Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.07.2023, Az.: 5 ME 44/23

Zustimmungserfordernis; Ausschluss aus dem Bewerberkreis; Bewerbungsverfahren; Dokumentationspflicht; einstweiliger Ruhestand; Organisationsgrundentscheidung; politische Beamte; Staatssekretär; Bewerbungsverfahrensanspruch

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.07.2023
Aktenzeichen
5 ME 44/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 24167
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:0705.5ME44.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 03.05.2023 - AZ: 2 B 2381/23

Fundstellen

  • DÖV 2023, 823
  • NVwZ-RR 2023, 1052
  • NordÖR 2023, 553

Amtlicher Leitsatz

Ehemalige "politische Beamte", die sich im einstweiligen Ruhestand befinden, haben zwar keinen Anspruch auf Rückkehr in ihr früheres Dienstverhältnis, ihnen ist jedoch die Bewerbung auf eine ausgeschriebene Stelle und die Teilnahme an einem Bewerbungsverfahren nicht verwehrt.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 2. Kammer - vom 3. Mai 2023 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 68.388,48 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Streitgegenstand ist die Entscheidung des Antragsgegners, den Antragsteller aus einem Stellenbesetzungsverfahren auszuschließen.

Der 1961 geborene Antragsteller wurde im Jahr 1995 zum Richter am Verwaltungsgericht (Besoldungsgruppe R 1) ernannt. Nach seiner Versetzung an das Niedersächsische Ministerium für D. wurde er im Jahr 2004 unter Entlassung aus dem Richterverhältnis auf Lebenszeit und Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Ministerialrat (Besoldungsgruppe A 16) ernannt. Mit Wirkung vom ... 2009 wurde er zum Leitenden Ministerialrat (Besoldungsgruppe B 3) zunächst im Beamtenverhältnis auf Probe und sodann mit Wirkung vom ... 2011 im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit ernannt. Der Antragsteller wurde zum ... 2018 an den Antragsgegner versetzt. Er wurde am ... 2019 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Ministerialdirigenten (Besoldungsgruppe B 6) ernannt. Mit Wirkung vom ... 2020 wurde der Antragsteller unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit zum Staatssekretär (Besoldungsgruppe B 9 mit Amtszulage) ernannt. Nach einem Regierungswechsel wurde er am ... 2022 in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

Der Antragsgegner schrieb in der Niedersächsischen Rechtspflege Nr. 11/2022 vom 15. November 2022 (Seite 342) die Stelle "Präsidentin oder Präsident (w/m/d) des Nds. Oberverwaltungsgerichts" aus.

Auf diese Stelle bewarben sich der Antragsteller und zwei weitere im richterlichen Dienst stehende Bewerber.

Mit Vermerk vom 15. März 2023 schlug die zuständige Personalreferentin des Antragsgegners vor, über die Eignung des Bewerberfeldes in einem gestuften Auswahlverfahren zu befinden und in einer ersten Auswahl den Antragsteller aus dem Besetzungsverfahren auszuschließen, weil er infolge seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand von vornherein keinen Anspruch habe, an dem Auswahlverfahren teilzunehmen und im Rahmen der zu treffenden Auswahlentscheidung berücksichtigt zu werden. Der Antragsteller sei bereits am ... 2022 und damit zeitlich vor Ausschreibung der zu besetzenden Stelle gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. Durch den Verweis in § 30 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG auf § 29 Abs. 2 BeamtStG werde dem früheren Dienstherrn zwar die Möglichkeit eröffnet, den politischen Beamten erneut in das Beamtenverhältnis zu berufen. Umgekehrt habe der politische Beamte aber keinen Anspruch auf die Reaktivierung durch den früheren Dienstherrn. § 29 Abs. 1 BeamtStG, der die Reaktivierung auf Betreiben des Beamten selbst regele, werde in § 30 Abs. 3 BeamtStG nicht für entsprechend anwendbar erklärt. Diese Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers würde unterlaufen, wenn der politische Beamte seine Reaktivierung dadurch betreiben könnte, dass er sich auf eine ausgeschriebene Stelle bewerbe und - ungeachtet des fehlenden Anspruchs auf Rückkehr in den Dienst - wie jeder andere Bewerber in dem betreffenden Auswahlverfahren zu berücksichtigen wäre. Auch die Rechtsprechung gehe davon aus, dass ein Ruhestandsbeamter nicht einem sonstigen Stellenbewerber gleichzusetzen sei. Vielmehr müsse der in den Ruhestand versetzte Beamte zunächst in den aktiven Dienst zurückkehren (dürfen), um die Grundvoraussetzungen für einen Anspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG zu erfüllen, d. h. er müsse entweder reaktiviert worden sein oder zumindest einen dahin gehenden Anspruch haben. Beides sei im Hinblick auf den Antragsteller nicht der Fall. Diese Rechtsprechung habe zwar Beamte betroffen, die wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden seien. Sie sei auf den Fall des einstweiligen Ruhestandes eines politischen Beamten aber ohne Weiteres übertragbar. Denn die Vorschrift des § 30 BeamtStG über politische Beamte verweise wegen der Folgen der Versetzung in den Ruhestand auf die Vorschrift des § 29 BeamtStG über die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit bzw. dessen Absätze 2 und 6. Der Antragsteller habe auch keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über sein Begehren, in den aktiven Dienst zurückzukehren. § 30 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 29 Abs. 2 BeamtStG stelle die Entscheidung über die Reaktivierung des (politischen) Beamten zwar in das Ermessen des Dienstherrn, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne der Ruhestandsbeamte, dessen erneute Berufung entgegen seinen Wünschen nicht berücksichtigt worden sei, die sachgerechte Ausübung dieses Ermessens aber nicht im Sinne eines subjektiven Rechts einfordern. Als Rechtsfolge sehe § 29 Abs. 2 BeamtStG ausschließlich eine Verpflichtung des Beamten vor, der erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis Folge zu leisten. Diese eine einseitige Verpflichtung begründende Regelung lasse schon dem Wortlaut nach nicht erkennen, dass zugleich Rechte des Beamten hätten konstituiert werden sollen. Das Recht des Beamten, erneut in das Beamtenverhältnis berufen zu werden, regele § 29 Abs. 1 BeamtStG - der allerdings nicht für politische Beamte gelte - abschließend. Auch der Grundsatz "Rehabilitation vor Versorgung" gebe für eine beabsichtigte Begünstigung des Ruhestandsbeamten nichts her. Die mögliche Beendigung des (einstweiligen) Ruhestandes und die damit einhergehende Senkung der Versorgungslasten diene ausschließlich dem öffentlichen Interesse, nicht aber den Belangen des Beamten im Ruhestand. Das niedersächsische Landesrecht sehe - anders als für in den Bundestag oder Landtag gewählte Beamte - auch keinen Anspruch des politischen Beamten auf Rückkehr in ein zuvor innegehabtes Amt oder Dienstverhältnis vor, sodass der Antragsteller sich auch nicht aus seinem alten Statusamt der Besoldungsgruppe B 3 heraus auf die ausgeschriebene Stelle bewerben könne.

Mit Schreiben vom 20. März 2023 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass die Auswahlentscheidung für die vorgenannte Stelle in einem "gestuften Auswahlverfahren" erfolgt und der Antragsteller in einer ersten Auswahl aus dem Auswahlverfahren ausgeschlossen worden sei, weil er als Ruhestandsbeamter von vornherein keinen Anspruch habe, an dem Auswahlverfahren teilzunehmen und im Rahmen der zu treffenden Auswahlentscheidung berücksichtigt zu werden.

Daraufhin hat der Antragsteller am 6. April 2023 beim Verwaltungsgericht Hannover um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.

