Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.09.2009, Az.: 14 PS 2/09

Auskunftsanspruch; Beweisbeschluss; Entscheidungserheblichkeit; Entscheidungserheblichkeit, fehlende; Geheimnisschutz; Informationsrecht; LAVES; Lebensmittel; Lebensmittelrecht; Rundfunk; Umweltinformation; Untersuchungen, vorbereitende; Verbraucherinformation

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.09.2009
Aktenzeichen
14 PS 2/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 45314
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2009:0921.14PS2.09.0A

Fundstellen

  • DVBl 2009, 1467
  • DÖV 2009, 1156
  • NVwZ 2010, 198-199

Amtlicher Leitsatz

Zu den - hier verneinten - Voraussetzungen, unter denen das Verwaltungsgericht bei einem in der Hauptsache gegen das LAVES gerichteten, vorrangig auf das Verbraucherinformationsgesetz gestützten Auskunftsbegehren den Fachsenat nach § 189 VwGO anzurufen hat.

Gründe

1

Der Antrag des Klägers ist derzeit unzulässig.

2

Der begehrten Feststellung steht entgegen, dass es gegenwärtig an der grundsätzlich erforderlichen (vgl. zuletzt Senatsbeschl. v. 30.4.2009 - 14 PS 1/09 -), förmlich gefassten (Kammer-)Entscheidung des Verwaltungsgerichts als Gericht der Hauptsache zur Entscheidungserheblichkeit der nicht vorgelegten Aktenteile fehlt. Einer solchen Entscheidung bedarf es nur dann nicht, wenn sich die Entscheidungserheblichkeit des Inhalts der zurückgehaltenen Unterlagen ohne Weiteres aus dem materiellen Recht ergibt (vgl. Senatsbeschl. v. 9.6.2005 - 14 PS 1/05 -). Ein solcher - hier vom Berichterstatter des Hauptsacheverfahrens in seinem Vermerk vom 25. August 2009 angenommener - Ausnahmefall ist nicht gegeben. Dazu reicht es nicht aus, dass im Hauptsacheverfahren gerade um die Bekanntgabe des Inhalts der zurückgehaltenen Akten gestritten wird (vgl. etwa BVerwG, Urt.v. 28.5.2009 - 7 C 18/08 -, GewArch 2009, 374 f. [BVerwG 28.05.2009 - BVerwG 7 C 18.08], zu einem - gerade ohne Einsichtnahme - abschließend entschiedenen Auskunftsanspruch nach dem UIG; vgl. aber ohne nähere Differenzierung auch Wustmann, ZLR 2009, 161 ff., sowie Mühlbauer, DVBl. 2009, 354, 357 ff.). Hinzu kommen muss, dass über den geltend gemachten Anspruch auf Bekanntgabe ohne die Kenntnis der umstrittenen Aktenteile zweifelsfrei nicht entschieden werden kann (vgl. BVerwG, Beschl.v. 24.8.2009 - 20 F 2/09 -, juris). Hieran mangelt es vorliegend.

3

Das Verwaltungsgericht hat zunächst mehrere, keineswegs zweifelsfrei zu beantwortende Rechtsfragen zur Auslegung des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) vom 5. November 2007 (BGBl. I S. 2558) zu klären, bevor es ggf. im Einzelfall und evtl. auch nur bezogen auf einzelne von mehreren hier umstrittenen Fallgruppen auf die genaue Kenntnis der umstrittenen Akten ankommt und damit eine Vorlage an den Fachsenat nach § 189 VwGO geboten ist.

