Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.02.2023, Az.: 18 LP 4/21

Anfechtung; Beschwerde; Personalratswahl; Stimmzettel; Wahlgeheimnis; Wahlumschlag; Wahlurne; Anfechtung einer Personalratswahl

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.02.2023
Aktenzeichen
18 LP 4/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 14709
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:0208.18LP4.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Göttingen - 20.09.2021 - AZ: 7 A 2/20
nachfolgend
BVerwG - 17.07.2023 - AZ: BVerwG 5 PB 8.23

Fundstellen

  • NordÖR 2023, 359
  • öAT 2023, 132

Amtlicher Leitsatz

Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Geheimheit der Wahl führt regelmäßig zur Ungültigkeit der Personalratswahl.

Tenor:

Die Beschwerden der Beteiligten zu 1. und zu 2. gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen - Vorsitzender der 7. Kammer (Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen) - vom 20. September 2021 werden zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Verfahrensbeteiligten streiten um die Gültigkeit der am 24. März 2020 bei den N. (N.) - einem Eigenbetrieb der Stadt C-Stadt - durchgeführten Personalratswahl.

Die Antragsteller sind vier wahlberechtigte Beschäftigte der N., der Beteiligte zu 1. ist der Personalrat bei den N. und der Beteiligte zu 2. der Leiter der N.. Die Antragsteller zu 1. und zu 3. wurden aufgrund der hier zu überprüfenden Wahl in den amtierenden Personalrat als einfache Mitglieder gewählt; die Antragsteller zu 2. und zu 4. wurden zu Ersatzmitgliedern gewählt. Alle Antragsteller kandidierten bei der Wahl auf der Liste 2 ("Komba"). Der Antragsteller zu 1. war früher Vorsitzender des vorherigen Personalrats bei den N. gewesen.

Unter dem 17. März 2020 beantragten sämtliche Mitglieder und Ersatzmitglieder des am 28. Oktober 2019 bestellten Wahlvorstandes für die Personalratswahl, von diesem ihrem Amt entbunden zu werden, weil sie eine Durchführung der Wahl am 24. März 2020 wegen der Corona-Pandemie aus gesundheitlichen Gründen für unvertretbar hielten. Mit E-Mail vom 19. März 2020 teilte der (frühere) Personalrat bei den N. nach Beteiligung der Geschäftsführung der N. daraufhin der Vorsitzenden des Wahlvorstandes Q. mit, das Gesetz biete keine Handhabe, um über den Antrag auf Aufhebung der Bestellung zu entscheiden. Ein Personalratsbeschluss über den Entbindungsantrag erging daher nicht.

Die Personalratswahl wurde sodann - wie ausgeschrieben - am 24. März 2020 durchgeführt; und zwar in Abwesenheit der Wahlvorstandsvorsitzenden Q. sowie des Wahlvorstandsmitglieds R., aber in Anwesenheit des Wahlvorstandsmitglieds S. und der Ersatzmitglieder des Wahlvorstandes T., U. und V.. Bei dieser Wahl, die unter Einschränkungen während der Corona-Pandemie stattfand, wurden nach den Feststellungen des Wahlvorstandes 97 gültige Stimmen durch persönliche Stimmabgabe (Urnenwahl) und 80 gültige Stimmen durch schriftliche Stimmabgabe (Briefwahl) abgegeben. Von den sieben zu besetzenden Personalratssitzen entfielen aufgrund der Wahl vier auf die Liste 1 ("ver.di"; 91 Stimmen) und drei auf die Liste 2 ("Komba"; 86 Stimmen). Allerdings war dabei auf zwei für gültig erachteten Stimmzetteln von Urnenwählern jeweils neben der Liste 2 zusätzlich der Name des für diese Liste kandidierenden Antragstellers zu 1. angekreuzt worden.

Die Briefwahlunterlagen wurden wie folgt behandelt: Die eingegangenen großen Briefumschläge (Wahlbriefe) wurden geöffnet, und es wurden hieraus zunächst die ausgefüllten vorgedruckten Erklärungen der Briefwähler (Briefwahlerklärungen) entnommen und durch das Wahlvorstandsmitglied S. in seiner Eigenschaft als Schriftführer mit dem Wählerverzeichnis abgeglichen. Die Erklärungen legte man sodann auf einen Stapel, wobei zwischen den Verfahrensbeteiligten umstritten ist, wie weit dieser Stapel von den stimmauszählenden Personen entfernt lag. Sodann wurden die in dem jeweiligen Wahlbrief befindlichen Wahlumschläge nach Freigabe aufgrund des Abgleichs mit dem Wählerverzeichnis auf einen großen Haufen geworfen. In zwei hieraus gebildeten kleineren Haufen wurden (durch die Wahlvorstandsersatzmitglieder T. /U. bzw. durch das Wahlvorstandsmitglied S. / das Wahlvorstandsersatzmitglied V.) die Wahlumschläge sodann geöffnet und die darin enthaltenen Stimmzettel anschließend ausgewertet, das heißt auf ihre Gültigkeit geprüft und bejahendenfalls den Stimmen nach gezählt. In die Wahlurne gelangte keiner dieser Briefwahlstimmzettel, weder mit noch ohne Wahlumschlag. Der (auch) als Vorsitzende - die eigentliche Vorsitzende des Wahlvorstandes Q. war am Wahltag erkrankt - fungierende Wahlvorstand S. bekundete in dem Gütetermin vor dem Vorsitzenden der Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen des Verwaltungsgerichts Göttingen später, er könne nicht ausschließen, dass auch Wahlbriefe mit den darin enthaltenen Wahlumschlägen in der Wahlurne gelegen hätten. Diese seien bei Auffindung der Wahlurne entnommen worden und auf die gleiche Weise behandelt worden wie die übrigen Briefwahlunterlagen.

Daneben und zeitgleich erfolgte die Auszählung der persönlich abgegebenen Stimmen, das heißt der Stimmzettel aus der inzwischen geöffneten Wahlurne. Anschließend kam es jeweils zu einer gesonderten Auswertung der persönlich abgegebenen und der durch Briefwahl abgegebenen Stimmzettel, mit der Folge, dass ersichtlich war, wie viele Urnen- bzw. Briefwähler jeweils die Liste 1 (32 Urnenwähler, 59 Briefwähler) und die Liste 2 (65 Urnenwähler, 21 Briefwähler) gewählt hatten.

Am 3. April 2020 haben die Antragsteller bei der Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen des Verwaltungsgerichts Göttingen die am 24. März 2020 durchgeführte Personalratswahl mit dem Ziel deren Ungültigerklärung angefochten. Zur Begründung ihrer Anfechtung haben sie im Wesentlichen Mängel der durchgeführten Briefwahl geltend gemacht. Im Einzelnen haben sie gerügt, abholbare Briefwahlunterlagen hätten am 23. März 2020 frei zugänglich auf den Tischen der Verwaltung der N. gelegen und hätten ohne Kontrolle mitgenommen werden können. Teilweise seien Briefwahlunterlagen und Stimmzettel in den Büros der Mitarbeiter ausgefüllt worden, wo die Stimmabgabe für jedermann sichtbar gewesen sei. Wahlberechtigte seien von ver.di-Mitgliedern abgeholt worden. Der Wahlvorstand habe keine Informationen im Vorfeld darüber gegeben, wie die Briefwahl durchgeführt würde. Teilweise seien rückkehrende Briefwahlunterlagen in einen allgemein zugänglichen Briefkasten der N. eingeworfen worden. Dieser Briefkasten sei übergequollen. Die Wahlbriefe und die darin befindlichen Wahlumschläge seien kurz nacheinander geöffnet worden, so dass eine Identifikation der Stimmabgabe (anhand der in der Briefwahlerklärung enthaltenen Daten) möglich gewesen sei. Im Übrigen sei daran zu erinnern, dass der Wahlvorstand wegen der Corona-Pandemie Bedenken gegen eine Durchführung der Wahl am 24. März 2020 gehabt habe und am 17. März 2020 an sich "zurückgetreten" sei. Dennoch seien am 24. März 2020 dann überraschend vier Wahlvorstandsmitglieder im pandemiegerechten Wahlraum (PKW-Garage im Eingangsbereich der N.) anwesend gewesen und hätten die Wahl durchgeführt.

Die Antragsteller haben beantragt,

die am 24. März 2020 erfolgte Personalratswahl bei den N. für ungültig zu erklären.

