Flüchtlingsanerkennung anzunehmen (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: 3 /2017, § 3a AsylG Rnr. 31).
Die Anwendungsbreite dieser Vorschrift, die unter der Überschrift „Verfolgungshandlungen“ steht, ist noch nicht vollständig geklärt.
Auszugehen ist davon, dass man sich auf diese Vorschrift nicht berufen kann, wenn die Möglichkeit einer Wehrdienst- oder Kriegsdienstverweigerung in dem jeweiligen Land besteht (EuGH, Urt. v. 26.2.2015 - C-472/13 -, Shepherd, juris).
Auszugehen ist zudem davon, dass mit dieser Vorschrift die generelle asylrechtliche Unbeachtlichkeit einer staatlichen Sanktionierung von Fahnenflucht und Desertion aufgehoben wird, weil mit ihr unabhängig vom Inhalt und der Anwendung eines nationalen Wehrstrafrechts die Bestrafung dann Verfolgung im asylrechtlichen Sinn ist, wenn sich der Militärdienst, welchem sich der Ausländer entzogen hat, als Teilnahme an Kriegsverbrechen und anderen völkerrechtswidrigen Handlungen darstellt. Unter diesen Umständen entfällt die Legitimität einer strafrechtlichen Sanktionierung des Wehrdienstentzuges, weil dem Wehrdienstentzug kein kriminelles Unrecht zugrunde liegt (VG Osnabrück, Urt. v. 5.12.2016 – 7 A 35/16 –, juris Rnr. 136; GK-AsylG, Stand: 4/2017, § 60 Rnr. 169 ff.).
Unterschiedlich bewertet wird dagegen, ob neben der Verfolgungshandlung noch ein Verfolgungsgrund zu fordern ist.
Teilweise wird - zu der vergleichbaren Vorschrift in Art. 9 Abs. 2 e RL 2011/95/EU - die Auffassung vertreten, die Vorschrift sei systematisch etwas verunglückt und stelle an sich einen Verfolgungsgrund dar (vgl. GK-AsylG, Stand: 4/2017, § 60 Rnr. 169 ff.). Letztlich sei jeder Deserteur ungeachtet einer - ohnehin in der Realität nicht nachprüfbaren - Gewissensentscheidung anzuerkennen, um einen Wertungswiderspruch zu vermeiden. Wenn nämlich einerseits die Teilnahme an Kriegsverbrechen sanktioniert werde und Personen, die an derartigen Kriegsverbrechen teilgenommen hätten, bei einem etwaigen Antrag auf Gewährung von Flüchtlingsschutz die Flüchtlingsanerkennung versagt werde, dann könne nicht andererseits die Weigerung, an solchen Taten teilzunehmen und die damit in Kauf genommene Bestrafung als flüchtlingsrechtlich irrelevant eingestuft werden. Vergleichbar führt UNHCR 4/2017 aus:
UNHCR hat in seinen Richtlinien zu Anträgen auf Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus Gründen des Militärdienstes festgestellt, dass die Anerkennung des Rechts von Personen, die Teilnahme an militärischen Aktivitäten abzulehnen, weil sie anderenfalls an Aktivitäten beteiligt wären, die eine Verletzung des humanitären Völkerrechtes, des internationalen Strafrechtes oder der internationalen Menschenrechtsnormen darstellen, und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in diesen Fällen im Einklang mit der Logik, steht, die den Ausschlussklauseln in der Genfer Flüchtlingskonvention zugrunde liegt“ (S. 23).
Eine unter § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG fallende Bestrafung soll somit per se eine Verfolgung darstellen (vgl. allg. Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl., S. 67 ff., 75 ff., vgl. z.B. VG Potsdam, Urt. v. 17.2.2016 - 6 K 1995/15 - juris, Rnr. 18; VG Freiburg, Urt. v. 1.2.2017 - A 4 K 2903/16 -, juris Rnr. 28, 32, das - allerdings nicht tragend - von einem implizit vorhandenen oder zumindest zugeschriebenen Verfolgungsgrund religiöser oder humanistischer oder politischer Art ausgeht).
