Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.09.2009, Az.: 2 OA 302/09

Beschwerderücknahme; Erinnerung; Kenntnis; Kostenfestsetzung; Notwendigkeit; Rechtsanwaltskosten; Treu und Glauben; Verfahrensgebühr

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
11.09.2009
Aktenzeichen
2 OA 302/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 45295
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2009:0911.2OA302.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 20.07.2009 - AZ: 4 B 37/08

Fundstellen

  • DVBl 2009, 1467
  • JurBüro 2010, 91-93
  • NJW 2010, 103

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Auch wenn der Beschwerdeführer die Beschwerde nur zur Fristwahrung erhebt und vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist zurücknimmt, ist dem Beschwerdegegner eine zur Kostenfestsetzung angemeldete halbe Verfahrensgebühr eines zu diesem Zeitpunkt bereits in der Beschwerdeinstanz beauftragten Rechtsanwalts grundsätzlich zu erstatten.

  2. 2.

    Der Auftrag des Rechtsanwalts des Antragsgegners zur Rechtsverteidigung endet erst dann, wenn dieser oder der Antragsgegner wissen oder wissen müssen, dass die Beschwerde zurückgenommen worden ist.

Tatbestand:

1

I.

Mit Beschluss vom 29. Dezember 2008 hat das Verwaltungsgericht den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, bis zum Ende des Schuljahres 2008/2009 die Kosten für die Beschulung der Antragstellerin zu übernehmen. Mit Schriftsatz vom 13. Januar 2009 hat der Antragsgegner hiergegen "rein vorsorglich zur Fristwahrung" Beschwerde eingelegt und diese mit einem weiteren Schriftsatz vom 16. Januar 2009 (einem Freitag) - bei dem Senat am selben Tag vorab per Fax um 13.53 Uhr eingegangen - zurückgenommen. Daraufhin hat der Berichterstatter des Senats das Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 19. Januar 2009 - den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zusammen mit der Durchschrift des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 16. Januar 2009 zugegangen am 21. Januar 2009 - eingestellt und dem Antragsgegner die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

2

Auf den Antrag der anwaltlich vertretenen Antragstellerin hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts mit Beschluss vom 25. Februar 2009 die von dem Antragsgegner an sie zu erstattenden (außergerichtlichen) Kosten gemäß §§ 173 VwGO, 104 ZPO auf 706,63 EUR festgesetzt, wobei ein Betrag von 202,90 EUR (0,5 Verfahrensgebühr in Höhe von 150,50 EUR gemäß Nr. 3500 RVG-VV nebst Auslagenpauschale in Höhe von 20 EUR und Umsatzsteuer von 32,40 EUR) auf das Beschwerdeverfahren entfällt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Festsetzung der auf das Beschwerdeverfahren entfallenen Kosten sei gerechtfertigt, weil die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin durch die Einreichung des Antrages, die Beschwerde zurückzuweisen, in ihrem Schriftsatz vom 20. Januar 2009 - bei dem Senat eingegangen am 21. Januar 2009 - gezeigt hätten, dass sie die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels geprüft hätten, und im Zeitpunkt der Einreichung des Schriftsatzes vom 20. Januar 2009 bei Gericht noch keine Kenntnis von der Rücknahme der Beschwerde durch den Antragsgegner gehabt hätten.

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Die Erinnerung des Antragsgegners gegen die Festsetzung der auf das Beschwerdeverfahren entfallenen Kosten in Höhe von 202,90 EUR hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. Juli 2009 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde.

Gründe

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II.

Die nach §§ 165, 151 VwGO statthafte und gemäß § 146 Abs. 1 und 3 VwGO zulässige Beschwerde des Antragsgegners, über die Senat in seiner geschäftsmäßigen Besetzung mit drei Richtern zu entscheiden hat (vgl. Senat , Beschl.v. 11.6.2007 - 2 OA 433/07 -, NVwZ-RR 2007, 816 m.w.N.), hat keinen Erfolg.