Die Beteiligten zu 1. und zu 2. haben jeweils beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie haben die Wahl für gültig gehalten und sind dem antragstellerseitigen Vorbringen in der Sache entgegengetreten. Der Dienststellenpersonalrat bei den N. habe am 19. März 2020 den Wahlvorstand für die hier in Rede stehende Dienststellenpersonalratswahl bei den N. nicht - wie von diesem unter dem 17. März 2020 begehrt - aus dessen Funktion entlassen. Soweit es Veränderungen gegeben habe, hätten diese die hier nicht relevante Bestellung zu Wahlhelfern für die Gesamtpersonalratswahl bei der Stadt C-Stadt betroffen. Das Wahlausschreiben sei auch hinsichtlich der Briefwahl nicht zu beanstanden. Darüber hinaus gehende Informationspflichten träfen den Wahlvorstand nicht. Sowohl die Ausgabe wie auch der Rücklauf der Briefwahlunterlagen sei kontrolliert und ordnungsgemäß dokumentiert erfolgt. Eine Ausfüllung von Stimmzetteln in Gegenwart dritter Personen sei bei einer Briefwahl von vornherein nie gänzlich zu verhindern. Hier jedoch sei diese äußerst unwahrscheinlich gewesen, weil pandemiebedingt gleichzeitig nur ein/e Mitarbeiter/in in einem Büro anwesend sein gedurft habe. Die Möglichkeit des Einwurfs von Wahlbriefen zur Teilnahme an der Briefwahl in allgemeine Briefkästen der N. stelle keinen Verstoß gegen Wahlvorschriften dar. Ein erst im Laufe des personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens behauptetes "Überquellen" allgemeiner Briefkästen der N. werden bestritten. Es stimme ferner nicht, dass die Wahlbriefe und die darin befindlichen Wahlumschläge in so kurzem zeitlichen und räumlichen Abstand zueinander geöffnet worden seien, dass anhand der Briefwahlerklärungen eine Identifikation des jeweiligen Briefwählers und dessen Stimmabgabe habe erfolgen können. Vielmehr seien die den Wahlbriefen entnommenen Erklärungen an der Seite aufeinandergestapelt worden, während die zeitgleich entnommenen Wahlumschläge - nach Vermerk der schriftlichen Stimmabgabe anhand der kontrollierten Erklärungen und "Freigabe" des jeweiligen Wahlumschlages als zu ordnungsgemäßen Briefwahlunterlagen gehörig - zunächst auf einen großen "ungeordneten Haufen" geworfen worden seien, der sich mittig auf einem großen Tisch befunden habe. Erst später seien diese Wahlumschläge nacheinander in zwei kleineren Haufen vom großen Haufen genommen und geöffnet worden, um ihnen die Stimmzettel zu entnehmen und diese (zugegebenermaßen getrennt von den Stimmzetteln der Urnenwähler, die der Urne entnommen worden seien) auf ihre Gültigkeit hin zu überprüfen und auszuzählen. Aufgrund dieser Vorgehensweise habe zwar zugeordnet werden können, wie Urnenwähler und wie Briefwähler gewählt hätten, nicht jedoch, wie einzelne personalisierte Briefwähler ihre Stimme abgeben hätten. Das Wahlgeheimnis sei gewahrt worden.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 1. April 2021 (Bl. 94 ff. der GA) sowie in dem am 30. Juni 2021 durchgeführten nichtöffentlichen Gütetermin vor dem Vorsitzenden der Fachkammer des Verwaltungsgerichts Göttingen, welcher erfolglos geblieben ist, hat der Fachkammervorsitzende die Verfahrensbeteiligten darauf hingewiesen, dass die von den Antragstellern angeführten Rügen aller Voraussicht nach nicht durchgriffen, dass jedoch wegen § 1 Abs. 1 Satz 4 und § 23 WO-PersV Bedenken bestünden, weil die ursprünglich als Wahlvorstandsvorsitzende bestimmte Frau Q. am Wahltag nicht anwesend gewesen sei und kein Vertreter im Amt der Vorsitzenden ernannt worden sei und auch die Wahlniederschrift von keinem Wahlvorstandsmitglied als Vorsitzendem unterzeichnet worden sei; jedoch sei die angefochtene Personalratswahl unabhängig hiervon und von den Rügen der Antragsteller möglicherweise deshalb für ungültig zu erklären, weil ein Verstoß gegen § 20 Abs. 1 WO-PersV darin gelegen habe, dass die Wahlumschläge der Briefwähler nicht (ungeöffnet) in die Wahlurne geworfen worden seien.

Die Beteiligten haben sich hierzu dahingehend eingelassen, ein solcher Fehler habe sich, selbst wenn er vorgelegen habe, nicht auf das Ergebnis der Personalratswahl auswirken können. Denn auch bei rechtmäßiger Behandlung der Briefwahlunterlagen wäre eine andere Stimmabgabe nicht erfolgt. Dass sich Wähler aufgrund einer abstrakten Vorahnung zur Behandlung der Briefwahlunterlagen von einer Wahlteilnahme oder einem bestimmten Stimmverhalten hätten abhalten lassen, sei nicht erweislich. Anstelle der erkrankten Wahlvorstandsvorsitzenden Q. sei am Wahltag im Übrigen der Wahlvorstand S. zum Ersatzvorsitzenden ernannt worden. Die vorherige Bestellung eines festen Vertreters der Vorsitzenden hätte zu die Handlungsfähigkeit des Wahlvorstandes gefährdenden Unflexibilitäten geführt.

Die Antragsteller haben die Rechtsansicht des Fachkammervorsitzenden in der Verfügung vom 1. April 2021 - also auch diejenige zu ihren ursprünglich erhobenen Rügen - ausdrücklich geteilt (vgl. Schriftsatz v. 4.5.2021, Bl. 99 der GA) und zu dem Verstoß gegen § 20 Abs. 1 WO-PersV abweichend von den Beteiligten die Ansicht vertreten, es komme nicht darauf an, dass die tatsächlich abgegebenen Stimmen keine Änderung erfahren hätten, wenn der Rechtsverstoß nicht aufgetreten wäre. Vielmehr sei maßgeblich, wie sich die Briefwähler hypothetisch verhalten hätten, wenn sie gewusst hätten, dass der hier durch die fehlerhafte Behandlung der Briefwahlunterlagen begangene Verstoß gegen Wahlvorschriften eintreten würde. Für diesen Fall müsse unterstellt werden, dass viele Briefwähler von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch gemacht hätten, so dass das Wahlergebnis ein anderes gewesen wäre, was sich angesichts des knappen Wahlausgangs (91:86 Stimmen) ausgewirkt hätte.

Die Verfahrensbeteiligten haben sich sodann mit einer Entscheidung durch den Fachkammervorsitzenden ohne (weitere) mündliche Anhörung einverstanden erklärt.

Mit Beschluss vom 20. September 2021 hat der Fachkammervorsitzende die am 24. März 2020 bei den N. durchgeführte Wahl zum Personalrat unter Verweis auf § 21 NPersVG für ungültig erklärt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Wahlanfechtung sei form- und fristgerecht erfolgt und auch sonst zulässig und auch in der Sache begründet. Denn es liege jedenfalls ein Verstoß gegen § 20 Abs. 1 WO-PersV, eine schon vor abstrakten Gefährdungen des Wahlgeheimnisses (§ 16 Abs. 1 NPersVG) schützende zwingende und wesentliche Vorschrift des Wahlverfahrensrechts, vor, nach welcher die Wahlumschläge mit den darin enthaltenen Stimmzetteln der Briefwähler nach ihrer Entnahme aus den Wahlbriefen nach dem Ende der Wahlzeit ungeöffnet in die Wahlurne zu werfen seien. Hier seien jedoch Wahlumschläge von Briefwählern nicht in die Wahlurne geworfen, sondern außerhalb der Urne geöffnet und getrennt von den Stimmzetteln der Urnenwähler ausgezählt worden. Eine Berichtigung des Mangels sei nicht vorgenommen und nicht beantragt worden. Der genannte Verstoß habe auch das Wahlergebnis beeinflussen oder ändern können. Ob eine solche Möglichkeit bestehe, beantworte sich in der Regel aus der Art des Verstoßes unter Berücksichtigung des konkreten Sachverhaltes. Eine nur denkbare, das heißt abstrakt nicht auszuschließende Möglichkeit genüge dabei allerdings nicht, wenn der ihr zugrundeliegende Kausalverlauf nach der Lebenserfahrung mangels tatsächlicher Anhaltspunkte für seinen Eintritt unwahrscheinlich und damit vernünftigerweise nicht in Betracht zu ziehen sei. Nach allem müsse eine verfahrensfehlerhafte Wahl nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lasse, dass auch bei Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Ergebnis erzielt worden wäre. Hier könne jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass sich infolge der Nichteinhaltung der Vorschriften über die Briefwahl Auswirkungen auf das Wahlergebnis ergeben hätten. Es müsse dabei nicht festgestellt werden, ob die Fehlbehandlung der Briefwahlunterlagen tatsächlich für Manipulationen ausgenutzt worden sei oder überhaupt im Sinne der weiteren Rüge der Antragsteller zu den zeitlichen Abläufen ein Manipulationsverdacht bestanden habe. Aufgrund der vom Wahlvorstand gewählten Vorgehensweise, bei der die Stimmenauszählung unter eklatantem Verstoß gegen den Grundsatz der Geheimhaltung der Wahl zustande gekommen sei, bleibe die Möglichkeit einer Manipulation des Wahlvorgangs bestehen. Zu Unrecht meine der Beteiligte zu 2., das Ergebnis der Wahl wäre auch im Falle ordnungsgemäßer Briefwahlbehandlung kein anderes gewesen. Denn nur, wenn sich der Wähler sicher sei und auch objektiv sicher sein könne, dass seine Wahlentscheidung nicht von Dritten wahrgenommen werden könne, sei gewährleistet, dass sie losgelöst von ungewollten Einflüssen allein seiner freien Entscheidung entspreche. Eine nicht in jeder Hinsicht geheime Wahl könne sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung deshalb auf die Wahlentscheidung auswirken. Folgte man der Rechtsauffassung des Beteiligten zu 2., könnten selbst grobe Verstöße gegen den Grundsatz der Geheimheit der Wahl nicht zu einer erfolgreichen Wahlanfechtung führen, weil sich an der erfolgten tatsächlichen Stimmabgabe durch den Briefwähler trotz eines Verstoßes gegen das Wahlgeheimnis - das heißt auch bei ihrem Bekanntwerden - nichts ändere. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, dass ein Wahlberechtigter in Kenntnis der später erfolgenden rechtswidrigen Behandlung seiner Wahlunterlagen und des damit einhergehenden Verstoßes gegen den Grundsatz der Geheimheit der Wahl aller Voraussicht nach nicht an der Wahl teilgenommen hätte. Auch dies unterstellt, wäre das Wahlergebnis der Personalratswahl bei den N. am 24. März 2020 ein anderes gewesen. Rechtlich unbeachtlich sei es, dass die Antragsteller den vorliegenden Verstoß gegen § 20 Abs. 1 WO-PersV nicht innerhalb der Anfechtungsfrist gerügt hätten, denn infolge des Amtsermittlungsprinzips sei die Prüfung des Wahlanfechtungsbegehrens durch die Fachkammer nicht auf die fristgerecht gerügten Anfechtungsgründe beschränkt. Auf die weiteren von den Antragstellern als verletzt gerügten Wahlvorschriften komme es nicht mehr an. Der Fachkammervorsitzende nehme hierzu jedoch auf seine an die Verfahrensbeteiligten gerichtete Verfügung vom 1. April 2021 Bezug.