Teilweise wird ein Verfolgungsgrund ausdrücklich geprüft (z. B. VG Sigmaringen. Urt. v. 31.1.2017 - A 3 K 4482/16 - juris Rnr. 137 ff.), dabei wird als Verfolgungsgrund auch auf die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe abgestellt (VG Göttingen, Urt. v. 22.3.2017 - 3 A 25/17 -, juris Rnr. 119). Teilweise wird zur Notwendigkeit des Vorliegens eines Verfolgungsgrundes ausgeführt, das Flüchtlingsrecht solle nicht vorrangig verhindern, dass Menschen zu Verbrechern werden; insoweit seien Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen dem internationalen Völkerstrafrecht überantwortet, das eine repressiven Ansatz verfolge. Das Flüchtlingsrecht solle vielmehr verhindern, dass Menschen zu Opfern von Diskriminierungen würden, daher sei neben einer Verfolgungshandlung immer ein Verfolgungsgrund erforderlich. Die bloße Tatsache, dass eine Person Opfer einer Gewalthandlung werde, reiche für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht aus. Fehle der Verfolgungsgrund, komme Schutz nach § 4 AsylG in Betracht (VG Wiesbaden, Urt. v. 7.3.2017 - 6 K 1426/16 -, juris Rnr.41). Der EuGH (Urt. v. 26.2.2015 - C-472/13 -, Shepherd, juris) hatte in seinem Urteil keinen Anlass gesehen, Verfolgungsgründe zu prüfen (Rnr. 31); die Generalanwältin (C-472/13, Schlussantrag Rnr. 47 ff., 59) ist dagegen ausdrücklich auch auf das Vorliegen von etwaigen Verfolgungsgründen eingegangen.
Eine Klärung dieser Fragen ist anlässlich des vorliegenden Falles nicht erforderlich.
Nicht ausreichend für die Anwendung dieser Vorschrift ist nämlich, dass das „Militär“ als solches Verbrechen im Sinne der Vorschrift begeht. Der EuGH (Urt. v. 26.2.2015, aaO., Rnr. 33 ff.) hat insoweit deutlich gemacht, dass
„die Eigenschaft als Militärangehöriger eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung dar(stellt), um den Schutz zu genießen, der mit der Bestimmung von Art. 9. II Buchst. e der Richtlinie verbunden ist“ (Rnr. 34, aA. wohl Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl.,§ 14 Rnr. 176, der die Vorschrift auch auf noch einzuberufende Soldaten bezieht).
und weiter ausgeführt,
„Auch wenn die Inanspruchnahme des internationalen Schutzes nicht denjenigen, die persönlich als Kriegsverbrechen einzustufende Handlungen begehen müssten, insbesondere den Kampftruppen, vorbehalten ist, kann dieser Schutz jedoch auf andere Personen nur dann ausgedehnt werden, wenn es bei vernünftiger Betrachtung plausibel erscheint, dass sie sich bei der Ausübung ihrer Funktionen in hinreichend unmittelbarer Weise an solchen Handlungen beteiligen müssten.“ (Rnr. 38),
in den Entscheidungsthesen heißt es zudem,
„dass (Art. 9. II Buchst. e der Richtlinie) den Fall betreffen, in dem der geleistete Militärdienst selbst ... die Begehung von Kriegsverbrechen umfassen würde, (einschließlich einer nur mittelbaren Begehung), wenn es bei vernünftiger Betrachtung plausibel erscheint, dass er durch die Ausübung seiner Funktion eine für die Vorbereitung oder Durchführung der Verbrechen unerlässliche Unterstützung leisten würde.“
Der um Flüchtlingsschutz Nachsuchende muss also mit hinreichender Plausibilität darlegen, dass (gerade) seine Militäreinheit Einsätze unter Umständen durchgeführt hat oder durchführen wird, die unter die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 AsylG fallen und dass er sich bei der Ausübung seiner Funktionen in hinreichend unmittelbarer Weise an solchen Handlungen beteiligen müsste, wobei logistische und sonstige Unterstützertätigkeiten ausreichend wären.
