Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.09.2009, Az.: 11 ME 447/09
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 11.09.2009
- Aktenzeichen
- 11 ME 447/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 45294
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2009:0911.11ME447.09.0A
Verfahrensgang
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 11. Senat - am 11. September 2009
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 10. Kammer - vom 9 September 2009 wie folgt geändert:
- a)
Der Antrag hinsichtlich der Auflage Nr. 1 (Routenführung), die aufschiebende Wirkung der Klage wieder herzustellen, wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Zwischenkundgebung genehmigt.
- b)
Auflage Nr. 3 (Information der Versammlungsteilnehmer über die Route) wird geändert und wie folgt gefasst:
Die versammlungsrechtlich zum Zeitpunkt des Aufzuges feststehende Route und die angeordneten versammlungsrechtlichen Auflagen sind von dem Versammlungsleiter den Teilnehmern bekannt zu geben.
- c)
Die aufschiebende Wirkung der Klage wird hinsichtlich der Auflage Nr. 12 Satz 2 mit der Maßgabe wiederhergestellt, dass der Antragsteller dafür Sorge zu tragen hat, dass in gleichartiger Weise dunkel gekleidete Teilnehmer nicht ihn Blockform während des Aufzuges nebeneinander gehen.
- d)
Die aufschiebende Wirkung der Klage wird hinsichtlich der Auflage Nr. 13 Satz 2 mit der Maßgabe wiederhergestellt, dass es untersagt wird, auf Kleidungsstücken durch Verdecken einzelner Buchstaben die im Bescheid vom 17. September 2009 genannten Buchstaben- oder Zahlenfolgen zum Ausdruck zu bringen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt 2/3 der Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller meldete für die NPD einen Aufzug für den 12. September 2009 in Hannover an (Motto: Sturmfest und erdverwachsen). Dieser Aufzug wurde unter Auflagen genehmigt (Bescheide der Antragsgegnerin vom 17.8.2009 und 3.9.2009). Dem dagegen gerichteten Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gab das Verwaltungsgericht (nur) in Einzelaspekten statt.
Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hat lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Nach § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz kann die zuständige Behörde die Versammlung verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Durch diese Vorschrift wird das Grundrecht des Art. 8 GG, wonach alle Deutschen das Recht haben, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, beschränkt. Die Möglichkeit der Beschränkung der Versammlungsfreiheit ist in Art. 8 Abs. 2 GG ausdrücklich vorgesehen.
Bei Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, müssen die Verwaltungsgerichte schon im Eilverfahren durch eine möglichst umfangreiche Prüfung dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen versammlungsrechtlichen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt. Soweit möglich, ist die Rechtmäßigkeit der Maßnahme zu prüfen; im Übrigen kommt es auf eine sorgsame Interessenabwägung an (vgl. hierzu BVerfGE 69, 315, 363 ). Das der zuständigen Behörde durch § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz eingeräumte Entschließungsermessen ist grundrechtlich gebunden. Die Versammlungsfreiheit hat nur dann zurückzutreten, wenn eine Abwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Freiheitsrechtes ergibt, dass dies zum Schutz anderer mindestens gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist. Die behördliche Eingriffsbefugnis setzt eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung in der vom Antragsteller beantragten Form voraus. Die unmittelbare Gefährdung wiederum setzt eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt. Außerdem müssen zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung erkennbare Umstände dafür vorliegen, dass eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Das setzt nachweisbare Tatsachen als Grundlage der Gefahrenprognose voraus; bloße Vermutungen reichen nicht (BVerfG, Urt.v. 22.3.2002, NVwZ 2002, 983). Das aus Art. 8 Abs. 1 GG abzuleitende Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters bezieht sich dabei in der Regel auch auf Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Versammlung, kann allerdings durch Rechte anderer beschränkt sein. Rechtsgüterkollisionen können gegebenenfalls durch versammlungsrechtliche Auflagen ausgeglichen werden.
Nach diesen Kriterien war im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden beiderseitigen Interessenabwägung der Beschwerde nur teilweise zu entsprechen.