Hiergegen richten sich die selbständigen Beschwerden der Beteiligten zu 1. und zu 2., die diese jeweils am 18. Oktober 2021 (Bl. 167, 174 der GA) eingelegt und später innerhalb der bis zum 22. Dezember 2021 verlängerten Frist begründet haben.

Der Beteiligte zu 2. beanstandet, die Fachkammer habe infolge einer Verkennung der Bedeutung des Grundsatzes der Geheimheit der Wahl zum einen bereits zu Unrecht einen Verstoß gegen § 16 Abs. 1 NPersVG bejaht. Denn eine Zuordnung abgegebener Stimmen zu bestimmten Personen sei während des gesamten Auszählvorgangs ausgeschlossen gewesen, möge auch die Zugehörigkeit von Wählern zu den Kategorien der Urnenwähler und der Briefwähler erkennbar gewesen sein. Zum anderen habe ein festgestellter Verstoß das Wahlergebnis nicht ändern oder beeinflussen können. Die Fachkammer behaupte schlicht die nicht auszuschließende Möglichkeit einer Manipulation des Wahlergebnisses, ohne konkret auszuführen, in welcher Weise eine solche Manipulation bei der von ihr beanstandeten Auszählweise nach allgemeiner Lebenserfahrung hätte stattfinden können. Soweit es um einen Verstoß gegen § 20 Abs. 1 WO-PersV gehe, gelte es zunächst festzuhalten, dass es tatsächlich zu keiner Gefährdung der Geheimhaltung des Stimmverhaltens gekommen sei. Die hypothetische Überlegung der Fachkammer, dass ein anderes Stimmverhalten der Briefwähler, hätten sie von einer Gefährdung der Geheimhaltung ihrer Stimmen gewusst, nicht ausgeschlossen werden könne, trage als reine Spekulation mit auszuschließendem Kausalverlauf eine Ungültigerklärung der Personalratswahl nicht. Denn eine solche Kenntnis der formalen Wahlvorschriften bezüglich der Behandlung von Briefwahlunterlagen dürfte dem Wähler nach allgemeiner Lebenserfahrung in aller Regel fehlen. Dem Wähler sei es regelmäßig auch gleichgültig, in welcher Weise sein Stimmzettel ins Auszählungsverfahren gelange, soweit dieser jedenfalls ordentlich gezählt werde.

Der Beteiligte zu 1. hält die Personalratswahl vom 24. März 2020 von vornherein mit der Begründung für nicht anfechtbar, der einzige von der Fachkammer für erheblich gehaltene Anfechtungsgrund eines Verstoßes gegen § 20 Abs. 1 WO-PersV sei nicht prüfungsfähig, weil dieser Grund von den wahlanfechtenden Antragstellern nicht rechtzeitig mit der Anfechtungsschrift gerügt worden sei; ließe man nachgeschobene erhebliche Anfechtungsgründe zu, käme es zu einer Verlängerung der Anfechtungsfrist. Diese Beschränkung entspreche der Judikatur zur betriebsverfassungsrechtlichen Parallelvorschrift des § 19 BetrVG und müsse auch im (landes-)personalvertretungsrechtlichen Wahlanfechtungsverfahren gelten, und zwar ohne Rücksicht auf den auch hier nach § 83 ArbGG einzuhaltenden Amtsermittlungsgrundsatz. Soweit sich die Fachkammer im angefochtenen Beschluss zur Begründung einer Prüfung des nicht als verletzt gerügten § 20 Abs. 1 WO-PersV auf die Entscheidung des OVG Lüneburg vom 19. Februar 1986 - 17 OVG B 23/85 - (Bl. 226 ff. der GA) berufe, nehme diese weithin auf arbeitsrechtliche Kommentarliteratur Bezug, die sich in den letzten Jahrzehnten inhaltlich massiv verändert habe, so dass der Ansatz des OVG Lüneburg als überholt gelten könne. Ungeachtet dessen genüge es für eine erfolgreiche Wahlanfechtung nicht, dass gegen eine wesentliche Vorschrift des Wahlverfahrens verstoßen worden sei, selbst bei einem großen Verstoß. Soweit die Fachkammer annehme, die Wähler hätten durch die Fehlbehandlung der Briefwahlunterlagen beeinflusst werden können, könne diese Ansicht nicht überzeugen, weil der Wahlakt bei dieser Behandlung bereits abgeschlossen gewesen sei. Niemand habe vorher ahnen können, dass hier ein etwaiger Verstoß gegen die Wahlvorschriften stattfinden würde, bevor die Wahl beendet gewesen sei. Die Annahme der Fachkammer betreffe damit allenfalls einen abstrakt nicht auszuschließenden, nach der allgemeinen Lebenserfahrung aber unwahrscheinlichen Kausalverlauf, für dessen Eintritt keine tatsächlichen Anhaltspunkte bestanden hätten. Angesichts des Umstandes, dass das zahlenmäßige Verhältnis der Briefwähler zu den Urnenwählern hier mit 80:97 nahezu ausgewogen gewesen sei, sich mithin relativ viele Wähler für die Briefwahl entschieden hätten, und eine Rückverfolgung vollkommen ausgeschlossen sei, komme eine Wahlbeeinflussung überhaupt nicht in Betracht. Der Rückschluss der Fachkammer davon, dass demokratische Wahlrechtsgrundsätze verletzt werden könnten, auf einzelne Wahlberechtigte sei vollkommen fernliegend.

Die Beteiligten zu 1. und zu 2. beantragen jeweils schriftsätzlich sinngemäß,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen - Vorsitzender der 7. Kammer (Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen) - vom 20. September 2021 zu ändern und den Antrag der Antragsteller abzulehnen.

Die Antragsteller beantragen schriftsätzlich sinngemäß,

die Beschwerden der Beteiligten zu 1. und zu 2. zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene verwaltungsgerichtliche Entscheidung. Der Mangel des Wahlverfahrens liege hier in einem Verstoß gegen § 20 Abs. 1 WO-PersV, der dem Schutz des Wahlgeheimnisses nach § 16 Abs. 1 NPersVG diene und abschließend und zwingend eine bestimmte Behandlung der Briefwahlunterlagen vorschreibe, die hier unstreitig nicht erfolgt sei. Zu Recht habe die Fachkammer angenommen, dass durch diesen nicht berichtigten Verstoß auch das Wahlergebnis geändert oder beeinflusst habe werden können. Die von ihr bejahte Möglichkeit zur Manipulation reiche aus. Mit den Ausführungen der Beteiligten zu 1. und zu 2. zur Verletzung der Geheimheit der Wahl vermöchten diese nicht durchzudringen. Andernfalls käme ein Verstoß gegen die Geheimheit der Wahl nie als Anfechtungsgrund in Frage. Unbeachtlich sei, dass sie - die Antragsteller - diesen Grund nicht innerhalb der Anfechtungsfrist gerügt hätten. Die Entscheidung des OVG Lüneburg vom 19. Februar 1986 genieße Vorrang vor der vom Beteiligten zu 1. zitierten arbeitsgerichtlichen Judikatur. Sofern der Fachsenat in dem Verstoß gegen die Geheimheit der Wahl keinen durchgreifenden Anfechtungsgrund erblicke, werde vorsorglich auf die in der Anfechtungsschrift vom 3. April 2020 erhobenen Rügen Bezug genommen.

Die Verfahrensbeteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Anhörung vor dem Fachsenat verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Beiakte 1 (Wahlunterlagen des Beteiligten zu 2.) Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung durch den Fachsenat gewesen.

II.

1. Die zulässigen Beschwerden der Beteiligten zu 1. und zu 2. sind als unbegründet zurückzuweisen.

Die Fachkammer, die gemäß § 83 Abs. 2 NPersVG in Verbindung mit §§ 80 Abs. 2, 83 Abs. 4 Satz 3, 54 Abs. 4, 55 Abs. 3 ArbGG ohne weitere mündliche Anhörung durch den Vorsitzenden entschieden hat, hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 20. September 2021 die angefochtene Personalratswahl bei den W. vom 24. März 2020 im Ergebnis zu Recht für ungültig erklärt.

Nach § 21 NPersVG können mindestens drei Wahlberechtigte, eine in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft oder die Dienststelle binnen einer Frist von 14 Tagen, von dem Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses gerechnet, die Wahl unmittelbar bei den Verwaltungsgerichten anfechten, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist, eine nach der Wahlordnung zulässige und beantragte Berichtigung nicht vorgenommen worden ist und der Verstoß das Wahlergebnis ändern oder beeinflussen könnte. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben.

a) Ein form- und fristgerechter Anfechtungsantrag der vier Antragsteller und damit mindestens dreier bei den W. Wahlberechtigter wurde mit dem am 3. April 2020 (= am zehnten Tag nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses am 24.3.2020) bei der Fachkammer eingereichten Schriftsatz vom selben Tage gestellt.

b) Wie die Fachkammer zutreffend festgestellt hat, ist hier durch die Behandlung der Briefwahlunterlagen durch den Wahlvorstand gegen § 20 Abs. 1 WO-PersV in Verbindung mit § 16 Abs. 1 Satz 1 NPersVG und damit gegen wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrensverstoßen worden; ferner ist ein Verstoß gegen § 22 Abs. 1 und Abs. 2 WO-PersV, ebenfalls eine wesentliche Wahlverfahrensvorschrift, zu bejahen.

