Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.02.2023, Az.: 5 ME 128/22

Ausschluss aus dem Bewerberkreis; Bewerberkreis; Bewerbungsverfahrensanspruch; Disziplinarverfahren; Missbrauch; Willkür; Bewerbungsverfahrensanspruch

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.02.2023
Aktenzeichen
5 ME 128/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 11612
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:0217.5ME128.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Göttingen - 21.11.2022 - AZ: 3 B 181/22

Amtlicher Leitsatz

Der Dienstherr ist berechtigt, einen Beamten für die Dauer eines gegen ihn geführten Disziplinarverfahrens wegen der damit begründeten Zweifel an dessen Eignung aus einem Auswahlverfahren um einen förderlichen Dienstposten auszuschließen.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen - 3. Kammer - vom 21. November 2022 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Änderung der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Streitwertfestsetzung für beide Rechtszüge jeweils auf 42.269,64 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Ziel weiter, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie - die Antragstellerin - in das Auswahlverfahren zu dem ausgeschriebenen Dienstposten der Leitung des Fachbereichs "Gebäude" einzubeziehen.

Sie bewarb sich im Statusamt einer Stadtoberkonservatorin erfolgreich um den vorgenannten, nach der Besoldungsgruppe A 15 bewerteten Dienstposten. Aus diesem Grunde versetzte die Landeshauptstadt F. sie zum 1. April 2021 an die Antragsgegnerin, die die Antragstellerin unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zur Städtischen Bauoberrätin (Besoldungsgruppe A 14) ernannte. Die beabsichtigte Ernennung zur Städtischen Baudirektorin (Besoldungsgruppe A 15) wurde nicht vollzogen. Vielmehr setzte die Antragsgegnerin mit Verfügung vom 12. März 2022 die Antragstellerin mit Wirkung 11. März 2022 in den Fachbereich "Planung, Bauordnung und Vermessung" um. Anschließend schrieb sie unter dem 14. März 2022 den Dienstposten der Leitung des Fachbereichs "Gebäude" erneut aus. Auf diese Stelle bewarb sich u. a. die Antragstellerin.

Die Antragsgegnerin leitete mit Verfügung vom 6. Juli 2022 gegen die Antragstellerin ein Disziplinarverfahren ein, wonach diese hinreichend verdächtig sei, ein Dienstvergehen begangen zu haben, indem sie näher bezeichnete Dienstpflichten verletzt haben solle. Sie teilte der Antragstellerin mit E-Mail vom 23. August 2022 mit, dass diese aufgrund der Einleitung des Disziplinarverfahrens von dem Auswahlverfahren ausgeschlossen werde. Den hiergegen gerichteten Antrag der Antragstellerin vom 31. August 2022 auf Einbeziehung in das Auswahlverfahren lehnte die Antragstellerin mit Bescheid vom 2. September 2022 ab.

Hierauf hat die Antragstellerin mit Antrag vom 5. September 2022 bei dem Verwaltungsgericht Göttingen um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht und beantragt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig - bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache - zu verpflichten, sie - die Antragstellerin - in der Auswahlverfahren einzubeziehen.

Das Verwaltungsgericht hat durch Beschluss vom 21. November 2022 den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Antragstellerin habe einen Anspruch auf Einbeziehung in das Auswahlverfahren nicht glaubhaft gemacht. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Antragstellerin nicht in das Auswahlverfahren einzubeziehen, verletze nicht deren Bewerbungsverfahrensanspruch. Ein Dienstherr könne einen Beamten für die Dauer eines gegen diesen geführten Disziplinarverfahrens wegen der damit begründeten Zweifel an dessen Eignung von einer möglichen Beförderung ausnehmen. Der hier gegen die Antragstellerin gerichtete Verdacht eines Dienstvergehens sei nicht offenkundig haltlos, willkürlich oder missbräuchlich.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, der die Antragsgegnerin entgegentritt.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg.

Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht, den angefochtenen Beschlusses zu ändern und dem Begehren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu entsprechen.