Das Verwaltungsgericht Hannover hat mit Beschluss vom 3. Mai 2023 dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, vor Ablauf von zwei Wochen nach Bekanntgabe einer erneuten Auswahlentscheidung an den Antragsteller, längstens bis zur Bestandskraft des an den Antragsteller gerichteten Bescheides vom 20. März 2023, die in der Stellenausschreibung in der Niedersächsischen Rechtspflege Nr. 11/2022 ausgeschriebene Stelle der Präsidentin oder des Präsidenten des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zu besetzen.

Dagegen hat der Antragsgegner am 15. Mai 2023 Beschwerde beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht eingelegt. Der Antragsteller ist der Beschwerde entgegengetreten.

II.

Die Beschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen eine Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht. Der beschließende Senat folgt dem Antragsgegner nicht, soweit dieser meint, er habe den Antragsteller in zulässiger Weise von dem Auswahlverfahren "Präsidentin oder Präsident (w/m/d) des Nds. Oberverwaltungsgerichts" ausgeschlossen.

1. Art. 33 Abs. 2 GG gewährleistet jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt im statusrechtlichen Sinne nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Der Leistungsgrundsatz oder Grundsatz der Bestenauslese wird durch Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet (BVerfG, Kammerbeschluss vom 2.10.2007 - 2 BvR 2457/04 -, juris Rn. 10; BVerwG, Urteil vom 25.11.2004 - BVerwG 2 C 17.03 -, juris Rn. 13 f.; Urteil vom 30.8.2018 - BVerwG 2 C 10.17 -, juris Rn. 9). Belange, die nicht im Leistungsgrundsatz verankert sind, können deshalb als immanente Grundrechtsschranken bei der Besetzung öffentlicher Ämter nur Berücksichtigung finden, wenn sie ebenfalls Verfassungsrang haben (BVerfG, Kammerbeschluss vom 2.10.2007- 2 BvR 2457/04 -, juris Rn. 11; BVerwG, Urteil vom 25.11.2004 - BVerwG 2 C 17.03 -, juris Rn. 14; Nds. OVG, Beschluss vom 3.12.2018 - 5 ME 141/18 -, juris Rn. 17).

Art. 33 Abs. 2 GG gilt bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst und bei Beförderungsentscheidungen (BVerwG, Beschluss vom 25.3.2010 - 1 WB 37.09 -, juris Rn. 21; Nds. OVG, Beschluss vom 3.12.2018 - 5 ME 141/18 -, juris Rn. 18), denn beide Entscheidungen betreffen die Begründung bzw. Änderung des Amtes im statusrechtlichen Sinne. Art. 33 Abs. 2 GG dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes; dessen fachliches Niveau und rechtliche Integrität sollen gerade durch die ungeschmälerte Anwendung des Leistungsgrundsatzes gewährleistet werden. Zum anderen trägt die Vorschrift dem berechtigten Interesse der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass sie ein grundrechtsgleiches Recht auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch). Jeder Bewerber um ein öffentliches Amt hat einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die durch Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 20.6.2013 - BVerwG 2 VR 1.13 -, juris Rn. 19 f.; Beschluss vom 19.12.2014 - BVerwG 2 VR 1.14 -, juris Rn. 16 f.; Nds. OVG, Beschluss vom 3.12.2018 - 5 ME 141/18 -, juris Rn. 18) bzw. durch andere verfassungsrechtliche Belange gerechtfertigt sind.

Die aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bindungen für den Entscheidungsspielraum des Dienstherrn entfalten ihre Wirkungen vor allem bei der abschließenden Personalauswahl selbst. Art. 33 Abs. 2 GG hat jedoch auch (verfahrensrechtliche) Auswirkungen auf das Verwaltungsverfahren, welches dieser Personalauswahlentscheidung vorgelagert ist, ebenso wie auf die "Organisationsgrundentscheidung" (diesen Begriff verwendend etwa BVerwG, Beschluss vom 25.3.2010 - BVerwG 1 WB 37.09 -, juris Rn. 26, siehe auch Nds. OVG, Beschluss vom 3.12.2018 - 5 ME 141/18 -, juris Rn. 20 ff.; Beschluss vom 1.2.2023 - 5 ME 93/22 -, juris Rn. 23ff.) im Hinblick auf den Bewerberkreis, die wiederum dem Verwaltungsverfahren vorgelagert ist.

Zwar ist dem Schutzbereich des Art. 33 Abs. 2 GG ein von der eigentlichen Auswahlentscheidung abzugrenzender Bereich der allein öffentlichen Interessen dienenden Organisationshoheit des Dienstherrn vorgelagert. Diese ist mit einem weiten Gestaltungs-, Beurteilungs- und Ermessensspielraum verbunden (BVerwG, Urteil vom 10.12.2020 - BVerwG 2 A 2.20 -, juris Rn. 13). Der Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG ist daher erst auf der Grundlage einer vom Dienstherrn im Rahmen seiner Organisationsgewalt zur Verfügung gestellten und für die Wahrnehmung bestimmter öffentlicher Aufgaben gewidmeten Stelle eröffnet (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 12.1.2022 - 6 CE 21.2833 -, juris Rn. 13; Nds. OVG, Beschluss vom 1.2.2023 - 5 ME 93/22 -, juris Rn. 24). Aus der Organisationsfreiheit des Dienstherrn folgt grundsätzlich ein Wahlrecht, ob und in welcher Form er eine freie Stelle (wieder) besetzen will. Er entscheidet über die Einrichtung und nähere Ausgestaltung von Dienstposten nach organisatorischen Bedürfnissen und Möglichkeiten. Dabei steht es insbesondere in seinem allein personalwirtschaftlich bestimmten Ermessen, ob er eine freie Stelle im Wege der Einstellung, Anstellung, Beförderung, Versetzung, Abordnung oder Umsetzung besetzen will. Grundrechte der Beamten werden in diesem Stadium der Stellenbewirtschaftung nicht berührt. Ihnen steht daher keine subjektiv-rechtliche Rechtsposition zu, kraft der sie auf dem Organisationsermessen des Dienstherrn beruhende Entscheidungen zur gerichtlichen Überprüfung stellen könnten. Die Bereitstellung und Ausgestaltung von Stellen und deren Bewirtschaftung dienen grundsätzlich allein dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben. Hierdurch nimmt der Dienstherr keine Verpflichtung gegenüber seinen Bediensteten wahr (BVerwG, Urteil vom 10.12.2020 - BVerwG 2 A 2.20 -, juris Rn. 15 m. w. N.; Nds. OVG, Beschluss vom 3.12.2018 - 5 ME 141/18 -, juris Rn. 23; Beschluss vom 1.2.2023 - 5 ME 93/22 -, juris Rn. 24 f.; Sächs. OVG, Beschluss vom 2.11.2022 - 2 B 265/22 -, juris Rn. 10).

Um indes einen Bewerber für den Fall nicht rechtsschutzlos zu stellen, dass ihm aufgrund einer - nicht an den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG zu messenden - Organisationsentscheidung des Dienstherrn die Berücksichtigung in einer Auswahlentscheidung, die den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG verpflichtet ist, möglicherweise zu Unrecht verschlossen bleibt, unterliegt die Frage, ob der Dienstherr die im Rahmen seines grundsätzlich sehr weiten personalwirtschaftlichen Ermessens erfolgte Begrenzung des Bewerberkreises etwa aus unsachlichen, unvernünftigen oder willkürlichen Beweggründen getroffen hat, in diesen großzügig gesteckten Grenzen dennoch der gerichtlichen Nachprüfung (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 12.1.2022 - 6 CE 21.2833 -, juris Rn. 19 m. w. N.; Nds. OVG, Beschluss vom 3.12.2014 - 5 ME 141/18 -, juris Rn. 24, Beschluss vom 1.2.2023 - 5 ME 93/22 -, juris Rn. 26; Sächs. OVG, Beschluss vom 2.11.2022 - 2 B 265/22 -, juris Rn. 10).