Nach § 20 Abs. 1 WO-PersV, welcher wie die übrigen detaillierten Normen der §§ 17 ff. WO-PersV das in § 16 Abs. 1 Satz 1 NPersVG geregelte Wahlgeheimnis schützen will (vgl. Süllow/Weichbrodt, NPersVG, § 16 Rn. 2 (Stand: November 2007)), welches wiederum eine notwendige Bedingung einer freien Wahl darstellt (vgl. etwa Noll, in: Altvater/Baden/Baunack/Berg/Dierßen/Herget/Kröll/Lenders/Noll, BPersVG a.F., 10. Aufl. 2019, § 19 Rn. 1b), hat der Wahlvorstand unmittelbar nach Abschluss der (persönlichen) Stimmabgabe die Wahlumschläge den bis zu diesem Zeitpunkt eingegangenen Wahlbriefen zu entnehmen und sie nach Vermerk der (schriftlichen) Stimmabgabe im Wählerverzeichnis ungeöffnet in die Wahlurne zu legen. Erst danach öffnet der Wahlvorstand gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 WO-PersV die Wahlurne, vergleicht die Zahl der in der Wahlurne enthaltenen Stimmzettel und Wahlumschläge mit der Zahl der nach dem Wählerverzeichnis abgegebenen Stimmen und prüft die Gültigkeit der Stimmzettel. Erst im Anschluss daran darf die Stimmauszählung aller Stimmen (bei den Stimmzetteln der Urnenwähler durch Entfaltung der Stimmzettel, bei denjenigen der Briefwähler zusätzlich durch Öffnung der Wahlumschläge) frühestens beginnen. Wenn jedoch die Gefahr besteht, dass wegen einer geringen Anzahl von (persönlich abgegebenen) Stimmzetteln oder (Brief-)Wahlumschlägen Stimmzettel bestimmten Wählerinnen oder Wählern zugeordnet werden können, hat der Wahlvorstand gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 WO-PersV zur Wahrung des Wahlgeheimnisses vor der Stimmauszählung die Stimmzettel aus den Wahlumschlägen mit den übrigen Stimmzetteln zu vermischen ("Vermischungsgebot"). Diese Verfahrenvorschriften sind nicht eingehalten worden.

aa) Unstreitig zwischen den Verfahrensbeteiligten ist hier im Tatsächlichen, dass bei der Personalratswahl am 24. März 2020 Wahlumschläge der Briefwähler entweder - so größtenteils - gar nicht in die Wahlurne oder - im Einzelfall - nur im Wahlbrief zusammen mit der beigefügten Briefwahlerklärung in die Urne gelangt sind und dass die Auszählung der in den Wahlumschlägen enthaltenen Stimmzettel der Briefwähler dennoch (getrennt von denen der Urnenwähler) stattgefunden hat.

bb) Durch diese Behandlung der Briefwahlunterlagen hat der Wahlvorstand rechtlich gesehen in verschiedenerlei Dimensionen gegen §§ 20 Abs. 1 und 22 Abs. 1 und Abs. 2 WO-PersV verstoßen.

(1) Erstens ist der Anforderung aus § 20 Abs. 1 WO-PersV nicht genügt worden, die Wahlumschläge der Briefwähler nach Prüfung der Briefwahlerklärungen und Vermerk der Stimmabgabe im Wählerverzeichnis (unmittelbar) in die Wahlurne zu werfen.

(2) Zweitens wurden diese Wahlumschläge entgegen §§ 20 Abs. 1, 22 Abs. 1 Satz 1 WO-PersV geöffnet, bevor sie überhaupt in die Urne geworfen werden konnten (was jedoch auch nie geschah).

(3) Drittens sind größtenteils von Briefwählern stammende Stimmzettel, die sich zuvor nicht in der Wahlurne befunden haben, unter Verletzung von § 22 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WO-PersV ausgezählt worden. Der Fachsenat ist davon überzeugt, dass diese Briefwahlstimmen wegen des vom Wahlvorstand begangenen frühen Fehlers überhaupt nicht (im weiteren Sinne) "abgegeben" worden sind, das heißt bei ihnen die jeweilige Stimmabgabe nicht durch den vom Wahlvorstand nach § 20 Abs. 1 WO-PersV vorzunehmenden Einwurf der Wahlumschläge in die Urne vollendet worden ist; nur bei "Vollendung der Stimmabgabe" hätten sie jedoch berücksichtigt werden dürfen (vgl. Noll, in: Altvater u.a., a.a.O., BPersVWO § 17 Rn. 14 ff. für die parallelen Fälle nicht in die Urne gelangender Wahlumschläge aus dem Wahlvorstand verspätet zugegangenen Wahlbriefen (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 18.4.1978 - BVerwG 6 P 34.78 -, BVerwGE 55, 341, 349, juris Rn. 30), aus schon abgegebenen oder übersandten Wahlbriefen, wenn Wähler sich dennoch für die Urnenwahl innerhalb der Wahlzeit entscheiden (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 3.3.2003 - BVerwG 6 P 14.02 -, juris Rn. 13), und aus Wahlbriefen, die z.B. wegen Mängelnder Erklärung keine ordnungsgemäße Stimmabgabe im engeren Sinne enthalten können; vgl. hierzu die explizite Fehlerfolgenvorschrift in § 17 Abs. 4 Nr. 5 WO-PersV in Verbindung mit § 19 Abs. 2 Nr. 2 WO-PersV). § 19 Abs. 2 WO-PersV, nach welchem die Briefwähler ihre Stimme "abgeben", indem sie den gekennzeichneten Stimmzettel in den Wahlumschlag legen, diesen verschließen und zusammen mit der ausgefüllten und unterzeichneten Briefwahlerklärung in den Wahlbrief stecken, der rechtzeitig an den Wahlvorstand abgesandt oder übergeben werden und dabei die Anschrift des Wahlvorstandes, den Namen und die Anschrift des Briefwählers sowie den Vermerk "Briefwahl" tragen muss (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WO-PersV), spricht nicht gegen die vorstehende Auslegung, denn diese Vorschrift regelt lediglich die Stimmabgabe im engeren Sinne.

(4) Viertens hat eine nach Urnen- und Briefwählerngetrennte Auszählung der Stimmzettel stattgefunden, wodurch die nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WO-PersV erforderliche Prüfung durch den Wahlvorstand, ob im Einzelfall nach dieser Vorschrift vor Beginn der Stimmauszählung noch eine Vermischung aller Stimmzettel (derjenigen der Urnenwähler direkt aus der Wahlurne mit denjenigen aus den Wahlumschlägen der Briefwähler in der Wahlurne) erfolgen musste, von vornherein unmöglich gemacht wurde; und zwar unabhängig davon, dass bei der Wahl vom 24. März 2020 in etwa gleich viele Stimmen durch Urnenwahl (97) wie durch Briefwahl (80) abgegeben wurden.

cc) Diese Verstöße in ihren vier Dimensionen sind durch die Beteuerungen der Beteiligten auch im Beschwerdeverfahren, die Zuordnung eines bestimmten Stimmverhaltens zu individualisierten Wählern (etwa aufgrund der Briefwahlerklärungen) sei bei der Auszählung ausgeschlossen gewesen, weil der Stapel mit den Erklärungen räumlich weit entfernt von dem "ungeordneten Haufen" an zunächst ungeöffnet gewesenen Wahlumschlägen aus den Wahlbriefen gelegen habe und auch zeitlich die Öffnung der Wahlumschläge, die Prüfung der hieraus entnommenen Stimmzettel auf ihre Gültigkeit und die Auszählung der Stimmzettel erst danach erfolgt seien, nicht ausgeräumt. Das folgt aus der Zielrichtung der verletzten Normen.

In Niedersachsen müssen seit der Änderung der WO-PersV zum 14. Februar 2003 gemäß §§ 17 Abs. 2 Satz 1, 18 Abs. 1, 22 Abs. 1 Satz 1 WO-PersV anders als nach früherer Rechtslage (vgl. dazu Senatsbeschl. v. 21.3.1990 - 18 L 13/88 -, juris Rn. 27; vgl. zur ähnlichen Vorschrift des früheren hessischen Personalvertretungsrechts in § 15 Abs. 2 WO-HPVG a.F. Hessischer VGH, Beschl. v. 29.1.1986 - HPV TL 1436/85 -, juris Rn. 37, sowie zum bis zum 14.10.2021 geltenden Betriebsverfassungsrecht in § 11 Abs. 1 Satz 2 BetrVWO a.F. ferner LAG Niedersachsen, Beschl. v. 1.3.2004 - 16 TaBV 60/03 -, juris Rn. 62) sowie anders als heute noch im Bundespersonalvertretungsrecht in § 15 Abs. 2 BPersVWO die Stimmzettel der Urnenwähler nicht ebenso wie die Stimmzettel der Briefwähler (vgl. §§ 17 Abs. 2 Satz 3, Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 WO-PersV) in einem Wahlumschlag in die Wahlurne geworfen werden; vielmehr werden sie lediglich gefaltet in die Urne geworfen (§ 18 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WO-PersV, vgl. dazu Süllow/Weichbrodt, a.a.O., § 21 Rn. 5 Punkt 8 (Stand: September 2021)); vgl. aber erneut das "Vermischungsgebot" für alle Stimmzettel vor der Stimmauszählung nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WO-PersV für die Situation, dass (im Einzelfall) die Gefahr besteht, dass wegen einer geringen Anzahl von Stimmzetteln oder Wahlumschlägen Stimmzettel bestimmten Wählern zugeordnet werden können. Angesichts dieses rechtlichen Befundes will § 20 Abs. 1 WO-PersV zwar nicht ausnahmslos verhindern, dass bekannt wird, welche Stimmzettel von Briefwählern und welche von Urnenwählern abgegeben worden sind.