Dem Begehren der Antragstellerin und der Entscheidung des Verwaltungsgerichts liegt in rechtlicher Hinsicht zugrunde, dass gemäß Art. 33 Abs. 2 GG jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt hat. Dies bedeutet, dass öffentliche Ämter nach Maßgabe des Grundsatzes der Bestenauslese zu besetzen sind. Der Grundsatz gilt unbeschränkt und vorbehaltlos. Er dient primär dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Ämter des öffentlichen Dienstes und daneben dem berechtigten Interesse der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Dem trägt er dadurch Rechnung, dass er grundrechtsgleiche Rechte auf eine ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Art. 33 Abs. 2 GG gibt die entscheidenden Maßstäbe für die Bewerberauswahl abschließend vor. Eine Auswahlentscheidung kann grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Dabei erfasst die Eignung im engeren Sinne insbesondere Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind. Der in Ausfüllung des Begriffs der Eignung ebenso wie der Begriffe Befähigung und fachliche Leistung dem Dienstherrn eröffnete Beurteilungsspielraum unterliegt von Verfassungs wegen einer nur begrenzten gerichtlichen Kontrolle. Dabei ist anerkannt, dass der Dienstherr berechtigt ist, einen Beamten für die Dauer eines gegen ihn geführten Disziplinarverfahrens wegen der damit begründeten Zweifel an dessen Eignung von einer möglichen Beförderung auszunehmen. Der Dienstherr würde sich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzen, wenn er einen solchen Beamten vor der abschließenden Klärung des disziplinarischen Vorwurfs beförderte und damit die Eignung des Betreffenden für eine höherwertige Verwendung bejahte, obwohl er zuvor mit der Einleitung disziplinarischer Ermittlungen zu erkennen gegeben hat, dass Anlass besteht, die Amtsführung oder das persönliche Verhalten des Betreffenden in seinem bisherigen Status zu beanstanden. Sachwidrig ist der Ausschluss des Beamten aus dem Beförderungsauswahlverfahren allerdings dann, wenn angesichts der gegen ihn erhobenen Vorwürfe offensichtlich kein Anlass dafür gegeben war, in einem Disziplinarverfahren zu prüfen, ob er seine Dienstpflichten verletzt hat, oder wenn das Disziplinarverfahren aus anderen Gründen missbräuchlich eingeleitet wurde. Gleiches gilt, wenn bei Durchführung des Auswahlverfahrens schon erkennbar ist, dass das Disziplinarverfahren kurz vor der Einstellung steht, oder wenn ersichtlich ist, dass es mit einer Einstellung enden müsste (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Mai 2021 - BVerwG 2 VR 1.21 -, juris Rn. 15 f. mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung).

Das Verwaltungsgericht hat unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Vorgaben seine Entscheidung maßgeblich auf die Begründung gestützt, die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Antragstellerin nicht in das Auswahlverfahren einzubeziehen, verletze nicht deren Bewerbungsverfahrensanspruch, weil der gegen die Antragstellerin gerichtete Verdacht eines Dienstvergehens nicht offenkundig haltlos, willkürlich oder missbräuchlich sei. Vielmehr sei die Aufnahme disziplinarischer Ermittlungen gerechtfertigt und begründe Zweifel an der Eignung der Antragstellerin für das angestrebte Beförderungsamt, das mit Führungsfunktionen verbunden sei. Gemäß § 18 NDiszG habe die Disziplinarbehörde die Pflicht, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorlägen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigten. Die Antragsgegnerin habe als von der Antragstellerin verletzte Dienstpflichten § 34 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BeamtStG genannt. Hiernach hätten sich Beamte mit vollem persönlichen Einsatz ihrem Beruf zu widmen und die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Außerdem hätten Beamte ihre Vorgesetzte zu beraten, dienstliche Anordnungen auszuführen, allgemeine Richtlinien zu befolgen und bei organisatorischen Änderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten. Hiernach könne die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen die Antragstellerin nicht als offenkundig haltlos, willkürlich oder missbräuchlich bezeichnet werden. Die "Disziplinarverfügung" (gemeint offenbar Einleitungsverfügung) liste eine Reihe von Verstößen gegen Dienstpflichten auf, die aktenkundig dokumentiert seien, insbesondere Verstöße gegen die Allgemeine Geschäftsanweisung der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin solle gegen Abschnitt 3.7 dieser Anweisung verstoßen haben, wonach die Führungskraft von einer Dienst-/Arbeitsunfähigkeit am ersten Tag zu üblichem Dienstbeginn zu informieren und bei einer Dienst-/Arbeitsunfähigkeit von länger als drei Kalendertagen eine ärztliche Bescheinigung beim Fachdienst Personalwirtschaft spätestens am nächsten Arbeitstag vorzulegen sei. Die Einleitungsverfügung lege unter 1.) und 2.) dar, weshalb der Antragstellerin ein Verstoß hiergegen vorgeworfen werde; der Vorwurf sei durch Tatsachen untermauert. Weiter solle die Antragstellerin mehrfach sowie durch verschiedene Handlungen und Unterlassungen gegen Abschnitt 4.2 der Allgemeinen Geschäftsanweisung verstoßen haben, wonach die Führungskräfte für eine ordnungsgemäße Erledigung der Dienstgeschäfte ihres Aufgabenbereichs sowie für eine schnelle, sachlich richtige, zweckmäßige und wirtschaftliche Bearbeitung der Vorgänge und für die Qualitätssicherung verantwortlich seien. Die Einleitungsverfügung liste unter 3.) und 4.) vielfache Verstöße gegen diese Regelung auf. Die einzelnen Vorwürfe seien durch Aussagen von Vorgesetzten und Mitarbeitern der Antragstellerin dokumentiert; sie könnten daher nicht als haltlos angesehen werden. Ferner sei durch Vermerke und Aussagen verschiedener "Kolleg*innen" dokumentiert, dass die Antragstellerin ihren "Mitarbeiter*innen" mehrfach nicht mit dem gebotenen Respekt gegenübergetreten sei. Hieran könne ein Verstoß gegen Abschnitt 1.3 der Geschäftsanweisung in Verbindung mit der "Richtlinie über respektvolles und partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz" zu sehen sein; auch dieser Vorwurf sei nicht haltlos. Schließlich sei dokumentiert, dass die Antragstellerin die in ihrem Fachbereich "stattgehabte" Organisationsneustrukturierung nicht mit dem gebotenen Einsatz vorangebracht hätte. Es fänden sich insoweit Vermerke ihrer damaligen Dezernatsleitung wie auch des externen Beraters; hierin könne ein Verstoß gegen § 35 Abs. 2 BeamtStG liegen. Insgesamt schließe die Kammer hieraus, dass es sachliche Anknüpfungspunkte für das eingeleitete Disziplinarverfahren gebe. Ob alle Vorwürfe durchgriffen oder gar alle von der Antragstellerin entkräftet werden könnten, spiele für dieses Verfahren keine Rolle. Diese Entscheidung müsse dem Disziplinarverfahren vorbehalten bleiben. Es sei jedenfalls derzeit nicht ersichtlich, dass das (Disziplinar-)Verfahren mit einer Einstellung enden müsse und deshalb der Grund für die angenommenen Zweifel an der Eignung nicht bestanden habe.

Mit dem dagegen gerichteten Beschwerdevorbringen dringt die Antragstellerin nicht durch.

Sie trägt zusammengefasst vor, es sei offensichtlich, dass die Antragsgegnerin ein Disziplinarverfahren willkürlich eingeleitet habe, um die (erneute) Besetzung der Stelle mit ihr - der Antragstellerin - zu verhindern. Hinreichende Verdachtsmomente, ein Dienstvergehen begangen zu haben, habe es - bei objektiver Betrachtung - nicht gegeben. Dies betreffe sämtliche gegen sie erhobenen Vorwürfe. Weiter trägt sie zu den ihr in der Verfügung vom 6. Juli 2022 über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen im Einzelnen vor, weshalb die Vorwürfe in der Sache unberechtigt seien, insbesondere Vorwürfe unsubstantiiert bzw. bloße Behauptungen oder "schlichtweg unrichtig" seien, ihr Verhalten als "allgemein gültige Praxis gelebt bzw. anerkannt" gewesen sei, die Antragsgegnerin nicht entsprechend ihrer internen Regelung über Verfahrensweisen bei Verfehlungen bzw. bei "Minder- oder Nichtleistung" vorgegangen sei, sie ihr Vorgehen mit der vorgesetzten Baudezernentin abgesprochen habe und konkrete Beweisstücke für Dienstpflichtverletzung nicht vorlägen.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Antragstellerin aber nicht auf, dass die tragende Begründung des Verwaltungsgerichts, dass die Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen die Antragstellerin als nicht offenkundig haltlos, willkürlich oder missbräuchlich bezeichnet werden könne, weil die näher bezeichnete Vorwürfe durch Tatsachen untermauert, durch Aussagen und Vermerke von Vorgesetzten und Beschäftigten der Antragsgegnerin sowie eines externen Beraters dokumentiert seien, insgesamt unrichtig wäre. Insoweit genügt es nicht, die Richtigkeit der Vorwürfe und des Vorliegens von Dienstpflichtverletzungen durchgreifend in Zweifel zu ziehen. Die Klärung der Frage, ob die Klägerin tatsächlich ein Dienstvergehen schuldhaft begangen hat, ist dem behördlichen und ggf. dem nachfolgenden gerichtlichen Disziplinarverfahren vorbehalten. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass nach § 18 Abs. 1 Satz 1 NDiszG die Disziplinarbehörde die Pflicht hat, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Hierin kommt das im Disziplinarrecht traditionell geltende Legalitätsprinzip zum Ausdruck. Dabei dient die Einleitungspflicht insbesondere dem öffentlichen Interesse, disziplinarrechtlich relevante Sachverhalte aufzuklären. Dementsprechend besteht die Pflicht zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den betreffenden Beamten schon dann, wenn Anhaltspunkte einen Verdacht einer Dienstpflichtverletzung begründen.

Bezogen auf das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wegen die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Antragstellerin wegen der Einleitung eines Disziplinarverfahrens vom Auswahlverfahren auszuschließen, obliegt es der Antragstellerin, mit ihrer Beschwerdebegründung in Auseinandersetzung den tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts die Gründe darzulegen, weshalb diese Entscheidung der Antragsgegnerin rechtswidrig sein soll, mithin Umstände darzulegen, die ein willkürliches und missbräuchliches Vorgehen des Dienstherrn im Bewerbungsverfahren belegen, um die Vergabe des Beförderungsdienstpostens an die Antragstellerin aus unsachlichen Gründen zu verhindern. Solche Umstände können etwa darin gesehen werden, wenn trotz Offenkundigkeit der Haltlosigkeit der Vorwürfe ein Disziplinarverfahren eingeleitet und weiterbetrieben wird. Das Vorliegen solcher Gründe hat das Verwaltungsgericht mit der Erwägung verneint, dass sich die Antragsgegnerin die Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen die Antragstellerin auf bestimmte Tatsachen, Aussagen und Vermerke von Vorgesetzten und Beschäftigten der Antragsgegnerin sowie eines externen Beraters stützte, mithin zureichende Anhaltspunkte für einen Verdacht schuldhafter Dienstpflichtverletzungen vorliegen und nicht aus sachfremden Erwägungen Vorwürfe konstruiert oder aus der Luft gegriffen wären. Mit ihrem Beschwerdevorbringen zeigt die Antragstellerin aber nicht in Auseinandersetzungen mit den vorstehenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts auf, dass das Vorgehen der Antragsgegnerin, ein Disziplinarverfahren einzuleiten und weiter zu betreiben, auf sachfremden und damit missbräuchlichen Gründen beruhte. Gegen ein missbräuchliches Vorgehen bei der Einleitung des Disziplinarverfahrens spricht zudem, dass die Antragsgegnerin die Vorhaltungen, die nachfolgend Gegenstand der Einleitungsverfügung geworden sind, bereits vor Ausschreibung der streitigen Stelle zum Anlass genommen hat, die Antragstellerin auf einen anderen Dienstposten umzusetzen.

Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang rügt, die Antragsgegnerin dürfe ihre Vorwürfe nicht auf die Auskünfte des Coaches/Beraters, Herrn G., stützen, weil er zu absoluten Verschwiegenheit verpflichtet sei, greift dieser Einwand nicht durch. Die Antragsgegnerin hat Herrn G. u. a. als externen Berater für die Umsetzung/Implementierung einer Geschäftsprozessoptimierung in dem vormals von der Antragstellerin geleiteten Fachbereich "Gebäude" beauftragt worden. Insofern ist weder mit der Beschwerde dargelegt noch anderweitig ersichtlich, dass der Berater hinsichtlich der Umsetzung dieses Projektes, des Agierens Beteiligter an diesem Projekt sowie zu Gründen und Verantwortlichkeiten für etwaige Verzögerungen bei der Umsetzung gegenüber seiner Auftraggeberin zur Verschwiegenheit verpflichtet wäre.

Soweit die Antragstellerin ein willkürliches Vorgehen der Antragsgegnerin bei der Einleitung des Disziplinarverfahrens darin begründet sieht, eine Reihe von Vorwürfen seien erstmals mit der Einleitung des Disziplinarverfahrens überhaupt erhoben worden, es habe vorab keinerlei Kommunikation zu einem angeblichen Fehlverhalten ihrerseits gegeben und ihr sei nicht ein einziges Mal der Vorwurf irgendeines Fehlverhaltens gemacht worden, stattdessen habe man ein Disziplinarverfahren eingeleitet, ohne sie anzuhören, greift auch dieses Vorbringen nicht durch.

Insoweit lässt dieses Vorbringen nicht darauf schließen, dass die Antragsgegnerin bei der Einleitung und der Fortführung des Disziplinarverfahrens gegen die Antragstellerin mit Blick auf das Auswahlverfahren missbräuchlich oder willkürlich gehandelt hätte. Denn die Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach § 18 Abs. 1 Satz 1 NDiszG setzt nicht voraus, dass der Beamte zuvor auf sein Fehlverhalten hingewiesen und er insoweit ermahnt oder verwarnt worden ist. Aus dem Legalitätsprinzip dieser Bestimmung folgt vielmehr, dass lediglich in den Fällen, wenn ein Fehlverhalten wegen seiner geringen Bedeutung die Grenze der Disziplinarwürdigkeit noch nicht überschritten hat, seitens des Dienstherrn eine Missbilligung oder Ermahnung angezeigt sein kann. Hiervon kann auch weder durch Dienstanweisungen oder anderen Verwaltungsvorschriften noch durch Dienstvereinbarungen abgewichen werden.

Ferner dringt die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen, die Antragsgegnerin lehne kategorisch Gespräche ab und versuche, sie - die Antragstellerin - über immer neue Anschuldigungen, Behauptungen und Vorlage angeblicher Beweise zu schädigen sowie gipfele die stetige Fortführung/Anheizung der Eskalation durch die Antragsgegnerin aktuell in der Weitergabe datenschutzrechtlich relevanter Informationen an die Presse und an Dritte, woraus sich zwischenzeitlich eine Hetzkampagne in bundesweit einsehbaren Zeitungsartikeln entwickelt habe, mithin die Antragsgegnerin den Konflikt aktiv in die Öffentlichkeit trage und damit die ihr obliegende Fürsorgepflicht, den Datenschutz und ihre Persönlichkeitsrechte in gravierender Weise verletze, nicht durch. Sie hat weder glaubhaft gemacht noch ist anderweitig ersichtlich, dass die Antragsgegnerin das Disziplinarverfahren allein deshalb betreibt, um die Antragstellerin zu schädigen, insbesondere im Bewerbungsverfahren zu benachteiligen. Insoweit ist sie wiederum darauf zu verweisen, dass bei Vorliegen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte die Disziplinarbehörde die Verpflichtung hat, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, um die betreffenden Vorwürfe aufzuklären; ein Ermessen ist der Disziplinarbehörde gerade nicht eröffnet. Des Weiteren hat weder die Antragstellerin glaubhaft gemacht noch ist für den Senat anderweitig ersichtlich, dass die Antragsgegnerin Informationen über das Disziplinarverfahren und die dem zugrunde liegenden Vorwürfe an die Presse oder Öffentlichkeit gab; die Antragsgegnerin hat diesen Vorwurf ausdrücklich bestritten und als haltlos zurückgewiesen. Infolgedessen kann es hierdurch nicht zu einer Verletzung der Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte der Antragstellerin gekommen sein. Hiernach kann nicht angenommen werden, die angeführte Berichterstattung in der Presse wäre ein Indiz dafür, dass das gegen die Antragstellerin gerichtete Disziplinarverfahren aus sachfremden Gründen und damit missbräuchlich und willkürlich eingeleitet worden wäre, mithin die angeführten Vorwürfe offenkundig haltlos sein müssten.

Soweit die Antragstellerin schließlich vorträgt, das Disziplinarverfahren sei erst eingeleitet worden, nachdem sie sich auf den ausgeschriebenen Dienstposten beworben gehabt habe, rechtfertigt dieser Einwand eine für sie günstigere Entscheidung nicht. Zwar deutet der Umstand, dass ein Disziplinarverfahren bereits vor Ausschreibung eines Dienstpostens eingeleitet wurde, darauf hin, dass insoweit ein Zusammenhang nicht besteht, mithin das Disziplinarverfahren nicht aus sachfremden Gründen eingeleitet wurde, um einen Bewerber im späteren Auswahlverfahren aus dem Bewerberkreis ausschließen zu können. Hieraus kann indes nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass die Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach Ausschreibung eines Dienstpostens ein Indiz dafür wäre, dass dieses Verfahren aus sachfremden Erwägungen zur missbräuchlichen Steuerung des Auswahlverfahren eröffnet worden wäre. Insoweit bedarf es weiterer Umstände, die ein missbräuchliches bzw. willkürliches Vorgehen der Dienststelle wegen der anstehenden Auswahlentscheidung belegen. Solche Umstände hat die Antragstellerin - wie vorstehend ausgeführt - mit ihrer Beschwerdebegründung nicht dargelegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 4 in Verbindung mit Satz 1 Nr. 1 GKG, bemisst sich also nach der Hälfte der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltfähiger Zulagen. Auszugehen ist insoweit von dem im Zeitpunkt der Einleitung des zweiten Rechtszugs (8. Dezember 2022) maßgeblichen Endgrundgehalt (hierzu: Nds. OVG, Beschluss vom 11.11.2014 - 5 ME 157/14 -, juris Rn. 30) der Besoldungsgruppe A 15 in Höhe von 7.044,94 EUR (§ 2 Abs. 2 Nr. 1, § 7 Abs. 1, Abs. 2 NBesG in Verbindung mit der zum o. a. Zeitpunkt geltenden Anlage 5). Dementsprechend ergibt sich ein Streitwert in Höhe von 42.269,64 EUR. Eine Halbierung dieses Wertes für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes findet nicht statt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16.5.2013 - 5 ME 92/13 -, juris Rn. 28). Dies gilt auch in Fällen, in denen eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruches durch Nichteinbeziehung in den Bewerberkreis geltend gemacht wird (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25.6.2019 - 5 ME 92/19 -, n. v.). Dementsprechend wird der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren von Amts wegen (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG) auf den vorgenannten Wert geändert.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).