2. Mit Blick auf diese Maßstäbe hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass der Ausschluss des Antragstellers aus dem Bewerbungsverfahren um die Besetzung der Stelle "Präsidentin oder Präsident (w/m/d) des Nds. Oberverwaltungsgerichts" mit der Begründung, der Antragsteller sei zeitlich vor Ausschreibung der vorgenannten Stelle in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden, der rechtlichen Überprüfung nicht standhält.

a) Allerdings hat der Antragsgegner nicht dadurch verfahrensfehlerhaft gehandelt, dass er zeitlich vor dem Ausschluss des Antragstellers aus dem Auswahlverfahren nicht die Zustimmung (Einwilligung) der Landesregierung eingeholt hat.

Die Landesregierung, die nach Art. 38 Abs. 2 der Niedersächsischen Verfassung die Berufsrichter und Beamten ernennt und entlässt, hat nach Art. 38 Abs. 3 Niedersächsische Verfassung in Verbindung mit § 8 Abs. 1 NBG und Nr. 1.2.1 ihres Beschlusses vom 27. November 2012 (Nds. MBl. S. 1241) die dienstrechtlichen Befugnisse für die Beamten der Besoldungsordnungen A, B und R, vergleichbare Arbeitnehmer sowie Richter grundsätzlich auf die obersten Landesbehörden übertragen. Nach Nr. 1.2.2 Satz 1 dieses Beschlusses bedürfen Entscheidungen in Ausübungen der dienstrechtlichen Befugnisse, die Ämter der Besoldungsordnung B und der Besoldungsordnung R von der Besoldungsgruppe R 3 an aufwärts sowie Arbeitsplätze der Arbeitnehmer mit entsprechender Vergütung betreffen, der vorherigen Zustimmung (Einwilligung) der Landesregierung. Der Begriff der "dienstrechtlichen Befugnisse" ist im Gemeinsamen Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums des Innern, der Niedersächsischen Staatskanzlei und der übrigen Ministerien vom 28. November 2012 (Nds. MBl. S. 1242) erläutert. Gemäß Nr. 1.1.1 a) und h) in Verbindung mit Nr. 6.1 dieses Runderlasses werden von dem Beschluss der Landesregierung vom 27. November 2012 die dienstrechtlichen Befugnisse sowohl für die Begründung des Beamtenverhältnisses (Einstellung), des öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses und des Richterverhältnisses erfasst als auch für die Verleihung eines anderen Amtes mit anderem Endgrundgehalt. Dagegen ist der Ausschluss eines Beamten, Richters oder Arbeitnehmers aus einem Auswahlverfahren nicht als eine Entscheidung in Ausübung der dienstrechtlichen Befugnisse im vorgenannten Runderlass aufgeführt mit der Folge, dass eine solche Ausschlussentscheidung nicht gemäß Nr. 1.2.2 des Beschlusses der Landesregierung vom 27. November 2012 (Nds. MBl. S. 1241) der vorherigen Zustimmung der Landesregierung bedarf. Dass es ständige Verwaltungspraxis gewesen wäre, über den Wortlaut des Gemeinsamen Runderlasses vom 28. November 2012 hinaus in den Fällen des Ausschlusses eines Beamten, Richters oder Arbeitnehmers aus einem Auswahlverfahren die Einwilligung der Landesregierung einzuholen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Der vom Antragsteller angeführte Fall betrifft nicht den Ausschluss, sondern die Ernennung eines in den einstweiligen Ruhestand versetzten Staatssekretärs zum Ministerialdirigenten und zum Mitglied des Niedersächsischen Landesrechnungshofs (vgl. ...). Ist eine erweiternde Auslegung der Regelungen des vorgenannten Runderlasses bisher nicht praktiziert worden, besteht also keine dahingehend bindende Verwaltungspraxis, so musste der Antragsgegner nicht erstmals im vorliegenden Verfahren die Einwilligung der Landesregierung zum Ausschluss des Antragstellers aus dem streitgegenständlichen Auswahlverfahren einholen.

b) Entgegen der Ansicht des Antragsgegners geht aus dem Text der Ausschreibung nicht klar hervor, dass die streitgegenständliche Stelle nur für aktive Beamte und Richter ausgeschrieben worden ist, Beamte im (einstweiligen) Ruhestand hingegen vom Auswahlverfahren ausgeschlossen worden sind (vgl. dazu Beschwerdebegründung vom 25.5.2023 - BB -, S. 10 ff. [Bl. 83 ff./GA]).

Unter der Überschrift "Stellenausschreibungen" heißt es auf Seite 341 der Niedersächsischen Rechtspflege Nr. 11/2022 vom 15. November 2022:

"Bei allen Neueinstellungen sind Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund erwünscht und willkommen.

...

Sämtliche nachfolgende Ausschreibungen von Planstellen richten sich an Bewerberinnen und Bewerber, die im Zeitpunkt der Bewerbung bereits im niedersächsischen Landesdienst stehen. Für alle Bewerberinnen und Bewerber, die im Zeitpunkt der Bewerbung nicht im niedersächsischen Landesdienst stehen, ist die erfolgreiche Absolvierung eines strukturierten Interviews Voraussetzung für eine Übernahme als Richterin oder Richter, Staatsanwältin oder Staatsanwalt, Beamtin oder Beamter in den Justizdienst des Landes Niedersachsen.

Für folgende Stellenausschreibungen wird Bewerbungen bis zum 10. Dezember 2022 auf dem Dienstweg entgegengesehen."

Auf Seite 342 dieses Heftes der Niedersächsischen Rechtspflege ist dann unter II. die Stelle "Präsidentin oder Präsident (w/m/d) des Nds. Oberverwaltungsgerichts" ausgeschrieben.

Der vorgenannte Ausschreibungstext enthält keinen eindeutigen und klaren Ausschluss von Beamten im (einstweiligen) Ruhestand aus dem Auswahlverfahren. Einerseits heißt es dort, nachfolgende Ausschreibungen von Planstellen richteten sich an Bewerber, die im Zeitpunkt der Bewerbung "bereits im niedersächsischen Landesdienst stehen". Beamte im einstweiligen Ruhestand wie der Antragsteller stehen nicht mehr "im niedersächsischen Landesdienst", denn mit der Versetzung in den Ruhestand endet das Beamtenverhältnis gemäß §§ 30 Abs. 3 Satz 1, 21 Nr. 4 BeamtStG. Diese Formulierung spricht dafür, dass die Ausschreibung begrenzt auf "aktive" Beamte im niedersächsischen Landesdienst erfolgt ist. Entsprechend hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt in seinem Beschluss vom 13. Februar 2007 (-1 M 22/07 -, juris Rn. 4 f.) festgestellt, dass sich aus dem Zusatz "Nur für Bewerber/-innen aus der Landesverwaltung Sachsen-Anhalt" ein Ausschluss einer Staatssekretärin im einstweiligen Ruhestand ergebe. Andererseits ist die Formulierung "Bewerberinnen und Bewerber, die im Zeitpunkt der Bewerbung bereits im niedersächsischen Landesdienst stehen" im Zusammenhang mit dem nachfolgenden Satz zu sehen. Dort heißt es nicht etwa, dass für alle Bewerberinnen und Bewerber, die im Zeitpunkt der Bewerbung im Dienste eines anderen Bundeslandes, des Bundes oder einer Kommune stünden, die erfolgreiche Absolvierung eines strukturierten Interviews Voraussetzung für eine Übernahme als Richterin oder Richter, Staatsanwältin oder Staatsanwalt, Beamtin oder Beamter in den Justizdienst des Landes Niedersachsen sei. Statt einer solchen eindeutigen Beschränkung auf aktive Beamte wird die insoweit weiter gefasste Formulierung "für alle Bewerberinnen und Bewerber, die im Zeitpunkt der Bewerbung nicht im niedersächsischen Landesdienst stehen" verwendet. "Nicht im niedersächsischen Landesdienst" stehen aber - wie sich aus §§ 30 Abs. 3 Satz 1, 21 Nr. 4 BeamtStG ergibt - auch Ruhestandsbeamte.