Jedoch wirkt die Anforderung, sowohl die Stimmzettel der Urnenwähler als auch die Wahlumschläge der Briefwähler ungeöffnet in die Wahlurne zu werfen, bereits der Gefahr einer Verletzung des Wahlgeheimnisses in Bezug auf Briefwahlstimmen entgegen, indem nach Öffnung der Wahlbriefe die Auswertung der hieraus entnommenen Wahlumschläge eine zeitliche und räumliche Trennung von einer Auswertung der personalisierten Briefwahlerklärungen erfährt, um von vornherein auszuschließen, dass - was hier zwischen den Verfahrensbeteiligten im konkreten Fall gerade zusätzlich streitig geworden ist - eine Stimmabgabe aufgrund einer zeit- und/oder ortsnah durchgeführten Auswertung (etwa aufgrund der Verwendung desselben markanten Stifts sowohl bei der Ausfüllung und Unterzeichnung der Erklärung als auch bei der Kennzeichnung der Stimmzettel) einer bestimmten individualisierbaren Person zugeordnet werden kann (vgl. zur ratio derartiger Vorschriften treffend VG Saarlouis, Beschl. v. 23.10.2000 - 8 K 1/00.PVB -, juris Rn. 17: "die die Zurechenbarkeit der Stimme vernichtende Wahlurne"; Hervorhebung durch den Fachsenat). Zu Recht hat die Fachkammer in der angefochtenen Entscheidung daher hervorgehoben, § 20 Abs. 1 WO-PersV wolle bereits "abstrakte Gefährdungen" des Wahlgeheimnisses mindern (ähnlich BAG, Beschl. v. 10.7.2013 - 7 ABR 83/11 -, juris Rn. 25, für die Parallelvorschrift in § 12 Abs. 1 SchwbWO); das Gleiche gilt für § 22 Abs. 1 und Abs. 2 WO-PersV. Die Beachtung dieser Vorschriften markiert mithin die Schwelle, bei deren Überschreitung von einer relevanten (abstrakten) Gefährdung des Wahlgeheimnisses im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 NPersVG auszugehen ist. Diese Zielrichtung wurde bei der vom Wahlvorstand am 24. März 2020 vorgenommenen Behandlung der Briefwahlunterlagen nicht beachtet; mag es auch mit den Beteiligten im vorliegenden Einzelfall zu einer konkreten Gefährdung oder Verletzung des Wahlgeheimnisses nicht gekommen sein.

Nicht erst an der nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WO-PersV gebotenen Prüfung, ob im Einzelfall ein "Vermischungsgebot" besteht, sondern bereits an § 22 Abs. 1 Satz 1 WO-PersV selbst ist ferner erkennbar, dass die vom Wahlvorstand hier vorgenommene getrennte Auszählung der Stimmzettel von Urnen- und Briefwählern im Interesse eines Schutzes der Geheimheit der Wahl nicht die von der Wahlordnung gewollte Auszählungsform darstellt.

dd) Die verletzten Normen der §§ 20 Abs. 1, 22 Abs. 1, Abs. 2 WO-PersV sind in jedem Fall wesentliche Vorschriften(des Wahlverfahrens) im Sinne von § 21 NPersVG.

Sie stellen Normen über das Wahlverfahren dar. Denn hierunter ist jede Bestimmung zu verstehen, die die Vorbereitung oder Durchführung der Personalratswahl betrifft (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.11.1997 - BVerwG 6 P 12.95 -, PersR 1998, 161, juris Rn. 9).

Wesentliche Vorschriften sind grundsätzlich alle zwingenden Vorschriften über das Wahlverfahren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.11.1997, a.a.O., Rn. 13; Bieler/Müller-Fritzsche, NPersVG, 18. Aufl. 2020, § 21 Rn. 18; Dembowski/Ladwig/Sellmann, Das Personalvertretungsrecht in Niedersachsen, NPersVG § 21 Rn. 14 m.w.N (Stand: April 2021)). Das trifft auf die genannten, abstrakten Gefährdungen des Wahlgeheimnisses (§ 16 Abs. 1 Satz 1 NPersVG) entgegenwirkenden niedersächsischen Vorschriften bereits deshalb zu, weil sie formal zwingende ("Muss-Vorschriften") darstellen; unterstrichen wird dies ferner dadurch, dass ihre Beachtung auch materiell eingedenk dessen, dass sie wegen der unter cc) ausgeführten Unterschiede zwischen Urnen- und Briefwahl einen etwas schwächeren Schutz vor abstrakten Gefahren für das Wahlgeheimnis als etwa im Bundespersonalvertretungsrecht bieten, strikt einzufordern ist.

ee) Entgegen den Beschwerden hat bereits die Fachkammer zu Recht auch eine Verletzung des § 20 Abs. 1 WO-PersV geprüft, obwohl diese Rüge in der konkreten Form von den wahlanfechtenden Antragstellern nicht innerhalb der Anfechtungsfrist des § 21 NPersVGerhoben worden war. Denn die Fachkammer hatte sich im Wahlanfechtungsverfahren - ebenso wie nunmehr der Fachsenat - nicht auf die fristgerecht gerügten Verstöße zu beschränken.

Einer frist- und formgerechten Rüge auch des Verstoßes gegen § 20 Abs. 1 WO-PersV sowie gegen § 22 Abs. 1 und Abs. 2 WO-PersV durch die wahlanfechtenden Antragsteller bedurfte es hierfür nicht, weil die Offizialmaxime (§§ 83 Abs. 1 Satz 1, 90 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 83 Abs. 2 NPersVG) die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit auch in Personalvertretungssachen berechtigt und verpflichtet, bei der Entscheidung über einen zulässig erhobenen Wahlanfechtungsantrag auch nachträglich vorgetragene oder gar überhaupt nicht geltende gemachte Anfechtungsgründe zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.5.2009 - BVerwG 6 PB 11.09 -, PersV 2009, 383, juris Rn. 6, und v. 13.5.1998 - BVerwG 6 P 9.97 -, BVerwGE 106, 378, 381, Buchholz 251.7 § 22 NWPersVG Nr. 4; OVG Lüneburg, Beschl. v. 19.2.1986 - 17 OVG B 23/85 -, ZfPR 1991, 176 [VGH Bayern 17.10.1990 - 18 P 90.1814] (Ls. c)), und S. 9 des Beschlussabdrucks (Bl. 234 der GA); Bieler/Müller-Fritzsche, a.a.O., § 21 Rn. 15).

Soweit der Beteiligte zu 1. in diesem Zusammenhang meint, die dahingehende Rechtsprechung des OVG Lüneburg aus dem Beschluss vom 19. Februar 1986, a.a.O., sei durch Änderungen in der von dieser Entscheidung zitierten arbeitsrechtlichen Kommentarliteratur (u.a. von Richardi) überholt, kann dem nicht gefolgt werden. Wie die Arbeitsgerichtsbarkeit die nur ansatzweise vergleichbare Vorschrift des § 19 BetrVG (vgl. insbesondere die Beschränkungen der Wahlanfechtung durch dessen Absatz 3) in betriebsverfassungsrechtlichen Wahlanfechtungsverfahren auslegt und anwendet, ist für die hier heranzuziehende Norm des § 21 NPersVG nicht bindend.

c) Eine Berichtigung des Wahlverfahrensverstoßes war spätestens mit Beginn der Stimmauszählung am 24. März 2020 schon nicht mehr möglich und ist daher nicht erfolgt. Denn es können überhaupt nur solche Fehler berichtigt werden, die ohne weiteres zu beheben sind, ohne dass zu diesem Zweck eine Wiederholung der Wahl erforderlich wäre (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 1.7.1977 - 10 XVIII 76 -, PersV 1980, 60; Dembowski/Ladwig/Sellmann, a.a.O., NPersVG § 21 Rn. 22 (Stand: Oktober 2021)). Verstöße gegen Vorschriften, die der Wahrung des Wahlgeheimnisses dienen, zählen hierzu nicht. Der Fehler, dass von Briefwählern stammende Stimmzettel ausgezählt wurden, die sich nicht zuvor (in Wahlumschlägen) in der Wahlurne befunden hatten (vgl. oben II.1.b)bb)(3)), war bereits mit Öffnung der Wahlumschläge der Briefwähler, spätestens jedoch in dem Zeitpunkt nicht mehr behebbar, in dem die Wahlurne geöffnet worden war (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 19.3.1997 - 18 P 96.2831 -, juris Rn. 16: nach Öffnung der Urne dürfen Wahlumschläge der Briefwähler nicht mehr dort hineingeworfen werden).

d) Im Ergebnis zu Recht hat die Fachkammer ferner angenommen, dass der festgestellte Verstoß gegen § 20 Abs. 1 (und § 22 Abs. 1, Abs. 2) WO-PersV in Verbindung mit § 16 Abs. 1 Satz 1 NPersVG im Sinne von § 21 NPersVG das Wahlergebnis ändern oder beeinflussen könnte (sog. Kausalitätserfordernis oder Ergebnisrelevanz).

aa) Dieses Merkmals ist im vorliegenden Fall nicht schon deshalb verzichtbar, weil der Verstoß gegen wesentliche Wahlverfahrensvorschriften so schwer und offenkundig gewesen wäre, dass er bereits zu einer Nichtigkeit der Personalratswahl geführt hätte, die nur noch deklaratorisch festzustellen wäre (vgl. zu den wesentlich weitreichenderen Rechtsfolgen im Vergleich zu denjenigen einer Ungültigerklärung der Wahl im Wahlanfechtungsverfahren Bieler/Müller-Fritzsche, a.a.O., § 21 Rn. 5; Dembowski/Ladwig/Sellmann, a.a.O., NPersVG § 21 Rn. 11 (Stand: Mai 2016)).