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Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts hat auf Antrag der Antragstellerin die ihr von dem Antragsgegner zu erstattenden Prozesskosten gemäß §§ 173 VwGO, 104 ZPO zu Recht auf einen Betrag von 706,63 EUR festgesetzt und hierbei zutreffend den auf das Beschwerdeverfahren entfallenen Betrag von 202,90 EUR in Ansatz gebracht.

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Dem Einstellungsbeschluss des Berichterstatters des Senats vom 19. Januar 2009 zufolge hat der Antragsgegner die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Hierzu gehören auch die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin, wobei gemäß § 32 Abs. 1 RVG für die nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO erstattungsfähigen Gebühren der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin der in dem Beschluss vom 19. Januar 2009 festgesetzte Streitwert von 4 566 EUR maßgeblich ist. Auf dieser Grundlage hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts die der Antragstellerin von dem Antragsgegner nach Maßgabe des Vergütungsrechts des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG - zu erstattenden Kosten sachlich und rechnerisch zutreffend festgesetzt.

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Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist in dem Beschwerdeverfahren eine halbe Verfahrensgebühr gemäß §§ 13, 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 3500 des Vergütungsverzeichnisses (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) - VV-RVG - entstanden. Dieser Gebührentatbestand ist als Auffangklausel weit auszulegen und umfasst jede anwaltliche Tätigkeit, die mit einer Prüfung der Erfolgsaussichten der Beschwerde verbunden ist (Hartmann, RVG, Kommentar, 39. Aufl. 2009, VV 3500 Rdnr. 2 f.). Diese Voraussetzung ist hier gegeben, da die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin sich ausweislich ihres Schriftsatzes vom 20. Januar 2009 mit der Beschwerde des Antragsgegners befasst haben.

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1. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners geht der Senat davon aus, dass die Prozessbevollmächtigten von der Antragstellerin beauftragt worden waren, den die Beschwerde zurückweisenden Antrag zu stellen. Zum einen haben sie versichert, die hierzu erforderliche Rücksprache mit dem Vormund der Antragstellerin sei am 19. Januar 2009 (bei der Angabe des Datums mit "Montag, den 19. Februar 2009" in dem Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 24. August 2009 handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler) telefonisch erfolgt. Zum anderen erstreckt sich die von dem Vormund der Antragstellerin unterschriebene Prozessvollmacht ausdrücklich auf die Einlegung und Rücknahme von Rechtsmitteln, sodass der prozessrechtliche Antrag, die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen, als actus contrarius bereits von dieser Prozessvollmacht mit umfasst ist, zumal er im Hinblick auf die von der Prozessvollmacht gedeckte aktive Einlegung eines Rechtsmittels im Fall des Unterliegens ein Weniger darstellt.

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2. Der Einwand des Antragsgegners, im Zeitpunkt des Tätigwerdens der Prozessbevollmächtigten am 20. Januar 2009 sei aufgrund der am 16. Januar 2009 erklärten Rücknahme objektiv ein gerichtliches Beschwerdeverfahren nicht mehr anhängig gewesen, greift nicht durch. Zwar ist richtig, dass die Rücknahmeerklärung des Antragsgegners vom 16. Januar 2009 das Beschwerdeverfahren unmittelbar beendet hatte, sodass der Einstellungsbeschluss des Berichterstatters des Senats nur deklaratorisch wirkte (vgl. hierzu Wolff, in: Posser/Wolff, VwGO, Kommentar, 2008, § 92 Rdnr. 25 und 27 m.w.N.). Dies wirkt sich aber in kostenrechtlicher Hinsicht nicht in dem von dem Antragsgegner aufgezeigten Sinn aus. Entscheidend für das Entstehen der Verfahrensgebühr ist vielmehr, dass ein mit der Prozessführung bevollmächtigter Rechtsanwalt vor oder nach Prozessbeginn oder - wie hier - nach Einlegung der Beschwerde eine Tätigkeit zur Durchführung des prozessbezogenen Auftrags vorgenommen hat. Dies war hier mit dem Abfassen des Schriftsatzes am 20. Januar 2009 und Einreichen desselben bei dem Senat am 21. Januar 2009 der Fall. Etwas anderes gilt in kostenrechtlicher Hinsicht nur in den Fällen, in denen der Rechtsanwalt am Beschwerdeverfahren entweder gar nicht beteiligt wird (vgl. hierzu Keller, in: Riedel/Sußbauer, RVG, Kommentar, 9. Aufl. 2005, VV Teil 3 Abschnitt 5 Rdnr. 6 m.w.N.) oder er oder der von ihm vertretene Beteiligte Kenntnis davon hat oder hat haben müssen, dass prozessbezogene Tätigkeiten objektiv noch nicht oder nicht mehr erforderlich sind (vgl. hierzu VG Hannover, Beschl.v. 15.4.2008 - 8 A 4549/07 -; bestätigt durch Senat , Beschl.v. 24.6.2008 - 2 OA 305/08 -; Hartmann, a.a.O., VV 3101 Rdnr. 34 f.; Keller, in: Riedel/Sußbauer, a.a.O., VV Teil 3 Vorbem. 3 Rdnr. 30, jeweils m.w.N.).

