Landgericht Hannover
Urt. v. 29.12.2004, Az.: 23 O 7/04

Bank; Belastungsbuchung; Einzugsermächtigungsverfahren; Genehmigungserklärung; Girokonto; konkludente Genehmigung; konkludente Zustimmung; Kontobelastung; Kreditinstitut; Lastschriftbuchung; laufendes Geschäftskonto; Rechnungsabschluss; stillschweigende Genehmigung; stillschweigende Zustimmung; Verjährungsbeginn; Verjährungsfrist; Widerspruchserklärung; Widerspruchsfrist; Zahlungsverkehrsstelle

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
29.12.2004
Aktenzeichen
23 O 7/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 51072
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streitverkündeten zu 2. zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

1

Die Streitverkündete zu 2. ließ durch Vermittlung ihrer Bank, der Streitverkündeten zu 1., in der Zeit vom 2. Februar 1996 bis zum 6. April 1998 insgesamt 33 Lastschriften im Einzugsermächtigungsverfahren zu Lasten des Kontos der Klägerin Nummer ... bei der Beklagten, seinerzeit firmierend als ..., in Höhe von insgesamt 2.371.500,17 DM einziehen. Wegen der Daten der Belastungen und ihrer Höhe im einzelnen wird auf die Seite 3 der Klageschrift (Blatt 3 d.A.) sowie auf die Anlage B1 Bezug genommen.

2

Bei dem Konto der Klägerin Nummer ... handelte es sich um ein 1994 eingerichtetes laufendes Geschäftskonto der Klägerin, das - wie aufgrund der Übersichten Anlage B1 erkennbar - auch im übrigen in nicht unerheblichem Umfang für Zahlungsvorgänge genutzt wurde. Die Beklagte führte dieses Konto für die Klägerin auch nach dem 6. April 1998 als laufendes Geschäftskonto weiter. Das Konto wurde erst zum 18. Mai 2001 gelöscht.

3

Die Beklagte erteilte der Klägerin auf der Grundlage ihrer, der Beklagten, Allgemeinen Geschäftsbedingungen quartalsweise Rechnungsabschlüsse. Einwendungen gegen die Richtigkeit der Rechnungsabschlüsse erhob die Klägerin bezogen auf den Zeitraum Februar 1996 bis April 1998 - und auch im übrigen - nicht.

4

Am 10. Oktober 2000 erhob die Klägerin Widersprüche gegen die Belastungen ihres Kontos durch die von der Streitverkündeten zu 2. im Zeitraum vom 2. Februar 1996 bis 6. April 1998 veranlaßten Lastschriften.

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Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin die Rückzahlung der Beträge, mit denen die Beklagte das Konto der Klägerin zugunsten der Streitverkündeten zu 2. belastet hat zuzüglich Zinsen, berechnet auf den Tag der Wertstellung der Belastungen und mit einem Zinssatz von 5 %.

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Die Klägerin meint, die Belastungen seien unberechtigt erfolgt. Zu keiner Zeit habe sie der Streitverkündeten zu 2. eine schriftliche Einzugsermächtigung zur Belastung ihres, der Klägerin, Konto bei der Beklagten erteilt. Der Vertriebsvertrag zwischen ihr und der Streitverkündeten zu 2. sei erst - was unstreitig ist - am 17. Februar 1998 geschlossen worden. Den beanstandeten Zahlungsverkehrsvorgängen hätten keine Verbindlichkeiten gegenüber der Streitverkündeten zu 2. zugrunde gelegen.

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Die Klägerin beantragt nach teilweiser Rücknahme der Klage jetzt noch,

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die Beklagte zur Zahlung von 1.405.967,34 Euro nebst Zinsen auf 1.199.746,52 Euro in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2000 zu verurteilen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen und der Klägerin wegen des zurückgenommenen Teils des Streitgegenstands die anteiligen Verfahrenskosten aufzuerlegen.

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Die Streitverkündete zu 2.,

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schließt sich den Anträgen der Beklagten an.

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Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe der Streitverkündeten zu 2. durch die per Telefax übermittelte Erklärung vom 6. November 1996 (Anlage B2) eine Einzugsermächtigung für die streitgegenständlichen Kontobelastungen erteilt.

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Abgesehen davon habe der damalige Geschäftsführer der Klägerin, ..., jede einzelne Kontobelastung in Telefongesprächen gegenüber Mitarbeitern der Beklagten genehmigt.

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Die Klägerin habe den Belastungen ihres Kontos zudem konkludent zugestimmt.

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Die Anzahl der Kontobelastungen, ihre im Vergleich zu den anderen Buchungsvorgängen nicht unerhebliche Höhe im Einzelfall und insgesamt, der lange Zeitraum, über den hinweg die Kontobelastungen erfolgt seien, die nicht erhobenen Einwendungen gegen erteilte Rechnungsabschlüsse und die unbeanstandete Fortführung der Geschäftsbeziehung auch nach der letzten strittigen Belastung sowie der große Zeitraum bis zur Erhebung der Widersprüche könne nur dahin gedeutet und habe von ihr, der Beklagten, nur so verstanden werden können, dass die Klägerin die erfolgten Kontobelastungen genehmige.

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In Höhe eines etwaigen Rückzahlungsanspruchs der Klägerin stünden ihr, der Beklagten, Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin zu, weil ihr, der Beklagten, die bankinterne Rückabwicklung der Zahlungsverkehrsvorgänge zur Streitverkündeten zu 1. wegen des Ablaufs der Widerspruchsfristen verschlossen sei.

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Die Beklagte beruft sich daneben auf die Verjährung der Klageansprüche.

19

Die Streitverkündete zu 2. ist mit umfangreichem Sachvortrag hervorgetreten, aus dem sich ergeben soll, dass die Kontobelastungen mit Zustimmung der Klägerin erfolgt seien und zum Ausgleich bestehender Forderungen gegen die Klägerin und die anderen unter dem Firmennamen ... auftretenden Unternehmen gedient hätten. Zwischen den einzelnen Unternehmen der ... habe ein Zahlungsverbund bestanden.

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Im Rechtsstreit ... Landgericht Hannover hat die Streitverkündete zu 2. die Klägerin vergeblich auf die bankmäßige Wirksamkeit der von ihr, der Streitverkündeten zu 2., veranlaßten Lastschriften, hilfsweise auf Genehmigung der Kontobelastungen in Anspruch genommen. Auf das Urteil der Kammer vom 8. August 2001, das durch das Oberlandesgericht Celle mit Urteil vom 7. März 2003 rechtskräftig bestätigt wurde ... wird Bezug genommen (Anlagen K3 und B4; Beiakten).

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist nicht begründet.

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1. Die von der Klägerin gegen die Beklagte erhobenen Rückforderungsansprüche sind nicht verjährt.

23

Auf die Klageansprüche ist bis zum 31. Dezember 2004 das vor dem 1. Januar 2002 geltende Verjährungsrecht anzuwenden (Artikel 229 § 4 Abs. 2, Abs. 4 EGBGB; §§ 196 Abs. 2, 201, 209 Abs. 1 BGB a.F.; §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1, 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F.).

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Die Fälligkeit der Rückforderungsansprüche wurde erst mit Ausübung des Widerspruchs gegen die Kontobelastungen durch die Klägerin, am 10. Oktober 2000, begründet. Bis dahin lag zwischen den Kontobelastungen und dem Widerspruch kein nach § 201 BGB a.F. zu bestimmender Zeitraum von mehr als vier Jahren. Auch nach Erhebung des Widerspruchs liegt kein Zeitraum von mehr als vier Jahren bis zur Klageerhebung. Die neue - kürzere - Verjährungsfrist endet erst am 31. Dezember 2004.

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2. Selbst wenn man mit der Beklagten in der per Telefax der Streitverkündeten zu 2. übermittelten Erklärung vom 6. November 1996 eine Einzugsermächtigung nicht nur der Firma ..., sondern auch der Klägerin sehen sollte, da auch ihr damaliger Geschäftsführer ... die Erklärung neben dem Geschäftsführer der Firma ..., dem jetzigen Geschäftsführer auch der Klägerin, wenn auch auf Briefpapier der Firma ... abgab, so ist die Erklärung jedenfalls nur als summenmäßig begrenzte (320.000,00 DM) und zeitlich befristete (46. bis 48. Kalenderwoche 1996) Ermächtigung zu werten, nicht jedoch als allgemeine Ermächtigung, Lastschriften zu Lasten des Kontos der Klägerin bei der Beklagten einzureichen.

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Unverändert muß deshalb davon ausgegangen werden, dass die Streitverkündete zu 2. die auf das Konto der Klägerin bei der Beklagten bezogenen Lastschriften ohne ausreichende schriftliche Ermächtigung, die für die Nutzung des Lastschriftverfahrens unerläßlich ist, bei ihrer Inkassostelle, der Streitverkündeten zu 1., vorlegte.

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3. Es kann dahinstehen, ob der Beklagten der Beweis gelingen könnte, der vormalige Geschäftsführer der Klägerin habe fernmündlich gegenüber wechselnden Mitarbeitern der Beklagten vor oder unmittelbar nach jeder Kontobelastung wegen der Lastschriften zugunsten der Streitverkündeten zu 2. sein ausdrückliches Einverständnis erteilt.

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Denn auch unabhängig davon liegen eine solche Fülle unstreitiger tatsächlicher Umstände vor, dass jedenfalls in der Gesamtschau nur der sichere Schluß darauf gerechtfertigt ist, der vormalige Geschäftsführer der Klägerin, dessen Verhalten sie sich zurechnen lassen muß, habe die Belastungen des Kontos der Klägerin durch die Beklagte zugunsten der Streitverkündeten zu 2. gebilligt und die Beklagte habe dies - was entscheidend ist - jedenfalls ohne Verstoß gegen bankmäßig begründete Vertragspflichten so werten können.

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a) Schon die Anzahl der einzelnen Kontobelastungen ..., verteilt über einen Zeitraum von 2 Jahren und 3 Monaten, in nicht unerheblicher jeweiliger Höhe (jeweils 5- bis 6-stellig), insbesondere aber der nicht unbeträchtliche Umfang insgesamt (rund 2,3 Millionen D-Mark) lassen es angesichts des Volumens und der Höhe der Kontobewegungen auf dem Konto der Klägerin im übrigen als ausgeschlossen erscheinen, dass die Lastschriften dem vormaligen Geschäftsführer der Klägerin bei seiner laufenden Prüfung der Kontobewegungen entgangen sein könnten. In gut einem Drittel der Belastungsfälle geriet das Geschäftskonto der Klägerin zudem ins Soll, was die Aufmerksamkeit bei der Kontoprüfung durch den Geschäftsführer der Klägerin noch erhöhen mußte, zumal die Beklagte Kontoüberziehungen zwar duldete, ohne jedoch der Klägerin einen namhaften Überziehungskredit eingeräumt zu haben.

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b) Die Klägerin ließ die von der Beklagten erteilten Rechnungsabschlüsse nicht nur während des Belastungszeitraums, also mindestens zehnmal, unwidersprochen, sondern darüber hinaus auch die weiteren - neun - Rechnungsabschlüsse bis zum Widerspruch am 10. Oktober 2000.

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Zwar kommt dem Schweigen auf periodisch erteilte Rechnungsabschlüsse einer Zahlungsverkehrsstelle, selbst wenn dabei auf die Notwendigkeit der Prüfung ausdrücklich hingewiesen und über ein fristgebundenes Widerspruchsrecht informiert wird, auch im kaufmännischen Bankverkehr keine eigenständige rechtsgeschäftliche Qualität, sondern nur eine Verlagerung der Sachvortragsobliegenheiten zu. Der widerspruchslosen Hinnahme kann jedoch indizielle Bedeutung für einen Billigungswillen beigemessen werden, wenn sie von Umständen begleitet ist, die so augenfällig und offensichtlich sind, dass sie vernünftigerweise niemandem entgehen können, so dass der unterlassene Protest nur als Zeichen für eine Zustimmung gewertet werden kann.

32

Ein solcher Fall liegt hier vor. Es erscheint schlechterdings ausgeschlossen, dass Herr ... die vielfachen Kontobelastungen des Kontos der Klägerin mit großem wirtschaftlichen Gewicht zugunsten eines Dritten - der Streitverkündeten zu 2. - über einen langen Zeitraum hinweg kritiklos geschehen läßt, wenn er, der Geschäftsführer, weiß, dass die Klägerin der Streitverkündeten zu 2. nichts schuldet und ihr auch keine rechtlich tragfähige Befugnis zum Zugriff auf das Konto der Klägerin eingeräumt worden ist. Die widerspruchslose Hinnahme der Belastungen durfte die Beklagte als insoweit fremdnützige Zahlungsverkehrsstelle deshalb ohne Verstoß gegen eigene bankvertraglich begründete Sorgfaltspflichten im Verhältnis zur Klägerin als Ausdruck der Genehmigung, nämlich der Ordnungsmäßigkeit und Rechtmäßigkeit der Lastschrifthereingaben durch die Streitverkündete zu 2., werten.

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c) Selbständige indizielle Bedeutung für eine konkludent zum Ausdruck gebrachte Genehmigung der Belastungen ihres Kontos kommt schließlich dem Umstand zu, dass die Klägerin die bankmäßige Geschäftsbeziehung zur Beklagten auch nach der letzten Belastung im April 1998 noch über einen Zeitraum von 2 Jahren und 6 Monaten hinweg (bis Oktober 2000) fortsetzte, ohne die Zugriffe auf ihr Konto durch die Streitverkündete zu 2. gegenüber der Beklagten als unberechtigt zu monieren.

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Wäre der jetzt vertretene Standpunkt der Klägerin richtig, hätte die Klägerin über den vorgenannten Zeitraum hinweg der Beklagten unverändert bankmäßiges Geschäftsvertrauen entgegengebracht, obwohl sich die Beklagte von der Streitverkündeten zu 2. als Werkzeug für einen rechtlich mißbilligten "Griff in fremde Taschen” hatte mißbrauchen lassen. Davon brauchte die Beklagte weder auszugehen noch mußte sie damit rechnen. Die Beklagte durfte vielmehr das tatsächliche Verhalten der Klägerin jedenfalls ihr gegenüber als akzeptiert und damit rechtlich als gebilligt werten (§ 242 BGB).

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d) Aus dem Vorstehenden ergibt sich insgesamt, dass der Klägerin gegenüber der Beklagten die Kompensation der wirtschaftlichen Nachteile aus den Zahlungsverkehrsvorgängen zwischen der Klägerin und der Streitverkündeten zu 2. verschlossen ist.

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4. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob die Beklagte gegenüber der Klägerin einen Schadensersatzanspruch mit Erfolg geltend machen könnte, da ihr die bankinterne Rückgängigmachung der Zahlungsverkehrsvorgänge wegen Ablaufs der bankinternen Widerspruchsfristen nicht mehr möglich sein soll. Es bleibt zweifelhaft, ob sich eine Inkassostelle mit Erfolg auf den Ablauf bankinterner Widerspruchsfristen berufen kann, wenn sie einen Zahlungsempfänger (die Streitverkündete zu 2.) zum Lastschriftverfahren zuläßt und Aufträge von ihm entgegennimmt, die ohne ausreichende Dokumentengrundlage zum Einzug im Lastschriftverfahren eingereicht werden.

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5. Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist es unerheblich, ob die Streitverkündete zu 2. Forderungen gegen die Klägerin hatte, die durch die Zahlungsmittel erfüllt worden sind, die zu Lasten der Klägerin im Wege des Bankeinzugs mittels Lastschriftverfahren im Zeitraum vom 2. Februar 1996 bis zum 6. April 1998 der Streitverkündeten zu 2. wirtschaftlich zugeflossen sind. Es kann deshalb auch offen bleiben, ob zwischen den einzelnen Unternehmen ... seinerzeit ein wechselseitiges Zahlungs- und Verrechnungssystem zur Aufrechterhaltung ausreichender Liquidität im Außenverhältnis bestanden hat.

38

6. Auch der rechtskräftige Abschluß des Rechtsstreits ... Landgericht Hannover gibt keinen Anlaß zu einer anderen Beurteilung und Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits.

39

Denn in jenem Verfahren ist nur ausgesprochen worden, dass die Streitverkündete zu 2. gegenüber der Klägerin kein rechtlich beachtenswertes (Feststellungs-)Interesse darauf hat, dass die Klägerin gegenüber der Beklagten die Belastungen des Kontos ... genehmige oder dass die bankmäßigen Widersprüche der Klägerin gegen die Belastung ihres Kontos bei der Beklagten unwirksam seien. Nur im Verhältnis der (jetzigen) Klägerin zur (jetzigen) Beklagten ist dies relevant und entscheidungserheblich.

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7. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2, 101 Abs. 1 ZPO.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.