Unabhängig davon, ob in den von den Beteiligten jeweils angestrengten Beschwerdeverfahren prozessual wegen des grundsätzlichen Verbots einer "reformatio in peius" (§§ 87 Abs. 2 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 528 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 83 Abs. 2 NPersVG) eine solche Nichtigkeitsfeststellung noch zulässig wäre, liegen auch materiell-rechtlich die Voraussetzungen einer Wahlnichtigkeit nicht vor.

Denn diese erforderte eine so offenkundige und gravierende Verletzung von allgemeinen Wahlgrundsätzen, dass nicht einmal dem äußeren Anschein nach eine ordnungsgemäße Wahl stattgefunden haben kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.5.1987 - BVerwG 6 P 20.85 -, PersR 1987, 193, juris Rn. 23; Dembowski/Ladwig/Sellmann, a.a.O., NPersVG § 21 Rn. 6 (Stand: Juli 2020); Baden, in: Altvater u.a., a.a.O., BPersVG a.F. § 25 Rn. 2). So lag es hier nicht.

(1) Der im vorliegenden Fall festgestellte Verstoß gegen den Schutz des Wahlgeheimnisses dienende Vorschriften (hier: §§ 20 Abs. 1, 22 Abs. 1, Abs. 2 WO-PersV in Verbindung mit § 16 Abs. 1 Satz 1 NPersVG) stellt ohne Rücksicht auf die hohe Bedeutung dieses Wahlrechtsgrundsatzes für die demokratisch zwingend gebotene Freiheit der Wahl nicht schon generell einen (absoluten) Nichtigkeitsgrund dar (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 17.12.1958 - III A 1014/58 -, OVGE (MüLü) 14, 257, 262).

(2) Eine Nichtigkeit der Wahl vom 24. März 2020 ist auch nicht aufgrund des konkreten Sachverhalts im individuellen Einzelfall zu bejahen.

Das Hessische LAG (Beschl. v. 10.11.2011 - 9 TaBV 104/11 -, juris Rn. 25) hat die Nichtigkeit einer hinsichtlich der Briefwahlanforderungen vergleichbaren Wahl der Schwerbehindertenvertretung nach § 177 SGB IX angenommen, weil bei der Öffnung der Wahlbriefe die Briefwahlerklärung neben den ebenfalls sogleich geöffneten Wahlumschlag gelegt und das aus dem darin enthaltenen Stimmzettel ersichtliche Stimmverhalten systematisch und unmittelbar der aus der ausgewerteten Erklärung erkennbaren Person zugeordnet werden konnte (etwas zu weit gehend die Wiedergabe dieser Entscheidung durch Schlegel/Voelzke, in: Esser/Isenhardt, juris-PK SGB IX, , § 177 Rn. 47 (Stand: August 2022), pauschal für die Fehlerdimension der "Öffnung der Wahlumschläge vor Einlegen in die Wahlurne")). Ein solches Szenario lag hier jedoch nicht vor.

Zwar haben die Antragsteller im erstinstanzlichen Beschlussverfahren - erstmalig - in der Replik vom 19. August 2020 (Bl. 58 der GA) gerügt, beide Kuverts (= Wahlbrief und Wahlumschlag) der Briefwähler seien "kurz hintereinander geöffnet" worden, so dass "erkennbar geworden (sei), wer wie gewählt (habe)". Diese Behauptung einer räumlichen und zeitlichen Nähe ist nach den Feststellungen, die der Fachkammervorsitzende des Verwaltungsgerichts Göttingen in dem Gütetermin vom 30. Juni 2021 insbesondere durch Anhörung des Antragstellers zu 1. und des Wahlvorstandsmitglieds S. getroffen hat (vgl. S. 3 f. der Sitzungsniederschrift, Bl. 134 f. der GA), nicht bestätigt worden. Letzterer hat darin detailliert den Ablauf der Auszählung dahingehend geschildert, dass die Erklärungen auf einen Stapel an einer Stelle des im Raum befindlichen großen Tisches gelegt worden seien, wo eine Identifizierung der Erklärungen mit den später ausgewerteten Stimmzetteln nicht mehr möglich gewesen sei, und die aus den großen Couverts (= Wahlbriefen) entnommenen Briefumschläge (= Wahlumschläge) seien (zunächst ungeöffnet) auf einen weiteren Stapel geworfen worden; die Wahlumschläge seien danach geöffnet und die darin befindlichen Stimmzettel der Briefwähler ausgezählt worden. Auch der Fachsenat hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln. Möglichkeit und Notwendigkeit weiterer amtswegiger Sachverhaltsaufklärung drängen sich dem Fachsenat nicht auf.

bb) Entgegen den Beschwerden der Beteiligten ist das Merkmal, dass das Wahlergebnis durch die festgestellten Verstöße gegen §§ 20 Abs. 1, 22 Abs. 1, Abs. 2 WO-PersV in Verbindung mit § 16 Abs. 1 Satz 1 NPersVGgeändert oder beeinflusst worden sein könnte, im vorliegenden Fall auch zu bejahen.

(1) Dabei ist die Fachkammer von folgendem richtigen rechtlichen Maßstab ausgegangen:

Nicht erforderlich ist es für eine Ergebnisrelevanz von Verstößen, dass das Wahlergebnis durch den festgestellten Verstoß tatsächlich geändert oder beeinflusst worden ist. Vielmehr genügt für den Erfolg einer Wahlanfechtung schon die theoretische Möglichkeit der Änderung oder Beeinflussung des Wahlergebnisses. Ob eine in diesem Sinne relevante Möglichkeit bestand, das heißt ob der Verstoß geeignet war, eine Änderung oder Beeinflussung des Wahlergebnisses herbeizuführen, beantwortet sich in der Regel aus der Art des Verstoßes und der Berücksichtigung des konkreten Sachverhaltes. Dabei wird allerdings eine nur denkbare Möglichkeit dann nicht genügen, die Anfechtung zu begründen, wenn sie nach der Lebenserfahrung vernünftigerweise nicht in Betracht zu ziehen ist. Demnach bleiben abstrakt nicht auszuschließende, nach der Lebenserfahrung aber unwahrscheinliche Kausalverläufe unberücksichtigt, wenn für ihren Eintritt keine tatsächlichen Anhaltspunkte bestehen (vgl. BVerwG, Beschl v. 26.11.2008 - BVerwG 6 P 7.08 -, BVerwGE 132, 276, 280, juris Rn. 20 m.w.N., v. 8.10.1975 - BVerwG VII P 15.75 -, PersV 1976, 420, und v. 23.9.1966 - BVerwG VII P 14.65 -, BVerwGE 25, 120, 121; Senatsbeschl. v. 28.3.2017 - 18 LP 7/16 -, juris Rn. 40; Sächsisches OVG, Beschl. v. 1.3.2018 - 9 A 53/17.PL -, juris Rn. 23; Thüringer OVG, Beschl. v. 8.5.2014 - 6 PO 308/13 -, juris Rn. 52; Dembowski/Ladwig/Sellmann, a.a.O., NPersVG § 21 Rn. 27 (Stand: November 2018)).

(2) Allerdings sind bei dieser Prüfung in der Rechtsprechung entwickelte Beweislastregeln zu beachten:

Die objektive Beweislast dafür, dass ein Verstoß gegen wesentliche Wahl(verfahrens)vorschriften vorgelegen hat, liegt bei den Wahlanfechtenden. Wenn ein derartiger Verstoß jedoch feststeht, greift eine gesetzliche (widerlegbare) Vermutung dafür ein, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis geändert oder beeinflusst werden konnte, (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.12.2015 - BVerwG 5 PB 5.15 -, juris Rn. 12, Sächsisches OVG, Beschl. v. 13.7.1995 - P 5 S 4/95 -, PersV 1996, 91, 92; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 27.11.1997 - 1 A 878/97.PVB -, ZfPR 2000, 4, juris Rn. 23; Süllow/Weichbrodt, a.a.O., § 21 Rn. 5 a.E. (Stand: September 2021)).

Hier stehen die Begehung eines Verstoßes und die Wesentlichkeit der verletzten Vorschriften fest (vgl. oben II.1.b)). Die gesetzliche Vermutung einer Möglichkeit der Änderung oder Beeinflussung des Wahlergebnisses ist damit eingetreten. Hieraus folgt im vorliegenden Fall, dass die Anfechtungsgegner - die Beteiligten zu 1. und zu 2. - das Gegenteil beweisen müssen, nämlich dass die Möglichkeit einer Beeinflussung oder Änderung des Wahlergebnisses bei der Wahl vom 24. März 2020 unter Zugrundelegung einer hypothetischen Vergleichssituation, bei welcher der Verstoß gegen §§ 20 Abs. 1, 22 Abs. 1, Abs. 2 WO-PersV in Verbindung mit § 16 Abs. 1 Satz 1 NPersVGausgeblieben wäre, realistischerweise nicht bestanden hätte. Das ist ihnen nicht gelungen. Denn dazu müsste positiv festgestellt werden können, dass in dem Vergleichsszenario allenfalls bei nach allgemeiner Lebenserfahrung unwahrscheinlichen Kausalverläufen ein anderes Wahlergebnis denkbar gewesen wäre, ansonsten jedoch nicht. Eine solche positive Feststellung vermag der Fachsenat nicht zu treffen.

