Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.06.2024, Az.: 2 LB 40/24

Antrag eines Yeziden mit syrische Staatsangehörigkeit mit dem Status eines subsidiär Schutzberechtigten auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft; Erhöhte Wahrscheinlichkeit der Verfolgung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
03.06.2024
Aktenzeichen
2 LB 40/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 15965
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0603.2LB40.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 27.09.2018 - AZ: 15 A 2027/17

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Yeziden sind in Syrien seitens des syrischen Regimes ohne Hinzutreten risikoerhöhender Umstände nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a Abs. 2 Nrn. 1 bis 6 AsylG ausgesetzt, die an ihre Religionszugehörigkeit anknüpfen.

  2. 2.

    Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a Abs. 2 Nrn. 1 bis 6 AsylG drohen yezidischen Religionszugehörigen ohne Hinzutreten risikoerhöhender Umstände auch nicht im Norden Syriens von Seiten der Freien Syrischen Armee (FSA) - nunmehr Syrische Nationalen Armee (SNA).

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 15. Kammer - vom 27. September 2018 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten beider Instanzen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Beschlusses vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger, der über den Status des subsidiär Schutzberechtigten verfügt, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Der im ... 1982 geborene Kläger ist nach den Feststellungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) syrischer Staatsangehöriger, kurdischer Volkszugehörigkeit und yezidischer (yesidischer/jesidischer) Religionszugehörigkeit. Nach eigenen Angaben lebte er bis zu seiner Ausreise mit seiner Ehefrau und drei Kindern in der im gleichnamigen Gouvernement gelegenen Stadt Aleppo. Syrien verließ er Mitte Oktober 2015 und reiste Anfang November auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Hier stellte er einen Asylantrag, den er bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 17. Februar 2017 auf die Zuerkennung internationalen Schutzes beschränkt hat. Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung beim Bundesamt trug der Kläger zu seinen persönlichen Verhältnissen und den Gründen für seine Ausreise aus Syrien im Wesentlichen vor, er habe in Syrien neun Jahre die Schule besucht und seinen Wehrdienst bereits von 2000 bis 2001 geleistet. Den Familienunterhalt habe er zuletzt durch die Arbeit als selbständiger Schneider verdient. Syrien habe er wegen des Krieges und aus Furcht vor den Kämpfern des sogenannten Islamischen Staats (IS) verlassen. Als Yezide habe er sich in Syrien nicht mehr sicher gefühlt. Yeziden seien vom IS verfolgt worden, dessen Kämpfer hätten viele Yeziden getötet. Der IS sei auch in ihr Dorf gekommen, denn die freie syrische Armee (FSA) habe die IS-Kämpfer durchgelassen. Die kurdischen Freiheitskämpfer der YPG hätten den Yeziden zwar geholfen, aber für Yeziden sei es in Syrien trotzdem gefährlich gewesen. Ihm selbst sei nur deshalb nichts geschehen, weil er immer vorher geflüchtet sei. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien befürchte er eingezogen zu werden und mit den syrischen Regierungstruppen oder mit den kurdischen Freiheitskämpfern der YPG kämpfen zu müssen.

Mit Bescheid vom 23. Februar 2017 hat das Bundesamt dem Kläger den subsidiären Schutzstatus (Ziffer 1) zuerkannt, jedoch den weitergehenden Asylantrag abgelehnt (Ziffer 2).