4

Es ist schon nicht hinreichend eindeutig, ob der Kläger auch als juristische Person, zumindest aber in seiner Eigenschaft als öffentlich rechtliche Rundfunkanstalt überhaupt nach § 1 Abs. 1 VIG antragsberechtigt ist. Ebenso wenig liegt es auf der Hand, dass der Beklagte insoweit nach § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VIG auskunftsverpflichtet ist. Dem könnte entgegenstehen, dass der Beklagte im Rahmen der Lebensmittelüberprüfung lediglich verwaltungsintern, nicht aber nach außen tätig wird. Eine Tätigkeit mit Außenwirkung wird aber jedenfalls für die Qualifikation als Behörde i.S.d. § 1 Abs. 4 VwVfG vorausgesetzt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 1, 52, m.w.N.), auf den § 1 Abs. 2 Satz 1 VIG ausdrücklich Bezug nimmt. Der Beklagte hat sich auf einen so begründeten Versagungsgrund gegenüber dem Beigeladenen mit Schreiben vom 28. Mai 2008 ursprünglich selbst berufen.

5

Beantwortet man mit den Beteiligten in diesem Verfahren beide Fragen im Sinne des Klägers, wofür Überwiegendes sprechen mag, ist vom Verwaltungsgericht weiterhin konkret für die Verhältnisse in Niedersachsen (vgl. zur Lage in Nordrhein - Westfalen OVG Münster, Beschl.v. 27.5.2009 - 13a F 13/09 -) zu entscheiden, ob der Beklagte vorliegend nicht nur vorbereitende Untersuchungen i.S.d. Art. 7 Abs. 3 VO (EG) 882/2004 durchführt und dies der Auskunftserteilung gemäß § 1 Abs. 4 VIG entgegensteht.

6

Verneint man auch dies, ist schließlich vom Verwaltungsgericht auf der Grundlage der vorhandenen Informationen zu klären, ob die vom Beklagten für die teilweise Auskunftsverweigerung geltend gemachten Gründe eine solche - unabhängig von den tatsächlichen Verhältnissen - rechtlich überhaupt tragen können, ob also etwa der Umstand, dass der Hersteller einer vom Beklagten beanstandeten Fleischprobe für den Mangel möglicherweise gar nicht verantwortlich ist, die Annahme des Beklagten rechtfertigt, deshalb läge insoweit eine nach § 2 Satz 1 Nr. 2c VIG der Auskunftserteilung entgegenstehende "sonstige wettbewerbsrelevante Information" vor, oder dieser Gesichtspunkt nach § 4 Abs. 1 Satz 3 VIG zum Ausschluss des Auskunftsanspruchs führt.

7

Ebenso ist vom Verwaltungsgericht und nicht vom Fachsenat die Frage zu beantworten, ob eine fehlende Gegenprobe i.S.d. Art. 11 Abs. 5 und 6 VO (EG) 882/2004 bereits nach europäischem Recht (vgl. dazu etwa OVG Münster, Beschl.v. 29.10.2008 - 13 B 1317/08 -, m.w.N.) und/oder - wie vom Beklagten wohl angenommen - nach § 2 Satz 1 Nr. 2c VIG der Auskunftserteilung entgegensteht oder ggf. nur zu einem ergänzenden Hinweis nach § 5 Abs. 3 Satz 2 VIG verpflichtet bzw. berechtigt.

8

Da es sich insoweit jeweils um Rechtsfragen handelt, ist eine Einsicht in die umstrittenen Akten zu ihrer Beantwortung nicht erforderlich. Auf den Inhalt der Akten kommt es erst an, wenn noch tatsächliche Fragen zu klären sind, also etwa danach, ob tatsächlich - wenn dies für den Auskunftsanspruch rechtlich relevant wäre - im Einzelfall keine Möglichkeit zur Gegenprobe bestand (vgl. dazu jetzt § 7 GPV v. 11.8.09 (BGBl. I S. 2852)) und insoweit ein Geheimhaltungsinteresse geltend gemacht wird.

9

Erst recht bedarf es zur Klärung der weiteren vom Kläger aufgeworfenen und ebenfalls nicht völlig eindeutig zu verneinenden Fragen, ob sich der geltend gemachte Anspruch nicht auf §§ 4, 25 NdsPresseG oder zumindest partiell auch auf § 3 NUIG i.V.m. § 3 UIG stützen lässt, nicht zweifelsfrei der Einsicht in die bislang geheim gehaltenen Akten.