(a) Eine Möglichkeit der Beeinflussung oder Änderung des Wahlergebnisses bei hypothetischer Fehlervermeidung folgt hier bereits aus der dritten festgestellten Fehlerdimension (vgl. oben II.1.b)bb)(3)), nämlich daraus, dass der Wahlvorstand entgegen § 22 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WO-PersV bei der Stimmauszählung und Feststellung des Wahlergebnisses 80 Briefwahlstimmen berücksichtigte, obwohl sich die entsprechenden Stimmzettel nicht zuvor (in einem Wahlumschlag) in der Wahlurne befunden hatten. Hätte er (isoliert) diesen (Auszählungs-)Fehler vermieden, ist es weder ausgeschlossen noch völlig fernliegend, dass das Wahlergebnis anders ausgefallen wäre, weil dann nur noch die für gültig zu erachtenden Stimmzettel der 97 (und damit etwa gleich vielen) Urnenwähler hätten ausgezählt werden dürfen. Ohne Belang ist es, dass dieser späte Fehler letztlich darauf basierte, dass zuvor entgegen § 20 Abs. 1 WO-PersV die Wahlumschläge der Briefwähler nicht ungeöffnet in die Wahlurne geworfen, sondern vielmehr entgegen § 22 Abs. 1 Satz 1 WO-PersV außerhalb der Wahlurne bereits geöffnet worden waren, und dass die Berücksichtigung der Briefwahlstimmen damit durch den vom Wahlvorstand begangenen frühen Verstoß irreversibel "infiziert" worden war.

Für den vorliegenden Fall muss, da das Stimmenverhältnis bei den Urnenwählern (32 für Liste 1, 65 für Liste 2) gegenüber demjenigen der Briefwähler (59 für Liste 1, 21 für Liste 2) umgekehrt gewesen ist, sogar konstatiert werden, dass die Vermeidung des genannten Auszählungsfehlers (ceteris paribus) auf der Basis nur der Urnenwahlstimmen auch tatsächlich zu einem anderen Wahlergebnis (2 Sitze für Liste 1, 5 Sitze für Liste 2) geführt hätte.

(b) Selbst wenn mit der Fachkammer nicht schon auf diese Fehlerdimension, sondern auf die abstrakte Gefährdung des Wahlgeheimnisses (§ 16 Abs. 1 Satz 1 NPersVG) durch Missachtung der weiterenVorgaben in § 20 Abs. 1 WO-PersV (und § 22 Abs. 1, Abs. 2 WO-PersV) abgestellt würde (vgl. oben II.1.b)bb)(1), (2) und (4)), könnte die positive Feststellung, dass bei einer Vermeidung eines Verstoßes ein anderes Wahlergebnis nicht oder nur im unwahrscheinlichen Falle eingetreten wäre, nicht getroffen werden.

(aa) Der Fachsenat ist der Auffassung, dass dieser Beweis bereits aufgrund der Eigenart des vorliegenden Verstoßes "mit Breitenwirkung" (Verletzung von Wahlgeheimnisvorschriften) und der verletzten Normen von den Beteiligten nicht geführt werden kann.

Bei der Geheimheit der Wahl handelt es sich um einen zentralen demokratischen Wahlrechtsgrundsatz, welcher in allen Stadien des Wahlverfahrens (während der Stimmabgabe und danach, insbesondere vor und bei der Ermittlung des Wahlergebnisses) Geltung beansprucht (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 7.3.1990 - 10 M 5/90 -, NVwZ-RR 1990, 503, juris Rn. 18 ff., und (grundlegend) Urt. v. 28.2.1984 - 2 OVG A 37/83 -, OVGE (MüLü) 37, 473, 477; Dembowski/Ladwig/Sellmann, a.a.O., NPersVG § 16 Rn. 4 ff. (Stand: April 2021)). Nur eine geheime Wahl kann wirklich frei sein (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 6.8.1962 - CB 10/62 -, PersV 1964, 138, 139). Wenn - wie hier - das notwendige Vertrauen in die Geheimheit der Wahl erschütttert wird, kann eine Beeinträchtigung der Wahlfreiheit nicht ausgeschlossen und nicht als fernliegend bezeichnet werden.

Auch wenn es Wahlgeheimnisverstöße geben mag, die schon während der Stimmabgabe aufgetreten sind und dadurch das Wahlteilnahme- oder Wahlverhalten anderer Wähler ersichtlich (tatsächlich) beeinflusst haben (etwa bei gemeinsamer persönlicher Stimmabgabe von Ehegatten in einer Wahlkabine, vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 17.12.1958 - III A 1014/58 -, OVGE (MüLü) 14, 257, 260; OVG Lüneburg, Urt. v. 17.12.1957 - II OVG A 92/57 -, OVGE (MüLü) 12, 418, 420), so ist doch das Wahlgeheimnis zwingend auch nach der Stimmabgabe zu wahren. Dass der hier festgestellte Verstoß nach bereits erfolgter Stimmabgabe (im engeren Sinne) aufgetreten ist, ändert also entgegen den Beschwerden der Beteiligten an der Möglichkeit einer Änderung oder Beeinflussung des Wahlergebnisses nichts. Die Anforderungen der §§ 20 Abs. 1, 22 Abs. 1, Abs. 2 WO-PersV markieren insoweit, wie bereits ausgeführt, die Schwelle, bei deren Überschreitung in Niedersachsen bei einer Personalratswahl von einer rechtlich relevanten (abstrakten) Gefährdung des Wahlgeheimnisses auszugehen ist, ohne dass es auf eine konkrete Gefährdung oder gar Verletzung des Wahlgeheimnisses ankäme.

Bei dem derart "prinzipiellen, nicht auf einzelne Stimmabgaben beschränkten, sondern übergreifenden" Fehler eines Wahlgeheimnisverstoßes kann den beweisbelasteten Anfechtungsgegnern (hier den Beteiligten zu 1. und zu 2.) der Beweis, dass dieser das Wahlergebnis gar nicht oder nur unter der Annahme völlig unwahrscheinlicher Kausalverläufe beeinflusst oder geändert hat, nach Auffassung des Fachsenats nicht gelingen; vielmehr führt ein Verstoß gegen den elementaren Grundsatz der Geheimheit der Wahl immer zur Anfechtbarkeit (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 27.9.2000 - 1 A 1541/99.PVB -, PersR 2001, 257, juris Rn. 25; Hessischer VGH, Beschl. v. 14.6.1965 - HPV 3/64 -, GewerkPrax 1967, 144, PersV 1967, 18, 19; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 13.12.2016 - 9 TaBV 85/16 -, juris Rn. 57; LAG Hamm, Beschl. v. 9.3.2007 - 10 TaBV 105/06 -, juris Rn. 60, 63 (Briefwahl von vornherein ohne Wahlurne); Schlatmann, in: Lorenzen/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Hebeler/Ramm/Sachadae, BPersVG a.F. § 25 Rn. 18 (Stand: Juli 2019); offenbar ebenso LAG Niedersachsen, Beschl. v. 11.9.2019 - 13 TaBV 85/18 -, juris Rn. 70 f. (Beimischen von Briefwahlstimmzetteln nach Öffnen und Ausleeren der Urne)), so dass dem Merkmal der Kausalität oder Ergebnisrelevanz im Ergebnis für das Durchgreifen dieses Verstoßes als Anfechtungsgrund (nicht: Nichtigkeitsgrund!, vgl. dazu oben II.1.d)aa)(1)) keine eigenständige Bedeutung mehr zukommt.

(bb) Unabhängig davon kann die betreffende Feststellung im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des konkreten Sachverhalts nicht getroffen werden, wie die Fachkammer im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat. Das hiergegen gerichtete Beschwerdevorbringen greift nicht durch.

(aaa) Der von beiden Beteiligten im Beschwerdeverfahren betonte Umstand, dass die Briefwähler ihre Stimme gemäß § 19 Abs. 2 WO-PersV tatsächlich bereits (im engeren Sinne) in einer bestimmten Weise abgegeben hatten, als gegen die genannten Vorschriften der WO-PersV und des NPersVG verstoßen wurde, und sich hieran auch nichts geändert hätte, wenn der Verstoß vermieden worden wäre (mit gleichem Argument für einen mit dem vorliegenden vergleichbaren Verstoß etwa BAG, Beschl. v. 20.7.1982 - 1 ABR 19/81 -, juris Rn. 60), betrifft lediglich die Verneinung einer tatsächlichen Auswirkung des Verstoßes auf das Wahlergebnis und entspricht damit schon im Ansatz nicht dem eingangs dargestellten rechtlichen Maßstab des Kausalitätserfordernisses bzw. der Ergebnisrelevanz aus § 21 NPersVG.

(bbb) Ferner wird dabei die neben einer objektiven Wahrung des Wahlgeheimnisses auch relevante subjektive Wählerperspektive (vgl. etwa zur Gewährleistung, den Stimmzettel bei der Urnenwahl im Wahlraum unbeobachtet kennzeichnen zu können, Dembowski/Ladwig/Sellmann, a.a.O., NPersVG § 16 Rn. 5 (Stand: April 2021)) nicht in den Blick genommen. Die Beteiligten haben die von der Fachkammer auf Seiten 6 f. der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Annahme, dass sich eine nicht in jeder Hinsicht geheime Wahl wie die vorliegend am 24. März 2020 durchgeführte nach allgemeiner Lebenserfahrung auf die Wahlentscheidung auswirken könne, weil Wahlberechtigte in Kenntnis der später erfolgenden rechtswidrigen Behandlung ihrer Wahlunterlagen und des damit einhergehenden Verstoßes gegen den Grundsatz der Geheimheit der Wahl aller Voraussicht nach nicht an der Wahl teilgenommen "hätten" und das Wahlergebnis, "dies unterstellt", ein anderes gewesen wäre, nicht widerlegen können.