Mit der dagegen gerichteten Klage hat der Kläger ergänzend vorgetragen, ihm drohe auch deshalb im Falle einer Rückkehr nach Syrien politische Verfolgung, weil er Syrien illegal verlassen, im Ausland einen Asylantrag gestellt und sich länger im Ausland aufgehalten habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung von Ziffer 2. des Bescheides vom 23. Februar 2017 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen und den Bescheid vom 23. Februar 2017 aufgehoben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht. Zur Begründung hat das Gericht zusammenfassend ausgeführt, der Kläger habe unter dem Aspekt der Wehrdienstentziehung einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Er sei Reservist und unterliege in Syrien der Wehrpflicht. Durch seine (unerlaubte) Ausreise und den Verbleib im Ausland habe er sich seiner Wehrpflicht in Syrien entzogen. Syrischen Männern, die sich der Einberufung oder Mobilisierung entzögen, drohten bei einer Rückkehr nach Syrien und Ergreifung seitens der syrischen Sicherheitskräfte Verfolgungshandlungen in Gestalt von Untersuchungen und Festnahmen, teilweise mit längerer Haft und Folter. Das syrische Regime betrachte alle Männer, die sich ihrer Wehrpflicht in Syrien entzögen, vor allem, wenn sie illegal ins Ausland reisten, als Regimegegner, und daran anknüpfend drohe auch dem Kläger politische Verfolgung. Unabhängig davon könne sich der Kläger auch auf § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG berufen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten. Sie greift die Auffassung des Verwaltungsgerichts an und meint eine Entziehung vom Wehrdienst begründe ohne Hinzutreten individueller gefahrerhöhender Umstände keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Die Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 27. September 2019 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Beiakten Bezug genommen. Die der Entscheidung vom Senat zugrunde gelegten Erkenntnismittel ergeben sich aus der, dem Kläger mit der Anhörung zur Entscheidung im Beschlussverfahren nach § 130a VwGO übersandten Liste.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130a Satz 1 VwGO durch Beschluss. Er hält die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich (vgl. zu den Voraussetzungen der Durchführung des vereinfachten Berufungsverfahrens und den Grenzen der Ermessensentscheidung gemäß § 130a Satz 1 VwGO Senatsbeschl. v. 5.9.2017 - 2 LB 186/17 -, juris Rn. 18 ff. sowie aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts z.B. BVerwG, Beschl. v. 21.1.2020 - 1 B 2.20 -, juris Rn. 4 ff. und Beschl. v. 17.1.2022 - 1 B 95.21 -, juris Rn. 11 ff. - nachgehend zu Senatsbeschl. v. 3.11.2021 - 2 LB 139/21 -, n.v.). Die aufgeworfenen rechtlichen und tatsächlichen Fragen sind in der Senatsrechtsprechung seit längerem geklärt (vgl. Senatsurt. v. 27.6.2017 - 2 LB 91/17 - u. v. 22.4.2021 - 2 LB 147/18 u. 2 LB 408/20 -, jeweils veröffentlicht in juris). Der anwaltlich vertretene Kläger hat - auch im Zuge der Anhörung zu einer Entscheidung im Wege des Beschlusses (§§ 130a Satz 2, 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO) - keine Gesichtspunkte vorgetragen, die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erfordern.

Die zulässige Berufung ist in der Sache begründet. Die Klage ist unter entsprechender Änderung des angegriffenen Urteils abzuweisen, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG.

Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom 21. Februar 2024 (BGBl. I S. 54). Unionsrechtlich entscheidend sind die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung) - ABl. L 337 S. 9, ber. ABl. 2017 L 167 S. 58 (weiter zitiert: RL 2011/95/EU) und die Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung) - ABl. L 180 S. 60 (weiter zitiert: RL 2013/32/EU).

Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Verfolgungsgründe) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG gelten Handlungen als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). In § 3a Abs. 2 Nrn. 1 bis 6 AsylG werden einzelne Beispiele für Verfolgungshandlungen genannt, unter anderem die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt (Nr. 1), eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung (Nr. 3) oder eine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (Nr. 5). Gemäß § 3c AsylG sind Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, u. a. der Staat oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen.

Zwischen den in § 3 Abs. 1 AsylG genannten und in § 3b Abs. 1 AsylG jeweils näher erläuterten Verfolgungsgründen sowie den in § 3a Abs. 1 und 2 AsylG beschriebenen Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG). Dabei ist unerheblich, ob der Ausländer tatsächlich z. B. die religiösen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger nur zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG). Für den Bereich des Asylrechts hat das Bundesverfassungsgericht diese Verknüpfung von Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund dahingehend konkretisiert, dass es für eine politische Verfolgung ausreicht, wenn der Ausländer der Gegenseite oder dem persönlichen Umfeld einer anderen Person zugerechnet wird, die ihrerseits Objekt politischer Verfolgung ist. Unerheblich ist dabei, ob der Betreffende aufgrund der ihm zugeschriebenen Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung (überhaupt) tätig geworden ist (BVerfG, Beschl. v. 22.11.1996 - 2 BvR 1753/96 -, juris Rn. 5; Senatsurt. v. 27.6.2017 - 2 LB 91/17 -, juris Rn. 31). Die Maßnahme muss darauf gerichtet sein, den von ihr Betroffenen gerade in Anknüpfung an einen oder mehrere Verfolgungsgründe zu treffen (vgl. näher zu den Voraussetzungen Senatsurt. v. 22.4.2021 - 2 LB 147/18 und 2 LB 408/20 -, juris Rn. 21 bzw. 20).

Die Furcht vor Verfolgung ist im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, das heißt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ("real risk") drohen (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 -, juris Rn. 19, 32; Beschl. v. 15.8.2017 - 1 B 120.17 -, juris Rn. 8). Für die anzustellende Verfolgungsprognose gilt - unabhängig von der Frage, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht - ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU, nicht (mehr) durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Nach dieser Vorschrift besteht eine tatsächliche Vermutung, dass sich eine frühere Verfolgung bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen wird. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung entkräften (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 -, juris Rn. 21 f.; Senatsurt. v. 27.6.2017 - 2 LB 91/17 -, juris Rn. 34). Eine Verfolgung ist beachtlich wahrscheinlich, wenn einem besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Ausländers nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Herkunftsstaat als unzumutbar erscheint (vgl. hierzu sowie zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt und den Maßgaben der richterlichen Überzeugungsbildung im Einzelnen Senatsurt. v. 22.4.2021 - 2 LB 147/18 - und - 2 LB 408/20 -, juris Rn. 22 ff. bzw. 21 ff.).

Nach diesen Maßgaben besteht für den Kläger bei einer - hypothetischen - Rückkehr nach Syrien zur Überzeugung des Senats keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung aus den in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Gründen.

1. Der Kläger ist nicht vorverfolgt ausgereist, sodass ihm die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU nicht zugutekommt.

Eine Vorverfolgung ergibt sich - auch unter Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 19. November 2020 (- C-238/19 -, juris) - nicht im Hinblick darauf, dass sich der Kläger bereits zum Zeitpunkt seiner Ausreise dem Wehrdienst auf Seiten des syrischen Staats entzogen haben könnte. Dies gilt auch im Hinblick auf eine mögliche Verfolgungshandlung gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG, das heißt eine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen der Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG (Art. 9 Abs. 2 Buchst. e RL 2011/95 EU). Strafverfolgung in diesem Sinne erfasst das Handeln der mit der Aufklärung von Straftaten und der Anklagevorbereitung befassten Strafverfolgungsorgane des Staates oder einer staatsähnlichen Organisation, d.h. der Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft, Polizei). Der Begriff der "Strafverfolgung" umfasst alle strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.1.2023 - 1 C 22.21 -, juris Rn. 28). Demgegenüber erfasst der Begriff der "Bestrafung" das Urteil des Strafgerichts selbst und dessen Vollstreckung durch die Strafvollstreckungsorgane. Ein weiteres, über derartige strafrechtliche Maßnahmen hinausgehendes, auch eine Zwangsrekrutierung mit anschließendem Fronteinsatz ohne hinreichende militärische Ausbildung umfassendes Begriffsverständnis kommt der Regelung des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG (Art. 9 Abs. 2 Buchst. e RL 2011/95 EU) nicht zu (BVerwG, Urt. v. 19.1.2023 - 1 C 22.21 -, juris Rn. 28 f.).

Der Kläger hat vor seiner Ausreise aus Syrien entsprechende Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG nicht erlitten.

Die Annahme einer bei der Ausreise unmittelbar drohenden Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes i. S. d. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG (Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU) kann nach der Senatsrechtsprechung nur dann in Betracht kommen, wenn sich ein im militärdienstpflichtigen Alter befindlicher Mann aus Sicht des syrischen Staates bereits vor dem Moment seiner Ausreise erkennbar dem Militärdienst entzogen hatte und er gerade aus diesem Grund der beachtlich wahrscheinlichen Gefahr unterlag, Verfolgungsmaßnahmen erleiden zu müssen (vgl. im Einzelnen Senatsurt. v. 22.4.2021 - 2 LB 147/18 und 2 LB 408/20 -, juris Rn. 32 ff. bzw. 31 ff.).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar hat der Kläger vor seiner Ausreise allgemein befürchtet, als Reservist erneut in den Militärdienst der syrischen Armee einberufen zu werden. Konkrete Maßnahmen zu seiner erneuten Heranziehung zum Wehrdienst gab es jedoch nicht. Auch im Übrigen fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger vor seiner Ausreise ein Verhalten an den Tag gelegt hat, welches sich aus der Sicht des syrischen Staats erkennbar als Wehrdienstentziehung dargestellt haben könnte.