Hieran fehlt es im Falle des Klägers schon deswegen, weil er als bislang ungedienter, nach eigenem Vortrag bis 2015 zurückgestellter Wehrpflichtiger noch gar keiner Einheit zugeteilt ist und zunächst seine militärische Ausbildung noch durchlaufen muss (vgl. hierzu OVG NW, Urt. v. 4.5.2017 - 14 A 2023/16 -, juris). Wo er ggfls. einmal eingesetzt wird und welche Aufgaben ihm dann obliegen, ist derzeit völlig unklar. Unabhängig davon neigt der Senat dazu, eine (glaubhafte, vgl. hierzu Bay. VGH, Beschl. v. 13.1.2017 - 11 ZB 16.31051 -, juris) förmliche Verweigerung des Dienstes zu verlangen, eine Voraussetzung, die durch das bloße Entziehen durch Flucht nicht erfüllt wird (ebenso OVG NW, Urt. v. 4.5.2017, aaO.).
Der die Wehrpflichtproblematik anders beurteilenden Auffassung des Bay VGH, Urt. v. 12.12.2016 - 21 B 16.30372 - juris, des VGH Bad- Württb., Urt. v. 14.6.2017 - A 11 S 511 /17 -, juris und des Hess. VGH, Urt. v. 6.6. 2017 - 3 A 3040/16 -, juris (dieser in Verbindung mit der Herkunft aus einer - vermeintlich - regierungsfeindlichen Zone) vermag der Senat nicht zu folgen. So wird das nach dem Erkenntnisstand des Senats beachtliche Interesse des syrischen Regimes an einer Truppenverstärkung und die schon immer praktizierte Einbindung auch oppositioneller Gruppen in die syrische Armee sowie der Umstand, dass sich die Betreffenden durch Flucht aus einer regierungsfeindlichen Zone dem Konflikt und damit der Einnahme durch den Regierungsgegner gerade entzogen haben, nicht zureichend in die Bewertung aufgenommen. Auch weist der im Urteil des VGH Bad-Württb. enthaltene Hinweis auf „Willkür“, extralegale Tötungen und Folterungen und Verschwindenlassen „von Personen jeder Herkunft ungeachtet des konkreten Hintergrundes“ gerade auf das Fehlen eines Verfolgungsgrundes hin, zumindest nach dem Erkenntnisstand des Senats. Auch vermag die besondere Intensität der drohenden Verfolgungshandlungen angesichts des seit jeher stark repressiven Charakters des syrischen Staates - wiederum nach Wertung des Senats - die Gerichtetheit der drohenden Maßnahmen auf einen Verfolgungsgrund nicht zu indizieren.
(3) Es wäre mit der Systematik des AsylG auch nicht vereinbar, alle vor den katastrophalen Zuständen in Syrien Geflohenen und potentiellen Rückkehrer als „bestimmte soziale Gruppe“ im Sinne des §§ 3 Abs. 1 Nr.1, 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG aufzufassen. Mit dieser Vorschrift sollen nicht sämtliche Gruppen von Personen innerhalb einer Gesellschaft als eine „bestimmte soziale Gruppe“ definiert werden können (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: 3/2017, § 3b AsylG Rnr. 23, 28). § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG ist nach seinem Sinn und Zweck („bestimmte“ Gruppe sowie „insbesondere“ im Gesetzestext) vielmehr zu entnehmen, dass die Gruppe generell neben den drei internen Merkmalen (angeboren, unveränderbar, bedeutsam für die Identität) ein externes Merkmal aufweisen muss, die Gruppe muss sich nämlich in dem betreffenden Heimatland von der sie umgebenden Gesellschaft „deutlich abgrenzen“, weil sie von der Gesellschaft als „andersartig“ betrachtet wird. Anders ausgedrückt: die Gruppe muss von der übrigen Gesellschaft als eine abgegrenzte, andersartige Gruppe mit eigener gemeinsamer Identität wahrgenommen werden (Marx, AsylG, 9. Aufl., § 3b Rnr. 19, 21). Interne und externe Merkmale müssen kumulativ vorliegen (EuGH, Urt. v. 7.11.2013 - C-199/12 u.a. -, juris Rnr. 25; VG Lüneburg, Urt. v. 21.11.2016 - 3 A 109/16 -, juris Rnr. 22).
Vorliegend fehlt es schon an einer abgegrenzten Identität. Alle Flüchtlinge haben Verwandte in Syrien oder in den anliegenden Ländern. Es dürfte weiterhin ein reger Austausch bestehen. Die hier Lebenden werden daher nicht als abgegrenzter Teil, sondern weiter als Teil der jeweiligen Großfamilie und der Gesellschaft betrachtet. Es ist auch nicht ersichtlich, dass ausnahmsweise auf die „insbesondere“ zu fordernden Voraussetzungen (s.o.) verzichtet werden sollte (zur sozialen Gruppe vgl. allg. BVerwG, Beschl. v. 24.4.2017 - 1 B 22.17 -, juris).
(4) Auch eine umfassende Gesamtwürdigung aller oben aufgezeigten möglicherweise eine Verfolgungsgefahr begründenden Umstände führt jedenfalls nicht zur Flüchtlingszuerkennung; denn auch bei dieser Gesamtabwägung muss nach der Überzeugungsbildung durch den Senat bei lebensnaher Betrachtung dem syrischen Regime vor Augen stehen, dass der Kläger kein tatsächlicher/vermeintlicher Oppositioneller, sondern lediglich ein vor den Bürgerkriegswirren und dessen Konflikten Geflohener ist. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat auch nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu erkennen, dass angesichts des erheblichen Rekrutierungsinteresses die Wehrdienstentziehung des Klägers zu einer politischen Verfolgung bei Rückkehr führt.
(5) Keine Rolle spielt, dass die Beklagte eine frühere Entscheidungspraxis zu Lasten der Rechtsschutzsuchenden geändert hat. Ausgangspunkt war allerdings - wie dem Senat aus früher anhängigen Verfahren bekannt ist - schon ursprünglich eine Flüchtlingsschutz versagende Entscheidungspraxis. Diese hat die Beklagte ab 2011 in einzelnen Fällen und verstärkt nach einer ersten „Welle“ etwa ab Herbst 2015 geändert. Was Grund dafür war, kann dahinstehen - möglicherweise (auch) die weitgehende Angleichung des Status des subsidiären Schutzes bzgl. des Familiennachzugs an denjenigen der anerkannten Flüchtlinge, was die Fortführung der damaligen Verfahren möglicherweise als unergiebig erscheinen ließ -; denn eine Flüchtlingsanerkennung entsprach - wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt - nicht der Rechtslage und die Beklagte ist nicht verpflichtet, ein als rechtswidrig erkanntes Verhalten fortzusetzen. Zudem war mit Gesetz vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) mit Wirkung zum 17. März 2016 § 104 Abs. 13 AufenthG in Kraft getreten, wonach der Familiennachzug für den hier in Rede stehenden Personenkreis zeitlich aufgeschoben worden ist und damit die Unterschiede zwischen den genannten Rechtsstellungen wieder ausgeprägter geworden waren.
Da bei (hypothetisch) Zurückkehrenden einschl. Wehrdienstentziehern willkürliche Anwendung von Misshandlungen ggfls. einschl. Folter nicht mit der gebotenen Sicherheit ausgeschlossen werden kann, besteht ein Anspruch auf Schutz nach § 4 AsylG. Dieser ist gewährt worden.“
Daran hält der Senat fest. Die zwischenzeitlichen Äußerungen in Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5.12.2017 - BVerwG 1 B 131.17 - juris, OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 22.11.2017 - 3 B 12.17 -, juris, OVG Nordrhein-Westfalen, zuletzt Urt. v. 7.2.2018 - 14 A 2390/16.A -, juris, OVG Hamburg, Urt. v. 11.1.2018 - 1 Bf 81/17.A -, juris sowie OVG Bremen, Urt. v. 24.1.2018 - 2 LB 237/17 -, juris) und Literatur (vgl. zuletzt: Lehmann, Dogmatische und praktische Fragen zu den flüchtlingsrechtlichen Konsequenzen von Wehrdienstentziehung, NVwZ 2018, 293) geben keinen Anlass, von diesem Standpunkt abzuweichen. Soweit das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 29. November 2017 (- 3 N 236.17 -, juris) der Tatsachenfrage, ob unverfolgt ausgereisten Syrern bei einer Wiedereinreise nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen einer Wehrdienstentziehung zielgerichtete Verfolgung droht, wenn es sich um Männer im wehrdienstfähigen Alter von 18 bis 42 Jahren handelt, grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG beigemessen hat, hat dies keine Rückwirkungen auf die bereits vorliegende Beurteilung dieser Tatsachenfrage durch den Senat, zumal die genannte Entscheidung selbst keine Umstände anspricht, die in der Rechtsprechung des Senats noch nicht verarbeitet wären. Zur jüngsten Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts liegt bisher nur eine Pressemitteilung vor (Nr. 4/2018 vom 8. Februar 2018).
Das Vorbringen der Kläger weist auch über die Schilderung der Bürgerkriegssituation - die sich jedenfalls in Bezug auf ihren Heimatort Aleppo inzwischen durchgreifend verändert hat - und der Furcht vor einer Einziehung des Klägers zu 1. keine Besonderheiten auf, die die Annahme einer politischen Verfolgung nahelegen könnten. Insbesondere bestehen keinerlei Anhaltspunkte für die geltend gemachte Vorverfolgung. Davon, dass die Kläger als Sunniten Nachteile erlitten hätten, haben sie konkret nie berichtet. Die Furcht vor einer Einziehung des Klägers zu 1. gründete allein auf seinem Alter, nicht auch auf konkreten Ankündigungen seiner Einberufung oder ähnlichen Umständen, die deutlich gemacht hätten, dass ihn betreffende Maßnahmen bevorstanden. Soweit der Kläger zu 1. gemeint hat, er könne Probleme bekommen, weil er an einem Standort der Freien Syrischen Armee in die Türkei eingereist sei, also ohne Stempel nicht offiziell ausgereist sei, hebt ihn dies nicht aus der Masse der anderen Schutzsuchenden heraus, wobei offen bleiben kann, was es bedeutet hat, dass er an anderer Stelle hervorhob, sie seien legal in die Türkei eingereist.
Soweit die Kläger geltend machen, sie fielen unter die vom UNHCR definierten Risikoprofile, hat sich der Senat schon in seinen Beschlüssen vom 5. September 2017 (- 2 LB 186/17 -, juris Rdnrn. 87 ff.) und vom 22. Februar 2018 (- 2 LB 1789/17 -, juris Rdnr. 130) zu diesem Fragenkreis geäußert. Insoweit ist nochmals hervorzuheben, dass die nunmehr seitens des UNHCR veröffentlichten (und in der übersandten, zu einem früheren Zeitpunkt abgefassten Erkenntnismittelliste noch nicht aufgeführten) International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic, Update V, vom November 2017 im Vergleich zu vorangegangenen Fassung eine Reihe von Änderungen aufweisen, die der daran geübten Kritik des Senats (vgl. z. B. Beschl. v. 5.9.2017 - 2 LB 186/17 -, juris Rdnrn. 94 ff.) in der Sache zum Teil entgegenkommen (kritisch zur Verlässlichkeit der zugrunde gelegten Quellen weiterhin zu Recht: OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 7.2.2018 - 14 A 2390/16.A -, juris Rdnrn. 50 ff.). Der Zugehörigkeit zu den dort benannten Risikogruppen indiziert danach zwar nach wie vor die Wahrscheinlichkeit, dass die betroffene Person Internationalen Schutz benötigt; dies wird jedoch durchweg durch die Worte relativiert: "depending on the individual circumstances of the case". Mit anderen Worten ist es schon nach dem eigenen Anspruch der "Considerations" nicht angängig, die Annahme einer politischen Verfolgung allein auf die pauschale Zuordnung zu einer oder mehreren der Risikoprofile zu stützen, zumal ohne Rücksicht auf die Frage, in welches Umfeld der Betroffene hypothetisch zurückkehren müsste; erforderlich ist vielmehr stets eine hinreichend substantiierte Einzelfallbetrachtung. Die bloße schlagwortartige Benennung eines Risikoprofils gibt dem Gericht keinen Anlass, seine bisher unter Auseinandersetzung mit den verfügbaren Quellen eingenommenen Standpunkte einer erneuten Prüfung zu unterziehen.
Hier beruht die Nennung des Risikoprofils "alleinstehende Frau" für "die Klägerin zu 1." in der Stellungnahme zur Möglichkeit einer Entscheidung nach § 130a VwGO ersichtlich auf einem Redaktionsversehen des Prozessbevollmächtigten.
Auch die früher geltend gemachte Zugehörigkeit zum Risikoprofil "Sunnit" führt nicht weiter. Insoweit hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 27. Juni 2017 (- 2 LB 91/17 -, juris Rdnr. 69 - wie oben wiedergegeben) bereits eine gegenteilige Auffassung vertreten, welcher die Kläger nicht substantiiert entgegengetreten sind. Auch im Übrigen sieht die obergerichtliche Rechtsprechung in der Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Sunniten nicht ohne Weiteres einen risikoerhöhenden Faktor (vgl. z.B. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 22.11.2017 - 3 B 12.17 -, juris Rdnr. 39; OVG Hamburg, Urt. v. 11.1.2018 - 1 Bf 81/17.A -, juris Rdnrn. 52, 85 f.). Die teilweise von Klägern anderer Verfahren vertretene Auffassung, der gesamte Syrien-Konflikt beruhe auf dem Versuch des alawitisch-schiitischen Assad-Regimes, die sunnitische Bevölkerungsmehrheit zu verdrängen, findet jedenfalls in den bislang vorliegenden Erkenntnismitteln allenfalls vereinzelt eine Stütze und wird im Allgemeinen nicht geteilt.
Zur Verfolgungsrelevanz der Wehrdienstentziehung hat sich der Senat bereits in einer Vielzahl von Entscheidungen geäußert, angefangen bei dem oben wiedergegebenen Urteil (vgl. ferner z.B. Beschlüsse vom 12.9.2017 - 2 LB 750/17 -, vom 8.2.2018 - 2 LA 1784/17 - und nochmals ausführlich im Beschluss vom 22.2.2018 - 2 LB 1789/17 -, alle juris); die bloße Benennung des einschlägigen Risikoprofils trotz Hinweises auf die Senatsrechtsprechung im Zulassungsbeschluss und in der Anhörung zur Möglichkeit einer Entscheidung nach § 130a VwGO entkräftet dies nicht.
Hinsichtlich des Klägers zu 3. scheidet unter diesen Umständen die Annahme aus, er sei voraussichtlich einer Reflexverfolgung ausgesetzt, weil bereits nicht von einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung des Vaters, des Klägers zu 1., auszugehen ist (vgl. hierzu zudem VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 9.8.2017 - A 11 S 710/17 -, juris Rdnr. 50: fehlende Reflexverfolgung in Bezug auf den Vater eines wehrflüchtigen Sohnes).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.