10

Die Voraussetzungen für diese Ausnahmen liegen indes nicht vor. Die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin sind am Beschwerdeverfahren beteiligt gewesen, da ihnen die Beschwerdeschrift des Antragsgegners vom 13. Januar 2009 von dem Senat übersandt worden ist. Diese Entgegennahme der Beschwerde war von der Prozessvollmacht mit umfasst. Die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin und diese sowie ihr Vormund haben vor Abfassung des Schriftsatzes vom 20. Januar 2009 auch keine Kenntnis von der zuvor von dem Antragsgegner (nur) gegenüber dem Senat erklärten Rücknahme der Beschwerde gehabt, da ihnen der Schriftsatz des Antragsgegners vom 16. Januar 2009 und der Einstellungsbeschluss des Senats vom 19. Januar 2009 erst am 21. Januar 2009 zur Kenntnis gelangt sind. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass sie vor Abfassen des Schriftsatzes vom 20. Januar 2009 von dieser Rücknahmeerklärung Kenntnis hätten haben müssen.

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Etwas anderes ergibt sich auch nicht dann, wenn man maßgeblich auf den Eingang des Schriftsatzes bei dem Gericht abstellt, infolgedessen das Risiko der Verzögerungen zwischen Absendung und Eingang des Schriftsatzes bei dem Gericht dem Absender auferlegt mit der Folge, dass sich der Rechtsmittelgegner im Fall der Kenntniserlangung von der Rücknahme des Rechtsmittels vor Eingang bei dem Gericht so behandeln lassen muss, als hätte er den Schriftsatz in Kenntnis der Rücknahme des Rechtsmittels eingereicht (so Mathias, in: von Eicken/Hellstab/Lappe/Madert/Mathias, Die Kostenfestsetzung, 19. Aufl. 2006, Rdnr. B 508 m.w.N.). Denn die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin haben von der Rücknahme der Beschwerde durch den Antragsgegner erst am 21. Januar 2009 Kenntnis erlangt, während ihr Schriftsatz vom 20. Januar 2009 ebenfalls an diesem Tag bei dem Senat eingegangen war. Die Frage nach der Vorherigkeit ist tagesbezogen zu beantworten, sodass bei einer Kenntniserlangung durch den Rechtsmittelgegner und einem Eingang seines Schriftsatzes bei Gericht am selben Tag nicht von einer vorherigen Kenntniserlangung gesprochen werden kann.

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3. Ein anderes Ergebnis folgt nicht im Hinblick auf die das gesamte Kostenrecht beherrschende Regel, die Kosten für den gegnerischen Beteiligten so niedrig wie möglich zu halten, aus dem Grundsatz von Treu und Glauben. Dieser Grundsatz lässt sich in dogmatischer Hinsicht auf den im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren § 242 BGB und den in § 162 Abs. 1 VwGO genannten Begriff der "Notwendigkeit" der Aufwendungen stützen. Hierbei ist aber insbesondere in den Blick zu nehmen, dass nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig sind, also kraft Gesetzes als "notwendig" angesehen werden. Damit soll es den Beteiligten erleichtert werden, sich in jeder Lage des Verfahrens eines qualifizierten Rechtsvertreters ihrer Wahl zu bedienen, um den Verwaltungsrechtsschutz wirksamer zu gestalten. Daher findet nur in restriktiv zu behandelnden Ausnahmefällen trotz des eindeutigen Gesetzeswortlauts eine Kostenerstattung nicht statt. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Heranziehung eines Rechtsanwalts offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan gewesen ist, dem Gegner Kosten zu verursachen (vgl. hierzu etwa Senat , Beschl.v. 15.8.2003 - 2 OA 117/03 -, NVwZ-RR 2004, 155 = juris Langtext Rdnr. 6; OVG Berlin-Brandenburg , Beschl.v. 1.2.2006 - OVG 1 K 72.05 -, NVwZ 2006, 713 = juris Langtext Rdnr. 10 f.; VG Sigmaringen, Beschl.v. 17.4.2008 - 6 K 151/08 -; Neumann, in: Sodan/ Ziekow, VwGO, Kommentar, 2. Aufl. 2006, § 162 Rdnr. 10 ff. und 55 ff., jeweils m.w.N.; insgesamt ablehnend zur Anerkennung einer derartigen Einschränkung aber Olbertz, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, Stand: Oktober 2008, § 162 Rdnr. 36 unter Hinweis auf ansonsten kaum lösbare Abgrenzungsprobleme).

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Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist ein derartiger Ausnahmefall nicht deshalb gegeben, weil er die Beschwerde ausdrücklich und damit auch für die Antragstellerin erkennbar "rein vorsorglich zur Fristwahrung" erhoben habe und weil diese aufgrund ihres Obsiegens in erster Instanz, ohne rechtliche Nachteile für sich zu befürchten, hätte abwarten können, ob er seine Beschwerde innerhalb der gesetzlichen Frist begründen würde. Es war der in erster Instanz obsiegenden Antragstellerin auch unter Berücksichtigung der oben genannten Grundsätze nicht zuzumuten, (zunächst) untätig zu bleiben, obwohl der unterlegene Antragsgegner den von ihr erstrittenen Beschluss des Verwaltungsgerichts mit der Beschwerde angegriffen hat (Neumann, in Sodan/Ziekow, a.a.O., § 162 Rdnr. 58 m.w.N.; vgl. weiter BGH, Beschl.v. 17.12.2002 - X ZB 9/02 -, NJW 2003, 756 = juris Langtext Rdnr. 11 ff.; Hessisches LAG, Beschl.v. 13.12.1999 - 9 Ta 620/99 -, juris Langtext Rdnr. 19). Der Antragsgegner übersieht bei seiner gegenteiligen Argumentation, dass es bei der Beurteilung der Rechtsmissbräuchlichkeit nicht darauf ankommt, ob der Prozessgegner oder das Gericht die Tätigkeit des bevollmächtigten Rechtsanwalts für nutzlos halten. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob die Tätigkeit des Rechtsanwalts für den von ihn vertretenen Beteiligten von Nutzen ist. Dieser Nutzen beurteilt sich aus der Sicht eines verständigen Prozessbeteiligten und ist wegen der Regelung des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO grundsätzlich anzunehmen. Er kann zur Verhinderung einer rechtsmissbräuchlichen Kostenverursachung nur dann verneint werden, wenn nach den äußeren Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach dem Stand des Streitverfahrens, das Gegenteil offen zutage tritt (Senat , Beschl.v. 15.8.2003 - 2 OA 117/03 -, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Beschl.v. 2.8.2006 - NC 9 S 76/06 -, NVwZ 2006, 1300 = juris Langtext Rdnr. 4 f.; BAG, Beschl.v. 14.11.2007 - 3 AZB 36/07 -, NJW 2008, 1340 [BAG 14.11.2007 - 3 AZB 36/07] = juris Langtext Rdnr. 12 unter Rückgriff auf eine grundsätzlich anzunehmende bestehende "risikobehaftete Situation" im Fall der Einlegung eines Rechtsmittels).

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Derartiges ist hier nicht ersichtlich. Im Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde durch den Antragsgegner und aus der maßgeblichen Sicht der Antragsgegnerin auch noch im Zeitpunkt der Abfassung des Schriftsatzes vom 20. Januar 2009 durch ihre Prozessbevollmächtigten war trotz des Hinweises des Antragsgegners in der Beschwerdeschrift nicht hinreichend deutlich absehbar, dass das Beschwerdeverfahren nicht durchgeführt werden und wie lange es dauern könnte. Angesichts des Obsiegens in erster Instanz kann auch keine Rede davon sein, dass der Antrag der Antragstellerin, die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen, von vornherein aussichtslos gewesen wäre.

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Eine in kostenrechtlicher Hinsicht bestehende Verpflichtung der Antragstellerin, bis zum Ablauf der Begründungsfrist am 30. Januar 2009 abzuwarten, ob der Antragsgegner die Beschwerde begründen und damit unzweifelhaft zu erkennen geben würde, dass er das Beschwerdeverfahren durchzuführen gedächte, kann daher nicht angenommen werden. Es entspricht vielfach der Praxis von Rechtsmittelführern, zunächst das Rechtsmittel fristgerecht einzulegen und die zeitlich längere Frist zur Begründung des Rechtsmittels auszuschöpfen. Diese Vorgehensweise ist prozessual zulässig und dient oftmals auch dazu, das Rechtsmittel zunächst fristwahrend einzulegen, um sich bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist zu überlegen, ob das Rechtsmittelverfahren tatsächlich durchgeführt werden soll, und zwar unabhängig davon, ob dies ausdrücklich in der Rechtsmittelschrift offen gelegt wird oder nicht. Für den Rechtsmittelgegner war daher auch im Fall der Offenlegung dieser Überlegungen durch eine Formulierung wie die von dem Antragsgegner gewählte nicht unzweifelhaft erkennbar, dass die Prüfung der Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsmittels seitens des Rechtsmittelführers noch insgesamt ergebnisoffen war. Ob etwas anderes gilt, wenn der Rechtsmittelführer Derartiges in der Rechtsmittelschrift oder direkt gegenüber dem Rechtsmittelgegner ausdrücklich erklärt und diese Erklärung mit der ausdrücklichen Bitte an den Rechtsmittelgegner verbunden hätte, zunächst von der Beauftragung eines Rechtsanwaltes abzusehen, oder sich die Ergebnisoffenheit unzweideutig und ohne Weiteres auch für den Rechtsmittelgegner aus sonstigen Umständen ergeben hätte, bedarf keiner Entscheidung, da hier ein solcher Fall nicht gegeben ist.

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Der Antragstellerin stand daher das Recht zu, sich in der Beschwerdeinstanz von Beginn an durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin in der Beschwerdeinstanz vor dem Senat gemäß § 67 Abs. 4 VwGO nicht selbst postulationsfähig gewesen ist, sondern sich zwingend eines Rechtsanwalts (bzw. eines sonstigen postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten) bedienen musste. Der nicht ordnungsgemäß vertretene Rechtsmittelgegner kann demgegenüber keine Ausführungen zur tatsächlichen Grundlage des Verfahrens und auch keine Rechtsausführungen machen; diese sind vom Gericht als unbeachtlich zu behandeln (Hartung, in: Posser/ Wolff, a.a.O., § 67 Rdnr. 51 und 54).

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Auf die Frage, ob sich ein Prozessbeteiligter, der sich eines Rechtsanwalts als Prozessbevollmächtigten bedient, einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben deshalb entgegenhalten lassen muss, weil er über eigene ausreichend rechtskundige und insbesondere postulationsfähige Mitarbeiter verfügt, kommt es vorliegend nicht an, weil weder die Antragstellerin als minderjährige Schülerin noch ihr Vormund über derartige Mitarbeiter verfügen.