1. Soweit sich der Antragsteller gegen die ihm vorgegebene Route wendet, bleibt sein Begehren erfolglos (a).) Die Antragsgegnerin hat aber eine Zwischenkundgebung zu ermöglichen (b).
a) Die Antragsgegnerin hat mit zutreffenden Erwägungen die ursprünglich vom Antragsteller angemeldete Route schon deswegen nicht bestätigt, weil diese Route weitgehend durch andere Veranstaltungen einschließlich deren Vor- und Nachbereitung belegt ist, und zwar vor allem in dem Bereich Steintorpark (Werbeveranstaltung für die Firma C.) und Kröpcke, Opernplatz, Aegidientorplatz (Aufbauarbeiten für den sog. Großraumentdeckertag am 13. September 2009; Kröpcke zudem noch: Warm-up für diesen Großraumentdeckertag).
Soweit der Antragsteller in der Beschwerde vorträgt, die für den DGB mit Bescheid vom 7. September 2009 genehmigte Route beziehe gleichwohl den Aegidientorplatz mit ein, trifft das nicht zu. Die für den DGB mit Bescheid vom 7. September 2009 genehmigte Route bezog zwar zunächst diesen Platz mit ein, dieses ist aber mit Bescheid vom gleichen Tage noch geändert worden, so dass dem DGB nunmehr (nur) die vom Verwaltungsgericht in seinem Beschluss genannte Route vorgegeben ist.
Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin - unabhängig von den oben aufgezählten Behinderungen - die ursprünglich vom Antragsteller gewählte Route durch die Innenstadt sinngemäß auch zu Recht aus übergeordneten Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht bestätigt.
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht dargelegt, dass der NPD-Aufzug, auch wenn nur mit 200 - 300 oder 500 Teilnehmern zu rechnen sein soll, umfassend von Polizeikräften zu begleiten ist, wobei die Aufzugstrecke zudem zeitlich vor aber auch nach dem eigentlichen von 12.00 - 17.00 Uhr angesetzten Aufzug zu sichern ist. Dem Senat ist bekannt, dass bereits im Vorfeld der Versammlung zu Probeblockaden jedweder Art aufgerufen worden ist, um die Durchführung der NPD-Versammlung zu verhindern. So hieß es in entsprechenden Internet-Aufrufen u.a.
"... Aktionstraining gegen Nazi-Aufmarsch in Hannover!
In einer Aktion des massiven zivilen Ungehorsams können wir die Nazis aufhalten ... lasst uns gemeinsam am 30. August (2009) in einem Aktionstraining üben, wie wir die Nazis stoppen können. Blockieren ist unser Recht!,
und an anderer Stelle:
"... In den letzten Jahren waren es immer wieder Blockaden, die notwendig waren, um einen Nazi-Aufmarsch zu verhindern.
Unser Ziel ist es, Aufmärsche und andere Aktionen der Nazis erfolgreich zu verhindern. Wenn dies nicht möglich ist, sollen sie massiv behindert werden. Wird sind dort, wo die Faschisten sind. Wir wollen nicht fernab Demonstrationen oder Kundgebungen abhalten, denn es geht uns darum, den Nazis auf der Straße entgegenzutreten."
Schon das Verwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 28. August 2009 (10 B 3436/09) darauf hingewiesen, dass derartige (Probe-)Blockaden rechtswidrig und eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit seien. Aufgrund dieses Aufrufs zu Blockaden speziell bezogen auf die am 12. September 2009 stattfindende Demonstration der NPD, aber auch aufgrund von Erkenntnissen aus zahlreichen zurückliegenden NPD-Demonstrationen, ist davon auszugehen, dass es zu im Einzelnen nicht vorhersehbaren und nur schwer vorab zu unterbindenden Aktionen linksextremer Kräfte kommt, die als einzelne Gruppen, häufig aber auch aus dem Schutz genehmigter in der Regel friedlicher Gegendemonstrationen heraus agieren und deren Ziel es ist, den NPD-Aufzug erheblich zu be- oder zu verhindern. Der Vortrag des Antragstellers im Beschwerdeverfahren, die Polizei müsse "nur" 300 NPD-Demonstranten schützen, trifft damit nicht den Kern der zu erwartenden Gefahrensituation.