Auch wenn berücksichtigt wird, dass beide Sätze erst in Folge des Beschlusses des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 3. Dezember 2018 (- 5 ME 141/18 -, juris) von dem Antragsgegner in den Ausschreibungstext eingeführt worden sind, ergibt sich kein eindeutiger Ausschluss von Ruhestandsbeamten aus dem Auswahlverfahren. In dem vorgenannten Beschluss hatte der beschließende Senat einen Fall zu entscheiden, indem der Bewerberkreis nach der Ausschreibung und nach Kenntnis der Bewerbung eines Richters aus einem anderen Bundesland auf "Landeskinder" beschränkt worden war. Er hatte festgestellt, dass dieses Vorgehen und der damalige Ausschreibungstext:

"Im Hinblick auf die aktuelle personalwirtschaftliche Situation bleibt nach Kenntnis des Bewerberfeldes vorbehalten, das Auswahlverfahren auf niedersächsische Bewerberinnen und Bewerber zu beschränken."

unzulässig sind. Als Reaktion auf diese Rechtsprechung hat der Antragsgegner seinen jeweiligen Stellenausschreibungen die beiden vorgenannten Sätze vorangestellt, die dazu führen, dass bei Bewerbern aus anderen Bundesländern - anders als bei niedersächsischen Bewerber - ein strukturiertes Interview Teil des Auswahlverfahrens ist. Diese Entstehungsgeschichte spricht dafür, dass der Antragsgegner allein eine modifizierte Landeskinderklausel (deren Rechtmäßigkeit vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht bislang nicht zu überprüfen war) eingeführt, nicht aber eine Regelung zum Ausschluss von Ruhestandsbeamten aus den Auswahlverfahren beabsichtigt hat. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass in Satz 2 die Rede von einer "Übernahme als Richterin oder Richter, Staatsanwältin oder Staatsanwalt, Beamtin oder Beamter in den Justizdienst des Landes Niedersachsen" ist. Denn der Begriff der "Übernahme" ist im Gegensatz zu Begriffen wie beispielsweise Versetzungen (§ 28 NBG) oder Abordnungen (§ 27 NBG) kein vorgeprägter Rechtsbegriff mit der Folge, dass aufgrund dieser sprachlichen Offenheit nicht ausgeschlossen ist, dass es sich auch um die "Übernahme" eines Beamten im (einstweiligen) Ruhestand in ein aktives Beamten- bzw. Richterverhältnis handeln könnte.

Ferner lässt nicht die Mitteilung in der Ausschreibung, dass Bewerbungen bis zum 10. Dezember 2022 auf dem Dienstweg entgegengesehen werde, unmissverständlich auf einen Ausschluss von Ruhestandsbeamten schließen. Zwar steht der Dienstweg nur aktiven Beamten zur Verfügung, allerdings handelt es sich dabei nicht um ein zwingendes Auswahlkriterium, sondern eine bloße Formalie, wie sich bereits daraus ergibt, dass es in der Stellenausschreibung zuvor heißt: "Bei allen Neueinstellungen sind Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund erwünscht und willkommen." Eine Bewerbung auf eine Neueinstellung kann aber - wie eine Bewerbung aus dem Ruhestand - nicht auf dem Dienstweg erfolgen.

Soweit sich der Antragsgegner auf den Beschluss des Senats vom 1. Februar 2023 (- 5 ME 93/22 -, juris) bezogen hat, so hat diesem eine andere Fallkonstellation zugrunde gelegen. In dem vorgenannten Fall hatte ein Tarifbeschäftigter vorläufigen Rechtsschutz gegen die von ihm bestrittene Begrenzung des Auswahlverfahrens auf Beamte beantragt. Der Senat ist ihm nicht gefolgt und hat festgestellt, dass die streitgegenständliche Stelle ausschließlich für Beamte ausgeschrieben worden sei, folge zum einen aus der im Ausschreibungstext enthaltenen (weiteren) Information, dass die ausgeschriebene Stelle mit der Besoldungsgruppe A 13gZ BBesG bewertet sei, und zum anderen aus der dort angegebenen Qualifikationsanforderung "Laufbahnbefähigung für den gehobenen technischen Verwaltungsdienst"; zudem heiße es im Ausschreibungstext, es sei beabsichtigt, eine Förderungsentscheidung zu erzielen, so dass Bewerbungen von "Beamtinnen und Beamten", die bereits der Besoldungsgruppe des ausgeschriebenen Dienstposten angehörten, (nur) als Interessenbekundung entgegengenommen würden. Keine dieser Formulierungen findet sich im streitgegenständlichen Ausschreibungstext.

Schließlich folgt ein Ausschluss des Antragstellers als Ruhestandsbeamter nicht daraus, dass es sich bei der ausgeschriebenen Stelle "Präsidentin oder Präsident (w/m/d) des Nds. Oberverwaltungsgerichts" um ein Amt der Besoldungsgruppe R 8 handelt (vgl. Anlage 4 zu §§ 5, 32 NBesG) und damit nicht um ein Einstiegsamt, sondern regelmäßig um ein Beförderungsamt im Sinne des § 20 Abs. 1 NBG, § 2 Abs. 1 NRiG. Der Antragsgegner hat zutreffend darauf hingewiesen, dass § 17 Abs. 2 Nr. 3 DRiG die Aushändigung einer Urkunde zur Verleihung eines anderen Amtes mit anderem Endgrundgehalt zwecks Ernennung voraussetzt. Dass es sich bei der ausgeschriebenen Stelle nicht um ein Einstiegsamt handelt und eine Urkunde über die Ernennung zum Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts auszuhändigen ist, schließt aber nicht aus, dass sich Versetzungsbewerber oder - wie hier - Bewerber aus dem einstweiligen Ruhestand auf die streitgegenständliche Stelle bewerben können.

c) Der Antragsgegner dringt auch nicht mit seinem Beschwerdevorbringen, es hätte einer ausdrücklichen Beschränkung der Ausschreibung auf aktive Beamte und Richter nicht bedurft, durch.

Klarzustellen ist insoweit, dass es sich bei der Beschränkung des Bewerberkreises um eine sogenannte Organisationsgrundentscheidung handelt. Im Unterschied zu der eigentlichen Auswahlentscheidung unterliegt eine Organisationsgrundentscheidung nicht unmittelbar der Dokumentationspflicht, die die Rechtsprechung zu beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten um Beförderungsämter aus Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG hergeleitet hat. Gleichwohl ist unter dem Blickwinkel der "verfahrensrechtlichen Absicherung der Einhaltung der Maßstäbe des Art. 33 Abs. 2 GG" auch für eine Organisationsgrundentscheidung ein Nachweis zu fordern, der verhindert, dass die Grundlagen der Auswahlentscheidung nachträglich zulasten einzelner Bewerber verändert werden. Denn mit der Festlegung des Modells, nach dem die Auswahl erfolgen soll, wird zugleich eine (Vor-)Entscheidung über den Auswahlmaßstab getroffen (BVerwG, Beschluss vom 24.2.2022 - BVerwG 1 WB 40.21 -, juris Rn. 25; Nds. OVG, Beschluss vom 3.12.2018 - 5 ME 141/18 -, juris Rn. 31 m. w. N.; Beschluss vom 1.2.2023 - 5 ME 93/22 -, juris Rn. 29). Allerdings dürfen die Anforderungen an die diesbezügliche Dokumentation nicht überspannt werden und sind deshalb grundsätzlich nicht an eine besondere Form gebunden. Ein Nachweis kann grundsätzlich auch durch einen entsprechenden Vermerk in den Akten des Auswahlverfahrens geführt werden, solange er die Funktion, eine nachträgliche Veränderung der Auswahlgrundlagen zu verhindern, erfüllt. Je mehr die Organisationsentscheidung aus sich heraus nachvollziehbar und auf offenkundige sachliche Gründe zurückzuführen ist, desto weniger bedarf es einer näheren, schriftlich festzuhaltenden Erläuterung dieser Gründe (BVerwG, Beschluss vom 24.2.2022 - BVerwG 1 WB 40.21 -, juris Rn. 25 m. w. N.; Bay. VGH, Beschluss vom 12.1.2022 - 6 CE 21.2833 -, juris Rn. 23; Nds. OVG, Beschluss vom 3.12.2018 - 5 ME 141/18 -, juris Rn. 31 m. w. N.; Beschluss vom 1.2.2023 - 5 ME 93/22 -, juris Rn. 29, Sächs. OVG; Beschluss vom 2.11.2022 - 2 B 265/22 -, juris Rn. 10).

Vorliegend fehlt es an jeglichem Nachweis dafür, dass und warum der Antragsgegner eine Organisationsgrundentscheidung dahin gehend getroffen haben will, Ruhestandsbeamte von dem streitgegenständlichen Auswahlverfahren auszuschließen. Wenn eine Stelle beschränkt ausgeschrieben wird, ist zwar nachgewiesen, dass zuvor eine entsprechende Organisationsgrundentscheidung getroffen worden ist. Abgesehen davon, dass dann gleichwohl die Ausschlussgründe - hier mangels Offenkundigkeit - noch zu dokumentieren wären (vgl. dazu Nds. OVG, Beschluss vom 3.12.2018 - 5 ME 141/18 -, juris Rn. 33), ergibt sich ein solcher Ausschluss nicht aus dem diesbezüglich nicht hinreichend bestimmten und damit unklaren Ausschreibungstext (siehe unter II.1.b)). Des Weiteren findet sich ein entsprechender Vermerk auch nicht in den Akten des Auswahlverfahrens.

Das Fehlen (des Nachweises) einer solchen Organisationsgrundentscheidung ist nicht ausnahmsweise deshalb unbeachtlich, weil sich der Ausschluss von politischen Beamten im einstweiligen Ruhestand aus Auswahlverfahren schon aus dem Gesetz ergibt (dazu unter aa)) oder nach der ständigen Rechtsprechung anzunehmen ist (dazu unter bb)).

aa) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass sich ein Ausschluss von politischen Beamten im einstweiligen Ruhestand aus Auswahlverfahren nicht aus dem Gesetz ergibt.

Der einstweilige Ruhestand politischer Beamter ist in § 30 BeamtStG geregelt. Danach können Beamte auf Lebenszeit jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden, wenn sie - beispielsweise als Staatssekretäre - ein Amt bekleiden, bei dessen Ausübung sie in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen müssen (§ 30 Abs. 1 BeamtStG i. V. m. § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NBG). Nach § 30 Abs. 3 Satz 1 BeamtStG gelten die Vorschriften über den Ruhestand entsprechend für den einstweiligen Ruhestand. Gemäß § 30 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG gelten die Vorschriften über die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in § 29 Abs. 2 und 6 BeamtStG entsprechend. In § 29 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG ist geregelt, dass Beamte, die wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden sind, erneut in das Beamtenverhältnis berufen werden können, wenn im Dienstbereich des früheren Dienstherrn ein Amt mit mindestens demselben Grundgehalt übertragen werden soll und wenn zu erwarten ist, dass die gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes erfüllt werden. Beamte, die nicht die Befähigung für die andere Laufbahn besitzen, haben nach § 29 Abs. 2 Satz 2 BeamtStG an Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der neuen Befähigung teilzunehmen. Den wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Beamten kann unter Übertragung eines Amtes ihrer früheren Laufbahn nach Satz 1 auch eine geringerwertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung ihrer früheren Tätigkeit zumutbar ist (vgl. § 29 Abs. 2 Satz 3 BeamtStG). Gemäß § 29 Abs. 6 BeamtStG gilt bei einer erneuten Berufung das frühere Beamtenverhältnis als fortgesetzt.

Zwar wird in der Gesetzesbegründung zu der Regelung für den einstweiligen Ruhestand politischer Beamter in § 31 (des heutigen § 30 BeamtStG) zunächst festgestellt, dass sich der rechtliche Status von politischen Beamten grundlegend von dem Regeltyp der Lebenszeitbeamten unterscheide, sodann aber zu der Regelung in Absatz 3 ausgeführt (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern - BeamtStG -, BT-Drs. 16/4027 S. 30):

"Für den einstweiligen Ruhestand gelten die Vorschriften über den Ruhestand.

Die Verweisung in Satz 2 auf § 30 Abs. 2 und 6 [des heutigen § 29 Abs. 2 und 6 BeamtStG] bezieht sich nicht nur auf gesundheitliche Aspekte einer erneuten Verwendung, sondern auch auf die Möglichkeit der Reaktivierung, wenn ein Amt mit mindestens demselben Grundgehalt übertragen werden soll.

Mit Satz 3 wird klargestellt, dass der einstweilige Ruhestand bei erneuter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit endet."

Ausweislich des Wortlauts der vorgenannten Normen und der Gesetzesbegründung sind die Vorschriften über die Reaktivierung von sich wegen Dienstunfähigkeit im Ruhestand befindenden Beamten durch Übertragung eines Amtes durch den Dienstherrn entsprechend für die Reaktivierung politischer Beamter, die sich im einstweiligen Ruhestand befinden, durch den Dienstherrn anzuwenden. Den Fall der Rückkehr in ein aktives Dienstverhältnis auf Betreiben des Ruhestandsbeamten regeln diese Normen nicht.

In § 29 Abs. 1 BeamtStG hat der Gesetzgeber zwar eine Regelung für den Fall des Antrags eines Ruhestandsbeamten auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis getroffen. Wird nach der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit die Dienstfähigkeit wiederhergestellt und beantragt der Ruhestandsbeamte vor Ablauf einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, spätestens zehn Jahre nach der Versetzung in den Ruhestand, eine erneute Berufung in das Beamtenverhältnis, ist diesem Antrag gemäß § 29 Abs. 1 BeamtStG zu entsprechen, falls nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen. Der niedersächsische Landesgesetzgeber hat in § 44 Abs. 1 NBG die Antragsfrist auf fünf Jahre festgesetzt. Die Regelungen in § 29 Abs. 1 BeamtStG, § 44 Abs. 1 NBG sind indes nicht entsprechend für politische Beamte im einstweiligen Ruhestand anwendbar, denn gemäß § 30 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG gelten allein die Vorschriften über die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in § 29 Abs. 2 und 6 BeamtStG entsprechend. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage für politische Beamte im einstweiligen Ruhestand von der für Beamte, die wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden sind. Ein solcher Rückkehranspruch für ehemalige Staatssekretäre wie den Antragsteller ist auch nicht anderweitig geregelt worden. Nur Beamte, die in eine Volksvertretung gewählt worden waren und aus dieser ausgeschieden sind, haben gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 AbgG i. V. m. § 69 Abs. 2 Satz 1 NBG einen Anspruch darauf, bei (fristgerechter) Antragstellung in das frühere Dienstverhältnis zurückgeführt zu werden.

Überdies regelt § 29 Abs. 1 BeamtStG - ebenso wie § 29 Abs. 2 BeamtStG - allein die Reaktivierung eines Ruhestandsbeamten. Sie verhält sich damit nicht zu der Frage, ob Ruhestandsbeamte von Auswahlverfahren ausgeschlossen sind. Denn die Reaktivierung eines Ruhestandsbeamten ist etwas anderes als dessen Bewerbung auf eine ausgeschriebene Stelle und die damit einhergehende Teilnahme an einem Auswahlverfahren. Bei einer Reaktivierung des Ruhestandsbeamten nach § 29 BeamtStG handelt es sich um die erneute Berufung eines wieder dienstfähig gewordenen Ruhestandsbeamten in ein aktives Beamtenverhältnis. Mit der Norm werden zwei Absichten verfolgt. Zum einen ist die Regelung in § 29 Abs. 2 BeamtStG dem Interesse des Dienstherrn und der Allgemeinheit an einer Wiederberufung geschuldet. Denn unberechtigte Zurruhesetzungen wie auch die Fortsetzung des Ruhestandsbeamtenverhältnisses trotz wiederhergestellter bzw. wiedererlangter Dienstfähigkeit führen zu einer Belastung des öffentlichen (Versorgungs-)Haushalts, da für den an sich dienstfähigen Ruhestandsbeamten Versorgungsleistungen erbracht werden, obwohl dieser Beamte "Gegenleistungen" erbringen könnte (siehe zur vergleichbaren Bundesregelung in § 46 BBG: Plog/Wiedow, BBG, Stand: Juni 2023, Band 1, § 46 BBG Rn. 6). Zum anderen ist die Regelung in § 29 Abs. 1 BeamtStG darauf gerichtet, den persönlichen und finanziellen Interessen des Beamten an einer Wiederaufnahme seiner Tätigkeit in dem von ihm erlernten und auf Lebenszeit gewählten Beamtenberuf, mithin seinen subjektiven Bedürfnissen an einem Wiedereintritt in das Berufsleben, Rechnung zu tragen (vgl. Plog/Wiedow, a. a. O., § 46 BBG Rn. 7 m. w. N.). Für einen begrenzen Zeitraum, der in Niedersachsen gemäß § 44 Abs. 1 NBG fünf Jahre beträgt, muss sich der Dienstherr demnach auf eine Rückkehr des (zunächst dienstunfähigen) Ruhestandsbeamten in den aktiven Dienst einstellen und entsprechende Vorkehrungen treffen. Der Dienstherr hat bei der Personalplanung und der damit verbundenen Personalkostenplanung auch die Ruhestandsbeamten zu berücksichtigen, die wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden sind, denn diese haben gemäß § 29 Abs. 1 BeamtStG grundsätzlich einen Anspruch auf ihre Wiederberufung in ein aktives Beamtenverhältnis. Ein solcher Anspruch besteht nur dann nicht, wenn die Dienstfähigkeit des Beamten nicht wiederhergestellt ist, zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen oder die materiell-rechtliche fünfjährige Ausschlussfrist des § 44 Abs. 1 NBG abgelaufen ist. Liegen diese Voraussetzungen indes vor, wird der wieder dienstfähige Ruhestandsbeamte privilegiert gegenüber anderen Interessenten an einem (aktiven) Beamtenverhältnis, denn er kann ohne Stellenausschreibung und ohne Leistungs- und Eignungsvergleich in das (aktive) Beamtenverhältnis zurückkehren. Von diesen Möglichkeiten der Reaktivierung eines Ruhestandsbeamten unterscheidet sich die (streitige) Teilnahme eines Ruhestandsbeamten an einem Auswahlverfahren maßgeblich. Während § 29 Abs. 1 BeamtStG eine Wiederberufung in das aktive Beamtenverhältnis für den antragstellenden Ruhestandsbeamten vorsieht, sobald vor allem der Grund für dessen Ruhestand - seine fehlende Dienstfähigkeit - weggefallen ist, muss der Ruhestandsbeamte, der sich auf eine ausgeschriebene Stelle bewirbt, wie jeder andere Bewerber das jeweilige Auswahlverfahren durchlaufen. Er wird dabei nicht etwa deshalb gegenüber anderen Bewerbern privilegiert, weil er bereits zuvor ein Amtsverhältnis innehatte. Stattdessen muss er sich wie alle anderen Interessenten auf die ausgeschriebene Stelle bewerben und sich einem Eignungs- und Leistungsvergleich anhand von aktuellen Beurteilungen oder gegebenenfalls Auswahlgesprächen unter dem Druck des Auswahlverfahrens stellen. Er nimmt dabei in Kauf, nicht ausgewählt zu werden, weil ein anderer Bewerber im Eignungs- und Leistungsvergleich besser abschneidet. Ihm kommt nur - wie jedem anderen Bewerber - der Bewerbungsverfahrensanspruch (Art. 33 Abs. 2 GG) zugute. Folglich trifft § 29 Abs. 1 BeamtStG allein eine Regelung für den Fall, dass ein Ruhestandsbeamter den einfacheren Weg der Reaktivierung auf Antrag beschreiten möchte, regelt dagegen aber nicht, dass sich ein Ruhestandsbeamter nicht für den - meist schwierigeren - Weg eines Stellenbesetzungsverfahrens entscheiden darf und von Rechts wegen von Auswahlverfahren ausgeschlossen wäre.

Etwas anderes folgt nicht aus der Berufung des Antragsgegners auf den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Karenzzeit für Senatsmitglieder und zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 8. Juni 2021 des Landes Berlin. Dort heißt es (§ 46 Abs. 1a LBG-E, LT-Drs. 18/3821 S. 13):

"Bislang kann die Übernahme des Amtes einer Staatssekretärin oder eines Staatssekretärs für Beamtinnen auf Lebenszeit und Beamte auf Lebenszeit mit Nachteilen für das weitere berufliche Fortkommen verbunden sein. Politische Beamtinnen und Beamte können jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden, und das Beamtenverhältnis wird beendet, §§ 21 Nr. 4, 30 Absatz 1 Satz 1 BeamtStG, § 46 Absatz 1 LBG. Möchten die ehemaligen Staatssekretärinnen und Staatssekretäre an ihre vorherige berufliche Entwicklung in der Berliner Verwaltung anknüpfen, müssten sie sich erneut für eine Einstellung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit bewerben. Eine Wiederverwendung wäre nur in einem politischen Amt möglich, § 30 Absatz 3 Satz 3 BeamtStG, § 47 Absatz 2 LBG. Es besteht kein Anspruch auf Wiederverwendung."

Insoweit hat der Antragsgegner zwar zutreffend erkannt, dass sich so die Rechtslage auch in Niedersachen darstellt, hat aber dabei diese Rechtslage verkannt. Denn auch in Niedersachsen haben ehemalige Staatssekretäre - wie oben ausgeführt - keinen Rückkehranspruch und müssen (und dürfen) sich nach der Gesetzeslage erneut für eine Einstellung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit bewerben.

bb) Auch die Rechtsprechung hat keinen Grundsatz entwickelt, wonach politische Beamte im einstweiligen Ruhestand von Auswahlverfahren ausgeschlossen werden dürfen.

In der ständigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass Bewerber, die die allgemeinen Ernennungsbedingungen, die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen oder konstitutive Vorgaben des rechtmäßigen Anforderungsprofils nicht erfüllen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.6.2013 - BVerwG 2 VR 1.13 -, juris Rn. 23; Nds. OVG, Beschluss vom 6.8.2019 - 5 ME 116/19 -, juris Rn. 16), vom Auswahlverfahren ausgeschlossen werden können und nicht mehr in den Eignungs- und Leistungsvergleich einbezogen werden müssen. Ebenso ist der Dienstherr berechtigt, einen Beamten für die Dauer eines gegen ihn geführten Disziplinarverfahrens wegen der damit begründeten Zweifel an dessen Eignung aus einem Auswahlverfahren um einen förderlichen Dienstposten auszuschließen (BVerwG, Beschluss vom 28.5.2021 - BVerwG 2 VR 1.21 -, juris Rn. 16; Nds. OVG, Beschluss vom 17.2.2023 - 5 ME 128/22 -, juris Leitsatz). Zudem reichen bereits berechtigte nachvollziehbare Zweifel an der gesundheitlichen Eignung eines Beamten für ein Beförderungsamt aus, um ihn von der Beförderung zurückzustellen (Bay. VGH, Beschluss vom 17.12.2013 - 3 CE 13.2171 -, juris Rn. 30 m. w. N.; Nds. OVG, Beschluss vom 12.6.2020 - 5 ME 58/20 -; Beschluss vom 19.5.2021 - 5 ME 129/20 -; OVG NRW, Beschluss vom 23.10.2019 - 6 B 720/19 -, juris Rn. 8).

Der Antragsgegner hat im Beschwerdeverfahren nachdrücklich klargestellt, dass der Antragsteller aus keinem der vorgenannten Gründe aus dem Auswahlverfahren ausgeschlossen worden sei, sondern weil er als Ruhestandsbeamter von vornherein keinen Anspruch habe, an dem streitgegenständlichen Auswahlverfahren teilzunehmen (vgl. BB vom 25.5.2023, S. 4 f. [Bl. 77 f./GA]). Zur Begründung seiner Ansicht, dass ein solcher Ausschluss zulässig sei, hat er sich auf die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. August 2009 (- 6 B 1091/09 -, juris), des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 2. Juni 2020 (- B 5 K 18.1126 -, juris) und des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. Mai 2016 (- 28 K 427.15 -, juris) berufen und die Ansicht vertreten, dass diese jeweils zu Beamten, die wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand bzw. auf Antrag vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden waren, ergangen seien und auf den Fall eines politischen Beamten übertragen werden könnten, der gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden sei. Dem folgt der beschließende Senat nicht.

Aus den vorgenannten Urteilen der Verwaltungsgerichte Bayreuth und Berlin kann schon deshalb nichts hergeleitet werden, auf das sich der Antragsgegner stützen kann, weil diesen völlig andere Fallkonstellationen zugrunde gelegen haben. Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat einen Fall entschieden, in dem ein Beamter, der auf eigenen Antrag vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden war, Schadensersatz wegen seiner unterlassenen Beförderung begehrt hatte. Einen Schadensersatzanspruch hat das Verwaltungsgericht Bayreuth mit der Begründung verneint, es fehle an einem ersatzfähigen Schaden, weil die höheren Bezüge nicht ruhegehaltsfähig geworden wären, und an der Kausalität für die unterbliebene Beförderung, weil der Kläger nicht das Beurteilungsergebnis von mindestens "Sehr gut +" erreicht habe und noch während des nicht abgeschlossenen Bewerbungsverfahrens auf eigenen Antrag, den er jederzeit hätte zurücknehmen können, in den Ruhestand versetzt worden sei. Das Verwaltungsgericht Berlin hat ebenfalls in einem Verfahren auf Schadensersatz wegen unterlassener Beförderung einen Schadensersatzanspruch verneint. Der dortige Kläger war in das Auswahlverfahren einbezogen und allein aufgrund des Leistungsvergleichs mit den anderen Bewerbern nicht ausgewählt worden. Er hatte sich zu keinem Zeitpunkt im Ruhestand befunden, weil er die gegen ihn ergangene (rechtswidrige) Zurruhesetzungsverfügung erfolgreich angefochten hatte. Im hiesigen Verfahren ist weder ein Schadensersatzanspruch streitig noch ist der Antragsteller auf eigenen Antrag - während eines noch nicht abgeschlossenen Bewerbungsverfahrens - vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden noch ist er in einen Leistungsvergleich einbezogen worden und dabei unterlegen.

Allein die von dem Antragsgegner zitierte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. August 2009 (- 6 B 1091/09 -, juris) bzw. der vorhergehende Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 15. April 2009 (- 4 L 183/09 -, juris) befassen sich mit einer Beamtin, die wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden war und im Nachgang zu einem Jahre später gestellten Antrag von einem Auswahlverfahren ausgeschlossen worden ist. Das Verwaltungsgericht Minden hat festgestellt, es sei nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin einen Anspruch darauf habe, zum Bewerbungsverfahren betreffend die beim Schulamt des Kreises zu besetzende Stelle einer Schulrätin zugelassen zu werden. Die Antragstellerin sei aus gesundheitlichen Gründen zur Ruhe gesetzt worden und befinde sich immer noch im Ruhestand. Ihr Antrag auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis sei vom Antragsgegner durch bestandskräftigen Bescheid abgelehnt worden. Im Rahmen des zu entscheidenden Verfahrens habe die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass sie einen Anspruch auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis habe. Grundvoraussetzung für eine Reaktivierung auf der Basis des § 48 Abs. 3 LBG sei die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Beamten. Der Antragsgegner habe nach Eingang des Reaktivierungsantrags ein amtsärztliches Gutachten eingeholt. Der Amtsarzt sei zu dem Ergebnis gelangt, die Antragstellerin sei auf Dauer nicht in der Lage, die Dienstpflichten im früher ausgeübten Aufgabenbereich als Lehrerin zu erfüllen. Sie sei jedoch in der Lage, in einem sehr kleinen Klassenverbund tätig zu sein, und Tätigkeiten im Verwaltungsdienst, z. B. Tätigkeiten in der Schulamtsdirektion, in der Schulverwaltung oder Lehrerfortbildung auszuüben. Die Antragstellerin benötige allerdings zur Kompensation ihrer gesundheitlichen Leistungseinschränkungen beispielsweise längere Unterbrechungen oder Pausen während ihrer Arbeitszeit, eine Reduzierung der täglichen Arbeitszeit und eine Entlastung von bestimmten Aufgaben; Arbeiten unter Zeitdruck, mit Publikumsverkehr sowie Schichtdienst seien ihr nicht möglich. Es werde eine schrittweise Wiedereingliederung empfohlen, und zwar für die Dauer von drei Monaten im Umfang von 50 v. H. der Arbeitszeit und danach für die Dauer von drei Monaten im Umfang von 75 v. H. der Arbeitszeit. Aufgrund der Ausführungen in dem amtsärztlichen Gutachten sei anzunehmen, dass die Antragstellerin selbst auf längere Sicht keine Dienstfähigkeit in Bezug auf ihr früheres Amt einer Lehrerin besitze. Aber auch hinsichtlich des von der Antragstellerin im Wege der Reaktivierung angestrebten Amtes einer Schulrätin ergebe sich aus dem amtsärztlichen Gutachten keineswegs, dass von einer uneingeschränkten Dienstfähigkeit der Antragstellerin auszugehen sei.

Zusammenfassend hat das Verwaltungsgericht Minden dann die folgenden, vom Antragsgegner zitierten Feststellungen getroffen (a. a. O., Rn. 22):

"Da die Antragstellerin sich zurzeit im Ruhestand befindet und ein Anspruch auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis nicht glaubhaft gemacht ist, kann die Antragstellerin nicht beanspruchen, im Wege der Reaktivierung zum Bewerbungsverfahren um die zu besetzende Schulratsstelle zugelassen zu werden. Dafür, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Einbeziehung in das Bewerbungsverfahren unabhängig von einer vorherigen Reaktivierung unmittelbar aus Art. 33 Abs. 2 GG haben könnte, sei nichts vorgetragen worden oder ersichtlich."

Die Beschwerde gegen diesen Beschluss hat das Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen. Soweit der Antragsgegner zur Begründung seiner Rechtsansicht einen Satz aus dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. August 2009 (- 6 B 1091/09 -, juris Rn. 16) zitiert hat, ist klarzustellen, dass das Zitat vollständig lautet:

"Ein wegen Dienstunfähigkeit, mithin mangels (gesundheitlicher bzw. körperlicher) Eignung in den Ruhestand versetzter Reaktivierungsbewerber muss zunächst in den aktiven Dienst zurückkehren (dürfen), um die Grundvoraussetzungen für einen Anspruch nach Art. 33 Abs. 2 GG zu erfüllen."

Entgegen der Ansicht des Antragsgegners war in dem vorgenannten Verfahren nicht der Ruhestand der Bewerberin der Grund für ihren Ausschluss aus dem Auswahlverfahren, sondern ihre nach wie vor bestehende Dienstunfähigkeit im früheren Amt bzw. ihre stark eingeschränkte Dienstfähigkeit und das Erfordernis umfangreicher Wiedereingliederungsmaßnahmen in Bezug auf die ausgeschriebene Stelle. Der Sache nach haben das Verwaltungsgericht Minden und das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen daher den in der Verwaltungsgerichtsbarkeit anerkannten Ausschlussgrund der berechtigten nachvollziehbaren Zweifel an der gesundheitlichen Eignung eines Beamten für ein Beförderungsamt herangezogen und ihn für den Fall einer Stellenbewerberin, die aufgrund von Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden war, fortgeführt.

Der Dienstherr hat bei der Bewertung der Eignung der Bewerber um eine Beförderungsstelle immer auch eine Entscheidung darüber zu treffen, ob der einzelne Bewerber den Anforderungen des jeweiligen Amtes in gesundheitlicher Hinsicht entspricht. Denn geeignet im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG ist nur, wer dem angestrebten Amt auch in körperlicher und psychischer Hinsicht gewachsen ist. Bestehen begründete Zweifel, ob ein Bewerber um eine Beförderungsstelle den Anforderungen der Stelle in gesundheitlicher Hinsicht entspricht, ist der Dienstherr nicht berechtigt und erst recht nicht verpflichtet, diese Stelle dem Bewerber unter Missachtung des öffentlichen Interesses an möglichst effektiver Aufgabenerfüllung und bestmöglicher Stellenbesetzung zu übertragen. Bereits erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten können, zumal wenn sie im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung anhalten, ein Indiz dafür sein, dass dem Bewerber die gesundheitliche Eignung für ein Beförderungsamt fehlt (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 17.12.2013 -3 CE 13.2171 -, juris Rn. 29 f.; Nds. OVG, Beschluss vom 12.6.2020 - 5 ME 58/20 -; OVG NRW, Beschluss vom 23.10.2019 - 6 B 720/19 -, juris Rn. 5 ff.). Begründete Zweifel an der gesundheitlichen Eignung eines Stellenbewerbers bestehen insbesondere, wenn dieser wegen Dienstunfähigkeit, also - wie das Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen in dem vom Antragsgegner herangezogene Beschluss ausgeführt hat - "mangels (gesundheitlicher bzw. körperlicher) Eignung", in den Ruhestand versetzt worden ist. Ein solcher Ruhestandsbeamter ist nur dann ein geeigneter Stellenbewerber, wenn seine erneute Dienstfähigkeit - und damit seine gesundheitliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle - festgestellt worden ist. Steht seine erneute Dienstfähigkeit fest, hat er zugleich - sofern keine dienstlichen Belange entgegenstehen oder die materielle Ausschlussfrist abgelaufen ist - einen Anspruch auf Reaktivierung. In dem von dem Verwaltungsgericht Minden und dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschiedenen Fall war zunächst der Reaktivierungsantrag der Ruhestandsbeamtin bestandskräftig abgelehnt worden, weil der Amtsarzt weiterhin deren Dienstunfähigkeit bzw. stark begrenzte Dienstfähigkeit festgestellt hatte. Diese Erkenntnisse haben die vorgenannten Gerichte dann im späteren Verfahren gegen den Ausschluss dieser Ruhestandsbeamtin aus einem Stellenbesetzungsverfahren berücksichtigt und festgestellt, da die Stellenbewerberin mangels Wiederherstellung ihrer Dienstfähigkeit keinen Anspruch auf Reaktivierung habe, sie also gesundheitlich ungeeignet für die ausgeschriebene Stelle sei, habe sie vom Stellenbesetzungsverfahren ausgeschlossen werden dürfen.

Den vorgenannten Entscheidungen kann nicht der allgemeine Grundsatz entnommen werden, dass politische Beamte, die sich im einstweiligen Ruhestand befinden, mangels Reaktivierungsanspruchs von Auswahlverfahren ausgeschlossen werden können. Wie ausgeführt, haben das Verwaltungsgericht Minden und das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen im konkreten Fall des Ausschlusses einer Ruhestandsbeamtin aus einem Auswahlverfahren auf den Reaktivierungsanspruch abgestellt, nachdem die dortige Stellenbewerberin zuvor einen Antrag auf Reaktivierung gestellt hatte und innerhalb dieses Verfahrens die Wiederherstellung ihrer vollen Dienstfähigkeit und mithin ihre gesundheitliche Eignung bereits überprüft und verneint worden war. Darüber hinaus würde der beschließende Senat einer Entscheidung, die einen solchen Grundsatz aufstellte, auch nicht beitreten. Denn ein solcher Grundsatz ließe unberücksichtigt, dass sich ein Verfahren auf Reaktivierung von einem Bewerbungsverfahren maßgeblich unterscheidet, auch wenn im Falle eines Ruhestandsbeamten, der wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden ist, in beiden Fällen die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit zu prüfen ist. Denn es besteht - wie oben ausgeführt - im ersten Fall ein Anspruch auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis gemäß § 29 Abs. 1 BeamtStG und im zweiten Fall ein Bewerbungsverfahrensanspruch nach Art. 33 Abs. 2 GG. Für ehemalige Staatssekretäre besteht zwar nicht wie für Ruhestandsbeamte, die wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden sind, ein Reaktivierungsanspruch gemäß § 29 Abs. 1 BeamtStG. Aus diesem Ausschluss von der einfacheren Rückkehrmöglichkeit in das aktive Beamtenverhältnis nach § 29 Abs. 1 BeamtStG eine Rechtfertigung dafür abzuleiten, ehemalige politische Beamte von Auswahlverfahren auszuschließen, verkürzte aber deren Bewerbungsverfahrensanspruch nach Art. 33 Abs. 2 GG in unzulässiger Weise. Insbesondere für politische Beamte, die in einem jungen Lebensalter in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden, würde sich sonst faktisch ein Berufsverbot im öffentlichen Dienst ergeben. Ihnen bliebe nur der Weg in die Privatwirtschaft oder zu Interessenvertretungen, was in der Öffentlichkeit kontrovers und kritisch gesehen wird (vgl. dazu unter A. des Vorblatts zum Berliner Gesetzesentwurf LT-Drs. 18/3821). Soweit der Antragsgegner meint, ein ehemaliger Staatssekretär könne sich dann im Prinzip frei aussuchen, in welchem Amt bzw. auf welchem Dienstposten er nach seinem einstweiligen Ruhestand tätig sein möchte, ist dem entgegenzuhalten, dass eine solche "zwangsläufige Ernennung" nur dann droht, wenn die jeweils zuständigen Beurteiler automatisch Spitzennoten für politische Beamte (insbesondere schon in jungen Jahren) vergeben, allein, weil diese ein Spitzenamt innehatten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 4 in Verbindung mit Satz 1 Nr. 1 GKG, bemisst sich also nach der Hälfte der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltfähiger Zulagen. Auszugehen ist insoweit von dem im Zeitpunkt der Einleitung des zweiten Rechtszugs (15.5.2023) maßgeblichen Endgrundgehalt (hierzu: Nds. OVG, Beschluss vom 11.11.2014 - 5 ME 157/14 -, juris Rn. 30) der Besoldungsgruppe R 8 in Höhe von 11.398,08 EUR (§ 2 Abs. 2 Nr. 1, § 7 Abs. 1 und 2 NBesG in Verbindung mit der zum o. a. Zeitpunkt geltenden Anlage 5). Dementsprechend ergibt sich ein Streitwert in Höhe von 68.388,48 EUR (= 11.398,08 EUR x 6 Monate). Eine Halbierung dieses Wertes für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes findet nicht statt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16.5.2013 - 5 ME 92/13 -, juris Rn. 28). Dies gilt auch in Fällen, in denen eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs durch Nichteinbeziehung in den Bewerberkreis geltend gemacht wird (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25.6.2019 - 5 ME 92/19 -; Beschluss vom 17.2.2023 - 5 ME 128/22 -, juris Rn. 21).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).