Ob zudem die Schilderungen des Klägers zu den Gräueltaten des IS eine Vorverfolgung begründen, bedarf keiner abschließenden Klärung. Denn die im Fall der Annahme einer Vorverfolgung bestehende Vermutung, dass sich eine solche Verfolgung seitens des IS bei der Rückkehr nach Syrien wiederholen wird, kann - wie oben ausgeführt - widerlegt werden. Das ist hier der Fall, denn es liegen stichhaltige Gründe vor, die die Wiederholungsträchtigkeit einer erneuten Verfolgung durch den IS entkräften. Diese ergeben sich aus der veränderten Lage in Syrien. Nach den Erkenntnissen des Senats (vgl. z.B. UNHRC, Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic vom 14. August 2023 (CoI Report vom 14. August 2023), S. 24, Karte "Aproximate areas of influence - June 2023; AA, Lagebericht v. 29.3.2023, S. 8 und v. 4.12.2020, S. 10; Der Spiegel, Nr. 8/2018 v. 17.2.2018, "Der Krieg der fremden Mächte") ist die Terrormiliz des IS in Syrien weitgehend zurückgedrängt worden und übt keine territoriale Kontrolle mehr aus. Weite Teile Syriens stehen mittlerweile unter der Kontrolle der syrischen Regierung und mit ihr verbündeter Kampfeinheiten, von dem IS geht damit für den Kläger keine beachtliche Gefahr mehr aus (vgl. zur Verfolgung durch die Terrormiliz des IS auch Senatsbeschl. vom 7.2.2024 - 2 LB 188/21 -, n.v., vom 15. Mai 2023 - 2 LB 444/19 -, juris Rn. 45, vom 28.1.2020 - 2 LB 458/18 - und v. 30.3.2022 - 2 LB 641/19 - juris; zur Verfolgung von Yeziden durch den IS, HessVGH, Urt. v. 23.8.2021 - 8 A 1992/18.A -, juris Rn. 32; OVG SH, Urt. v. 27.9. 2018 - 2 LB 21/18 -, juris Rn. 37, OVG NRW, Beschl. v. 13.6.2023 - 14 A 156/19.A -, juris, Entscheidungsabdruck S. 22 und Urt. v. 12.12.2018 - 14 A 847/18.A -, juris Rn. 34). Dass sich nach wie vor einzelne IS-Kämpfer in Teilen Syriens aufhalten und auch Anschläge begehen, rechtfertigt keine andere Bewertung. Unabhängig davon, dass die in Rede stehenden einzelnen Terroranschläge als Akte willkürlicher Gewalt, nicht aber als zielgerichtete Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG einzustufen sind, liegen auch die Voraussetzungen des § 3c AsylG nicht vor; der IS ist kein tauglicher Akteur im Sinne dieser Regelung. Weder beherrscht er zum jetzigen Zeitpunkt einen wesentlichen Teil des syrischen Staatsgebietes noch liegen die Voraussetzungen des § 3c Nr. 3 AsylG vor.

2. Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit begründende Ereignisse, die eingetreten sind, nachdem der Kläger sein Herkunftsland verlassen hat (§ 28 Abs. 1a AsylG), liegen ebenfalls nicht vor.

Syrische Staatsangehörige unterliegen nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 27.6.2017 - 2 LB 91/17 - u. v. 22.4.2021 - 2 LB 147/18 und 408/20 -, juris) allein aufgrund einer (illegalen) Ausreise, einer Asylantragstellung und einem längeren Aufenthalt im westlichen Ausland, der Herkunft aus einem (ehemals) von der Opposition beherrschten Gebiet und wegen des Umstandes, dass sie sich durch ihre Ausreise oder ihren längeren Aufenthalt im Ausland dem Wehrdienst entzogen haben, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG.

Es fehlt jedenfalls an der gemäß § 3a Abs. 3 AsylG erforderlichen Verknüpfung zwischen einer etwaigen Verfolgungshandlung und einem Verfolgungsgrund i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3b AsylG. Die dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel lassen den Schluss, dass Rückkehrern ohne besonderes Profil von Seiten des syrischen Staates regelhaft eine oppositionelle Gesinnung zugeschrieben wird, weiterhin nicht zu. Das gilt auch bei (einfacher) Wehrdienstentziehung. Nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellen die an eine Wehrdienstentziehung geknüpften Sanktionen, selbst wenn sie von totalitären Staaten ausgehen, nur dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgung dar, wenn sie nicht nur der Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht dienen, sondern darüber hinaus den Betroffenen auch wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen Merkmals treffen sollen (vgl. zusammenfassend BVerwG, Beschl. v. 24.4.2017 - 1 B 22.17 -, juris Rn. 14). An einer solchen Verknüpfung zwischen der Bestrafung von Rückkehrern wegen einer Wehrdienstentziehung und einem Verfolgungsgrund im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b AsylG fehlt es.

Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung wegen einer Wehrdienstentziehung liegt auch unter Berücksichtigung des in § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG aufgenommenen Regelbeispiels einer Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a Abs. 1 AsylG nicht vor. Die dort genannten Voraussetzungen sind in zweifacher Hinsicht nicht erfüllt. Zum einen geht der Senat nicht davon aus, dass der Wehr- bzw. Reservedienst in der syrischen Armee Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen. Zum anderen fehlt es auch hier an der erforderlichen Verknüpfung der Strafverfolgung oder Bestrafung wegen der Verweigerung des Militärdienstes mit einem Verfolgungsgrund.

Zur näheren Begründung seiner Einschätzung nimmt der Senat vollumfänglich Bezug auf seine Urteile vom 27. Juni 2017 - 2 LB 91/17 - und vom 22. April 2021 - 2 LB 147/18 und 408/20 -, juris (zur Zulässigkeit einer solchen Bezugnahme vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.4.1990 - 9 CB 5.90 -, juris Rn. 6, v. 22.11.1994 - 5 PKH 64.94 -, juris Rn. 4, u. v. 3.12.2008 - 4 BN 25.08 -, juris Rn. 9; Lambris in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, 58. Ed. 2020, § 117 Rn. 19a; Kilian/Hissnauer in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 117 Rn. 85). Neuere Erkenntnisse, die darauf schließen lassen, dass die Situation von Rückkehrern aus Europa anders zu beurteilen wäre, liegen nicht vor. Auch die übrige obergerichtliche Rechtsprechung verneint in den genannten Fällen ganz überwiegend eine politische Verfolgung (OVG NRW, Beschl. v. 25.1.2021 - 14 A 822/19.A -, juris; VGH BW, Urt. v. 4.5.2021 - A 4 S 468/21 - u. Urt. v. 18.8.2021 - A 3 S 271/19 -, juris; OVG MV, Urt. v. 26.5.2021 - 4 L 238/13 -, juris; BayVGH, Urt. v. 23.6.2021 - 21 B 19.33586 -, juris; OVG LSA, Urt. v. 1.7.2021 - 3 L 154/18 -, juris; SächsOVG, Urt. v. 22.9.2021 - 5 A 855/19.A -, juris; Hess VGH, Urt. v. 23.8.2021 - 8 A 1992/18.A -, juris; a.A. OVG Bremen, Urt. v. 23.3.2022 - 1 LB 484/21 -, juris; der Senat hat bereits entscheiden, dass ihm die Entscheidung keinen Anlass zur Änderung seiner Rechtsprechung gibt; vgl. Senatsbeschl. v. 11.5.2022 - 2 LB 52/22 -, juris; siehe auch ThürOVG, Urt. v. 16.6.2022 - 3 KO 178/21 -, juris Rn. 144 f.; OVG NRW, Urt. v. 23.8.2022 - 14 A 3716/18.A -, juris Rn. 109 ff.; SächsOVG, Beschl. v. 23.11.2022 - 5 A 366/22.A -, juris Rn. 6 ff.).

Der anderslautenden Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg ist das Bundesverwaltungsgericht mit Urteilen vom 19. Januar 2023 (z.B. 1 C 21.22, juris) entgegengetreten. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass (zwar) bei der Strafverfolgung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn er Militärdienst u.a. Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit umfassen würde, im Anschluss an die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) eine starke Vermutung dafür spricht, dass die Verweigerung des Militärdienstes mit einem Verfolgungsgrund in Zusammenhang steht, dass es (aber) Sache der zuständigen nationalen Behörde und Gerichte ist, in Anbetracht sämtlicher in Rede stehenden Umstände die Plausibilität dieser Verknüpfung zu prüfen. Dem genüge es nicht, wenn die Voraussetzungen des Flüchtlingsschutzes auf einer diffusen Tatsachengrundlage und unter Unterschreitung des Regelbeweismaßstabes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit bejaht würden (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.1.2023 - 1 C 22.21 -, juris Rn. 46 ff.). Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht auch (nochmals) klargestellt, dass sich dem Unionsrecht und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht - schon gar nicht unabhängig von einer auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse sich ergebenden Veränderung der tatsächlichen Verfolgungslage - entnehmen lasse, dass Personen, die den Militärdienst verweigerten, allein deswegen bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung zu befürchten hätten. Der Gerichtshof habe vielmehr lediglich die rechtlichen Maßstäbe entfaltet, nach denen die Gefahr von Verfolgungshandlungen sowie die Verknüpfung mit flüchtlingsrechtlich erheblichen Verfolgungsgründen zu prüfen und zu beurteilen seien (BVerwG, Urt. v. 19.1.2023 - 1 C 22.21 -, juris Rn. 49).

Auch die Furcht vor einer (zwangsweisen) Rekrutierung durch die kurdischen Kampfverbände der YPG vermag eine Flüchtlingseigenschaft nicht zu begründen (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 22.4.2021 - 2 LB 147/18 -, juris Rn 90 ff. und v. 30.3.2022 - 2 LB 641/19 -, juris Rn 36 ff.; OVG Saarl., Urt. v. 2.8.2018 - 2 A 694/17 -, juris Rn. 30 f.).

Eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft folgt auch nicht aus der yezidischen Religionszugehörigkeit (Senatsbeschl. v. 30.3.2022 - 2 LB 641/19 -, juris Rn. 41 ff. und v. 17. April 2019 - 2 LB 438/18 - n.v.; OVG NRW, Beschluss v. 13.6.2023 - 14 A 156/19.A -, juris, Urteilsabdruck S. 21). Yeziden sind in Syrien seitens des syrischen Regimes ohne Hinzutreten risikoerhöhender Umstände nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a Abs. 2 Nrn. 1 bis 6 AsylG ausgesetzt, die an ihre Religionszugehörigkeit anknüpfen. Dazu weist bereits der Bericht des European Asylum Support Office (EASO), Country Guidance Syria vom November 2021, Seite 111 (ecoi.net ID 2064844), unter Bezugnahme auf weitere Erkenntnisquellen, darauf hin, dass Yeziden nicht regelhaft, sondern in Abhängigkeit von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles und dem Hinzutreten gefahrerhöhender Umstände, beispielsweise einer Zusammenarbeit mit oppositionellen Gruppierungen und/oder deren Kampfverbänden, von Verhaftung und Misshandlung bedroht sind. Gleiches ergibt sich aus dem Bericht der European Union Agency for Asylum (euaa, vormals EASO), "Country Guidance Syria" vom Februar 2023, Seite 101 f. (ecoi.net ID 2086796). Auch nach dem Bericht des UNHCR "Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen", 6. aktualisierte Fassung vom März 2021, gestaltet sich die Lage religiöser Minderheiten je nach Gebiet unterschiedlich und abhängig davon, welche Partei das jeweilige Gebiet kontrolliert, wie Mitglieder der religiösen Minderheit von der jeweiligen Partei wahrgenommen und beurteilt werden und zuletzt auch abhängig davon, wie sich der Konflikt und die Machtverhältnisse in dem jeweiligen Gebiet entwickeln (UNHCR vom März 2021, aaO, S. 156 ff.(160). In Gebieten, die von extremistischen oder radikal-islamischen Gruppen wie dem IS bzw. von Hay'at Tahrir Al-Sham (HTS) kontrolliert werden, besteht nach Einschätzung des UNHCR für Mitglieder religiöser Minderheiten die Gefahr, entführt, gefoltert und getötet zu werden. Durch die Verdrängung des IS und die damit einhergehenden territorialen Kontrollverluste sind Angriffe durch diese islamistischen Extremisten allerdings zurückgegangen (UNHCR vom März 2021, S. 156 ff. (163). In den Teilen Syriens, die mittlerweile wieder unter der Kontrolle der syrischen Regierung stehen, benötigen religiöse Minderheiten "je nach den Umständen des Einzelfalls" aufgrund ihrer Religion, ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen politischen Meinung und/oder anderer maßgeblicher Gründe gegebenenfalls internationalen Schutz (vgl. UNHCR vom März 2021, S. 161 ff. (171). Im Ganzen ergibt sich auch aus dem Bericht des UNHCR, dass Yeziden und auch anderen religiösen Minderheiten in den von der Regierung kontrollierten Gebieten, ebenso wie in den unter kurdischer Selbstverwaltung stehenden Gebieten nicht allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit bzw. einer atheistischen Haltung mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlungen drohen. Besondere gefahrerhöhende Umstände, die im vorliegenden Fall aufgrund des yezidischen Glaubens des Klägers gleichwohl auf eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit hindeuten, hat der Kläger nicht vorgetragen und solche sind auch sonst nicht ersichtlich (vgl. auch OVG RP, Beschl. v. 6.2.2018 - 1 A 10849/17 -, juris). Solche ergeben sich auch zum jetzigen Zeitpunkt nicht aus dem Umstand, dass Kämpfer des IS im Jahr 2015 in das Kurdengebiet von Aleppo eingedrungen sind. Denn seither ist der IS - wie bereits dargestellt - in Syrien stark zurückgedrängt worden und auch Aleppo steht nicht mehr unter der Herrschaft der islamistischen Terrormiliz (vgl. z.B. UNHRC, CoI Report vom 14. August 2023, S. 24, Karte "Aproximate areas of influence - June 2023; UNHCR, Bericht vom März 2021, S. 22 ff; Der Spiegel, Nr. 8/2018 v. 17.2.2018, "Der Krieg der fremden Mächte"; zur Verfolgung von Jesiden durch die Terrormiliz "IS", OVG SH, Urt. v. 27.9. 2018 - 2 LB 21/18 -, juris Rn. 37, vgl. OVG NW Beschl. v. - 14 A 156/19 -, juris, Entscheidungsabdruck S. 21 und Urt. v. 12.12.2018 - 14 A 847/18.A -, juris Rn 34).

Auch seitens der Freie Syrische Armee (FSA) - nunmehr Syrische Nationale Armee (SNA) - droht dem Kläger keine Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG. Zum einen gehört die Heimatregion des Klägers (Aleppo) mittlerweile in weiten Teilen zu den unter der Kontrolle der syrischen Regierung und ihrer Verbündeten stehenden Gebieten (vgl. z.B. UNHRC, CoI Report vom 14. August 2023, S. 24, Karte "Aproximate areas of influence - June 2023). Zum anderen richten die Kampfhandlungen der FSA/SNA in den Frontgebieten im Norden Syriens nicht gezielt gegen Kurden oder Yeziden, sondern gegen die syrischen Regierungstruppen und rivalisierende Kampfverbände, wie die kurdischen Selbstverteidigungseinheiten (YPG) und die Syrian Democratic Forces (SDF) (UNHCR, Bericht v. März 2021, S. 37 ff.; vgl. auch OVG NW, Beschl. v. 13.6.2023, Entscheidungsabdruck S. 22 f. m.w.N).

Andere individuelle Umstände, welche die Annahme einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, VwGO und § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Auch eine Zulassung der Revision nach § 78 Abs. 8 Satz 1 AsylG ist nicht veranlasst (ebenso, OVG NRW, Beschl. v. 13.6.2023 - 14 A 156/19.A -, juris Rn. 115; Senatsbeschl. v. 22.1.2024 - 2 LB 28/23 n.v.). Die hier in Frage stehende potentiell fallübergreifende allgemeine asylrelevante Lage von Männern, die sich dem Wehrdienst in Syrien entziehen, wird von der ganz überwiegenden Mehrheit der Oberverwaltungsgerichte dahingehend beurteilt, dass Wehrdienstentziehern in Syrien keine politische Verfolgung droht. Die abweichenden Beurteilungen der Oberverwaltungsgerichte Berlin-Brandenburg (z.B. Urt. v. 29.1.2021 - OVG 3 B 108.18 -, juris) und der Freien Hansestadt Bremen (vgl. Urt. v. 23.3.2022 - 1 LB 484/21 -, juris) zur Situation von Männern, die sich dem Wehrdienst in Syrien entzogen haben, geben dem Senat in Anbetracht der nahezu einheitlichen obergerichtlichen Rechtsprechung keine Veranlassung, die Revision gleichwohl zuzulassen (vgl. Senatsbeschl v. 22.1.2024 - 2 LB 28/23 -, n.v.).