Zu präzisieren gilt es an dieser Stelle, dass diese Annahme eines bestimmten wahlteilnahmebeeinflussenden (konkret: von der Wahlteilnahme abhaltenden!) subjektiven Bewusstseins bei jedenfalls einigen Wählern ungeachtet der hypothetisch anmutenden "Unterstellung" durch die Fachkammer nicht die für das Merkmal der Ergebnisrelevanz hypothetisch zu bildende Vergleichssituation eines Wahlverfahrens ohne Verstoß betrifft, sondern in Wahrheit zu dem hier vorliegenden und zu betrachtenden Szenario des Wahlverfahrens mit Verstoß gegen Wahlgeheimnisvorschriften gehört und offenbar von der Fachkammer auch in diesem Sinne hinzugedacht worden ist.

So verstanden, haben die Beteiligten im Beschwerdeverfahren nicht zu belegen vermocht, dass diese Annahme der Fachkammer nur zu abstrakt nicht auszuschließenden, nach allgemeiner Lebenserfahrung aber unwahrscheinlichen Kausalverläufen gehöre. Es war bei der Vielzahl der zur Personalratswahl am 24. März 2020 Wahlberechtigten (mehr als 280) gerade nicht realistischerweise ausgeschlossen, dass mindestens fünf oder mehr hiervon die subjektive Befürchtung, mit ihren Briefwahlunterlagen werde durch den Wahlvorstand in der geschehenen wahlgeheimnisgefährdenden Weise umgegangen, aufgewiesen und - etwa weil für sie aus bestimmten Gründen, etwa pandemiebedingt, überhaupt nur eine Briefwahlteilnahme in Betracht kam - auf eine Teilnahme an der Wahl insgesamt verzichtet haben oder zwar an der Briefwahl teilgenommen, jedoch anders als tatsächlich nach freiem Entschluss von ihnen gewollt abgestimmt haben. Nähere Aufklärungen des Wählerverhaltens sind den Gerichten im Wahlanfechtungsverfahren im Interesse einer Wahrung des Wahlgeheimnisses auch nach dem Abschluss des Wahlverfahrens verwehrt (vgl. bereits OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 17.12.1958 - III A 1014/58 -, OVGE (MüLü) 14, 257, 262). Nimmt man den relativ knappen Wahlausgang vom 24. März 2020 in den Blick (91 Stimmen für Liste 1, 86 Stimmen für Liste 2), wäre im hypothetischen Vergleichsszenario dann, wenn der Verstoß durch den Wahlvorstand vermieden worden wäre und die Wahlberechtigten hierauf auch subjektiv hätten vertrauen dürfen, aufgrund einer möglichen Teilnahme weiterer Wähler an der Personalratswahl oder aufgrund "freieren" Stimmverhaltens in der Briefwahl ein anderes Wahlergebnis nicht unwahrscheinlich gewesen. Das hiergegen gerichtete Vorbringen der Beteiligten greift nicht durch.

(α) Die Bezeichnung der vorstehenden Annahme als "reine Spekulation" durch den Beteiligten zu 2. trägt ebenso wenig etwas aus wie die pauschale Behauptung des Beteiligten zu 1., "niemand" habe vorher ahnen können, dass hier ein etwaiger Verstoß gegen die Wahlvorschriften stattfinden würde, bevor die Wahl beendet gewesen sei.

(β) Die Einschätzung des Beteiligten zu 2., dem Wähler dürfte nach allgemeiner Lebenserfahrung "in aller Regel" eine Kenntnis der formalen Wahlvorschriften bezüglich der Behandlung von Briefwahlunterlagen fehlen, verweist die vorstehende, auf mindestens fünf von mehr als 280 Wahlberechtigten bezogene Annahme nicht ins Reich des Unwahrscheinlichen. Im Übrigen bestehen bereits Zweifel an der Prämisse dieses Beteiligten, der "uninformierte Wähler" stelle den Regelfall dar. Immerhin möchte auch derjenige wahlberechtigte Beschäftigte, der die Bestimmungen der WO-PersV nicht im Einzelnen kennt, auf eine Einhaltung der Normen durch den Wahlvorstand vertrauen; wo dies nicht gewährleistet ist, kann es vorkommen, dass er mit einer Änderung seines Wahl- oder Wahlteilnahmeverhaltens reagiert (vgl. zu einer solchen Anpassung an eine möglicherweise "nicht ganz" geheime Wahl LAG Berlin-K., Beschl. v. 25.8.2011 - 25 TaBV 529/11 -, juris Rn. 42; Hessischer VGH, Beschl. v. 29.1.1986 - HPV TL 1436/85 -, PersV 1990, 389, juris Rn. 27).

(γ) Das gleiche gilt für die Ansicht des Beteiligten zu 2., dem Wähler sei es "regelmäßig" auch gleichgültig, in welcher Weise sein Stimmzettel ins Auszählungsverfahren gelange, soweit dieser jedenfalls ordentlich gezählt werde, denn auch hierdurch würde eine Anpassung des Wahl- oder Wahlteilnahmeverhaltens durch mindestens fünf von mehr als 280 Wahlberechtigten nicht realistischerweise ausgeschlossen. Unabhängig von der durch nichts belegten Einschätzung des Beteiligten zu 2. im Tatsächlichen gilt es im Übrigen zu betonen, dass das im Interesse aller Wähler und der demokratischen Wahl schlechthin geschützte Wahlgeheimnis rechtlich nicht der Disposition des einzelnen Wählers unterliegt, also nicht wie ein Individualrechtsgut verzichtbar ist (vgl. hierzu grundlegend OVG Lüneburg, Urt. v. 17.12.1957 - II OVG A 92/57 -, OVGE (MüLü) 12, 418 f.; BAG, Beschl. v. 21.3.2018 - 7 ABR 29/16 -, juris Rn. 34).

e) Die Wahl zum I. vom 24. März 2020 war daher bereits aufgrund des Verstoßes gegen §§ 20 Abs. 1, 22 Abs. 1, Abs. 2 WO-PersV in Verbindung mit § 16 Abs. 1 Satz 1 NPersVG durch die Fachkammer für ungültig zu erklären. Hierbei hat es ungeachtet der Beschwerden der Beteiligten zu verbleiben.

Vor diesem Hintergrund kommt es auf das Vorliegen der weiteren von den Antragstellern ursprünglich geltend gemachten Fehler und deren Möglichkeit zur Änderung oder Beeinflussung des Wahlergebnisses nicht mehr an. Der Fachsenat muss auch nicht dazu Stellung nehmen, ob, wie die Antragsteller im Laufe des erstinstanzlichen Beschlussverfahrens vorgetragen haben, der Wahlvorstand am 17. März 2020 und damit noch vor der Personalratswahl wirksam "zurückgetreten" ist, was seitens der Beteiligten mit dem Argument bekämpft worden ist, eine Entbindung des Wahlvorstandes habe jedenfalls nicht stattgefunden. Auch auf die vom Vorsitzenden der Fachkammer des Verwaltungsgerichts Göttingen in dessen Verfügung vom 1. April 2021 erstmals aufgeworfene Frage, ob am 24. März 2020 das Wahlvorstandsmitglied S. (vgl. die Bekanntgabe der Zusammensetzung des Wahlvorstandes vom 12.12.2019 auf Bl. 38 der GA) ordnungsgemäß zum Ersatzvorsitzenden anstelle der erkrankten Vorsitzenden Q. bestimmt wurde, muss nicht näher eingegangen werden. Ferner muss der Fachsenat nicht untersuchen, ob das Prozedere der Öffnung von Wahlumschlägen, die durch die am 24. März 2020 berufenen (aktiven) Wahlvorstände S., T. und U. sowie durch das Wahlvorstandsersatzmitglied V. durchgeführt wurde, § 22 Abs. 1 Satz 1 WO-PersV in Verbindung mit § 18 Abs. 1 NPersVG entsprochen hat, wonach ggf. nur drei (aktive) Wahlvorstandsmitglieder diese Öffnung vornehmen oder verantworten durften. Des Weiteren bedarf keiner Aufklärung, ob die eingegangenen Wahlbriefe generell - was die in der Beiakte 1 enthaltenen Muster und ungeöffnet aufbewahrten verspätet eingegangenen Wahlbriefe aber nahelegen - nicht den Namen und die Anschrift des Absenders getragen und deshalb gemäß § 17 Abs. 4 Nr. 5 in Verbindung mit § 19 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WO-PersV ungültige Briefwahlstimmen enthalten haben (vgl. hierzu OVG Berlin-K., Beschl. v. 22.9.2022 - OVG 62 PV 2/21 -, juris Rn. 21 f.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 19. Februar 1986 - 17 OVG B 23/85 -, S. 11 des Beschlussabdrucks (Bl. 236 der GA)). Auch kann dahinstehen, ob zwei jeweils mit zusätzlichen Kreuzen versehene Stimmzettel von Urnenwählern mit dem Wahlvorstand gemessen an § 17 Abs. 4 Nr. 4 WO-PersV als gültige Stimmen für die Liste 2 gewertet werden durften. Schließlich muss nicht untersucht werden, ob der Wahlvorstand bei der Verteilung der Personalratssitze auf die Wahlvorschläge (Listen 1 und 2) im Rahmen der Feststellung des Wahlergebnisses (vgl. S. 3, dort bez. als S. 4 der Wahlniederschrift v. 24.3.2020, Beiakte 1) das in § 16 Abs. 1 Satz 2 NPersVG vorgeschriebene Höchstzahlverfahren eingehalten hat.

2. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Gerichtskosten werden nach § 83 Abs. 2 NPersVG in Verbindung mit §§ 80 Abs. 1, 2a Abs. 1 ArbGG, § 2 Abs. 2 GKG nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten der Verfahrensbeteiligten werden nicht erstattet (vgl. § 83 Abs. 2 NPersVG in Verbindung mit § 12a ArbGG).

3. Die Rechtsbeschwerde ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach § 83 Abs. 2 NPersVG in Verbindung mit §§ 92 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen.