Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.09.2009, Az.: 1 LB 258/07

Möglichkeit der Einordnung eines Taubenschlags für 39 Brieftauben im allgemeinen Wohngebiet als zulässige Nebenanlage; Bedeutung der "Ortsüblichkeit" von Taubenhaltung in (ehemaliger) Bergbausiedlung für die Prüfung der Zulässigkeit der Taubenhaltung; Zulässigkeit der Berücksichtigung der Ergebnisse eines parallel durchgeführten Zivilrechtsstreits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
29.09.2009
Aktenzeichen
1 LB 258/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 25283
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2009:0929.1LB258.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 07.10.2005 - AZ: 2 A 265/04
nachfolgend
BVerwG - 19.01.2010 - AZ: BVerwG 4 B 2.10

Fundstellen

  • AUR 2010, 112-114
  • DVBl 2009, 1597
  • FStNds 2010, 170-174
  • NdsVBl 2010, 50-52

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Ein Taubenschlag für 39 Brieftauben kann eine im allgemeinen Wohngebiet zulässige Nebenanlage sein.

  2. 2.

    Bedeutung der "Ortsüblichkeit" von Taubenhaltung in (ehemaliger) Bergbausiedlung.

  3. 3.

    Zur Berücksichtigung der Ergebnisse eines parallel durchgeführten Zivilrechtsstreits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Taubenhaltung im allgemeinen Wohngebiet

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 3. März 2003. Mit dieser Genehmigung wurde den Beigeladenen die Aufstockung der auf ihrem Grundstück vorhandenen Garage genehmigt und die Nutzung des aufgestockten Geschosses zur Kleintierhaltung von 39 Tauben.

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Die Kläger bewohnen das Grundstück J. 3, das dem Grundstück der Beigeladenen westlich benachbart ist. Das umstrittene Garagengebäude mit Taubenschlag liegt an der östlichen Grundstücksgrenze des Grundstücks der Beigeladenen in einer Entfernung von etwa 16 m zur gemeinsamen Grundstücksgrenze und ca. 25 m zu der im südlichen Bereich des Hauses vorhandenen Terrasse auf dem Grundstück der Kläger. Für die Taubenhaltung wird das gesamte Obergeschoss des Garagenbaus genutzt. Die Ausflugvorrichtung für die Tauben befindet sich in der dem Grundstück der Kläger zugewandten Gebäudeseite. Bei der Gemeinde Lengede handelt es sich um eine frühere Bergbaugemeinde (bekannt durch das "Wunder von Lengede"). Bergbau wird in der Gemeinde aber derzeit nicht mehr betrieben.

3

Nachdem im Sommer 2003 offensichtlich die Bauarbeiten weitgehend fertig gestellt worden waren und die Beigeladenen mit der Taubenhaltung begonnen hatten, wandten sich die Kläger mit Widerspruch vom 28. August 2003 gegen die Baugenehmigung, der mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 19. April 2004 zurückgewiesen worden ist.

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Die Kläger erhoben im März 2004 Klage vor dem Landgericht Hildesheim gegen die Beigeladenen auf Beseitigung der Tauben und Unterlassung der Taubenhaltung sowie Taubenzucht. Im September 2004 scheiterte ein Mediationsverfahren. Das Landgericht ließ mit Beweisbeschluss vom 14. Dezember 2004 ein Sachverständigengutachten einholen, das unter dem 22. März 2005 vorgelegt, und ein Ergänzungsgutachten, das unter dem 8. Juni 2005 erstattet wurde. Der Gutachter hatte das Grundstück aufgesucht und im Beisein der Kläger, der Beigeladenen und ihrer jeweiligen Prozessbevollmächtigten in Augenschein genommen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass nur äußerst geringe Beeinträchtigungen von den Tauben ausgehen und die Brieftaubenhaltung als ortsüblich zu bezeichnen sei. Die Stückzahl der gehaltenen Tauben liege für einen Brieftaubenzüchter an der unteren Grenze. Mit Urteil vom 2. August 2005 wies das Landgericht Hildesheim (3 O 104/04) die Klage ab, weil lediglich eine unwesentliche Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks festzustellen sei. Eine Beschränkung der Flugzeiten sei nicht geboten, weil nach den Feststellungen des Sachverständigen die männlichen und weiblichen Tiere getrennt jeweils montags bis freitags morgens und abends 1 Stunde trainiert würden und damit umfangreiche Flugzeiten nicht zu erwarten seien. Nachdem die Kläger dagegen Berufung eingelegt hatten, versuchte das Oberlandesgericht Celle am 16. März 2006 im Rahmen einer Güteverhandlung, den Rechtsstreit beizulegen. Nachdem dies gescheitert war, führte es am 29. August 2006 ein Ortstermin mit Anhörung des Gutachters durch. Anlässlich dieses Ortstermins erläuterte der Gutachter, dass eine feste Abflugvorrichtung, wie sie zwischenzeitlich durch das Urteil des Verwaltungsgerichts angeordnet worden war, zu Schwierigkeiten für die Rückkehr der Tauben zum Schlag führen würde. Mit Urteil vom 13. September 2006 (4 U 148/05) wies das Oberlandesgericht Celle die Berufung der Kläger zurück, weil die Taubenhaltung auf dem Grundstück der Beigeladenen nur mit unwesentlichen Beeinträchtigungen im Sinne des§ 906 BauGB verbunden sei. Dies habe sich als Ergebnis der Beweisaufnahme durch den Senat ergeben. Auflagen, wie sie vom Verwaltungsgericht Braunschweig mit seinem Urteil vom 7. Oktober 2005 ausgesprochen seien, seien nach Ansicht des Senats nicht erforderlich. Eine Ausflugvorrichtung sei nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen im Ortstermin nicht in Betracht zu ziehen, weil sie den Rückflug der ausfliegenden Vögel hindere. Auflagen fester Flugzeiten erübrigten sich, weil nach den Ausführungen des Sachverständigen ohnehin die "Trainingsflüge" morgens und abends nicht zu wesentlichen Beeinträchtigungen führten und darüber hinausgehende Beschränkungen sich aus dem Verhalten des Beklagten nicht als notwendig herausstellten. Mit Beschluss vom 8. März 2007 (V ZR 219/06) hat der Bundesgerichtshof die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen.

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Unter dem 21. Mai 2004 haben die Kläger Klage beim Verwaltungsgericht erhoben, zu deren Begründung sie vorgetragen haben, die Beigeladenen hielten sich nicht an die in der Baugenehmigung enthaltene Beschränkung auf die Anzahl von 39 Tauben. Die Nutzung ihres Grundstücks sei erheblich eingeschränkt, weil die Tauben ihr Grundstück als Ausflug- und Einflugschneise nutzten. Das Grundstück werde durch Staub, Federn und Kot verunreinigt sowie durch unzumutbare Lärmbelästigungen durch Flügelschlagen und ständiges Gurren.

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Die Kläger haben sinngemäß beantragt,

die Baugenehmigung aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Nutzung als Taubenschlag zu untersagen,

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hilfsweise,

die Taubenhaltung nur unter verschiedenen Auflagen zu gestatten, wie etwa Beschränkung der Flugzeiten, maximale Haltung von 10 Tauben oder Verlegung des Einflugbereichs.

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Die Beklagte und die Beigeladenen haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung haben sie darauf verwiesen, dass unzumutbare Störungen nicht einträten durch die Taubenhaltung.

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Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 7. Oktober 2005 der Klage teilweise stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, durch eine Auflage die Flugzeiten der Tauben auf maximal 3 Stunden täglich zu beschränken sowie den festen Einbau der bei der Beweisaufnahme des Landgerichts Hildesheim verwendeten Ausflugeinrichtung aufzugeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, grundsätzlich sei die Brieftaubenhaltung zulässig. Durch eine zeitlich unbeschränkte Nutzung werde allerdings das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme verletzt. Denn die Kläger könnten sich so auf den Taubenflug nicht einstellen. Dementsprechend seien die tenorierten Auflagen zu verfügen. Weitere Beschränkungen seien dagegen nicht notwendig, weil eine unzumutbare Lärmbeeinträchtigung oder Verunreinigung des Grundstücks nicht erkennbar seien. Bei einer Reduzierung der Tauben auf 10 Tiere sei es für die Beigeladenen unmöglich den Brieftaubensport auszuüben, so dass darin ein größerer Eingriff gegenüber den Beigeladenen liegen würde.

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Mit Beschluss vom 2. August 2007 - 1 LA 48/07 - ist die Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil zugelassen worden. Nachdem am 4. Oktober 2007 die Berufungsbegründung der Beigeladenen vorgelegt worden war, haben die Kläger am 2. November 2007 eine Anschlussberufung eingelegt.

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Die Beigeladenen tragen zur Begründung ihrer Berufung vor, eine Beeinträchtigung der Kläger durch den Flug der Tauben sei nicht erkennbar. Eine zeitliche Begrenzung der Flugzeiten sei nicht notwendig, weil diese ohnehin gegeben sei und die Kläger davon Kenntnis hätten, so dass eine "Unsicherheit", wann die Tauben flögen, nicht vorliege. Der feste Einbau der Ausflugvorrichtung sei weder notwendig noch geeignet. Dies ergebe sich aus den Ausführungen des Gutachters, die dieser im Ortstermin vor dem Oberlandesgericht Celle gemacht habe. Sofern man die Erkenntnisse aus dem zivilgerichtlichen Verfahren nicht zugrunde legen wolle, müsse ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt und eine Ortsbesichtigung durchgeführt werden.

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Die Beigeladenen beantragen,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 7. Oktober 2005 die Klage insgesamt abzuweisen.

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Die Kläger beantragen,

die Berufung der Beigeladenen zurückzuweisen und das angefochtene Urteil abzuändern sowie nach den in der Schlussverhandlung der ersten Instanz gestellten Anträgen aus dem Schriftsatz vom 14. Januar 2005, Seite 3 der Sitzungsniederschrift des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 7. Oktober 2005, zu erkennen.

15

Zur Begründung führen sie aus, dass eine funktionelle Unterordnung des Taubenschlags unter die weitere Grundstücksbebauung zu verneinen sei. Bei der Straße J. sowie dem anschließenden Bereich handele es sich um ein allgemeines Wohngebiet mit gehobenem Niveau mit villenartiger Einfamilienhausbebauung. Die Beigeladenen seien dort die einzigen Taubenhalter. Die Taubenhaltung sei deshalb nicht verkehrsüblich und werde von den Nachbarn abgelehnt. Das Gebot der Rücksichtnahme sei verletzt, weil dafür ausreiche, dass von den Tieren Belästigungen und Störungen ausgehen könnten, die nach der Eigenart des Baugebietes unzumutbar seien. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Mindestens seien aber die vom Verwaltungsgericht angeordneten Auflagen notwendig, um unzumutbare Beeinträchtigungen zu vermeiden. Abgesehen davon sei es zwingend notwendig, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen und eine richterliche Augenscheinseinnahme durchzuführen, da eine Verwertung der Ergebnisse aus dem zivilgerichtlichen Verfahren nicht möglich sei. Die Kläger haben im weiteren Verlauf des Verfahrens ein Sachverständigengutachten vorgelegt, in dem die Wertminderung durch die Taubenhaltung für ihr Grundstück mit 30.000,-- EUR veranschlagt wurde.

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Der Beklagte beantragt,

der Berufung stattzugeben und die Anschlussberufung zurückzuweisen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Beigeladenen ist zulässig und begründet. Die rechtzeitig innerhalb der Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO eingelegte und begründete Anschlussberufung der Kläger ist zulässig, aber nicht begründet.

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Die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ist nicht zu beanstanden. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Beschränkung oder Reduzierung der Taubenhaltung.

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In einem allgemeinen Wohngebiet ist ein Taubenschlag für 39 Tauben eine allgemein zulässige Nebenanlage. Die hier mit der Baugenehmigung zugelassene Zahl von 39 Tauben bewegt sich im Rahmen dessen, was von der Rechtsprechung im Allgemeinen in reinen oder allgemeinen Wohngebieten für zulässig gehalten wird (VGH B-W, Urt. v. 17.9.1998 - 3 S 3136/96 -, zitiert nach [...], Frage der Würdigung der Verhältnisse, gerade des betroffenen Wohngebietes: BVerwG, Beschl. v. 1.3.1999 - 4 B 13/99 -, BRS 62 Nr. 85 zum Urt. d. VGH B-W v. 17.11.1998 - 5 S 989/96 -, BRS 60 Nr. 65; 30 Tiere: Beschl. d. Sen. v. 14.4.1999 - 1 M 1382/99 -; 25 Tiere: Beschl. d. Sen. v. 8.10.1985 - 1 B 71/85 -, BRS 44 Nr. 67; Beschl. d. 9. Sen. d.Nds.OVG (allerdings zu Rassetauben) v. 30.8.2004 - 9 ME 101/04 -, ZfBR 2005, 278; für 40 Tauben im reinen Wohngebiet: Beschl. d. Sen. v. 17.3.2005 - 1 LA 222/04 - V.n.b.; Unzulässigkeit der Haltung von 170 Tauben: VGH München, Beschl. v. 9.11.2000 - 2 ZB 98.2281 -, zitiert nach [...]; Urt. d. 6. Sen. d. Nds.OVG v. 14.11.1997 - 6 L 1309/96 -, AgrarR 1999, 103, für 80 Tauben; Urt. v. 26.9.1980 - 6 A 188/78 -, BRS 36 Nr. 49; vgl. auch Bielenberg in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger,BauGB, Stand: 2009, § 14 BauNVO Rdnr. 20 d).

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Die Zulässigkeit im Einzelnen bestimmt sich nach den jeweils vor Ort anzutreffenden Verhältnissen (BVerwG, Beschl. v. 1.3.1999, a.a.O.; Beschl. d. Sen. v. 17.3.2005, a.a.O.). Eine Taubenzucht bewegt sich im Rahmen einer angemessenen Grundstücksnutzung, wenn sie zu einer nach der Verkehrsanschauung für das konkrete Gebiet "passenden" Nutzung gehört, es sich also um "eine herkömmliche oder regional traditionelle Nutzung" handelt (Bielenberg, a.a.O.). Das Verwaltungsgericht hat insofern zu Recht darauf abgestellt, dass in Lengede zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung auf immerhin 15 Grundstücken Brieftaubenzucht betrieben wurde. Dass die Zahl der Taubenhalter sich seither verringert hat, gereicht den Klägern nicht zum Vorteil. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. insbesondere Urt. v. 19.9.1969 - IV C 18.67 -, DÖV 1970, 263 = DVBl. 1970, 62; Urt. v. 14.4.1978 - IV C 96 und 97.76 -, NJW 1979, 995 = DVBl. 1978, 614 = BauR 1978, 289) sind Veränderungen tatsächlicher oder rechtlicher Art, welche erst nach Erteilung der vom Nachbarn angegriffenen Baugenehmigung eintreten und sich zu seinem Nachteil auswirken, nicht zu Lasten des Bauherrn zu berücksichtigen. Diese seinerzeit 15 Taubenzüchter waren damals zwar nicht alle in unmittelbarer Umgebung der Grundstücke beider Beteiligten tätig. Darauf kommt es hier jedoch nicht entscheidend an, weil die Ortschaft Lengede nur eine Größe hat, bei der die gesamte Ortschaft für die Prägung des Gebiets zu berücksichtigen ist. Die Brieftaubenzucht entspricht im Übrigen einer alten "Bergmannstradition", die in Lengede als einer ehemaligen Bergbaugemeinde auch ihren historischen Hintergrund hat.

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Es kommt folgendes selbständig tragend hinzu: Nach den vorliegenden Bildern und Luftbildern lässt sich der Eindruck einer "gehobenen Villengegend", in der eine Taubenhaltung absolut unüblich ist, nicht gewinnen. Das ist eine Feststellung, die auch das OLG Celle aufgrund seiner Ortsbesichtigung getroffen und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Aus diesen Unterlagen ergibt sich mit Eindeutigkeit, dass die Kläger zu Unrecht das Privileg einer "gehobenen Villengegend" in Anspruch zunehmen versuchen. Diese Fallgruppe ist für Sachverhalte reserviert, in denen auf ausgesprochen großzügigen Grundstücken exklusive Eigenheime anzutreffen sind. Das ist hier nicht der Fall. Die Kläger möchten zwar ein Gebäude haben, welches eine gehobenere Ausstattung hat (vgl. dazu insbesondere das im Laufe des Verfahrens vorgelegte Wertgutachten). Dieses Gebäude steht jedoch in einem Bereich, in dem die Gebäude einen vergleichsweise großen Teil der Grundstücksfläche einnehmen. Außerdem zeigen die vorhandenen Fotos, dass die Nachbargrundstücke eben nicht überwiegend exklusiv ausgestattete, eben "villenartige" Gebäude aufweisen.

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Die Berechtigung der Erwartung der Kläger, vor den Auswirkungen einer Taubenzucht verschont zu bleiben, werden schließlich durch die Eigenart der unmittelbar westlich davon anzutreffenden Nutzung mitentscheidend herabgesetzt. Unmittelbar an die Grundstücke der Kläger und der Beigeladenen grenzt eine Grünanlage an, nordwestlich und östlich der Straße "J." schließt sich unbebautes Gelände ("Außenbereich") an; westlich der Grundstücke an der Straße J. befindet sich eine Kleingartenanlage. Der "Besatz" mit Vögeln ist einerseits schon naturgemäß größer als in dicht bebauten Gebieten, andererseits können die abfliegenden Tauben der Beigeladenen bereits nach kurzer Strecke das bewohnte Gebiet verlassen.

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Von der mit der angegriffenen Baugenehmigung zugelassenen Brieftaubenzucht gehen auch keine das in § 15 BauNVO verankerte Rücksichtnahmegebot gegenüber den Klägern verletzende Belästigungen aus. Die von der Taubenhaltung als Nebenanlage ausgehenden Belästigungen oder Störungen sind nicht unzumutbar. Zu berücksichtigen sind bei der Beurteilung dieser Frage alle Beeinträchtigungen, die bei der genehmigten Nutzung regelmäßig zu erwarten sind (König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Aufl. § 15 Rdnr. 9 und 26). Nach dem Vorbringen der Beigeladenen, das durch das Ergebnis der Beweisaufnahme im parallel gelaufenen zivilgerichtlichen Verfahren bestätigt wird (Protokoll der Beweisaufnahme vor dem Oberlandesgericht Celle vom 29. August 2006, Blatt 599 der Gerichtsakten des zivilgerichtlichen Verfahrens), ist davon auszugehen, dass die erwachsenen Tauben nach Geschlechtern getrennt zweimal pro Tag fliegen, und zwar jahreszeitlich bedingt zu relativ festen Zeiten jeweils morgens und abends jede Gruppe eine Stunde. Da maximal drei Gruppen, und zwar Männchen, Weibchen und Jungtauben bestehen, wovon nach dem Vortrag der Beigeladenen die Jungtauben nur einmal am Tag fliegen, kommen maximal drei Stunden vormittags und zwei Stunden nachmittags/abends in Betracht. Die Richtigkeit dieser Angaben des Beigeladenen wird zudem bestätigt durch das im zivilgerichtlichen Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten (Gutachten vom 22.3.2005 und Ergänzungsgutachten vom 8.6.2005 sowie Anhörung des Gutachters in der Verhandlung am 12.7.2005, Blatt 334 und 351 der zivilgerichtlichen Gerichtsakten), auf das der Senat gemäß § 411 a ZPO zurückgreifen kann (Kopp/Schenke, VwGO, 5. Aufl., § 98 Rdnr. 15 a). Damit besteht zwar eine "Unsicherheit" der Kläger darin, dass die Tauben nicht zu einer bestimmten vorher festgelegten Uhrzeit fliegen. Bei der Brieftaubenhaltung ist jedoch aus der Natur der Sache vorgegeben, dass vormittags drei Schwärme ab- und zurückfliegen und nachmittags zwei Schwärme. Die "Abflugszeiten", insbesondere in den Nachmittagsstunden richten sich danach, wann es dunkel wird, liegen also in der "dunkleren Jahreszeit" früher als im Sommer, weil die Tiere bei Helligkeit zurückkehren müssen. Im Sommer kommt hinzu, dass Tauben bei großer Wärme nicht fliegen, also erst vergleichsweise spät starten. Feste Uhrzeiten lassen sich deshalb nur mit großem Aufwand festlegen, in dem für jede Verschiebung des Sonnenauf- bzw. -untergangs früheste Abflugszeiten festgeschrieben werden müssten. Das erforderliche Zahlen-/Datenwerk würde andererseits kaum penibel "auf die Minute" eingehalten werden können, weil im Umgang mit Tieren eine gewisse Ungenauigkeit oder Flexibilität vorausgesetzt werden muss. Andererseits ist der zeitliche Rahmen entsprechend der Jahreszeiten durchaus in groben Zügen erkennbar. Die insoweit bestehende begrenzte Sicherheit reicht jedenfalls aus, um die Beeinträchtigung auch ohne dass Flugzeiten in der Baugenehmigung festgeschrieben werden, noch nicht die Grenze zur Unzumutbarkeit überschreiten zu lassen.

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Befürchtungen der Kläger, dass die Beigeladenen abweichend von der Baugenehmigung eine größere Anzahl von Tauben halten, sind nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der hier im Streit befindlichen Baugenehmigung infrage zu stellen.

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Die Kläger werden auch nicht über die Grenzen des gegenseitig zu beachtenden Rücksichtnahmegebotes zwischen Nachbarn hinaus dadurch einseitig belastet, dass die Tauben durch die nach Westen zum Grundstück der Kläger hin angeordnete Ausflugsöffnung ihr Grundstück in besonders belästigender Weise überflögen. Aus dem im zivilgerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten ergibt sich, dass die Ausflugsvorrichtung, die nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts dauerhaft installiert werden sollte, sich als ungeeignet erweist und gerade nicht geeignet ist, dauerhaft eine Reduzierung der Belästigungen herbeizuführen. Danach gibt es nicht nur Schwierigkeiten beim Rückflug der Tauben und ihrem Einstieg in das Taubenhaus, sondern auch für den Abflug. Nach den Ausführungen des Gutachters sind "schlaue Tiere" schon nach kurzer Zeit in der Lage, die Möglichkeiten zu erkennen, wie die Barriere zu überwinden ist, so dass deren "Steuerungseffekt" ins Leere geht.

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Es kommt hinzu, dass die Beigeladenen nicht die Pflicht trifft, vor allem die Nachteile zu vermeiden, die sich aus ihrer Taubenhaltung zu Lasten der Kläger ergeben können. Auch östlich ihres Grundstücks stehen Wohngebäude. Sie haben bereits dadurch zum Vorteil der Kläger gehandelt, dass sie den Taubenschlag in dem den Kläger abgewandten Teil ihres Grundstücks auf dem vorhandenen Garagengebäude errichtet haben. Angesichts der im Tatbestand geschilderten Entfernungen und der Enge, in der die Gebäude nach den sich aus den Luftbildern ergebenden Eindrücken hier zusammenstehen, haben sie daher schon Erhebliches zum Vorteil der Kläger geleistet.

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Es kommt hinzu, dass es den Klägern aus dem Gesichtspunkt der "architektonischen Selbsthilfe" (vgl. dazu BVerwG v. 23.9.1999 - 4 C 6.98 -, NVwZ 2000, 1050) zuzumuten ist, jedenfalls einen Teil der mit der Taubenzucht verbundenen Nachteile abzuwehren. Zu denken ist namentlich an die Installation eines Drahtzaunes in der Nähe der Grundstücksgrenze oder der Errichtung einer Glaswand als Wange zur Terrasse. Versehen mit einem Raubvogelsymbol würde dies die Folgen der von der Klägerseite geschilderten Tiefflüge in ihrem Terrassenbereich zumindest eindämmen können.

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Vor diesem Hintergrund kann die Anschlussberufung zudem keinen Erfolg haben, soweit sie auf als unzumutbar eingestufte Lärmbelästigungen gestützt wird. Das Oberlandesgericht hat in seiner Berufungsentscheidung vom 13. September 2006 - 4 U 148/05 - sehr eingehend und lebensnah geschildert, dass sich die von den Klägern als Belästigung geschilderten Äußerungen (Gurren) und Reinigungsarbeiten allenfalls untergeordneten Umfangs bemerkbar machen. Das Scharren der Krallen in den Regenrinnen fällt nach allgemeiner Lebenserfahrung ebenfalls nicht als wirklich belästigend ins Gewicht. Die Kläger mögen das subjektiv als schon erhebliche Belästigung empfinden. Ausschlaggebend ist insoweit aber ein objektiver Maßstab. Ihr im Verlauf des Berufungsverfahrens eingereichter Vortrag enthält keine Anhaltspunkte für die Annahme, das könne anders zu sehen sein. Dieser ist allenfalls von der Hoffnung getragen, ein Gutachter möchte ihre Einschätzung teilen. Es kommt aber nicht auf die Einschätzung des Gutachters, sondern darauf an, wie das insoweit im Wesentlichen unstreitige Vorbringen zu würdigen ist.

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Wenn die Kläger anführen, der Wert ihres Hauses werde durch die Taubenhaltung auf dem Nachbargrundstück messbar beeinträchtigt, kann sich das in diesem Zusammenhang nicht entscheidend auswirken. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass "Wertminderungen als Folge der Ausnutzung der einem Dritten erteilten Baugenehmigung ... nicht für sich genommen einen Maßstab dafür <bilden>, ob Beeinträchtigungen im Sinne des Rücksichtnahmegebots zumutbar sind oder nicht" (BVerwG, Beschl. v. 6.12.1996 - 4 B 215/96 -, BRS 58 Nr. 164). Mit anderen Worten: Die Wertminderung selbst führt nicht zur Rücksichtslosigkeit; nur bei erkennbaren Verletzungen des Rücksichtnahmegebotes kann im Rahmen der dann anzustellenden Interessenabwägung eine Wertminderung berücksichtigt werden.

31

Belästigungen durch Kot, Geräusche und Gerüche erreichen angesichts einer Größe der Taubenzucht von maximal 39 Tieren nicht ein Ausmaß, das die - angesichts der in Lengede verbreiteten Taubenhaltung - ortsübliche Beeinträchtigung übersteigt. Im Übrigen ist dass OLG Celle aufgrund seiner Ortsbesichtigung davon ausgegangen, dass insoweit "messbare Ergebnisse" nicht zu erkennen sind. Substantiiertes haben die Kläger hierzu nicht geltend gemacht. Nach den Feststellungen, die das OLG getroffen hatte, durften sich die Kläger auf eine bloße Wiederholung nicht beschränken.

32

Weiterhin ist in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass die Kläger angesichts eines erfolglos über drei Instanzen geführten Zivilrechtsstreits selbst bei Aufhebung der Baugenehmigung gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Folgenbeseitigung, also Untersagung der Nutzung und Beseitigung der Tauben kaum durchsetzen könnten. Der für diesen Anspruch erforderlichen Ermessensreduzierung auf Null, steht immerhin entgegen, dass im Zivilrechtsweg eine unzumutbare Belastung der Kläger nicht festgestellt worden ist. Das durfte der Beklagte im Rahmen seiner Ermessenserwägungen berücksichtigen.

33

Schließlich können sich die Kläger auch nicht auf besondere persönliche Verhältnisse berufen wie besondere Empfindlichkeiten oder gesundheitliche Voraussetzungen, weil diese bei der Zumutbarkeitsbewertung von Belästigungen oder Störungen im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme keine Rolle spielen können, weil dabei auf eine durchschnittliche Empfindlichkeit gegenüber nachbarlichen Beeinträchtigungen abgestellt werden muss (BVerwG, Beschl. v. 14.2.1994 - 4 B 192.93 -, BRS 56, 165).