Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 03.05.2023, Az.: 2 B 2381/23

Auswahlentscheidung; Bewerbungsverfahrensanspruch; einstweiliger Ruhestand; Konkurrentenstreit; Konkurrentenverfahren; politischer Beamter

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
03.05.2023
Aktenzeichen
2 B 2381/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 17246
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2023:0503.2B2381.23.00

Fundstelle

  • NVwZ 2023, 9 (Pressemitteilung)

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Vorschriften über die Beendigung des einstweiligen Ruhestands früherer politischer Beamter verwehren es diesen nicht, sich auf Ämter zu bewerben, die unterhalb ihrer letzten Besoldung liegen. Das Ruhestandsbeamtenverhältnis bleibt dann ggf. neben dem neuen Beamtenverhältnis mit allen Pflichten und Rechten bestehen.

  2. 2.

    Die Rechtsprechung zum Ausschluss von Bewerbern, die wegen einer Erkrankung dienstunfähig sind, ist nicht auf Beamte übertragbar, die gemäß § 30 BeamtStG in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurden.

Tenor:

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, vor Ablauf von zwei Wochen nach Bekanntgabe einer erneuten Auswahlentscheidung an den Antragsteller, längstens bis zur Bestandskraft des an den Antragsteller gerichteten Bescheids vom 20. März 2023, die in der Stellenausschreibung in der Niedersächsischen Rechtspflege Nr. 11/2022 ausgeschriebene Stelle der Präsidentin oder des Präsidenten des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zu besetzen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 68.388,48 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen seinen Ausschluss aus einem Stellenbesetzungsverfahren.

Der Antragsteller war seit dem D. Staatsekretär beim Antragsgegner. Am E. wurde er nach einem Regierungswechsel in den einstweiligen Ruhestand versetzt. In der Niedersächsischen Rechtspflege Nr. 11/2022, veröffentlicht am 15. November 2022, schrieb das Land Niedersachsen die Stelle "Präsidentin oder Präsident (w/m/d) des Nds. Oberverwaltungsgerichts" (Besoldungsstufe R 8) aus. Neben dem Antragsteller bewarben sich zwei weitere Personen.

Mit Schreiben vom 20. März 2023, das auf einem Auswahlvermerk vom 15. März 2023 beruht, teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass die Auswahlentscheidung in einem abgestuften Auswahlverfahren erfolgt und er in einer ersten Auswahl aus dem Besetzungsverfahren ausgeschlossen worden sei. Als Ruhestandsbeamter habe er keinen Anspruch, an einem Auswahlverfahren teilzunehmen und im Rahmen der zu treffenden Entscheidung berücksichtigt zu werden. Er sei bereits am E. und damit vor Ausschreibung der zu besetzenden Stelle gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. Durch den Verweis in § 30 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG auf § 29 Abs. 2 BeamtStG werde dem früheren Dienstherrn zwar die Möglichkeit eröffnet, den politischen Beamten erneut in das Beamtenverhältnis zu berufen. Ein Anspruch darauf bestehe nicht. Eine Reaktivierung könne der Antragsteller auch nicht dadurch betreiben, dass er sich auf eine ausgeschriebene Stelle bewerbe. Auch die Rechtsprechung gehe davon aus, dass ein Ruhestandsbeamter nicht einem sonstigen Stellenbewerber gleichzusetzen sei. Vielmehr müsse der in den Ruhestand versetzte Beamte zunächst in den aktiven Dienst zurückkehren, um die Grundvoraussetzungen für einen Anspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG zu erfüllen. Diese Rechtsprechung betreffe zwar Beamte, die wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden seien; sie sei jedoch auf den Fall des einstweiligen Ruhestands eines politischen Beamten übertragbar. Das ergebe sich aus dem Verweis in § 30 BeamtStG auf § 29 BeamtStG. Das niedersächsische Landesrecht sehe keinen Anspruch eines politischen Beamten auf Rückkehr in den aktiven Dienst vor. § 29 Abs. 1 BeamtStG gelte nicht für politische Beamte. Bei politischen Beamten sei eine Wiederverwendung in einem niedrigeren Amt (hier R 8) als dem zuletzt innegehabten (hier B 9) nicht vorgesehen (OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 22.4.2020 - OVG 4 S 11/20 -).

Am 6. April 2023 hat der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung trägt er vor, sein Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG werde durch die Vorauswahl des Antragsgegners verletzt. Der Beschluss sei bereits formell rechtswidrig. Nach Ziff. 1.2.2 des Runderlasses des Niedersächsischen Ministeriums des Innern, der Niedersächsischen Staatskanzlei und der übrigen Ministerien vom 28. November 2012 (Nds. MBl. S. 1242) sei die Einwilligung der Landesregierung erforderlich gewesen, denn die Entscheidung betreffe die Ausübung dienstrechtlicher Befugnisse i.S.d. Nr. 1 des Runderlasses. Auch materiell-rechtlich sei die Entscheidung des Antragsgegners nicht haltbar. Art. 33 Abs. 2 GG bestimme, dass jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt habe. Dass er - der Antragsteller - sich im einstweiligen Ruhestand befinde, sei daher unerheblich. Eine zulässige Beschränkung der Stellenbesetzung liege nicht vor; die Ausschreibung beziehe sich nicht ausschließlich auf Beamte, die im aktiven Dienst tätig seien. Eine nachträgliche Beschränkung sei unzulässig. Der Antragsgegner könne sich auch nicht auf § 30 Abs. 3 S. 2 i. V. m. § 29 Abs. 2 BeamtStG beziehen, was sich auch aus der Gesetzesbegründung zu § 30 Abs. 3 BeamtStG ergebe. Vorliegend gehe es nicht um einen Anspruch auf Reaktivierung aus dem Ruhestand. Er habe sich nicht um das mit B 9 bewertete Amt eines Staatssekretärs, sondern um das mit R 8 bewertete Amt des Präsidenten des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts beworben. Die Übertragung dieses Amtes sei demzufolge nicht mit einer Reaktivierung verbunden. Es gehe auch nicht um ein Zurückfallen in ein niedriger besoldetes Amt. Auch die übrige vom Antragsgegner zitierte Rechtsprechung sei nicht einschlägig, da es nicht um eine Dienstunfähigkeit gehe. Die Auswahlentscheidung sei allein nach Leistungskriterien zu treffen.

Der Antragsteller beantragt,

dem Antragsgegner vorläufig bis zum Eintritt der Bestandskraft einer erneuten Entscheidung über seine Bewerbung um die ausgeschriebene Stelle des Präsidenten des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zu untersagen, einem anderen Bewerber um diese Stelle eine Ernennungsurkunde zur Präsidentin/zum Präsidenten des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts auszuhändigen oder sonstige Schritte zu unternehmen, die seinen Bewerbungsverfahrensanspruch endgültig vereiteln könnten.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er nimmt auf den Auswahlvermerk vom 15. März 2023 Bezug, vertieft seine Argumentation aus dem Schreiben vom 20. März 2023 und trägt ergänzend vor, der vom Antragsteller zitierte Runderlass sei nicht einschlägig, weil das Stellenbesetzungsverfahren keine Einstellung in den Richterdienst zum Gegenstand habe. Eine Entscheidung über die Verleihung eines anderen Amtes mit anderem Endgrundgehalt sei auch noch nicht getroffen worden, sodass die Zustimmung der Landesregierung derzeit nicht erforderlich sei. Es treffe nicht zu, dass die Ausschreibung mit der Beschränkung auf aktive Beamte und Richter hätte erfolgen müssen. Die Ausschreibung von Beförderungsämtern richte sich grundsätzlich nur an aktive Beamte, ohne dass es dafür eines besonderen Hinweises bedürfe. Bei der ausgeschriebenen Stelle handele es sich um ein Beförderungsamt. § 20 Abs. 1 NBG impliziere, dass der Bewerber bereits ein Amt innehabe und das Beamtenverhältnis nicht erst durch eine Einstellung begründet werden müsse. Gleiches folge aus § 17 Abs. 2 Nr. 3 DRiG. Selbst im Falle einer Versetzung verfüge der Bewerber über ein aktives Amt (§ 28 Abs. 1 NBG). Dass ein aktives Richter- oder Beamtenverhältnis Grundvoraussetzung für einen Anspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG sei, ergebe sich auch aus einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Beschl. v. 5.8.2009 - 6 B 1091/09 -) und des Verwaltungsgerichts Berlin (Urt. v. 3.5.2016 - 28 K 427.15 -). Gemäß § 21 Nr. 4 BeamtStG befinde sich der Antragsteller seit dem 8. November 2022 nicht mehr in einem aktiven Beamtenverhältnis. Aus diesem Grund komme er wie jeder andere Ruhestandsbeamte als Bewerber nicht in Betracht. Auch aus der vom Antragsteller zitierten Kommentierung ergebe sich kein Anspruch für einen Beamten im einstweiligen Ruhestand, in einem niedriger besoldeten Amt verwendet zu werden. Aus der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschl. v. 3.12.2018 - 5 ME 141/18 -) folge, dass es keiner besonderen Organisationsgrundentscheidung bedürfe, um Bewerber außerhalb des aktiven Richter- und Beamtenverhältnisses aus einem Stellenbesetzungsverfahren auszuschließen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

II.

Der Antrag hat Erfolg. Er ist zulässig und begründet.

Den Antrag des Antragstellers hat die Kammer entsprechend der Tenorierung ausgelegt. Gemäß § 173 VwGO findet § 938 Abs. 1 ZPO im Verfahren gem. § 123 VwGO Anwendung. Danach steht es im "freien Ermessen" des Gerichts, welche Anordnungen zur Erreichung des mit dem Antrag verfolgten Zwecks erforderlich sind. Das Gericht ist insoweit an den das Verfahren einleitenden Antrag des Antragstellers nicht wörtlich gebunden (Posser/​Wolff, BeckOK VwGO, 64. Ed. 2022, § 123 Rn. 139, 141; OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 13.1.2009 - OVG 5 S 21.08 -, juris Rn. 2).

Das Gericht kann eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung der Rechte des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung im Sinne von § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes zulässig, wenn die Regelung - insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen - zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung im Sinne von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Beide Formen der einstweiligen Anordnungen setzen voraus, dass sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht werden (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Maßgebend sind hierbei die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Dabei darf das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach Prüfungsmaßstab, -umfang und -tiefe nicht hinter einem Hauptsacheverfahren zurückbleiben (BVerwG, Urt. v. 4.11.2010 - 2 C 16.09 -, juris Rn. 32).

1. Ein Anordnungsgrund, d.h. die besondere Eilbedürftigkeit, liegt vor. Der Antragsgegner beabsichtigt, für den hier in Rede stehenden Dienstposten eine Auswahlentscheidung zwischen den beiden nach Ausschluss des Antragstellers noch verbleibenden Bewerbern zu treffen und die Stelle im Anschluss zu übertragen. Er hat lediglich zugesichert, die Entscheidung im hiesigen Verfahren abzuwarten. Insofern besteht die Gefahr, dass ohne das einstweilige Rechtsschutzverfahren der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers vereitelt wird.

2. Der Antragsteller hat zudem das Bestehen eines Anordnungsanspruchs glaubhaft gemacht.

Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Dies bedeutet, dass öffentliche Ämter nach Maßgabe des Bestenauslesegrundsatzes zu besetzen sind. Der Grundsatz gilt unbeschränkt und vorbehaltlos. Er dient primär dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Ämter des öffentlichen Dienstes und daneben auch dem berechtigten Interesse der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Dem trägt er dadurch Rechnung, dass er grundrechtsgleiche Rechte auf eine ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Art. 33 Abs. 2 GG gibt die entscheidenden Maßstäbe für die Bewerberauswahl abschließend vor. Eine Auswahlentscheidung kann grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Dabei erfasst die Eignung im engeren Sinne insbesondere Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind. Der in Ausfüllung des Begriffs der Eignung ebenso wie der Begriffe Befähigung und fachliche Leistung dem Dienstherrn eröffnete Beurteilungsspielraum unterliegt von Verfassungs wegen einer nur begrenzten gerichtlichen Kontrolle (BVerwG, Beschl. v. 28.5.2021 - 2 VR 1.21 -, juris Rn. 15). Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Verwaltung bei der Auswahlentscheidung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Maßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinien (Verwaltungsvorschriften) verstoßen hat (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 17.8.2005 - 5 ME 100/05 -). Ein abgelehnter Bewerber, dessen subjektives Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt worden ist, kann somit eine Neubescheidung seiner Bewerbung beanspruchen, wenn seine Erfolgsaussichten bei der erneuten Auswahl offen sind, d.h. seine Auswahl möglich erscheint (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.8.2003 - 2 C 14.02 -, juris; Nds. OVG, Beschl. v. 25.6.2019 - 5 ME 92/19 -, nicht veröffentlicht).

Gemessen hieran verletzt das Auswahlverfahren den Antragsteller in seinem Grundrecht aus Art. 33 Abs. 2 GG. Der Dienstherr hat seinen Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt, indem er ihn unter Verstoß gegen das Prinzip der Bestenauslese von seiner Auswahlentscheidung von vornherein ausgeschlossen hat. Dieser Ausschluss war nicht gerechtfertigt, insbesondere nicht dadurch, dass der Antragsteller vor Ausschreibung der streitgegenständlichen Stelle in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden ist.

Grundsätzlich kann der Dienstherr über die Eignung des Bewerberfeldes in einem gestuften Auswahlverfahren befinden. Bewerber, die die allgemeinen Ernennungsbedingungen oder die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen oder die aus sonstigen Eignungsgründen für die Ämtervergabe von vornherein nicht in Betracht kommen, können in einer ersten Auswahl ausgeschlossen werden und müssen nicht mehr in den Leistungsvergleich einbezogen werden. Dies gilt auch für Bewerber, die zwingende Vorgaben eines rechtmäßigen Anforderungsprofils nicht erfüllen. Im Fall der Bestimmung eines Anforderungsprofils ist der Dienstherr an die gesetzlichen Vorgaben gebunden und damit - soweit eine an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Dienstpostenvergabe in Rede steht - auch zur Einhaltung des Grundsatzes der Bestenauswahl verpflichtet. Infolgedessen ist eine Einengung des Bewerberfeldes aufgrund der besonderen Anforderungen eines bestimmten Dienstpostens grundsätzlich nicht vereinbar. Mithin ist nicht eine (etwa "großzügige") Ausweitung, sondern die Verengung des Bewerberfelds rechtfertigungsbedürftig. Ebenso ist auch für eine Verengung des Bewerberfeldes aus sonstigen Eignungsgründen für die Ämtervergabe zu prüfen, ob diese Gründe durch Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt sind (Nds. OVG, Beschl. v. 29.11.2021 - 5 ME 132/21 -, juris Rn. 20 m.w.N.).

Für die Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens nach dem Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) sind demnach im Ausgangspunkt allein das Anforderungsprofil dieses Dienstpostens und die Eignung der Bewerber für diesen Dienstposten maßgeblich (BVerwG, Beschl. v. 26.10.2017 - 1 WB 41.16 -, juris Rn. 40). In der ständigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Dienstherr berechtigt ist, einen Beamten für die Dauer eines gegen ihn geführten Disziplinarverfahrens wegen der damit begründeten Zweifel an dessen Eignung von einer möglichen Beförderung auszunehmen (BVerwG, Beschl. v. 28.5.2021 - 2 VR 1.21 -, juris Rn. 16). Auch Zweifel an der gesundheitlichen Eignung können zum Ausscheiden aus einem Auswahlverfahren führen (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 1.9.2014 - 1 B 745/14 -, juris Rn. 13 m.w.N.).

Derartige Hinderungsgründe liegen beim Antragsteller nicht vor. Die Rechtsprechung zum Ausschluss von Bewerbern, die wegen einer Erkrankung dienstunfähig sind, ist nicht auf Beamte übertragbar, die gemäß § 30 BeamtStG in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurden. Der aus gesundheitlichen Gründen dienstunfähige Beamte ist von einer Bewerbung ausgeschlossen, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass er im Falle der Übertragung des begehrten Statusamtes dieses wird ausüben können, weshalb er für die Dauer der Dienstunfähigkeit ungeeignet ist. Im Gegensatz dazu besteht bei einem politischen Beamten, der in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden ist und an keiner Erkrankung leidet, kein Anlass, an seiner Dienstfähigkeit zu zweifeln. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Antragsteller das Amt, auf das er sich beworben hat, auch ausüben kann, sofern die Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten ausfallen sollte. Daher steht einer Bewerbung die Dienstunfähigkeit nicht entgegen.

Die Vorschriften über die Beendigung des einstweiligen Ruhestands früherer politischer Beamter verwehren es diesen nicht, sich auf Ämter zu bewerben, die unterhalb ihrer letzten Besoldung liegen. Zwar hat der Dienstherr aufgrund der §§ 30 Abs. 3 Satz 2, 29 Abs. 2 Satz 3 BeamtStG keine Befugnis, dem Beamten gegen dessen Willen ein Amt mit geringerem Endgrundgehalt zu übertragen (Brinktrine/Schollendorf, BeckOK BeamtenR, 29. Ed. 2022, § 29 BeamtStG Rn. 23). Bewirbt sich der (einstweilige) Ruhestandsbeamte auf ein solches Amt, stehen dem die Vorschriften aber nicht entgegen. Nichts Anderes folgt aus § 30 Abs. 3 Satz 3 BeamtStG. Das Ruhestandsbeamtenverhältnis bleibt dann ggf. neben dem neuen Beamtenverhältnis mit allen Pflichten und Rechten bestehen (Reich, BeamtStG, 3. Aufl. 2018, § 30 Rn. 12). Im Übrigen ist für die Kammer nicht ersichtlich, weshalb es nicht möglich sein soll, ehemaligen Staatssekretärinnen oder Staatsekretären ein Amt zu übertragen, wenn die Stellenausschreibung nach der Ruhestandsverfügung erfolgt ist, zumal der Kammer derartige Fälle bekannt sind.

Um die Bewerbung eines sich im einstweiligen Ruhestand befindenden Beamten auf die streitgegenständliche Stelle auszuschließen, hätte der Antragsgegner einen solchen Zusatz im Ausschreibungstext integrieren und die Ausschreibung entsprechend beschränken müssen. Ob eine solche Beschränkung zulässig ist (vgl. hierzu OVG LSA, Beschl. v. 13.2.2007 - 1 M 22/07 -, juris Rn. 7 f.), muss die Kammer nicht entscheiden. Eine solche Beschränkung ist hier nicht erfolgt. Auf Seite 341 der Niedersächsischen Rechtspflege Nr. 11/2022 heißt es zwar:

"Sämtliche nachfolgende Ausschreibungen von Planstellen richten sich an Bewerberinnen und Bewerber, die im Zeitpunkt der Bewerbung bereits im niedersächsischen Landesdienst stehen. Für alle Bewerberinnen und Bewerber, die im Zeitpunkt der Bewerbung nicht im niedersächsischen Landesdienst stehen, ist die erfolgreiche Absolvierung eines strukturierten Interviews Voraussetzung für eine Übernahme als Richterin oder Richter, Staatsanwältin oder Staatsanwalt, Beamtin oder Beamter in den Justizdienst des Landes Niedersachsen."

Aus dieser Begrenzung kann jedoch nicht geschlussfolgert werden, dass der Antragsteller von einer Bewerbung ausgeschlossen ist. Sie will offenbar verhindern, dass Bewerber aus anderen Bundesländern, die dem Antragsgegner nicht aufgrund eines persönlichen Einstellungsgesprächs bekannt sind, ohne ein solches Gespräch und die Möglichkeit des Kennenlernens bewerbungsfähig sind. Der Antragsgegner beabsichtigt damit wohl kaum, mit einem ehemaligen Staatsekretär oder mit Beamten, die bereits im Landesdienst tätig waren und es aufgrund einer vorübergehenden Versetzung in den Ruhestand derzeit nicht sind, ein Einstellungsgespräch vor einer Bewerbung durchzuführen.

Der Antragsgegner kann sich auch nicht darauf berufen, dass sich eine solche Bewerbungseinschränkung ohne weiteres aus dem Gesetz ergebe. Ob sich ein Bewerbungsausschluss aus § 20 Abs. 1 NBG, § 17 Abs. 2 Nr. 3 DRiG und § 28 Abs. 1 NBG zumindest für Ruhestandsbeamte, die sich wegen Erreichens der Altersgrenze oder aus gesundheitlichen Gründen im Ruhestand befinden, herleiten lässt, kann dahingestellt bleiben. Zumindest für Beamte, die sich gemäß § 30 BeamtStG im einstweiligen Ruhestand befinden, folgt, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen (die in keinem Zusammenhang mit ihrem Alter oder ihrer Gesundheit stehen) den einstweiligen Ruhestand beenden können (§ 30 Abs. 3 Satz 3 BeamtStG, vgl. darüber hinaus § 30 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 29 Abs. 2, Abs. 6 BeamtStG). Auch wenn die Besoldung mit R 8 unter der B 9-Besoldung liegt und damit die Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 Satz 3 BeamtStG nicht vorliegen, steht es dem Beamten frei, eine geringere Besoldung durch Abgabe einer Bewerbung auf eine solche Stelle und Erklärung seines Einverständnisses zur "Herabstufung" hinzunehmen (BVerwG, Beschl. v. 27.5.2020 - 1 WB 17.19 -, juris Rn. 37). Die Norm bedeutet nicht im Umkehrschluss, dass er sich nur auf Stellen bewerben kann, die dem bisherigen Amt besoldungsrechtlich gleichstehen. Dass auf die Reaktivierung des Beamten durch den früheren Dienstherrn kein Anspruch besteht (Brinktrine/Schollendorf, BeckOK BeamtenR, 29. Ed. 2022, § 30 BeamtStG Rn. 24), schließt die Möglichkeit einer Bewerbung nicht aus. Aus einer bloßen Bewerbung folgt nämlich kein automatisches Recht, bei einer Auswahlentscheidung zum Zuge zu kommen.

Die vom Antragsgegner zitierte Rechtsprechung stützt seine Rechtsauffassung ebenfalls nicht. Diese Entscheidungen beschäftigen sich nicht mit der hier zu beurteilenden Rechtsfrage, ob ein Beamter im einstweiligen Ruhestand bei der Vergabe einer ohne Einschränkungen ausgeschriebenen Stelle als ausgeschlossen anzusehen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 1 und 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 GKG, bemisst sich also nach der Hälfte der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltfähiger Zulagen. Auszugehen ist insoweit von dem im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens maßgeblichen Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe R 8 in Höhe von 11.398,08 EUR. Dementsprechend ergibt sich ein Streitwert in Höhe von 68.388,48 EUR. Eine Halbierung dieses Wertes für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes findet nicht statt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 16.5.2013 - 5 ME 92/13 -, juris Rn. 28). Dies gilt auch in Fällen, in denen eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruches durch Nichteinbeziehung in den Bewerberkreis geltend gemacht wird (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 25.6.2019 - 5 ME 92/19 -, nicht veröffentlicht, u. Beschl. v. 17.2.2023 - 5 ME 128/22 -, juris Rn. 21).