Der Antragsteller kann auch nicht darauf verweisen, diese Störungen gingen von dem linken Spektrum, insbesondere dem sogenannten "Schwarzen Block" der Linksextremen aus, so dass vorrangig diese in Anspruch zu nehmen seien, nicht aber er als Nichtstörer. Der Senat folgt insoweit der Einschätzung der Antragsgegnerin, dass gewaltbereite Aktionen auch aus der Versammlung der NPD zu befürchten sind. Die Ereignisse u.a. in Hamburg (01.05.2008), Berlin (06.12.2008), Dresden (14.02.2009 - vgl. hierzu Lagebericht der Antragsgegnerin vom 11.08.2009) haben gezeigt, dass sich auch innerhalb eines NPD-Aufzugs zunehmend "Schwarze Blöcke" formieren (sog. Autonome Nationalisten). Diese "Autonomen Nationalisten" zeichnen sich durch eine signifikant höhere Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeikräften und dem politischen Gegner aus (Verfassungsschutzbericht 2007, www.bmi.bund.de). Dabei deklarieren die "Autonomen Nationalisten" ihre Gewalt als Reaktion auf staatliche Gewalt und Notwehr (Bundesamt für Verfassungsschutz, "Autonome Nationalisten", Stand Mai 2007). Diese hohe Gewaltbereitschaft lässt sich teilweise auch den einschlägigen Internetseiten der einzelnen Gruppierungen entnehmen. So heißt es dort unter anderem unter http://logr.org/leerostfriesland/uber-uns/:
"Da wir uns zum militanten Teil der nationalen Bewegung zählen, ... Durch die einheitliche schwarze Kleidung erschweren wir z.B. der Polizei eine Identifizierung der Demonstrationsteilnehmer bei z.B. einer Vermummung oder durch Werfen von Gegenständen aus dem Block."
, unter www.logr.org/delmenhorst/nationaler-sozialismus:
"...sowie die Übernahme des "schwarzen Blocks" als wohl auffälligste Aktionsform, der Repression und Polizeiwillkür auf Demonstrationen effektiv entgegenwirken kann. Das bedeutet in der Praxis beispielsweise, die Durchsetzungsfähigkeit unserer Rechte zu stärken, Verhaftungen zu verhindern oder Schikanen und Gewaltanwendung entschlossen entgegenzutreten."
und unter http://www.ab-west.net:
"Wer aber meint, er müsse uns mit Gewalt davon abhalten, der wird sehr schnell die passende Antwort erhalten ... Wer uns auf die rechte Wange schlägt, der bekommt anschließend Rechts und Links eine!"
(Letzteres zitiert aus: Bundesamt für Verfassungsschutz, "Autonome Nationalisten", Stand Mai 2007).
Die Prognose der Teilnahme gewaltbereiter (rechter) Demonstrationsteilnehmer in Hannover lässt sich insbesondere auf die Teilnahme solcher gewaltbereiter Demonstranten an der zum 1. Mai 2008 in Hamburg durchgeführten Versammlung Rechtsextremer stützen. Entgegen dem Vortrag des Antragstellers ist dabei davon auszugehen, dass in Hamburg Gewalt auch von den rechtsextremen Versammlungsteilnehmern ausgegangen ist, und diese nicht ausschließlich als Notwehr zu qualifizieren war. So hat der Polizeisprecher der Hamburger Polizei in der Nachschau der Ereignisse in Hamburg angegeben, dass etwa 80 % der Teilnehmer des rechten Aufzugs von der Polizei als gewaltbereit eingestuft worden seien (vgl. DIE WELT vom 2.5.2009). Diese Einschätzung der Polizei wird auch bestätigt durch den Internetauftritt eines damaligen Versammlungsteilnehmers unter http://www.wider stand.info/2465/1 maiinhamburgdernationalewiderstandkaempftesicherfolgreichdurchbarmbek/, der unter anderem ausführt, dass es "einer der erlebnisreichsten, kämpferischsten Einsätze der letzten Jahre, der geprägt war von teilweise offenen Konfrontationen mit gewaltbereiten Linken,"gewesen sei. Weiter wird dort ausgeführt, die Kameraden stürmten entschlossen auf die Linksautonomen zu", "in aktiver Selbsthilfe säuberten die Kameraden den Bahnhof von Linken"" und dass es bei fast einem Jahr Mobilisierungszeit zu erwarten gewesen sei, "dass es in Barmbek einen heißen Tanz geben würde" (vgl. Beschl.d. Sen. v. 27.04.2009 - 11 ME 225/09 -).
Es ist davon auszugehen, dass diese sog. Freie Kräfte/Autonome Nationalisten an der Demonstration der NPD am 12. September 2009 teilnehmen. Der Antragsteller, der seit dem 24. Mai 2009 Landesvorsitzender in der NPD ist, hat - nach den vom Antragsteller nicht angezweifelten Ausführungen der Antragsgegnerin in dem Auflagenbescheid vom 17.08.2009/ 03.09.2009 - die Kontakte zu dieser Gruppierung verstärkt, er gilt innerhalb der Rechten Szene als jemand mit guten Verbindungen zu den sog. Freien Kräften. Auch hat er nach seiner Wahl zum Landesvorsitzenden erklärt, dass er die unterschiedlichen rechten Gruppierungen als Teil einer geschlossenen nationalen Bewegung ansehe und eine enge Zusammenarbeit mit diesen Kräften erreichen wolle. Diese Zusammenarbeit ist auch daran deutlich geworden, dass der Antragsteller anlässlich der durch die Freien Kameradschaften angemeldeten, im Ergebnis verbotenen Versammlung am 1. Mai 2009 in Hannover nachträglich bereit war, als Versammlungsleiter zu fungieren. Von der aus diesen Verflechtungen resultierenden Befürchtung, anlässlich des NPD-Aufzugs würden auch gewaltbereite nationale Autonome und andere vergleichbare Gruppierungen auftreten, hat der Antragsteller sich nicht deutlich distanziert. Insbesondere hat er nicht zu erkennen gegeben, wie er etwaige - ohne Anlass oder aufgrund von Provokationen erfolgende - Gewaltaktionen aus der NPD-Versammlung heraus zu unterbinden gedenkt. Es ist aber von einem Veranstalter zu erwarten, dass er im Vorfeld einer Versammlung deutliche Signale setzt, die auf die Gewaltfreiheit der Durchführung der Versammlung gerichtet sind ( BVerfG, Beschl.v. 14.07.2000 - 1 BvR 1245/00 -, NJW 2000, 3051 [BVerfG 14.07.2000 - 1 BvR 1245/00]).
Sind nach alledem gewaltsame Auseinandersetzungen anlässlich der angemeldeten Versammlung zu befürchten, ist das Verwaltungsgericht mit der Antragsgegnerin zutreffend davon ausgegangen, dass ein Aufzug der NPD unmittelbar durch den Kernbereich der Innenstadt von Hannover aufgrund der damit der Versammlung unterlegten Bedeutung aller Voraussicht nach noch mehr auf eine Konfrontation bedachte Linksextreme mobilisiert als eine etwas außerhalb des unmittelbaren Stadtkernes durchgeführte Versammlung. Zu Recht hat die Antragsgegnerin dabei berücksichtigt, dass Hannover eine sehr kompakte Innenstadt mit ca. 500 Kaufhäusern und Einzelhandelsgeschäften hat und daraus folgend in der Innenstadt eine sehr hohe Passantenfrequenz aufweist (nach Darstellung der Antragsgegnerin liegt Hannover auf Platz 2 der deutschen Großstädte), was sich insbesondere an den Sonnabenden (der 12.09.2009 ist ein Sonnabend) zeigt.
Auseinandersetzungen in der Innenstadt würden daher nicht nur für die Teilnehmer der NPD-Versammlung und der Gegendemonstration sowie für die eingesetzten Polizeibeamten, sondern auch für eine Vielzahl unbeteiligter Bürger (u.a. Geschäftsinhaber und Einwohner, die gerade am Sonnabend häufig mit der Familie Einkäufe tätigen) zu einer Gefährdung von Leib und Leben sowie von Sachgütern führen. Die Antragsgegnerin hat im angefochtenen Bescheid plausibel dargelegt, dass die relativ dichte Bebauung in der Innenstadt die zur Unterbindung dieser Gefahrensituation erforderliche Aufstellung der Polizeikräfte und Bereitstellung der notwendigen polizeilichen Geräte nicht zulässt; es sei denn, das tägliche Leben käme für die Dauer der Demonstration faktisch zum Erliegen, was aber nicht mehr verhältnismäßig wäre.
Aus den dargestellten Gründen hat die Antragsgegnerin daher aller Voraussicht nach zu Recht die vom Antragsteller zu 1) ursprünglich benannte Route nicht bestätigt.
Aus den obigen Ausführungen folgt zugleich, dass die in der Beschwerde als Hilfsantrag zu 1) benannte Routenführung, die ebenfalls durch innerstädtisches Gebiet führt oder der im Hilfsantrag zu 2) sinngemäß enthaltene Vorschlag, die für die NPD in der Südstadt und dem DGB noch innerhalb des innerstädtischen Bereichs festgelegten Routen auszutauschen, zur Verringerung der anlässlich der Demonstration des Antragstellers zu befürchtenden Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht geeignet sind.
Die Verlegung der von dem Antragsteller angemeldeten Route in die Südstadt ist damit dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Auch auf dieser Alternativroute kann sich der Antragsteller öffentlichkeitswirksam darstellen. Dabei geht der Senat von den Ausführungen des ortskundigeren Verwaltungsgerichts aus, wonach die Aufzugstrecke "durch zum Teil äußerst belebte Wohn- und Geschäftsstraßen" führt.
Dem in der Beschwerde als Hilfsantrag zu 3) formulierten Begehren nach einer längeren Route durch die Südstadt war nicht zu entsprechen. Das Verwaltungsgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass diese gewünschte Route aufgrund ihrer Länge von (wohl) 4,7 km mit den zur Verfügung stehenden ca. 2 300 Polizisten, die zudem den DGB-Aufzug und die genehmigten drei stationären Kundgebungen der Partei "Die Linke" (Bescheid v. 08.09.2009) sichern müssen, nicht zu bewältigen ist. Allein dass die von der Antragstellerin unter Hilfsantrag 3) genannte Route einer ihr 2004 genehmigten Route entsprechen soll, steht den obigen Ausführungen nicht entgegen, da maßgeblich auf die heutigen Verhältnisse abzustellen ist.
Auch sieht der Senat mit dem Verwaltungsgericht keinen Anlass, an dem Vortrag der Antragsgegnerin zu zweifeln, es stünden insgesamt nur ca. 2 300 Polizeikräfte zur Verfügung und Einsatzkräfte aus anderen Bundesländern könnten nur in sehr geringem Umfang beigezogen werden, da auch andere Bundesländer für das Wochenende am 11./12. September 2009 Unterstützungsersuchen gestellt hätten. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin sich nicht zumutbar um weitere Kräfte bemüht hat, sind nicht ersichtlich. Dem Senat ist vielmehr aus den Medien bekannt, dass am kommenden Wochenende an vielen Orten Polizeikräfte gebunden sind. Im Übrigen sind Ordnungsbehörden nicht dazu verpflichtet, Polizeikräfte ohne Rücksicht auf sonstige Sicherheitsinteressen in unbegrenztem Umfang bereitzustellen. Selbst wenn man die NPD-Versammlung (entgegen den oben dargelegten Anzeichen für gewaltbereite Aktionen auch aus ihrer Mitte) als Nichtstörer ansehen würde, steht das Gebot, vor der Inanspruchnahme von Nichtstörern eigene sowie ggf. externe Polizeikräfte gegen die Störer einer Versammlung einzusetzen, stets unter dem Vorbehalt der tatsächlichen Verfügbarkeit solcher Kräfte ( BVerfG, Beschl.v. 10.05.2006 - 1 BvQ 14/06 -, NVwZ 2006, 1049 m.w.N.).
b) Allerdings weist der Antragsteller zutreffend darauf hin, dass die ihm zunächst in der Südstadt eröffnete Route (vgl. Bescheid v. 17.08.2009) durch den ergänzenden Bescheid vom 3. September 2009 um zwei Straßen (Bischofsholer Damm und Am Südbahnhof) verkürzt wurde, so dass die nunmehr genehmigte Strecke (wohl) unter 2 km liegt.
Zwar dürfte die Herausnahme der Straße "Am Südbahnhof" (und als logische Konsequenz dann auch der Straße Bischofsholer Damm) schon deswegen gerechtfertigt sein, weil - wie dem Senat aus Presseberichten bekannt ist - die beigeladene Firma ihren Sitz in der Straße Am Südbahnhof hat und am 12. September 2009 ihr 90-jähriges Bestehen feiert und diese Feier - naturgemäß - nicht wiederholbar ist.
Die dem Antragsteller nunmehr zuerkannte Route ist mit (wohl) unter 2 km jedoch relativ kurz. Sie ist zudem nicht so attraktiv wie die ursprünglich begehrte innerstädtische Route. Es entspricht daher dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, eine Zwischenkundgebung zuzulassen. Allerdings kann diese Zwischenkundgebung nicht auf Höhe des Henriettenstiftes stattfinden, da dieses einerseits durch den Verkehr der Krankenwagen frequentiert wird und andererseits mit Patienten belegt ist, die besonderer Ruhe bedürfen. Nach Einschätzung des Senats wäre aber möglicherweise eine Zwischenkundgebung an der Einmündung Berliner Allee/Kestner Straße denkbar. Die endgültige Entscheidung hierüber liegt in Absprache mit dem Antragsteller jedoch aufgrund der besseren Ortskenntnisse und der zu berücksichtigenden polizeitaktischen Überlegungen bei der Antragsgegnerin. Dass allein durch das Abhalten einer Zwischenkundgebung ein weiterer Bedarf an Personalkräften besteht, vermag der Senat nicht zu erkennen.
2. Soweit der Antragsteller mit der Beschwerde die Auflagen Nr. 3 angreift, gibt der Senat ihr aus Gründen der Klarheit statt und hat die Auflagen Nr. 3 wie im Tenor niedergelegt neu gefasst. Damit sind die vom Antragsteller geltend gemachten (etwaigen) Unklarheiten dazu, wie die im Bescheid vom 3. September 2009 enthaltene Bezugnahme auf den vorangegangenen Bescheid vom 17. August 2009 zu verstehen ist, beseitigt.
3. Hinsichtlich der Auflage Nr. 12, Satz 2 ("Darunter fällt auch das Tragen gleichartiger durchweg dunkler Kleidung ...") wird die aufschiebende Wirkung der Klage mit der Maßgabe wiederhergestellt, dass der Antragsgegner dafür zu sorgen hat, dass gleich dunkel gekleidete Teilnehmer in Blockform in der NPD-Versammlung nicht nebeneinander gehen. Nur in dieser abgeschwächten Form erweist sich die Auflage als verhältnismäßig. Das von der Antragsgegnerin ausgesprochene generelle Verbot, gleichartige durchweg dunkle Kleidung (schwarz/blau/militärgrün) wie z.B. Pullover, Hemden, T-Shirts etc. zu tragen, erweist sich in der bisherigen Form dagegen als unverhältnismäßig. Das Tragen dunkler Kleidung ist bei jüngeren Generationen typisch. Allein daraus kann nicht auf die Absicht geschlossen werden, eine militärische, einschüchternde Wirkung erzeugen zu wollen. Auch ist den Teilnehmern der Versammlung nicht zwangsläufig bekannt, welche Kleidungsstücke andere Teilnehmer der Versammlung anziehen werden. Es obliegt dem Antragsteller als Versammlungsleiter, ggf. für eine zureichende Streuung möglicherweise unabsichtlich gleich gekleideter Teilnehmer zu sorgen.
Sollte sich zu Beginn der Demonstration allerdings ein bewusst herbeigeführtes einheitliches Bekleidungsbild ergeben, kann die Antragsgegnerin dagegen mit versammlungsrechtlichen Maßnahmen, unter Umständen auch der Auflösung der Versammlung einschreiten.
4) Hinsichtlich der Auflage Nr. 13 Satz 2 ("Das Tragen von Bekleidungsstücken mit Aufschrift, aus denen (sich) durch teilweises Überdecken die Buchstaben- und Zahlenfolge ... ergeben kann, ist verboten") war die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen. Dieser Teil der Auflage ist zu weit gefasst und damit unverhältnismäßig, denn es wird generell das Tragen von Bekleidungsstücken verboten mit Aufschriften, aus denen sich die genannten Buchstaben- oder Zahlenfolgen ableiten lassen kann. Damit ist z.B. auch das Tragen eines T-Shirts verboten, das den Schriftzug Lonsdale in seiner Gesamtheit erkennen lässt. Insoweit ist es unter Berücksichtigung des Gebots der Verhältnismäßigkeit ausreichend zu untersagen, auf Kleidungsstücken aufgedruckte Namen während des Aufzuges so zu verdecken, dass der noch sichtbare Teil nicht in ein nationalistisches (Buchstaben- oder Zahlen-)Symbol umgedeutet wird.
Lediglich um etwaigen Missverständnisse vorzubeugen, sei hinsichtlich der Auflage Nr. 13 Satz 1 (die nicht Streitgegenstand im Beschwerdeverfahren ist) auf Folgendes zur Klarstellung hingewiesen:
Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung die Auflage Nr. 13 Satz 1 zweiter Satzteil als zu unbestimmt und damit rechtswidrig angesehen, weil unklar sei, wann in den Augen der breiten Öffentlichkeit Embleme oder Tätowierungen den Eindruck (nicht den Schriftzug) "Hass" hervorrufen können. Dagegen hat es die Auflage Nr. 13 Satz 1 erste Alternative als rechtmäßig angesehen, da Schriftzüge mit dem Wort "Hass" in der rechtsextremistischen Szene als Abkürzung für Begriffe wie Ausländerhass, Judenhass oder Nationalhass zu verstehen sind und auch Embleme oder Tätowierungen mit einem Totenköpfen auf eine einschüchternde Wirkung ausgelegt sind.
5) Soweit sich der Antragsteller in seiner Beschwerde auch gegen die Auflage Nr. 5 (Lautstärke) wendet, hat dieses keinen Erfolg. Der Senat macht sich insoweit die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu Eigen und verweist auf sie, um Wiederholungen zu vermeiden. Die Auflage, nach 7 Minuten Musikdarbietung jeweils 5 Minuten Pause einzulegen, ist zum Schutze der den Aufzug begleitenden Polizeibeamten gerechtfertigt. Ebenso ist ein Lautstärkepegel von 90 dB(A) gemessen in einem Meter Abstand von dem Lautsprecher angemessen, um die Anwohner vor unzumutbaren Lärmbelästigungen zu schützen. Um ein Überschreiten des Lärmpegels zu vermeiden, ist es auch nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin verlangt, die Anlage so einzustellen, dass mehr als 90 dB(A) technisch nicht erzeugt werden können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Anlass, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, besteht nicht.
Streitwertbeschluss:
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.
Der Beschluss ist unanfechtbar.